Verwaltungsrecht

Plausibilisierung des Gesamturteils bei Herabsetzung dienstlicher Beurteilung

Aktenzeichen  AN 1 K 15.01070

Datum:
21.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
LlbG LlbG Art. 60
GG GG Art. 33 Abs. 2

 

Leitsatz

Bei einer erheblichen Verschlechterung des Gesamturteils der dienstlichen Beurteilung hat die Begründung des Gesamturteils schon in der dienstlichen Beurteilung selbst zu erfolgen (BVerwG BeckRS 2016, 112150). Da die dienstliche Beurteilung und das Überprüfungsverfahren eine Einheit bilden, genügt es, wenn die Plausibilisierung des Gesamturteils in der Überprüfungsentscheidung einer vorgesetzten Stelle erfolgt und ein entsprechender Vermerk auf der dienstlichen Beurteilung angebracht wird. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die periodische dienstliche Beurteilung des Klägers vom 7. Januar 2015 für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2014 und der Bescheid des Ministerialbeauftragten für die Gymnasien in Mittelfranken vom 17. Februar 2015, mit welchem die Einwendungen des Klägers zurückgewiesen wurden und zugleich das Überprüfungsverfahren nach Art. 60 Abs. 2 LlbG i.V.m. Ziffer 4.10 der „Richtlinien für die dienstliche Beurteilung und die Leistungsfeststellung der staatlichen Lehrkräfte sowie der Schulleiterinnen und Schulleiter an Schulen in Bayern (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 7. September 2011 Az. II.5-5 P 4010.2-6.60 919)“ abgeschlossen wurde, sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine erneute Beurteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO analog).
Nach ständiger Rechtsprechung sind dienstliche Beurteilungen von den Verwaltungsgerichten – ihrem Wesen als persönlichkeitsbedingte Werturteile entsprechend – nur beschränkt nachprüfbar (vgl. BVerfG, B.v. 29.5.2002 – 2 BvR 723/99, BayVBl 2002, 697; BVerwG, B.v. 18.6.2009 – 2 B 64.08, BayVBl 2009, 699; U.v. 11.12.2008 – 2 A 7.07, ZBR 2009, 196; U.v. 21.3.2007 – 2 C 2/06, DÖD 2007, 281; U.v. 19.12.2002 – 2 C 31.01, BayVBl 2003, 533; U.v. 13.11.1997 – 2 A 1.97, DVBl 1998, 638; B.v. 17.3.1993 – 2 B 25/93, DVBl 1993, 956; U.v. 27.10.1988 – 2 A 2.87, Buchholz 232.1 § 40 Nr. 12; U.v. 25.6.1980 – 2 C 8/78, BVerwGE 80, 245 ff. = BayVBl 1981, 54 ff.; BayVGH, B.v. 17.3.2011 – 3 ZB 10.1242; B.v. 29.1.1997 – 3 B 95.1662; U.v. 24.11.1993 – 3 B 93.1876).
Allein der Dienstherr bzw. der für ihn handelnde jeweilige Vorgesetzte soll nach dem erkennbaren Sinn der Regelungen über die dienstliche Beurteilung (Art. 54 ff. LlbG) ein persönliches Werturteil darüber abgeben, ob und inwieweit der Beamte den – ebenfalls grundsätzlich vom Dienstherrn zu bestimmenden – zahlreichen fachlichen und persönlichen Anforderungen seines Amtes und seiner Laufbahn entspricht. Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich gegenüber dieser der gesetzlichen Regelung immanenten Beurteilungsermächtigung darauf zu beschränken, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle kann dagegen nicht dazu führen, dass das Gericht die fachliche oder persönliche Beurteilung des Beamten durch den Dienstherrn in vollem Umfange nachvollzieht oder diese gar durch eine eigene Beurteilung ersetzt (vgl. BVerwG, U.v. 26.6.1980 – 2 C 8/78, a.a.O.; BayVGH, B.v. 29.1.1997 – 3 B 95.1662; U.v. 22.5.1985 – 3 B 94 A.1993).
Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Abfassung der dienstlichen Beurteilung erlassen hat, ist vom Gericht zudem zu prüfen, ob diese – den Dienstherrn gegenüber dem Beamten vermittels Art. 3 Abs. 1 GG rechtlich bindenden – Richtlinien eingehalten sind und ob sie selbst mit den gesetzlichen Regelungen, speziell denen des Leistungslaufbahngesetzes über die dienstliche Beurteilung, und auch sonst mit gesetzlichen Vorschriften im Einklang stehen (vgl. BVerwG, U.v. 11.12.2008 – 2 A 7.07, a.a.O.; U.v. 21.3.2007 – 2 C 2/06, a.a.O.; U.v. 19.12.2002 – 2 C 31.01, a.a.O.; U.v. 30.4.1981 – 2 C 8/79, DVBl 1981, 1062).
Vorliegend ist auf die zum Zeitpunkt der Erstellung der Beurteilung (vgl. BayVGH, B.v. 17.3.2011 – 3 ZB 10.1242; U.v. 16.5.2011 – 3 B 10.180) gültige Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 7. September 2011 – Az. II.5-5 P 4010.2 – abzustellen.
Von diesen rechtlichen Gegebenheiten ausgehend hält die angefochtene dienstliche Beurteilung der verwaltungsgerichtlichen Prüfung stand. Sie begegnet weder in verfahrensrechtlicher Hinsicht rechtlichen Bedenken noch ist sie unter materiell-rechtlichen Gesichtspunkten rechtswidrig. Auch steht sie im Einklang mit der oben bezeichneten Beurteilungsrichtlinie vom 7. September 2011, deren Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht der Kläger selbst auch nicht in Frage stellt.
Die angefochtene Beurteilung ist formell rechtmäßig.
Sie wurde durch den Schulleiter des …, Herrn OStD …, als dem gemäß Art. 60 Abs. 1 Satz 1 LlbG i.V.m. Ziff. 4.6.1. der o.g. Beurteilungsrichtlinien zuständigen Beurteiler erstellt. Auch der vierjährige Beurteilungszeitraum entspricht den Vorgaben der Beurteilungsrichtlinien (Ziff. 4.2.1).
Auch materiell-rechtlich unterliegt die angefochtene periodische dienstliche Beurteilung unter Berücksichtigung des eingeschränkten Prüfrahmens des Verwaltungsgerichts keinen rechtlichen Bedenken.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 20. Juni 2016 (3 CE 16.126) unter Hinweis auf die mit Schreiben des Beurteilers vom 11. Februar 2015 und des Ministerialbeauftragten für die Gymnasien in Bayern vom 17. Februar 2015 im Einwendungsverfahren gegen die streitgegenständliche periodische Beurteilung erfolgten Erläuterungen u.a. dargelegt, dass die dem Kläger im Stellenbesetzungsverfahren erteilte Anlassbeurteilung vom 6. August 2015 hinreichend plausibel ist. Aus den Unterrichtsbesuchen (28.11.2011 und 24.2.2014 evangelische Religionslehre; 13.12.2012 Spanisch) und der dort geübten Kritik am Unterricht des Klägers sowie den weiter aufgeführten Konflikten bei der Betreuung von Referendaren als Fachbetreuer lässt sich nachvollziehen, dass die Leistung des Klägers im Vergleich zum vorangegangenen Beurteilungszeitraum abgesunken ist. Davon ist der Bereich der Unterrichtserteilung im Fach evangelische Religionslehre nicht ausgenommen.
Hiervon ausgehend ist auch die den nur um vier Monate längeren Zeitraum bis 31. Dezember 2014 umfassende streitgegenständliche periodische dienstliche Beurteilung nicht zu beanstanden, zumal sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bei seiner Bewertung der Anlassbeurteilung vom 6. August 2014 auf Ausführungen des Dienstherrn zur streitgegenständlichen Regelbeurteilung gestützt hat. Davon abgesehen hat auch der Kläger selbst nicht geltend gemacht, im Zeitraum vom 6. August 2014 bis 31. Dezember 2014 eine zur Höherstufung des Gesamturteils um einen Punkt führende Leistungssteigerung erbracht zu haben. Im Übrigen kann es auf eine abweichende Selbsteinschätzung des Klägers nicht ankommen.
Allerdings hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem zeitlich nach dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 20. Juni 2016 (3 CE 16.126) ergangenen Beschluss vom 21. Dezember 2016 (2 VR 1.16) entschieden, dass im Falle einer erheblichen Verschlechterung des Gesamturteils der dienstlichen Beurteilung die Begründung des Gesamturteils schon in der dienstlichen Beurteilung selbst zu erfolgen habe; anders als etwa bei nachträglich erhobenen Einwänden gegen Einzelbewertungen in der dienstlichen Beurteilung genüge es nicht, das Gesamturteil nachträglich zu plausibilisieren.
Zwar enthält die gegenständliche periodische dienstliche Beurteilung 2014 in ihrer Fassung vom 7. Januar 2015 eine derartige Plausibilisierung der Verschlechterung des Gesamturteils von „Leistung, die die Anforderungen übersteigt, UB“ (Beurteilung 2010) auf „Leistung, die den Anforderungen voll entspricht, VE“ (streitgegenständliche Beurteilung 2014) nicht.
Jedoch wird nach Art. 60 Abs. 2 Satz 1 LlbG die dienstliche Beurteilung von den vorgesetzten Dienstbehörden überprüft. Das nach Abschnitt A Nrn. 4.9 und 4.10 der Beurteilungsrichtlinien vom 7. September 2011 durchzuführende Überprüfungsverfahren ist Bestandteil des Beurteilungsverfahrens, so dass vorliegend die Beurteilung vom 7. Januar 2015 durch den Schulleiter des Klägers und die auf die Einwendungen des Klägers vom 8. Februar 2015 hin ergangene Überprüfungsentscheidung des hierfür zuständigen Ministerialbeauftragten für die Gymnasien in Mittelfranken vom 17. Februar 2015 als Bestandteile einer Beurteilung zu betrachten sind, was auch durch den am 22. Mai 2015 in der streitgegenständlichen Beurteilung angebrachten Prüfvermerk „Einverstanden“ des Ministerialbeauftragten zum Ausdruck kommt. Da die dienstliche Beurteilung und die Überprüfungsentscheidung eine Einheit bilden (BVerwG, Urteil vom 7. Juni 1984 – 2 C 52/82 -, Rn. 13, juris; OVG Lüneburg, B.v. 26. August 2003 – 5 ME 162/03 – NVwZ-RR 204, 197), ist das Beurteilungsverfahren erst mit der Überprüfung durch die vorgesetzte Dienstbehörde abgeschlossen.
Das Schreiben des Ministerialbeauftragten für die Gymnasien in Mittelfranken vom 17. Februar 2015, welches die auf die Einwendungen des Klägers vom 8. Februar 2015 ergangene Stellungnahme des Schulleiters vom 11. Februar 2015 mit einbezieht, enthält aber eine hinreichende Plausibilisierung dafür, weshalb u.a. zentrale Beurteilungsbereiche (z.B. die Ziffern 2.1.1 „Unterrichtsplanung und Unterrichtsgestaltung“ und 2.1.2 „Unterrichtserfolg“) – nur – mit dem Prädikat „VE“ bewertet wurden. Diese Plausibilisierung ist nach dem oben Ausgeführten Bestandteil der vom Kläger angegriffenen periodischen dienstlichen Beurteilung 2014, so dass diese auch den im o.g. Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Dezember 2016 geforderten Kriterien genügt.
Soweit das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 21. Dezember 2016 (a.a.O. Rn. 39 ff.) darüber hinaus davon ausgeht, dass auch eine Begründung der Gewichtung der Einzelmerkmale in der dienstlichen Beurteilung selbst erfolgen muss, ergibt sich nichts anderes.
Diese Begründung war im Einzelfall nämlich entbehrlich, weil im konkreten Fall eine andere Note nicht in Betracht kam (vergleichbar BVerwG, a.a.O., Rn. 42). Dies ergibt sich daraus, dass der Kläger hinsichtlich der nach Ziffer 2.3.3. Abs. 2 der Beurteilungsrichtlinie besonders zu berücksichtigenden Einzelmerkmalen „Unterrichtsplanung und Unterrichtsgestaltung”, „Unterrichtserfolg” und „Erzieherisches Wirken” jeweils mit „VE“ beurteilt wurde und darüber hinaus eine hinreichende Plausibilisierung erfolgt ist, weshalb von einer Verschlechterung des Urteils auszugehen sei. Aus Sicht der Kammer käme es hier einer bloßen Förmelei gleich, darüber hinaus noch eine Erläuterung über die Gewichtung der Einzelmerkmale zu verlangen.
Demnach war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung war nicht nach §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
Die von Klägerseite aufgeworfene Frage der fehlenden Begründung der Herabstufung des Gesamturteils im Vergleich zur vorangegangenen periodischen dienstlichen Beurteilung 2010 ist geklärt, da die Überprüfungsentscheidung eine derartige Begründung enthält und, wie oben ausgeführt, dienstliche Beurteilung und Überprüfungsentscheidung eine Einheit bilden.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben