Verwaltungsrecht

Polizeiliche Gefährderansprache

Aktenzeichen  M 7 K 18.5065

Datum:
18.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 5093
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 43 Abs. 1
StGB § 123, § 185, § 238, § 240
BayPAG Art. 4, Art. 11
BGB § 839

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage bleibt ohne Erfolg, da sie unzulässig ist.
Zwar ist die Klage als allgemeine Feststellungsklage im Sinne von § 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO als statthaft anzusehen, dem Kläger fehlt jedoch das für die Zulässigkeit der Klage erforderliche berechtigte Feststellungsinteresse.
Zunächst ist wohl davon auszugehen, dass im Rahmen der beiden Telefonate durch einen Beamten der Polizeiinspektion W. gegenüber dem Kläger noch kein Kontaktverbot im Sinne eines verbindlichen Verbots mit Regelungscharakter ausgesprochen wurde, obwohl in dem schriftlichen Klagevorbringen teilweise zum Ausdruck kommt, dass der Kläger aus seiner Sicht ein solches angenommen haben könnte.
Die polizeiliche Gefährderansprache enthält im Allgemeinen keine über eine Warnung und Hinweise hinausgehende Regelungswirkung. Sie hat zum Ziel, auf die Willensentschließung des Betroffenen einzuwirken. Ein bestimmtes Verhalten gibt sie diesem aber nicht auf und enthält folglich keine verbindliche Regelung. Somit stellt die polizeiliche Gefährderansprache keinen Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG dar, sondern ist als schlicht-hoheitliches Handeln zu qualifizieren (vgl. VGH BW, U.v. 7.12.2017 – 1 S 2526/16 – juris Rn. 32 m.w.N.; vgl. auch VG Köln, U.v. 20.11.2014 – 20 K 2466/12 – juris Rn. 39; VG Düsseldorf, U.v. 25.10.2018 – 18 K 2340/18 – juris Rn. 20; vgl. auch Hebeler, NVwZ 2001, 1364/1365). Eine Regelung wäre dann anzunehmen, wenn die Maßnahme der Behörde ihrem objektiven Gehalt nach darauf gerichtet ist, eine verbindliche Rechtsfolge zu setzen und Rechte des Betroffenen unmittelbar begründet, geändert, aufgehoben, mit bindender Wirkung festgestellt oder verneint werden. Dies wäre dann der Fall, wenn sich die Gefährderansprache nicht auf warnende Hinweise beschränkt hätte, sondern vielmehr dem Kläger konkret aufgegeben worden wäre, bestimmte Verhaltensweisen zu unterlassen. Ob dies der Fall ist, ist aus der Sicht eines verständigen Empfängers zu beurteilen, d.h. es kommt maßgeblich auf den Empfängerhorizont und nicht auf den Erklärungswillen der Behörde an (vgl. OVG LSA, U.v. 21.3.2012 – 3 L 341/11 – juris Rn. 30). Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung zuletzt persönlich vorgetragen hat, der Polizeibeamte habe zu ihm gesagt, dass er ihm versprechen müsse, dass er Frau K. und Frau M. nicht nahekommen werde, und ansonsten weitere Maßnahmen erfolgen würden, wie etwa, dass der Kläger eine eidesstattliche Erklärung abgeben müsse, lässt dies die Annahme zu, dass sich die Gefährderansprache auf hinweisende, empfehlende und warnende Elemente beschränkt hat, ohne ein Unterlassen der Kontaktaufnahme zu den genannten Personen bereits rechtsverbindlich vorzugeben (vgl. hierzu auch Hebeler, NVwZ 2001, 1364/1365; vgl. auch Lisken/ Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, S. 541).
Eine weitere diesbezügliche Sachverhaltsaufklärung war nicht veranlasst, denn die Klage wäre auch bei Annahme des Vorliegens eines Verwaltungsakts infolge der Versäumung der Klagefrist unzulässig. Da es sich bei einem Kontaktverbot nicht um einen sich typischerweise kurzfristig erledigenden Verwaltungsakt handelt, bei dem Rechtsschutz nur nachträglich erlangt werden könnte, wäre hiergegen eine Anfechtungsklage spätestens innerhalb der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO zu erheben gewesen. Diese Frist hätte der Kläger mit der Klageerhebung erst über zwei Jahre nach den Telefongesprächen jedoch nicht eingehalten.
Bei der Annahme schlicht-hoheitlichen Handelns ist die allgemeine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft.
Mit einer Feststellungsklage nach dieser Vorschrift kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Mit der Gefährderansprache ist zwischen dem Kläger und dem Beklagten eine Rechtsbeziehung entstanden, die ein konkretes und streitiges, mithin feststellungsfähiges Rechtsverhältnis bildet (vgl. VGH BW, U.v. 7.12.2017 – 1 S 2526/16 – juris Rn. 33). Ein Eingriff in den Schutzbereich eines Grundrechts setzt kein Handeln durch Verwaltungsakt voraus, sondern ist auch bei polizeilichem Handeln sonstiger Art denkbar. Ebenso ist nicht erforderlich, dass durch das polizeiliche Handeln ein Verhalten ausdrücklich verboten wird. Ausreichend für die Annahme, eine staatliche Maßnahme berühre den Schutzbereich eines Grundrechts, kann vielmehr auch dessen faktische oder mittelbare Wirkung sein. Maßgeblich für die Qualifikation einer solchen Maßnahme ist in diesem Fall nicht, ob ein bestimmtes, vom Betroffenen in Betracht gezogenes Handeln rechtlich noch zulässig ist, sondern ob die staatliche Maßnahme auf den Betroffenen in der Weise wirken soll, dass dessen Entscheidungsspielraum faktisch eingeschränkt wird. Mit der Gefährderansprache wird in den Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG eingegriffen. Beabsichtigte Wirkung einer Gefährderansprache ist, dass der Betroffene vernünftigerweise keinen anderen Entschluss mehr treffen kann, als der Empfehlung Folge zu leisten. Dieser auffordernde Charakter entspricht der Intention der Ansprache; sie soll gerade so nachdrücklich hervortreten, dass das gewünschte Ergebnis in der Form eintritt, dass eine, von der Polizei als potentiell gefährlich beurteilte Handlung unterlassen wird. Der mit der Ansprache verbundene Einschüchterungs- und Abschreckungseffekt soll dazu genutzt werden, auf die Entschließungsfreiheit einzuwirken (vgl. VGH BW, U.v. 7.12.2017 – 1 S 2526/16 – juris Rn. 33 m.w.N.). Dabei ist auch davon auszugehen, dass sich die Maßnahme mit ihrer Durchführung erledigt hat (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 25.10.2018 – 18 K 2340/18 – juris Rn. 21).
Der Kläger hat jedoch kein schutzwürdiges rechtliches Interesse im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO an der nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Gefährderansprache.
Für ein berechtigtes Interesse im Sinn eines Feststellungs- bzw. (auch) Fortsetzungsfeststellungsinteresses (in Bezug auf Verwaltungsakte) ist grundsätzlich jedes nach vernünftigen Erwägungen nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art ausreichend (vgl. BVerwG, U.v. 12.9.1989 – 1 C 40.88 – juris Rn. 10; BVerwG, B.v. 11.11.2009 – 6 B 22.09 – juris Rn. 4). Nach der Rechtsprechung kann sich ein solches Interesse insbesondere aus den Gesichtspunkten der konkreten Wiederholungsgefahr, der Rehabilitierung, der schwerwiegenden Grundrechtsbeeinträchtigung sowie der Präjudizwirkung für einen beabsichtigten Schadensersatzanspruch ergeben. Die gerichtliche Feststellung muss geeignet sein, die betroffene Position des Klägers zu verbessern (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 2 C 27.15 – juris Rn. 3; U.v. 16.5.2013 – 8 C 14.12 – juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 7.3.2018 – 3 BV 16.2040 – juris Rn. 28). Dabei obliegt es dem jeweiligen Kläger, die Umstände darzulegen, aus denen sich sein Feststellungsinteresse ergibt (vgl. BVerwG, U.v. 17.12.1991 – 1 C 42.90 – juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 12.5.2015 – 10 ZB 13.632).
Der Kläger beruft sich hier maßgeblich auf das Vorliegen eines Rehabilitierungsinteresses, welches im konkreten Fall jedoch als maßgeblicher Gesichtspunkt für die Annahme eines schutzwürdigen Feststellungsinteresses nicht ausreicht.
Ein hinreichendes Feststellungsinteresse ist dann anzunehmen, wenn ein Rehabilitierungsinteresse bei vernünftiger Würdigung der Umstände des Einzelfalls als schutzwürdig zu erachten ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 23. Auflage 2017, § 113 Rn. 142). Dies ist der Fall, wenn die begehrte Feststellung, dass der angegriffene Verwaltungsakt – bzw. hier das schlicht-hoheitliche Handeln – rechtswidrig war, als „Genugtuung“ und/oder zur Rehabilitierung erforderlich ist, weil der Verwaltungsakt (bzw. das schlicht-hoheitliche Handeln) diskriminierenden Charakter hatte und sich aus ihm eine objektive Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen ergeben hat (vgl. BVerwG, B.v. 4.10.2006 – 6 B 64.06 – juris Rn. 10). Die objektive Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts muss dabei geeignet sein, das Ansehen des Klägers in der Öffentlichkeit oder in seinem sozialen Umfeld herabzusetzen und in der Gegenwart noch fortbestehen (vgl. BayVGH, B.v. 12.5.2015 – 10 ZB 13.629 – juris Rn. 13 m.w.N.). Ein Rehabilitierungsinteresse besteht nur dann, wenn der Kläger durch den Verwaltungsakt (bzw. das schlicht-hoheitliche Handeln) selbst, seine Begründung oder die Umstände seines Zustandekommens noch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in seiner Menschenwürde, seinem Persönlichkeitsrecht oder in seinen beruflichen oder gesellschaftlichen Ansehen objektiv erheblich beeinträchtigt ist und die abträglichen Nachwirkungen des erledigten Verwaltungsakts (bzw. des schlicht-hoheitlichen Handelns) nur durch eine gerichtliche Sachentscheidung ausgeglichen werden können (vgl. BayVGH, U.v. 10.7.2018 – 10 BV 17.2405 – juris Rn. 28 m.w.N.). Ein bloß ideelles Interesse an der endgültigen Klärung der Rechtmäßigkeit eines erledigten Verwaltungshandelns ohne Rücksicht darauf, ob abträgliche Nachwirkungen dieses Handelns fortbestehen, denen durch eine gerichtliche Sachentscheidung wirksam begegnet werden könnte, reicht demgegenüber für die Annahme eines schutzwürdigen Rehabilitierungsinteresses nicht aus (vgl. BVerwG, U.v. 19.3.1992 – 5 C 44.87 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 10.10.2012 – 10 ZB 12.1445 – juris Rn. 6). Allein das Interesse, nachträglich eine Bestätigung der eigenen Rechtsansicht zu erlangen, das beeinträchtigte Rechtsgefühl und der Wunsch nach Genugtuung rechtfertigen demnach ein solches Interesse nicht (vgl. BayVGH, U.v. 10.7.2018 – 10 BV 17.2405 – juris Rn. 28 m.w.N.).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist im Fall des Klägers ein anerkennenswertes Rehabilitierungsinteresse nicht anzunehmen.
So ist die Gefährderansprache hier ausschließlich telefonisch – und damit ohne jeglichen Öffentlichkeitsbezug – erfolgt, so dass sie per se auch nicht geeignet war, das Ansehen des Klägers – in der Gegenwart noch fortbestehend – in der Öffentlichkeit oder in seinem sozialen Umfeld herabzusetzen (vgl. im konkreten Zusammenhang mit einer Gefährderansprache auch Hebeler, NVwZ 2011, 1364/1365: stigmatisierende Wirkung der Ansprache, insbesondere wenn diese einer Mehrzahl von Personen bekannt wird; so auch VGH BW, U.v. 7.12.2017 – 1 S 2526/16 – juris Rn. 33: Durchführung der Gefährderansprache wurde im selben Haus wohnenden Nachbarn bekannt).
Soweit davon auszugehen ist, dass Frau M. Kenntnis von dem Umstand hat, dass gegenüber dem Kläger eine Gefährderansprache erfolgt ist, handelt es sich bei ihr um die Betroffene in Bezug auf die Aktivitäten des Klägers und nicht um Öffentlichkeit oder sein soziales Umfeld. Zudem ist nicht davon auszugehen, dass in Anbetracht des Gesamtverhaltens des Klägers gerade der Umstand der erfolgten Gefährderansprache geeignet gewesen wäre, das Ansehen des Klägers bei ihr herabzusetzen. Soweit der Kläger vorträgt, Frau M. könnte jederzeit behaupten, dass mit dem Kläger eine Gefährderansprache durchgeführt worden sei, und diese Informationen könnten dann Bekannte des Klägers schnell erreichen oder hätten es mittlerweile schon, handelt es sich lediglich um unsubstantiierte Vermutungen. Zudem bestehen auch angesichts der konkreten Art und Weise der Kontaktaufnahme zu Frau M., wie sie in den Schreiben des Klägers zum Ausdruck kommt, keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es überhaupt einen gegenwärtig aktiven gemeinsamen Bekanntenkreis des Klägers und Frau M. gibt. Dass es tatsächlich insoweit zu abträglichen Auswirkungen auf den Kläger gekommen wäre, wurde nicht dargelegt (vgl. hierzu auch VG München, U.v. 7.3.2018 – M 7 K 16.4201 – juris Rn. 22). Auch der Umstand, dass die Klageerhebung erst weit – über zwei Jahre – nach der Gefährderansprache erfolgt ist, spricht gegen das Bestehen eines berechtigten Rehabilitierungsinteresses des Klägers. Im Falle des Fortbestehens abträglicher Nachwirkungen des polizeilichen Handelns wäre vielmehr davon auszugehen gewesen, dass der Kläger zeitnah um gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht hätte. Im Übrigen drängt sich in diesem Zusammenhang – ohne dass es für die Entscheidung darauf ankäme – der Eindruck auf, dass das Klageverfahren (jedenfalls auch) dazu dienen sollte, weitere Informationen über bzw. von Frau M. zu erhalten.
Ein schützenswertes Feststellungsinteresse folgt hier auch nicht aus der Fallgruppe der Wiederholungsgefahr, auf die sich der Kläger im Übrigen auch selbst nicht beruft.
Erforderlich ist hierfür eine hinreichend bestimmte Gefahr, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut eine gleichartige Maßnahme ergehen wird. Ist ungewiss, ob in Zukunft noch einmal die gleichen tatsächlichen Verhältnisse eintreten wie im Zeitpunkt der betreffenden Maßnahme, so kann ein Feststellungsinteresse nicht aus einer Wiederholungsgefahr hergeleitet werden (vgl. BayVGH, B.v. 12.5.2015 – 10 ZB 13.629 – juris Rn. 8 m.w.N.). Eine solch hinreichend bestimmte Gefahr ist im konkreten Fall jedoch nicht ersichtlich. Hierbei sind zum einen die Einlassungen des Klägers zum Nichtbestehen einer von ihm ausgehenden Gefahr zu berücksichtigen, zum anderen der lange Zeitablauf sowie weiterhin insbesondere auch der Umstand, dass im Falle erneuter gefahrenträchtiger Handlungen des Klägers eine veränderte Sachlage vorläge.
Das erforderliche berechtigte Feststellungsinteresse ergibt sich hier auch nicht deshalb, weil die Gefährderansprache mit einem tiefgreifenden Grundrechtseingriff im Sinne der Rechtsprechung (vgl. etwa BVerwG, U.v. 16.5.2013 – 8 C 38.12 – juris Rn. 18 ff.; BayVGH, B.v. 13.3.2017 – 10 ZB 16.965 – juris Rn. 8 ff.) verbunden gewesen wäre. Von besonderem Gewicht sind insbesondere Grundrechtseingriffe, die das Grundgesetz selbst unter Richtervorbehalt gestellt hat (z.B. BVerfG, B.v. 5.7.2013 – 2 BvR 370/13 – juris Rn. 19: Wohnungsdurchsuchung) oder die besonders sensible Rechtsgüter wie die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) oder die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG; BVerfG, B.v. 5.12.2001 – 2 BvR 527/99 – juris: Abschiebungshaft) tangieren. Eine vergleichbare Grundrechtsbetroffenheit ist im vorliegenden Fall jedoch deutlich nicht gegeben.
Vermag das hier streitgegenständliche polizeiliche Handeln aber schon keinen gewichtigen Eingriff in ein Grundrecht des Klägers zu begründen, kommt es nicht mehr darauf an, dass es sich möglicherweise um einen Eingriffsakt handeln könnte, der wegen seiner typischerweise kurzfristigen Erledigung kaum einer gerichtlichen Entscheidung zugeführt werden kann (vgl. BVerfG, B.v. 6.7.2016 – 1 BvR 1705/15 – juris Rn. 11, 14; B.v. 13.3.2017 – 1 BvR 563/12 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 13.3.2017 – 10 ZB 16.965 – juris Rn. 10). Eine Annahme, dass ein Feststellungsinteresse bei derartigen polizeiliche Maßnahmen grundsätzlich zu bejahen sei, weil sich diese typischerweise vor Klageerhebung erledigen und Rechtsschutz somit niemals zu erlangen wäre, würde übersehen, dass bei einer solchen Betrachtung angesichts des umfassenden Schutzes der Rechtssphäre des Bürgers durch die Grundrechte – letztlich durch Art. 2 Abs. 1 GG – das Kriterium des berechtigten Interesses praktisch leerlaufen würde und damit jede noch so geringfügige erledigte Polizeimaßnahme Gegenstand einer zulässigen Fortsetzungsfeststellungsklage sein könnte. Das Erfordernis einer typischerweise vor Erlangung von Rechtsschutz eintretenden Erledigung hat dementsprechend eine den Anwendungsbereich des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO einengende Funktion, die es ausschließt, ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse allein wegen der Schwere des erledigten Eingriffs in ein Grundrecht anzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 13.3.2017 – 10 ZB 16.965 – juris Rn. 10 unter Hinweis auf BVerwG, U.v. 16.5.2013 – 8 C 38.12 – juris Rn. 27). Eine beanspruchte Ausweitung dieser von der Rechtsprechung ausgestalteten Fallgruppe des besonderen Rechtsschutzinteresses wäre mit seiner prozessrechtlichen Funktion, eine Fortsetzungsfeststellungsklage nur in bestimmten Fällen zuzulassen, nicht vereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 13.3.2017 – 10 ZB 16.965 – juris Rn. 10; vgl. auch OVG SH, U.v. 25.1.2018 – 4 LB 36/17 – juris Rn. 32). Die Konsequenz, dass nicht jede polizeiliche Maßnahme einer gerichtlichen Klärung zugeführt werden kann, ist hinzunehmen. Dies ist im Bereich des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO dem Rechtsschutzsystem der Verwaltungsgerichtsordnung immanent. In den Fällen der polizeilichen Maßnahmen ist es im Hinblick auf die von der Verfassung gebotenen rechtsstaatlichen Kontrollmöglichkeit ausreichend, die Fortsetzungsfeststellungsklage in den von der Rechtsprechung etablierten Fallgruppen und darüber hinaus in den Fällen von geltend gemachten Grundrechtseingriffen von erheblichem Gewicht zu eröffnen (vgl. OVG SH, U.v. 25.1.2018 a.a.O.).
Ein begründetes Feststellungsinteresse folgt schließlich auch nicht aus der Fallgruppe der Präjudizialität. Nach dieser Fallgruppe besteht ein solches Interesse, wenn die Feststellung für die Geltendmachung von Ansprüchen aus Amtshaftung nach Art. 34 GG, § 839 BGB oder von sonstigen Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüchen erheblich ist und ein entsprechender Prozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten und nicht offensichtlich aussichtslos ist (vgl. BVerwG, U.v. 28.8.1987 – 4 C 31.86 – juris Rn. 13 m.w.N.). Hierfür bestehen jedoch vorliegend keine hinreichenden Anhaltspunkte und wurden von Seiten des Klägers auch nicht vorgebracht.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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