Verwaltungsrecht

Popularklage, Beschwerde, Schuljahr, Verletzung, Normenkontrolle, Religionsfreiheit, Islam, Religion, Lehrer, Ablehnung, Religionsunterricht, Landtag, Lehramt, Antragsteller, Sinn und Zweck, gesetzliche Regelung, legitimes Ziel

Aktenzeichen  Vf. 42-VII-21

Datum:
28.6.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 15307
Gerichtsart:
VerfGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verfassungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

1. Mangels ausreichend substanziierter Grundrechtsrügen unzulässige Popularklage gegen die Regelungen zur Einführung des Islamischen Unterrichts ab dem Schuljahr 2021/2022 (Art. 47 Abs. 1 und 3 BayEUG).
2. Annahmen über einen mutmaßlichen Verwaltungsvollzug, die weder im Gesetzeswortlaut noch in der Gesetzesbegründung eine Stütze finden, sind nicht geeignet, einen Grundrechtsverstoß durch die angegriffene Norm selbst darzulegen.

Tenor

Der Antrag wird abgewiesen.

Gründe

I.
Gegenstand der Popularklage ist Art. 47 Abs. 1 und 3 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl S. 414, 632, BayRS 2230-1-1-K), das zuletzt durch Gesetz vom 23. Juli 2021 (GVBl S. 432, im Folgenden: Änderungsgesetz) und – ohne weitere sachliche Änderung – durch Art. 32 a Abs. 16 des Gesetzes vom 10. Mai 2022 (GVBl S. 182) geändert worden ist.
1. Durch das am 1. August 2021 in Kraft getretene Änderungsgesetz wurde Schülerinnen und Schülern, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, ab dem Schuljahr 2021/2022 die Wahlmöglichkeit eröffnet, entweder den Ethikunterricht oder den Islamischen Unterricht zu besuchen. Nach der bis dahin geltenden alten Fassung des Art. 47 Abs. 1 BayEUG war für alle nicht am Religionsunterricht teilnehmenden Schülerinnen und Schüler der Ethikunterricht Pflichtfach.
Art. 47 BayEUG lautet in der mit der Popularklage angegriffenen neuen Fassung wie folgt:
„Art. 47
Ethikunterricht, Islamischer Unterricht
(1) Schülerinnen und Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, sind verpflichtet, am Ethikunterricht oder am Islamischen Unterricht teilzunehmen.“
(2) 1Der Ethikunterricht dient der Erziehung der Schülerinnen und Schüler zu werteinsichtigem Urteilen und Handeln. 2Sein Inhalt orientiert sich an den sittlichen Grundsätzen, wie sie in der Verfassung und im Grundgesetz niedergelegt sind. 3Im Übrigen berücksichtigt er die Pluralität der Bekenntnisse und Weltanschauungen.
(3) 1Abs. 2 gilt entsprechend für den Islamischen Unterricht. 2Dieser vermittelt zugleich Wissen über die Weltreligion Islam und behandelt sie in interkultureller Sicht.
2. Seit 1987 war im Rahmen des Muttersprachlichen Ergänzungsunterrichts für muslimische türkische Schülerinnen und Schüler ein konfessionell ausgerichteter Unterricht über den Islam angeboten worden („Religiöse Unterweisung türkischer Schüler muslimischen Glaubens in türkischer Sprache – ISUT“), der seit 2001 auch auf Deutsch abgehalten wurde („Islamische Unterweisung in deutscher Sprache – ISUD“). Daneben gab es seit 2003 den – ebenfalls konfessionell konzipierten – „Islamunterricht nach dem Erlanger Modell“. Von 2009 bis 2019 wurde im Rahmen eines Modellversuchs ein neu konzipierter „Islamischer Unterricht“ erprobt (vgl. Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 15.1.2010, KWMBl S. 38), der an die Stelle der anderen Angebote trat. Nach einer Übergangszeit von zwei Schuljahren, um die der Modellversuch anschließend verlängert wurde, wurde er ab dem Schuljahr 2021/2022 in veränderter Form in ein reguläres Unterrichtsfach (Wahlpflichtfach) übergeleitet (vgl. zum Ganzen LT-Drs. 18/15059 S. 3; VerfGH vom 26.8.2021 – Vf. 43-VIII-21 – juris Rn. 6, auszugsweise abgedruckt in BayVBl 2022, 9).
II.
Mit ihrer am 7. Juli 2021 eingegangenen, durch Schriftsätze vom 21. Juli, 1. September, 12. und 19. November 2021 sowie 12. Mai 2022 ergänzten Popularklage beantragen die Antragsteller die Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Art. 47 Abs. 1 und 3 BayEUG. Hierzu machen sie im Wesentlichen geltend:
In der Begründung des Gesetzentwurfs des Änderungsgesetzes sei festgehalten (LT-Drs. 18/15059 S. 4), dass der Islamische Unterricht nicht als Religionsunterricht im verfassungsrechtlichen Sinn ausgestaltet und der vom Staat allein verantwortete Islamische Unterricht deshalb lediglich als Alternative zum Ethikunterricht konzipiert werden könne. Der Gesetzesbegründung sei aber auch zu entnehmen, dass das Gesetz der normativen Umsetzung und Verstetigung des Modellversuchs „Islamischer Unterricht“ diene. Aus den Ausführungen in dem Gesetzentwurf zu den Kosten (LT-Drs. 18/15059 S. 1) sei zu schließen, dass der Islamische Unterricht mit denselben Lehrkräften wie im Modellversuch fortgesetzt werden solle.
In dem Modellversuch seien Lehrpläne verwendet worden, die auf dem sog. „Erlanger Lehrplan“ fußten und zu großen Teilen aus der Vermittlung von Glaubenswahrheiten und der Wertebildung auf Basis dieser Glaubenswahrheiten bestünden. Die Modellversuchs-Lehrpläne stellten inhaltlich Lehrpläne für einen islamischen Religionsunterricht dar, es seien keine signifikanten Differenzen gegenüber konfessionellen christlichen Lehrplänen zu erkennen. Bei den neuen Lehrplänen für den Islamischen Unterricht verhalte es sich genauso wie beim früheren Modellversuch. Die Lehrpläne seien als nahezu identisches Abbild der Lehrpläne für katholischen und evangelischen Religionsunterricht einzustufen – lediglich mit anderen Glaubenswahrheiten und Werten. Weder der Lehrplan Oktober 2020 noch der von diesem nur geringfügig abweichende Lehrplan September 2021 erfüllten die verfassungsrechtlichen Vorgaben, da sie inhaltlich einer Religionslehre und keiner Islamkunde entsprächen. Eine hochpolitische Gesetzesänderung wie die vorliegende zu beschließen, ergebe nur Sinn, wenn die Gesetzesänderung und die Vorgaben für die Umsetzung der Lehrpläne untrennbar miteinander verknüpft seien.
Schon bei der Erstellung der Modellversuchspläne habe der Staat in zweifacher Weise gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben verstoßen. Zum einen habe er von den konkurrierenden islamischen Verbänden, Vereinigungen und Vertretern diejenigen ausgewählt, die ihm am ehesten für die Auswahl der Inhalte des islamischen Unterrichts geeignet erschienen. Zum anderen habe der Staat anschließend durch Annahme und Ablehnung der vorgeschlagenen Glaubenswahrheiten maßgeblich die zu vermittelnden Inhalte bestimmt. Über die Inhalte ihres Glaubens hätten Muslime bzw. die verschiedenen islamischen Strömungen jedoch selbst zu befinden. Die Glaubensinhalte unterlägen dem Schutz der Religionsfreiheit im engen Sinn. Der Staat dürfe nicht seinerseits bestimmte Inhalte als glaubensgemäß deklarieren und präsentieren, insoweit handle es sich um den Kernbestandteil des religionsgemeinschaftlichen Selbstbestimmungsrechts.
Diese Einsicht werde durch die Begründung des Gesetzentwurfs bekräftigt. Danach müsse der neue, vom Staat verantwortete Unterricht entkonfessionalisiert sein und rein islamkundlich. Wie das entkonfessionalisierte Konzept angesichts der Einbettung in das Gesamtgeschehen bewerkstelligt worden sei und wie es künftig gewährleistet werden solle, bleibe jedoch eine unbeantwortete Frage. Es sei unplausibel, dass es sich tatsächlich um ein entkonfessionalisiertes Konzept handle. Diese Zweifel würden durch Formulierungen in der Gesetzesbegründung genährt, denn dort werde die Bruchlosigkeit zwischen dem Modellversuch und dem neuen Fach betont.
Sowohl nach seinem Konzept als auch faktisch handle es sich beim Islamischen Unterricht ersichtlich nur um einen mit einem anderen Namen versehenen bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht. Der ersten Evaluation des Modellversuchs „Islamischer Unterricht“ 2013/14 sei zu entnehmen, dass 90% der Lehrkräfte über das Zertifikat „Islamische Religionslehrer“ verfügten. Der zweiten Evaluation zufolge hätten knapp die Hälfte der im Jahr 2019 unterrichtenden Lehrkräfte einen universitären Abschluss im Fach Islamischer Unterricht von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), 86% hätten an einem Lehrgang zum Islamischen Unterricht an der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung in Dillingen teilgenommen. Beiden Evaluationen zufolge verwendeten die Lehrkräfte vor allem die Lehrbücher „Mein Islambuch“ (Jahrgangsstufen 1 bis 4) und „Saphir“ (Jahrgangsstufen 5 bis 8). Die Konzeption dieser beiden Bücher unterscheide sich nicht von den Büchern, die für diese Jahrgänge im katholischen und evangelischen Religionsunterricht eingesetzt würden. Die „Saphir“-Lehrbücher würden vom Verlag im Titelblatt als „Islamisches Religionsbuch für junge Musliminnen und Muslime“ bezeichnet.
Wenn der Modellversuch Islamischer Unterricht durch die Änderung des Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes mit den Inhalten verstetigt werden solle, die dem Modellversuch entlehnt seien, sei dies ein klarer Verstoß gegen Art. 136 Abs. 2 BV. Der Anspruch der Gesetzesbegründung, es handle sich um ein entkonfessionalisiertes Konzept, welches islamkundliche Inhalte mit Wertebildung verbinde, sei nicht eingelöst worden. Vielmehr liege erkennbar ein „Etikettenschwindel“ und damit ein Verstoß gegen das Transparenzgebot und die Rechtsklarheit vor. Es sei nicht klargestellt worden, dass im Unterschied zu dem bekenntnisorientiert angelegten Modellversuch jetzt eindeutig lediglich reine Informationen über den Islam geboten würden und die Teile des Modellversuchs, die Glaubenswahrheiten vermittelten, tatsächlich aufgegeben oder zumindest zur bloßen Information über den Islam abgewandelt worden seien. Als neutrale Religionskunde müsse der Unterricht gegenüber dem früheren Modellversuch ein Aliud sein. Vordergründige oder rein sprachliche Anpassungen reichten nicht aus.
Weil der Staat den in Wirklichkeit konfessionellen Unterricht trage, verletze er das Grundrecht auf Religionsfreiheit von Musliminnen und Muslimen und missachte das Verfassungsprinzip der weltanschaulichen Neutralität des Staates. Der Staat dürfe Glaubenswahrheiten weder vorgeben noch übernehmen noch ablehnen. Diesbezügliche Verfassungsverstöße hätten das Potenzial, die Grundfesten eines demokratischen Staates zu erschüttern, der der weltanschaulichen Neutralität verpflichtet sei.
Es müsse rechtlich klargestellt werden und faktisch möglich sein, dass Unterricht gemäß Art. 47 Abs. 3 BayEUG auch von Lehrkräften mit nicht islamischer Religionszugehörigkeit sowie von Atheisten und Agnostikern erteilt werden dürfe. Dokumente und Belege ließen erkennen, dass von den Lehrkräften nach wie vor Zugehörigkeit zum Islam oder Bindung an ihn erwartet werde. Sollte dies der Fall sein, sei dies verfassungswidrig. Lehrkräfte, die Islamkunde unterrichten wollten, ohne selbst islamgläubig zu sein, hätten zwar ungeachtet derzeitiger Unklarheiten vielleicht theoretisch, keinesfalls aber praktisch eine Chance auf Anstellung. Es sei zu vermuten, dass die für die Anstellung Zuständigen berücksichtigten, dass islamgläubige Eltern ihre Kinder nicht durch „ungläubige“ Lehrkräfte unterrichten lassen würden.
Es bestehe Prüfungsbedarf, ob Art. 47 Abs. 3 BayEUG mit Art. 137 Abs. 2 BV vereinbar sei. Es sei weder kultur- und rechtsgeschichtlich noch systematisch nachvollziehbar, inwiefern auf der Grundlage des Islam die allgemein anerkannten Grundsätze der Sittlichkeit im Sinn dieser Verfassungsbestimmung erläutert werden könnten.
Die Behauptung, der neue Islamische Unterricht sei eine Form von Ethikunterricht, scheitere schon allein aufgrund des Umfangs. Darüber hinaus werde im Ethikunterricht auf Gleichrangigkeit der Religionen Wert gelegt. Beim Unterricht für Schülerinnen und Schüler einer bestimmten Religion erhalte diese Religion einen Vorrang. Dies widerspreche der staatlichen Aufgabe einer konfessionsneutralen Erziehung.
Die Einschätzung, dass Art. 47 BayEUG verfassungswidrig sei, werde durch die Erste Lesung des Gesetzes im Bayerischen Landtag bestätigt. Als wesentliches Argument sei dort vorgetragen worden, durch die Verankerung des Islamischen Unterrichts könne den Lehrkräften eine größere vertragliche Sicherheit gewährt werden. Die beiden weiteren im Landtag vorgebrachten Gründe, Islamischer Unterricht fördere die Integration und wirke dem Besuch der Koranschulen entgegen, könnten durch die 2014 und 2019 durchgeführten Evaluationen nicht belegt werden.
III.
1. Der Bayerische Landtag hält die Popularklage (ohne nähere Ausführungen) für unzulässig, jedenfalls für unbegründet.
2. Nach Ansicht der Bayerischen Staatsregierung in deren Stellungnahme vom 23. August 2021 ist die Zulässigkeit der Popularklage zweifelhaft; jedenfalls sei sie unbegründet.
a) Die Antragsteller rügten keine Verletzung eines Grundrechts der Bayerischen Verfassung durch die angegriffene Norm. Im Antrag finde allein die Religionsfreiheit (Art. 107 BV) Erwähnung. Die hierzu vorgebrachten Rügen bezögen sich auf einen vermeintlichen Eingriff durch bestimmte Lehrpläne einerseits und durch eine unterstellte gesetzwidrige Vollzugspraxis andererseits. Alleiniger Streitgegenstand sei indes Art. 47 BayEUG in der Fassung des Änderungsgesetzes. Den in den Raum gestellten Lehrplänen komme nicht der Charakter von Rechtsvorschriften mit Außenwirkung zu, die der gerichtlichen Normenkontrolle in verwaltungs- oder verfassungsprozessualer Hinsicht zugänglich wären. Die Umsetzung im Lehrplan stelle lediglich den Verwaltungsvollzug der angegriffenen Norm dar.
Selbst ein fehlerhafter Verwaltungsvollzug würde nicht zur Verfassungswidrigkeit der Norm führen. Es müsste dementsprechend erwiesen sein, dass das intendierte Lehrfach unter jeder Art der Umsetzung verfassungswidrig sei. Dies sei jedoch nicht der Fall. Die verfassungskonforme Umsetzung von Art. 47 Abs. 3 BayEUG sei nicht nur im Gesetz grundgelegt und generell möglich, sondern auch konkret beabsichtigt.
Im Übrigen seien die Lehrpläne des Modellversuchs nicht die Lehrpläne des entkonfessionalisierten Islamischen Unterrichts. Auch seien die der Popularklage beigefügten Versionen der Lehrpläne keine genehmigten Lehrpläne. Diese befänden sich noch in der Genehmigungsphase und würden in ihrer finalen Version nicht der vom Oktober 2020 entsprechen.
b) Die Popularklage sei jedenfalls unbegründet, da das angegriffene Gesetz verfassungsgemäß sei.
aa) Der islamische Unterricht gemäß Art. 47 Abs. 3 BayEUG sei nach seinem klaren Gesetzeswortlaut kein staatlich veranstalteter und auch kein von einer Religionsgemeinschaft verantworteter Religionsunterricht, sondern wie der Ethikunterricht gemäß Art. 47 Abs. 2 BayEUG ein Unterricht über die allgemein anerkannten Grundsätze der Sittlichkeit gemäß Art. 137 Abs. 2 BV in der besonderen Form, dass die vorhandene religiös-kulturelle Prägung eines signifikanten Teils der Schülerschaft aufgenommen und von dieser Grundlage aus die allgemein anerkannten Grundsätze der Sittlichkeit erläutert würden. Dieser Ansatz verstoße weder gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Religionsunterricht noch gegen die staatliche Neutralitätspflicht.
bb) Ein Verstoß gegen Art. 136 Abs. 2, Art. 137 Abs. 1 BV liege nicht vor. Religionsunterricht im Sinn dieser Vorschriften sei nur konfessionell gebundener Unterricht, der unter dem Bestimmungsrecht einer Religionsgemeinschaft im Sinn einer Glaubenslehre unterrichtet werde. Im Islamischen Unterricht würden im Gegensatz hierzu die religiösen Grundsätze und Glaubenssätze rein als Religionskunde vermittelt. Die gesamte Argumentation der Antragsteller fuße auf der Unterstellung, dass die – den Weisungen des Gesetzes und der Schulaufsicht unterworfenen – Lehrkräfte des neu konzipierten Islamischen Unterrichts sich nicht an die klare gesetzliche Vorgabe hielten, wonach der Unterricht konfessionsneutral zur Erziehung zu werteinsichtigem Urteilen und Handeln auf Grundlage der in der Bayerischen Verfassung und dem Grundgesetz niedergelegten sittlichen Grundsätze mit religionskundlichen Elementen zu gestalten sei.
Soweit die Antragsteller meinten, aus der Entstehungsgeschichte ableiten zu können, dass der Islamische Unterricht konfessionelle Inhalte habe, trügen sie dem Umstand nicht Rechnung, dass Modellversuche gerade dem Ziel dienten, die Maßgaben auszuloten, nach denen ein zukünftiger Unterricht funktionieren könne. Der vom Gesetzgeber gewählte Ansatz sei gerade eine aus den Erfahrungen aus dem Modellversuch gespeiste Neukonzeption des Unterrichts.
cc) Der Islamische Unterricht gemäß Art. 47 BayEUG stelle auch keine Verletzung des Neutralitätsgebots gemäß Art. 142 Abs. 1, 3 BV und Art. 107 Abs. 1 i. V. m. Art. 118 Abs. 1 BV dar.
Die religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates bedeute keine vollkommene Indifferenz gegenüber religiösen Fragen und keine laizistische Trennung von Staat und Kirche. Der Staat dürfe sich religiös-weltanschauliche Inhalte lediglich nicht derart zu eigen machen, dass er sich mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung identifiziere. Die neutrale Vermittlung von Informationen über eine Religion sei vom staatlichen Erziehungsauftrag gemäß Art. 130 Abs. 1 BV umfasst und berühre nicht die Einrichtung von Religionsunterricht. Dies bedeute freilich keine eigenständige Definitionsmacht des Staates über diese Inhalte, stattdessen seien dem Unterricht die Erkenntnisse der betreffenden Religionswissenschaft zugrunde zu legen. Hierbei unterscheide sich der Islamische Unterricht als alternativer Ersatzunterricht nicht vom Ethikunterricht. Den neuen Lehrplänen des Islamischen Unterrichts werde durchwegs ein religionskundliches, entkonfessionalisiertes Konzept zugrunde gelegt.
dd) Ein Verstoß gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Ethikunterricht sei ebenfalls zu verneinen. Art. 137 Abs. 2 BV lasse sich kein Gebot entnehmen, einen einzigen einheitlichen Ethikunterricht als Ersatzunterricht für alle Schülerinnen und Schüler anzubieten, die nicht am konfessionellen Unterricht teilnehmen.
ee) Art. 47 BayEUG verstoße auch nicht gegen Grundrechte.
(1) Es liege kein Verstoß gegen die kollektive Religionsfreiheit einzelner Gruppen vor. Die neutrale Information über die Religion des Islam könne islamische Verbände – selbst wenn diese die verfassungsrechtlichen Merkmale einer Religionsgemeinschaft erfüllen würden – nicht in ihren Grundrechten oder ihrem Selbstbestimmungsrecht verletzen. Durch sachliche Informationen über Religion werde in den Schutzbereich des Art. 107 Abs. 1 BV nicht eingegriffen.
(2) Selbst wenn man in der Einführung eines Unterrichtsfachs über die allgemein anerkannten Grundsätze der Sittlichkeit gemäß Art. 137 Abs. 2 BV mit explizit islambezogener Perspektive eine relevante Ungleichbehandlung annehmen wollte, wäre diese jedenfalls sachlich gerechtfertigt. Die Integration einer Bevölkerungsgruppe sei ein legitimes Ziel im Rahmen des staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrags. Es erfolgte keine Schlechterstellung derjenigen, die den Islamischen Unterricht nicht besuchten und weiterhin am Ethikunterricht teilnähmen. Es sei insgesamt angemessen, den kulturellen Hintergrund der Schülerschaft bei der Vermittlung der ethischen Werte zu berücksichtigen.
ff) Soweit die Antragsteller einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsgebot in Gestalt der Transparenz und Rechtsklarheit mit der Behauptung begründen wollten, mit dem Islamischen Unterricht werde entgegen der gesetzlichen Grundlage ein konfessioneller Religionsunterricht angeboten, entbehre dies der rechtlichen wie tatsächlichen Grundlage.
IV.
Die Popularklage ist unzulässig.
1. Nach Art. 98 Satz 4 BV hat der Verfassungsgerichtshof Gesetze und Verordnungen für nichtig zu erklären, die ein Grundrecht verfassungswidrig einschränken. Die Verfassungswidrigkeit kann jedermann durch Beschwerde (Popularklage) geltend machen (Art. 55 Abs. 1 Satz 1 VfGHG).
a) Gesetze und Verordnungen im Sinn des Art. 98 Satz 4 BV sind alle Rechtsvorschriften des bayerischen Landesrechts. Zu diesen gehören die angegriffenen Regelungen in Art. 47 Abs. 1 und 3 BayEUG, nicht aber die von den Antragstellern umfangreich vorgelegten und wiedergegebenen Lehrpläne zum Islamischen Unterricht und dem vorangegangenen Modellversuch. Lehrpläne sind keine Rechtsvorschriften im Sinn von Art. 98 Satz 4 BV, Art. 55 Abs. 1 Satz 1 VfGHG, sondern interne Verwaltungsvorschriften, die der inneren Gestaltung des Unterrichts dienen und denen nicht der Charakter von Rechtsvorschriften mit Außenwirkung zukommt (vgl. VerfGH vom 17.5.2006 VerfGHE 59, 63/68; vom 26.8.2021 – Vf. 43-VIII-21 – juris Rn. 61).
b) Die Lehrpläne betreffen allein den Bereich des Normvollzugs durch die Exekutive. Dieser kann selbst dann nicht mit der Popularklage angegriffen werden, wenn die Rechtsvorschrift die Möglichkeit fehlerhafter oder missbräuchlicher Anwendung bietet (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 28.1.2003 VerfGHE 56, 1/4; vom 19.4.2007 VerfGHE 60, 80/95; vom 24.8.2020 BayVBl 2020, 842 Rn. 24; vom 26.8.2021 – Vf. 43-VIII-21 – juris Rn. 61, 79). Dahingestellt bleiben kann daher, inwieweit es sich bei den von den Antragstellern vorgelegten Lehrplänen zum Islamischen Unterricht und zum vorangegangenen Modellversuch um vorläufige oder endgültige Fassungen handelt und inwiefern sich hieraus überhaupt hinreichende Erkenntnisse über die konkrete Gestaltung des Unterrichts nach Art. 47 Abs. 3 BayEUG in der Schulpraxis ableiten lassen. Es ist auch nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs zu überprüfen, ob die Lehrpläne in Einklang mit Art. 47 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 BayEUG stehen.
c) Ebenso wenig sind die von den Antragstellern vorgelegten Lehrbücher, die ebenfalls allein den Normvollzug betreffen, im Rahmen der Popularklage von Relevanz. Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Überprüfung gemäß Art. 98 Satz 4 BV ist nur das Gesetz als solches. Es bedarf daher keiner Feststellungen dazu, inwieweit diese Bücher im durch die angegriffenen Vorschriften neu konzipierten Islamischen Unterricht tatsächlich eingesetzt werden.
2. Dass durch die angegriffene gesetzliche Regelung des Art. 47 Abs. 1 und 3 BayEUG selbst, also nicht nur durch den Normvollzug, ein Grundrecht der Bayerischen Verfassung verfassungswidrig eingeschränkt würde, haben die Antragsteller nicht in zulässiger Weise gerügt.
Zu den prozessualen Voraussetzungen einer Popularklage gehört gemäß Art. 55 Abs. 1 Satz 2 VfGHG, dass der Antragsteller mit einem Mindestmaß an Substanziierung nachvollziehbar darlegen muss, inwiefern die angegriffene Rechtsvorschrift seiner Meinung nach zu einer Grundrechtsnorm der Bayerischen Verfassung in Widerspruch steht. Unzulässig ist die Popularklage, wenn und soweit eine als verletzt bezeichnete Norm der Verfassung kein Grundrecht oder grundrechtsgleiches Recht gewährt. Sie ist weiter unzulässig, wenn zwar ein Grundrecht als verletzt gerügt wird, eine Verletzung der entsprechenden Norm nach Sachlage aber von vornherein nicht möglich ist, weil beispielsweise der Schutzbereich des angeblich verletzten Grundrechts durch die angefochtene Rechtsvorschrift nicht berührt wird. Dabei reicht es nicht aus, wenn ein Antragsteller lediglich behauptet, die angegriffene Rechtsvorschrift verstoße nach seiner Auffassung gegen Grundrechtsnormen der Bayerischen Verfassung. Er muss seinen Vortrag vielmehr so präzisieren, dass der Verfassungsgerichtshof beurteilen kann, ob der Schutzbereich der bezeichneten Grundrechtsnorm berührt ist und eine Grundrechtsverletzung möglich erscheint (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 21.2.1986 VerfGHE 39, 17/21; vom 28.9.2012 VerfGHE 65, 182/185; vom 14.3.2019 BayVBl 2019, 442 Rn. 12; BayVBl 2020, 842 Rn. 20 m. w. N.).
An diesen Zulässigkeitsvoraussetzungen scheitern sämtliche von den Antragstellern vorgebrachten Rügen.
a) In der Popularklage wird mit der Religionsfreiheit (Art. 107 BV) zwar ein Grundrecht der Bayerischen Verfassung als verletzt bezeichnet. Es fehlt aber an der substanziierten und nachvollziehbaren Darlegung der Möglichkeit eines Verstoßes der angegriffenen gesetzlichen Regelung gegen dieses Grundrecht.
aa) Die Antragsteller sehen eine Verletzung des Art. 107 BV darin, dass der Staat durch einen von ihm verantworteten Religionsunterricht Glaubenswahrheiten vorgebe bzw. übernehme und dadurch die Religionsfreiheit von Musliminnen und Muslimen missachte.
Diese Rüge basiert auf der Annahme, bei dem durch Art. 47 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 BayEUG eingeführten Islamischen Unterricht handle es sich um einen bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht. Diese Prämisse, auf der die Popularklage insgesamt maßgeblich beruht, findet jedoch weder im Gesetzestext noch in der Gesetzesbegründung eine Stütze und entspricht daher nicht dem konkreten Inhalt der angegriffenen Norm, der der verfassungsrechtlichen Prüfung zugrunde zu legen ist. Damit haben die Antragsteller bereits nicht in der erforderlichen Weise dargelegt, dass Art. 47 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 BayEUG den Schutzbereich der Religionsfreiheit berührt.
bb) Sowohl nach dem Wortlaut der angegriffenen Regelung als auch nach ihrer systematischen Stellung im Gesetz sowie ihrem Sinn und Zweck ist der Islamische Unterricht kein konfessioneller Religionsunterricht im Sinn des Art. 136 Abs. 2 BV, sondern ein allgemeiner Werteunterricht in Kombination mit Islamkunde als Alternative zum Ethikunterricht gemäß Art. 47 Abs. 1 und 2 BayEUG (vgl. VerfGH vom 26.8.2021 – Vf. 43-VIII-21 – juris Rn. 77).
Religionsunterricht im Sinn von Art. 7 Abs. 3 GG, Art. 136 Abs. 2, Art. 137 Abs. 1 BV ist ein konfessionell gebundener Unterricht, der unter dem Bestimmungsrecht einer Religionsgemeinschaft im Sinn einer Glaubenslehre unterrichtet wird (vgl. BVerfG vom 25.2.1987 BVerfGE 74, 244/252 f.). Die Begründung des Gesetzentwurfs der Staatsregierung (LT-Drs. 18/15059 S. 4) geht davon aus, dass der Islamische Unterricht jedenfalls derzeit nicht als Religionsunterricht im verfassungsrechtlichen Sinn ausgestaltet werden kann (vgl. Holzner, Verfassung des Freistaats Bayern, 2014, Art. 136 Rn. 12). Im Gegensatz zu den Kirchen bzw. Religionsgemeinschaften, die Partner des Staates für den katholischen, evangelischen oder jüdischen Religionsunterricht sind, erfüllt ausweislich der Gesetzesbegründung keine der in Bayern ansässigen islamischen Organisationen vollständig die Merkmale einer Religionsgemeinschaft im rechtlichen Sinn und gehört der Großteil der muslimischen Schülerinnen und Schüler in Bayern keiner solchen Organisation an (vgl. LT-Drs. 18/15059 S. 4). Aus diesem Grund sollen im Islamischen Unterricht die religiösen Grundsätze und Glaubenssätze des Islam als Religionskunde, nicht als Religionslehre vermittelt und durch einen allgemeinen Werteunterricht auf der Grundlage des Grundgesetzes und der Verfassung ergänzt werden, wie sie für den Ethikunterricht in Art. 47 Abs. 2 BayEUG niedergelegt sind (vgl. VerfGH vom 26.8.2021 – Vf. 43-VIII-21 – juris Rn. 78). Die Gesetzesbegründung hebt ausdrücklich hervor, dass es beim Islamischen Unterricht in Bezug auf den Islam um Wissensvermittlung geht, nicht um eine Erziehung zum Glauben, für den der weltanschaulich-religiös neutrale Staat kein Mandat hat (vgl. LT-Drs. 18/15059 S. 5).
cc) Dass der Staat von Verfassungs wegen nicht daran gehindert ist, im Schulunterricht neutrale, religionskundliche Informationen über den Islam zu vermitteln (vgl. de Wall in von der Decken/Günzel, Staat – Religion – Recht, Festschrift für Robbers, 2020, S. 637/641; Kreß, Weltanschauungsrecht Aktuell Nr. 2 vom 28.6.2021, S. 1/5), stellt die Popularklage nicht infrage, sondern geht vielmehr selbst hiervon aus. Die Antragsteller bestreiten lediglich, dass sich der Islamische Unterricht in der Praxis tatsächlich auf solche Inhalte beschränkt, indem sie behaupten, bei der in Art. 47 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 BayEUG normierten entkonfessionalisierten Ausrichtung des Fachs handle es sich um einen „Etikettenschwindel“, der verschleiere, dass es sich in Wahrheit um einen bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht handle. Diese Behauptung lässt sich jedoch – wie bereits dargelegt – weder mit dem eindeutigen Gesetzeswortlaut noch mit der Gesetzesbegründung sowie dem Sinn und Zweck der Regelung in Einklang bringen und ist daher nicht geeignet, die Möglichkeit eines Eingriffs der Norm in den Schutzbereich der Religionsfreiheit in nachvollziehbarer Weise darzulegen.
dd) Entgegen der Auffassung der Popularklage kann ein „Etikettenschwindel“, also eine bewusste Täuschung durch den Gesetzgeber über den „wahren Inhalt“ des Islamischen Unterrichts, insbesondere auch nicht daraus abgeleitet werden, dass in der Begründung des Gesetzesentwurfs der Staatsregierung ausgeführt wird, um die Kontinuität zum Modellversuch auszudrücken, solle das zum Ethikunterricht alternative Fach auch künftig „Islamischer Unterricht“ heißen (LT-Drs. 18/15059 S. 3). Hierdurch wird – anknüpfend an die Entstehungsgeschichte des Gesetzes – nur zum Ausdruck gebracht, dass das neue Wahlpflichtfach aus den Erfahrungen des Modellversuchs hervorgegangen ist, nicht aber, dass es sich dabei um staatlichen Religionsunterricht handelt. Die Gesetzesbegründung betont vielmehr unmissverständlich, dass die Überführung in ein reguläres Unterrichtsfach in veränderter Form erfolgt, nämlich als entkonfessionalisiertes Konzept, welches islamkundliche Inhalte mit wertbildenden Lerninhalten verknüpft (vgl. LT-Drs. 18/15059 S. 3 und 4).
ee) Ebenso wenig sind die Ausführungen in der Popularklage, die sich auf die für den Islamischen Unterricht eingesetzten Lehrkräfte beziehen und ebenfalls einen „Etikettenschwindel“ belegen sollen, geeignet, einen Verfassungsverstoß des Art. 47 Abs. 1 und 3 BayEUG darzulegen.
Allein aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass der Islamische Unterricht (auch) durch Lehrkräfte unterrichtet wird, die bereits vor der Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen im Rahmen des Modellversuchs eingesetzt waren, lässt sich nicht der Schluss ziehen, entgegen dem Gesetzeswortlaut und der Gesetzesbegründung habe „in Wahrheit“ ein bekenntnisorientierter islamischer Religionsunterricht eingeführt werden sollen. Es ist weder substanziiert vorgetragen noch sonst ersichtlich, weshalb Lehrkräfte, die bereits im Rahmen des Modellversuchs unterrichtet haben, nicht in der Lage sein sollten, den Unterricht entsprechend den neu geschaffenen gesetzlichen Vorgaben des Art. 47 Abs. 1 und 3 BayEUG zu gestalten, also als allgemeinen Werteunterricht, der mit Islamkunde kombiniert ist.
Die bloße Mutmaßung der Antragsteller, es werde von Lehrkräften des Islamischen Unterrichts nach wie vor Zugehörigkeit zum Islam oder Bindung an ihn erwartet, die Anstellung nicht islamgläubiger Lehrkräfte sei in der Praxis ausgeschlossen, findet im Gesetz keine Stütze. Im Fach Islamischer Unterricht werden ausweislich der Gesetzesbegründung Lehrerinnen und Lehrer eingesetzt, die über die Befähigung zum Lehramt an öffentlichen Schulen oder eine vergleichbare pädagogische Ausbildung verfügen; der Einsatz von Imamen ist ausgeschlossen (vgl. LT-Drs. 18/15059 S. 5). Weshalb der Unterricht gemäß Art. 47 Abs. 1 und 3 BayEUG nicht auch von Atheisten oder Agnostikern erteilt werden dürfte, ist nicht ersichtlich.
ff) Der Sache nach berufen sich die Antragsteller auch in diesem Zusammenhang nicht auf den Norminhalt, sondern allein auf den von ihnen unterstellten Normvollzug durch die Exekutive. Dieser kann aber, wie bereits (unter 1. b)) ausgeführt, nicht zur Verfassungswidrigkeit einer Rechtsvorschrift führen, selbst wenn sie die Möglichkeit fehlerhafter oder missbräuchlicher Anwendung bietet.
b) Der Vortrag der Antragsteller, durch die Einführung des Islamischen Unterrichts als Form des Ethikunterrichts erhalte eine bestimmte Religion in Widerspruch zur staatlichen Aufgabe einer konfessionsneutralen Erziehung einen Vorrang gegenüber anderen Religionen, kann als Rüge eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz gemäß Art. 118 Abs. 1 i. V. m. Art. 107 BV ausgelegt werden. Die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung wird jedoch auch diesbezüglich nicht dargelegt.
Der Gleichheitssatz verbietet, in willkürlicher Weise gleiche Sachverhalte ungleich und ungleiche Sachverhalte gleich zu behandeln (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 19.2.2015 VerfGHE 68, 55 Rn. 30 m. w. N.). Es fehlt aber bereits deshalb an der nachvollziehbaren Darlegung einer willkürlichen Ungleichbehandlung, weil nicht erkennbar ist, dass es sich bei den muslimischen bzw. den keiner oder einer anderen Religion oder Weltanschauung angehörenden Schülerinnen und Schülern um vergleichbare Gruppen bezogen auf die Regelungsmaterie handelte. Schülergruppen, die sich anderen Konfessionen zugehörig fühlen, in denen Religionsunterricht nach Maßgabe des Art. 136 Abs. 2 BV angeboten wird, sind von vornherein nicht vergleichbar, weil ihnen dieser Religionsunterricht offensteht. Schülergruppen, die anderen religiös-kulturellen Hintergründen zuzuordnen sind, sind nicht vergleichbar, weil sie von ihrer jeweiligen Größe weit hinter der Gruppe aus dem islamischen Kulturraum zurückbleiben. Die Konfessionslosen gehören schon keiner einheitlichen Gruppe an, auch steht ihnen der allgemeine Ethikunterricht offen. Da es insoweit schon an der Vergleichbarkeit der Sachverhalte fehlt, kann hieraus kein Anspruch auf Gleichbehandlung anderer Schülergruppen hergeleitet werden (vgl. Lindner in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 118 Rn. 24). Zudem richtet sich der neu eingeführte Islamische Unterricht zwar primär an muslimische Schülerinnen und Schüler (vgl. LT-Drs. 18/15059 S. 3), sein Besuch knüpft aber gerade nicht an eine bestimmte Religionszugehörigkeit an, sondern steht allen Schülerinnen und Schülern offen (vgl. LT-Drs. 18/15059 S. 4), sodass auch insoweit keine gegen Art. 118 Abs. 1 i. V. m. Art. 107 BV verstoßende Ungleichbehandlung aufgrund der Religion bzw. Weltanschauung gesehen werden kann (vgl. zum Ganzen VerfGH vom 26.8.2021 – Vf. 43-VIII-21 – juris Rn. 67).
c) Soweit die Antragsteller eine Verletzung des Art. 136 Abs. 2 BV rügen, kann dahingestellt bleiben, ob diese Norm ein Grundrecht im Sinn des Art. 98 Satz 4 BV verbürgt, auf dessen Verletzung die Popularklage gestützt werden kann (zweifelnd VerfGH vom 25.2.2002 – Vf. 5-VII-01 – juris Rn. 9; vom 26.8.2021 – Vf. 43-VIII-21 – juris Rn. 66; bejahend de Wall in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 6. Aufl. 2020, Art. 136 Rn. 24; Möstl in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 135 bis 137 Rn. 7).
Art. 136 Abs. 2 BV garantiert in Satz 1 den Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach und regelt in Satz 2, dass dieser in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der betreffenden Religionsgemeinschaft erteilt wird. Selbst wenn man darin neben der objektiven Garantie auch ein entsprechendes Grundrecht der Schülerinnen und Schüler, Eltern sowie Religionsgemeinschaften sehen würde, haben die Antragsteller die Möglichkeit eines Eingriffs in dessen Schutzbereich nicht substanziiert dargelegt. Ein solcher Eingriff kommt vielmehr schon deshalb nicht infrage, weil es sich – wie oben ausgeführt – bei dem Islamischen Unterricht gemäß Art. 47 Abs. 1 und 3 BayEUG nicht um Religionsunterricht im Sinn des Art. 136 Abs. 2 bis 5 BV handelt, sondern um die neutrale Vermittlung von Kenntnissen über den Islam im Rahmen eines Ethikunterrichts besonderer Prägung. Diese bedeutet keine Identifikation mit dem Islam und ist vom staatlichen Erziehungsauftrag gemäß Art. 130 Abs. 1 BV umfasst, der der Vermittlung der Erziehungsziele des Art. 131 BV und damit auch der Achtung von religiösen Überzeugungen dient (vgl. VerfGH vom 26.8.2021 – Vf. 43-VIII-21 – juris Rn. 80; de Wall in von der Decken/Günzel, Staat – Religion – Recht, Festschrift für Robbers, S. 637/641 f.).
d) Soweit die Antragsteller „Prüfungsbedarf“ hinsichtlich der Vereinbarkeit des Art. 47 Abs. 3 BayEUG mit Art. 137 Abs. 2 BV sehen, ist der Grundrechtscharakter dieser Verfassungsnorm, die für nicht am Religionsunterricht teilnehmende Schüler einen Unterricht über allgemein anerkannte Grundsätze der Sittlichkeit vorsieht, ebenfalls fraglich (vgl. VerfGH vom 26.8.2021 – Vf. 43-VIII-21 – juris Rn. 66). Auch diese Frage braucht vorliegend jedoch nicht vertieft zu werden, denn die Popularklage legt schon die Möglichkeit eines Verstoßes des Art. 47 Abs. 3 BayEUG gegen Art. 137 Abs. 2 BV nicht in nachvollziehbarer Weise dar. Weshalb, wie die Antragsteller meinen, es von vornherein nicht möglich sein sollte, religiös und weltanschaulich neutralen Ethikunterricht im Sinn von Art. 137 Abs. 2 BV, Art. 47 Abs. 2 BayEUG mit der Wissensvermittlung über die Weltreligion Islam und deren Behandlung in interkultureller Sicht zu verbinden, ist weder substanziiert dargelegt noch sonst ersichtlich. Weder ist erkennbar, inwiefern der von den Antragstellern erwähnte Umfang des Fachs dies von vornherein ausschließen sollte, noch, weshalb es in diesem Rahmen unmöglich sein sollte, die Pluralität der Bekenntnisse und Weltanschauungen zu berücksichtigen.
e) Hinsichtlich der sinngemäß erhobenen Rüge, die angegriffenen Vorschriften verletzten das Selbstbestimmungsrecht der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften gemäß Art. 142 Abs. 3 BV, kann ebenfalls offenbleiben, ob dieses Recht als Grundrecht im Sinn von Art. 98 Satz 4 BV zu qualifizieren ist, dessen Verletzung mit der Popularklage durch Dritte geltend gemacht werden kann (vgl. VerfGH vom 28.12.1984 VerfGHE 37, 184/195; de Wall in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 142 Rn. 27). Denn auch diese Rüge fußt auf der unzutreffenden Annahme der Antragsteller, bei dem durch die angegriffenen Vorschriften eingeführten Islamischen Unterricht handle es sich entgegen dem Gesetzeswortlaut und der Gesetzesbegründung um konfessionsgebundenen Religionsunterricht, so dass die Möglichkeit eines Eingriffes in dieses Recht bzw. einer Verletzung des staatlichen Neutralitätsgebots gemäß Art. 142 Abs. 1 und 3 i. V. m. Art. 107 Abs. 1 und Art. 118 Abs. 1 BV nicht den Anforderungen des Art. 55 Abs. 1 Satz 2 VfGHG entsprechend dargelegt ist.
f) Soweit die Antragsteller rügen, es sei nicht klargestellt worden, dass der durch die angegriffenen Vorschriften normierte Islamische Unterricht im Unterschied zu dem bekenntnisorientierten Modellversuch, aus dem er hervorgegangen ist, lediglich reine Informationen über den Islam und keine Glaubenswahrheiten vermitteln dürfe, und darüber hinaus eine rechtliche Klarstellung dahin fordern, dass der Unterricht auch von Lehrkräften ohne Zugehörigkeit oder Bindung zum Islam erteilt werden könne, streben sie in der Sache ein gesetzgeberisches Handeln an. Ebenso verhält es sich bei dem Vortrag der Antragsteller, die Gesetzesänderung hätte mit näheren Vorgaben für die Gestaltung der Lehrpläne verknüpft werden müssen. Bezüglich derartiger Rügen gelten besondere Anforderungen hinsichtlich der Substanziierungspflicht nach Art. 55 Abs. 1 Satz 2 VfGHG, denen die vorliegende Popularklage nicht genügt.
aa) Zwar kann auch ein Unterlassen des Gesetzgebers Gegenstand einer Popularklage sein. Allerdings besteht nach bayerischem Verfassungsrecht grundsätzlich kein verfassungsgerichtlich verfolgbarer Anspruch auf ein bestimmtes Handeln des Gesetzgebers. Das Verlangen nach Erlass einer bestimmten Regelung kann nur ausnahmsweise im Weg einer Popularklage geltend gemacht werden. Hierzu muss der Antragsteller in substanziierter Weise darlegen, dass der Normgeber aufgrund einer Grundrechtsnorm der Bayerischen Verfassung zum Erlass einer bestimmten Regelung verpflichtet ist (VerfGH vom 25.9.2015 VerfGHE 68, 198 Rn. 115; vom 9.10.2018 BayVBl 2019, 260 Rn. 24; vom 7.12.2021 BayVBl 2022, 152 Rn. 48; vom 5.4.2022 – Vf. 2-VII-22 – juris Rn. 61).
bb) An einem solchen substanziierten Vortrag fehlt es hier. Inwiefern sich aus Art. 107 BV oder – sofern es sich insoweit überhaupt um eine Grundrechtsnorm handelt – aus Art. 136 Abs. 2 bis 5 BV eine Verpflichtung des Gesetzgebers zu den von den Antragstellern für erforderlich gehaltenen Klarstellungen und Ergänzungen ergeben sollte, ist weder nachvollziehbar dargelegt noch sonst ersichtlich.
(1) Dass es sich bei dem Islamischen Unterricht nicht um konfessionellen Religionsunterricht handelt, lässt sich – wie ausgeführt – sowohl dem Gesetzeswortlaut als auch der Gesetzesbegründung eindeutig und zweifelsfrei entnehmen.
(2) Dafür, dass der Unterricht nur von Lehrkräften mit religiöser Bindung zum Islam erteilt werden dürfte, finden sich – wie ebenfalls bereits ausgeführt – in dem Gesetz keine Anhaltspunkte, sodass auch insoweit die verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer zusätzlichen klarstellenden Regelung nicht erkennbar ist.
(3) Schließlich legt die Popularklage auch nicht in nachvollziehbarer Weise dar, inwiefern eine Grundrechtsnorm der Bayerischen Verfassung den Gesetzgeber ausnahmsweise dazu verpflichten könnte, gleichzeitig mit den angegriffenen Regelungen weitere normative Vorgaben für den Gesetzesvollzug, insbesondere für die Ausgestaltung der Lehrpläne, zu schaffen.
g) Eine mögliche Verletzung des Transparenzgebots bzw. des Gebots der Normenklarheit, das im Rechtsstaatsprinzip des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV enthalten ist (vgl. VerfGH vom 24.2.1988 VerfGHE 41, 17/24; vom 13.3.2012 VerfGHE 65, 61/69; vom 23.3.2017 VerfGHE 70, 44 Rn. 19), kann mit der Popularklage für sich allein nicht geltend gemacht werden, weil das Rechtsstaatsprinzip keine Grundrechte verbürgt (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 29.6.2004 VerfGHE 57, 62/65; vom 29.10.2020 – Vf. 22-VII-20 – juris Rn. 24; vom 17.5.2022 – Vf. 47-VII-21 – juris Rn. 51 m. w. N.). Darüber hinaus haben die Antragsteller die von ihnen behauptete fehlende Klarheit der angegriffenen Normen – wie ausgeführt – nicht in nachvollziehbarer Weise dargelegt.
V.
Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG).


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