Verwaltungsrecht

proportionale Kürzung von Eigen- und Fremdanteil

Aktenzeichen  7 CE 19.10047 u.a.

Datum:
4.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14840
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
LUFV § 4 Abs. 1 Nr. 6, Nr. 7, Nr. 8 lit. a
HZV § 50 Abs. 1 S. 1, § 53
VwGO § 123, § 146 Abs. 4 S. 6
BayHSchPG Art. 19

 

Leitsatz

1. Eine faktische Überschreitung des normativ festgesetzten Curricularnormwerts führt im gerichtlichen Verfahren nicht zur proportionalen Kürzung von Eigen- und Fremdanteil, solange in die Kapazitätsberechnung kein über dieser Schwelle liegender Curricularwert eingeht und somit keine unzulässige kapazitätsverzehrende „Niveaupflege“ vorliegt. (Rn. 20)
2. Ist die faktische Überschreitung des Curricularnormwerts ausschließlich darauf zurückzuführen, dass ein höherer Fremdanteil errechnet wird, führt dies im gerichtlichen Verfahren ebenfalls nicht zu einer proportionalen Kürzung des Eigenanteils. Allein die Überschreitung des Curricularnormwerts in Folge höherer Fremdleistungen rechtfertigt nicht die Annahme einer unzulässig überhöhten Lehrnachfrage, durch die die Kapazität vermindert würde. (Rn. 20)

Verfahrensgang

M 3 E L 18.10044 u.a. 2019-05-17 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller tragen jeweils die Kosten ihres Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für jedes Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin im ersten Fachsemester (Vorklinik) an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Wintersemesters 2018/2019. Sie machen geltend, dass mit der in der Satzung der LMU über die Festsetzung von Zulassungszahlen für die im Studienjahr 2018/2019 als Studienanfängerinnen und Studienanfänger sowie in höhere Fachsemester aufzunehmenden Bewerberinnen und Bewerber (Zulassungszahlsatzung) vom 12. Juli 2018 festgesetzten Zahl von 871 Studienanfängern die vorhandene Ausbildungskapazität nicht ausgeschöpft sei.
Das Verwaltungsgericht München hat die Anträge mit Beschlüssen vom 17. Mai 2019 abgelehnt. Es werde nicht als überwiegend wahrscheinlich angesehen, dass über die für das Wintersemester 2018/2019 kapazitätswirksam vergebenen 882 Studienplätze hinaus noch (mindestens) ein weiterer Studienplatz im Studiengang Humanmedizin im ersten Fachsemester zur Verfügung stehe, der von den Antragstellern in Anspruch genommen werden könnte.
Gegen diese Beschlüsse wenden sich die Antragsteller mit den vorliegenden Beschwerden. Die Bevollmächtigten tragen im Wesentlichen vor, die von der LMU vorgelegten Stellenlisten seien unvollständig. Es stünden weitere Lehrpersonen zur Verfügung, für die kein Lehrdeputat in Ansatz gebracht worden sei. Schon eine Berechnung der Lehrnachfrage für die drei Veranstaltungen der Medizinischen Psychologie ergebe 173,44828 Semesterwochenstunden, die von den hierfür angegebenen acht Lehrpersonen auf 6,5 Stellen mit einem Lehrdeputat von insgesamt 48,5 Lehrveranstaltungsstunden nicht erbracht werden könnten. Nach eigenen Angaben des Antragsgegners seien im „Präparierkurs (Kursus der Makroskopischen Anatomie)“ 56 Dozenten eingesetzt worden, die Stellenliste des Anatomischen Instituts umfasse jedoch nur 26 namentlich und 15 nicht namentlich genannte Assistenten. Auch dies belege die Notwendigkeit der Vorlage vollständiger Stellenlisten. Der Antragsgegner habe zu begründen, warum das Lehrdeputat der Akademischen Räte auf Lebenszeit in der Regel auf 9 Lehrveranstaltungsstunden festgelegt sei, während nach § 4 Abs. 1 Satz 6 LUFV ein Höchstdeputat von 10 Lehrveranstaltungsstunden zulässig sei. Das Lehrdeputat von zwei Akademischen Räten auf Lebenszeit, die als Lehrkräfte für besondere Aufgaben beschäftigt seien, sei ohne Begründung mit dem Mindestdeputat von 13 Lehrveranstaltungsstunden statt mit dem nach § 4 Abs. 1 Nr. 7 LUFV möglichen Höchstdeputat von 18 Lehrveranstaltungsstunden angesetzt worden. Bei zwei wissenschaftlichen Mitarbeitern bestünden erhebliche Zweifel, ob diese (rechtmäßig) befristet beschäftigt sein könnten. Nur in diesem Fall könne nach § 4 Abs. 1 Nr. 8c LUFV ein Lehrdeputat von 5 Lehrveranstaltungsstunden in Ansatz gebracht werden. Aufzuklären sei auch, warum bei weiteren 3 Stellen die Lehrdeputate auf 4 bzw. für eine 2/3 Stelle auf 2,67 Lehrveranstaltungsstunden festgelegt worden seien. Für verschiedene Stellen von Professoren und Akademischen Räten auf Lebenszeit seien Deputatsminderungen in Ansatz gebracht worden, ohne die entsprechenden Unterlagen über deren Gewährung vorzulegen. Wie sich aus dem Schreiben der LMU vom 4. Dezember 2019, das in dem Beschwerdeverfahren über die Zulassung für das Studium der Humanmedizin (Vorklinik) zum Wintersemester 2017/2018 vorgelegt worden sei, ergebe, sei der Curricularwert bei Berücksichtigung der richtigen Gruppengröße für Unterricht am Krankenbett mit 2,4390 errechnet worden. Die Überschreitung des Curricularnormwerts gebiete eine Stauchung des Eigenanteils auf den Wert 1,9230. Die vom Antragsgegner verwendete Methodik der Schwundberechnung, bei der beurlaubte Studenten nicht berücksichtigt würden, führe entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs nicht zu einem kapazitätsgünstigeren Ergebnis. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung der Antragsteller vom 24. Juli 2019 verwiesen.
Der Antragsgegner widersetzt sich den Beschwerden. Mit Schriftsatz vom 3. März 2020 hat er auf Nachfrage des Senats die Festsetzung verschiedener Deputate sowie Deputatsminderungen erläutert und einschlägige Unterlagen übersandt. Die Antragsteller haben sich hierzu nicht mehr geäußert.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerden sind zulässig, aber unbegründet. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf die sich die Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), wird im Ergebnis nicht erkennbar, dass an der LMU über die im Wintersemester 2018/2019 tatsächlich besetzten Studienplätze hinaus noch ungenutzte Ausbildungskapazität im Studienfach Humanmedizin (Vorklinik) vorhanden war.
Das Verwaltungsgericht geht im Ergebnis zu Recht davon aus, dass die Universität ihre Ausbildungskapazität im ersten Studienabschnitt des Studiengangs Humanmedizin (Vorklinik) ausgeschöpft hat. Die Kapazitätsberechnung ist hinsichtlich des Lehrangebots in geringem Umfang zu beanstanden. Dies führt jedoch nicht dazu, dass über die 882 kapazitätswirksam vergebenen Studienplätze hinaus noch mindestens ein weiterer Studienplatz zu vergeben wäre.
1. Soweit sich die Antragsteller darauf berufen, dass das Lehrangebot zu niedrig berechnet worden sei, kann ihren Einwendungen (nur) teilweise gefolgt werden.
a) Zu Recht haben sie sich gegen die Höhe des Lehrdeputats der wissenschaftlichen Angestellten H./B. (Stellennummer 8021 90 88) und Dr. M.-T. (Stellennummer 8803 31 73) gewandt. Laut Stellungnahme des Antragsgegners wurde Frau H. vorübergehend von Frau B. vertreten; beide hatten ein vertraglich festgesetztes Lehrdeputat (§ 4 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. a LUFV) von 5 und nicht – wie in der Kapazitätsberechnung angegeben – von 4 Lehrveranstaltungsstunden. Zur wissenschaftlichen Angestellten Dr. M.-T. führte der Antragsgegner aus, sie sei Biologin und deshalb auch in der Fakultät für Biologie tätig, weshalb sie nur ein eingeschränktes arbeitsvertraglich festgesetztes Lehrdeputat für die Medizinische Fakultät von 3,33 (statt wie in der Kapazitätsberechnung angegeben von 2,67) Lehrveranstaltungsstunden erbringe. Zwar ist grundsätzlich das arbeitsvertraglich festgesetzte Lehrdeputat – das nach dem Vortrag des Antragsgegners 5 Lehrveranstaltungsstunden umfassen dürfte – bei der Kapazitätsberechnung in voller Höhe bei derjenigen Lehreinheit zu verbuchen, der die Stelle etatmäßig zugeordnet ist, hier also der Lehreinheit Medizin Vorklinik (vgl. BayVGH, B.v. 24.8.2010 – 7 CE 10.10210 – juris Rn. 13). Allerdings ist laut der vom Antragsgegner vorgelegten „Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazität“ die Stelle von Dr. M.-T. lediglich mit einem Anteil von 0,667 ausgewiesen, so dass der Ansatz eines Lehrdeputats von 3,33 nicht zu beanstanden ist. Nach Auskunft der LMU haben auch der nicht befristet angestellte wissenschaftliche Mitarbeiter Prof. M. (Stellennummer 8803 36 20) sowie die ebenfalls nicht befristet angestellte wissenschaftliche Mitarbeiterin Prof. H.-B. (Stellennummer 8803 31 72) eine arbeitsvertraglich vereinbarte Lehrverpflichtung nach § 4 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. a LUVF in Höhe von jeweils 5 Lehrveranstaltungsstunden, die im Rahmen der Kapazitätsberechnung in Ansatz gebracht worden sind. Diesen Ausführungen sind die Antragsteller nicht mehr entgegengetreten. Im Ergebnis erhöht sich das anzusetzende Lehrangebot von 875,169 um 1,66 auf 876,929 Lehrveranstaltungsstunden. Damit steigt die kapazitätserschöpfende Zulassungszahl auf 872 Studienplätze, was aber angesichts der tatsächlich vergebenen Studienplätze von 882 keinen weiteren freien Studienplatz zugunsten der Antragsteller aufzeigt.
b) Nicht überzeugen können die Antragsteller mit der Behauptung, eine Berechnung der Lehrnachfrage für die drei Veranstaltungen der Medizinischen Psychologie ergebe 173,44828 Semesterwochenstunden, die von den hierfür angegebenen acht Lehrpersonen auf 6,5 Stellen mit einem Lehrdeputat von insgesamt 48,5 Lehrveranstaltungsstunden nicht erbracht werden könnten, und das lege nahe, dass Stellen verschwiegen worden seien. Hierzu führt der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2019 zutreffend aus, die Berechnung der Antragsteller weise wesentliche Fehler auf; unter anderem würden Semesterwochenstunden und Lehrveranstaltungsstunden einander gegenübergestellt. Abgesehen davon sei für das Lehrangebot in einer Lehreinheit die gesamte personelle Kapazität innerhalb der Lehreinheit maßgeblich. Es komme nicht darauf an, ob in jedem Teilfach die Stellenkapazität mit der Studierendenzahl übereinstimme. Im Fach Anatomie würden die Lehrveranstaltungen zeitversetzt angeboten, so dass die das Lehrangebot erbringenden 56 Dozenten teilweise mehrfach personengleich seien. Dem sind die Antragsteller ebenfalls nicht mehr entgegengetreten.
c) Soweit die Lehrverpflichtung der Akademischen Räte auf Lebenszeit auf jeweils 9 Lehrveranstaltungsstunden festgesetzt worden ist, ist das nicht zu beanstanden. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 6 LUVF haben Wissenschaftliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Beamtenverhältnis (Art. 19 ff. BayHSchPG), soweit ihnen Lehraufgaben übertragen werden, eine Lehrverpflichtung von höchstens 10 Lehrveranstaltungsstunden. Der Senat hat bereits mehrfach ausgeführt, es begegne auch unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Verpflichtung der LMU zur erschöpfenden Nutzung der vorhandenen Ausbildungskapazitäten keinen Bedenken, dass dieser Maximalwert im Hinblick auf die von dieser Personengruppe wahrzunehmenden weiteren Dienstaufgaben regelmäßig nicht voll ausgeschöpft werde (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 7 CE 18.10060 – juris Rn. 15; B.v. 23.7.2012 – 7 CE 12.10054 – juris Rn. 18).
d) Hinsichtlich der von den Antragstellern bei namentlich genannten Akademischen Räten auf Lebenszeit (§ 4 Abs. 1 Nr. 6 und 7 LUFV) als zu gering gerügten Festlegung des Lehrdeputats hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 3. März 2020 ausführlich die Gründe für die Verringerung der Lehrdeputate geschildert und die zugehörigen Unterlagen vorgelegt. Entsprechendes gilt für die durch die Antragsteller in Frage gestellten Deputatsreduzierungen für im Einzelnen benannte Professoren. Auch diesem Vortrag sind die Antragsteller nicht mehr entgegengetreten.
e) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind die Kapazitätsunterlagen nicht deswegen unvollständig, weil ein die Namen der jeweiligen Stelleninhaber enthaltender Stellenplan fehlt. Bei der gerichtlichen Überprüfung der Kapazitätsberechnung kommt es wegen des geltenden abstrakten Stellenprinzips auf die tatsächliche Besetzung der einer Lehreinheit zugewiesenen Stellen und damit auf die Namen der jeweiligen Stelleninhaber nicht an. In der unterbliebenen Vorlage einer entsprechenden Aufstellung liegt daher kein ergebnisrelevanter Verfahrensmangel (vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 7 CE 18.10060 – juris Rn. 10).
2. Nicht durchdringen können die Antragsteller mit ihrem Vortrag, der von der LMU ermittelte Curricularwert der Vorklinik betrage 2,4390 und sei deshalb wegen Überschreitung des für den vorklinischen Studienabschnitt geltenden Curricularnormwerts von 2,42 proportional zu stauchen.
Sie beziehen sich mit ihrem Vortrag auf eine vom Antragsgegner im Beschwerdeverfahren (Schriftsatz vom 4.12.2018) über die Zulassung zum Studium der Humanmedizin an der LMU im Wintersemester 2017/2018 erstellte (Alternativ-)Berechnung des Curricularwerts der Vorklinik. Diese beruhte – wie die ebenfalls übersandte (Ausgangs-)Berechnung des Curricularwerts – auf der Dritten Satzung zur Änderung der Prüfungs- und Studienordnung für den Studiengang Medizin vom 20. September 2017. Bei der Ausgangsberechnung, die Grundlage für das damalige Zulassungsverfahren war, beträgt die Summe sämtlicher Curricularanteile 2,4161 und hält sich damit nahe dem Curricularnormwert von 2,42. Die errechneten Curricularanteile für die einzelnen Veranstaltungen sind bei der Ausgangsberechnung und der Alternativberechnung identisch, lediglich bei den „Einführungen in die Klinische Medizin I und II, Unterricht am Patienten“, die durch die Lehreinheit „Klinischpraktische Medizin“ erbracht werden, wurde in der Ausgangsberechnung ein Wert von 0,19477, in der Alternativberechnung ein Wert von 0,21776 angesetzt. Grund hierfür war, dass die Alternativberechnung von einer durchschnittlichen Gruppengröße von 4,5 Studierenden für den Unterricht am Krankenbett ausging, während die Alternativberechnung die rechnerisch richtige Gruppengröße von 4,0 Studierenden zugrunde legte (vgl. BayVGH, B.v. 4. 4.2019 – 7 CE 18.10072 u.a. – juris Rn. 25). Der Curriculareigenanteil der Vorklinik (inkl. Anteil Wahlfach) betrug unverändert 1,9381, während die in der Alternativberechnung vorgenommene Erhöhung des Fremdanteils in der Summe mit den übrigen Curricularanteilen (2,4390) zu einer Überschreitung des Curricularnormwerts führte. Bei dieser Sachlage ist die von den Antragstellern begehrte Stauchung nicht geboten.
a) Gemäß § 43 HZV (vom 18.6.2007 [GVBl. S. 401] in der hier einschlägigen Fassung der Verordnung vom 28.4.2018 [GVBl. S. 277] – HZV a.F.) wird die jährliche Aufnahmekapazität aufgrund der personellen Ausstattung unter Anwendung von Curricularnormwerten errechnet. Der Curricularnormwert bestimmt den in Deputatstunden gemessenen Aufwand aller beteiligten Lehreinheiten, der für die ordnungsgemäße Ausbildung eines Studierenden in dem jeweiligen Studiengang erforderlich ist (§ 50 Abs. 1 Satz 1 HZV a.F.). Der Wert beschreibt mithin, welcher Aufwand betrieben werden muss, um eine den Vorgaben der Approbationsordnung für Ärzte entsprechende Ausbildung zu gewährleisten. Gleichzeitig begrenzt er den Aufwand, den die Hochschule kapazitätswirksam betreiben darf (vgl. NdsOVG, U.v. 25.6.2019 – 2 LC 655/17 – juris Rn. 50). Mit der Beschränkung des Betreuungsaufwands durch einen Curricularnormwert wird dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Zulassungsanspruch des einzelnen Studienbewerbers durch eine einheitliche Regelung Rechnung getragen und insofern die Lehrfreiheit beschränkt (vgl. BVerwG, B.v. 18.9.1981 -7 N 1.79 – juris Rn. 72 zum Curricularrichtwert). Dementsprechend haben nach Art. 4 Abs. 1 Satz 6 BayHZG die Normwerte eine gleichmäßige und erschöpfende Auslastung der Hochschulen zu gewährleisten; in diesem Rahmen sind die Hochschulen aber bei der Gestaltung von Studium und Lehre frei.
Nach § 50 Abs. 4 Satz 1 HZV a.F., Nr. I.1. der Anlage 5 zu § 43 HZV a.F. ist der Curricularnormwert zur Ermittlung der Lehrnachfrage in den einzelnen Lehreinheiten auf die am Lehrangebot für den Studiengang beteiligten Lehreinheiten so aufzuteilen und darzustellen, dass die Summe der Curricularanteile eines Studiengangs in den an der Ausbildung beteiligten Lehreinheiten den Curricularnormwert ergibt. Für die Kapazitätsberechnung ist nicht der von der Universität betriebene tatsächliche Ausbildungsaufwand, sondern ausschließlich der hierfür geltende Curricularnormwert maßgebend (vgl. BayVGH, B.v. 14.11.2018 – 7 CE 18.10012 – juris Rn. 12). Nach § 50 Abs. 4 Satz 2 HZV a.F. sind die Angaben der beteiligten Lehreinheiten aufeinander abzustimmen. Jedoch fehlen bindende gesetzliche Vorgaben, wie der Curricularnormwert aufzuteilen ist, ebenso Regelungen, wie der für die Zulassungszahl bedeutsame Curriculareigenanteil festzulegen ist. Im Ergebnis ist auch diese Festlegung Ausfluss des der Hochschule zustehenden Gestaltungsspielraums.
b) Diesen Vorgaben ist die LMU in der Ausgangsberechnung für die Curricularanteile nachgekommen. Der nach der Anlage 7 zu § 50 Abs. 1 Satz 2 HZV a. F. auf 2,42 festgelegte Curricularnormwert für den Studiengang Humanmedizin (Vorklinik) wurde auf die an der Ausbildung beteiligten Lehreinheiten aufgeteilt und in der Summe nicht überschritten; er beträgt 2,41605. Die beteiligten Lehreinheiten sind Folgende: Naturwissenschaften mit einem Curricularanteil von 0,19052, Medizin Vorklinik incl. Anteil Wahlfach mit einem Curricularanteil von 1,93812, TU München mit einem Curricularanteil von 0,04138, Klinischpraktische Medizin mit einem Curricularanteil von 0,19477 und Klinischtheoretische Medizin mit einem Curricularanteil von 0,05126. Solange die LMU den Curricularnormwert in der Summe nicht überschreitet, ist ihre Aufteilung des Curricularnormwerts auf die an der Ausbildung der Studenten beteiligten Lehreinheiten vom Gericht grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. BayVGH, B.v. 28.9.2017 – 7 CE 17.10112 u.a. – Rn. 20). Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, dass eine Hochschule bei der Ausfüllung des verbindlichen Curricularnormwerts, mit dem die Einheitlichkeit der Kapazitätsermittlung gewährleistet wird, und der Aufteilung auf die beteiligten Lehreinheiten über einen Gestaltungsspielraum verfügt (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 4.4.2019 – 7 CE 18.10072 u.a. – juris Rn. 27; B.v. 28.9.2017 – 7 CE 17.10112 u.a. – juris Rn. 20).
c) Der Senat sieht auch bei Zugrundelegung der Alternativberechnung, die im Ergebnis zu einer Erhöhung des Fremdanteils der Klinischpraktischen Medizin und damit zu einer faktischen Überschreitung des Curricularnormwerts – 2,4390 statt 2,42 – führt, keine Veranlassung, eine proportionale Kürzung auch des Eigenanteils vorzunehmen. Eine proportionale Kürzung durch das Gericht ist in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur dann angebracht, wenn sich die Annahme aufdrängt, dass zu Lasten der jeweiligen Antragsteller Kapazitäten nicht ausgeschöpft worden sind. In Betracht kommt dies allein dann, wenn sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Überschreitung des Curricularnormwerts auf einem erhöhten Ansatz der Lehrnachfrage beruht und mithin der Curriculareigenanteil überhöht ist. Überschreitet der Curricularwert anhand einer realitätsnahen Berechnung den nach Maßgabe der Hochschulzulassungsverordnung zwingend zugrunde zu legenden Curricularnormwert, obliegt es der Hochschule, unter Abwägung des Teilhabeanspruchs der Bewerber aus Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG sowie der Lehrfreiheit der Hochschule aus Art. 5 Abs. 3 GG die Beachtung des Curricularnormwerts zu gewährleisten (vgl. OVG NRW, B.v. 5.7.2019 – 13 C 37/19 – juris Rn. 7). Die Hochschule kann – ohne dass hierzu eine Verpflichtung besteht – durch anteilige Kürzung von Eigen- und/oder Fremdanteil eine Rückführung auf den Curricularnormwert vornehmen. Die Art und Weise, wie kapazitätsrechtlich die Rückführung auf den Curricularnormwert erfolgt, ist gesetzlich nicht vorgeschrieben und unterfällt dem Gestaltungsspielraum der jeweiligen Hochschule (vgl. VGH BW, U.v. 20.11.2013 – NC 9 S 174/13 – juris Rn. 64; OVG NRW, B.v. 3.9.2013 – 13 C 52/13 – juris Rn. 21). Die Hochschule überschreitet ihren Gestaltungsspielraum erst dann, wenn sie die Rückführung auf den Normwert missbräuchlich oder willkürlich handhabt, etwa um die Zulassungszahl möglichst kleinzuhalten (vgl. OVG NRW, B.v. 5.7.2019 – 13 C 37/19 – juris Rn. 9).
Eine faktische Überschreitung des normativ festgesetzten Curricularnormwerts von 2,42 führt nicht zu der von den Antragstellern geforderten proportionalen Kürzung, solange in die Kapazitätsberechnung – wie hier – kein über dieser Schwelle liegender Curricularwert eingeht und somit keine unzulässige kapazitätsverzehrende „Niveaupflege“ vorliegt (vgl. BayVGH, B.v. 14.11.2018 – 7 CE 18.10012 – juris Rn. 12). Ist die Überschreitung des Curricularnormwerts ausschließlich darauf zurückzuführen, dass ein höherer Fremdanteil errechnet wird, ist im gerichtlichen Verfahren eine proportionale Kürzung (auch) des Eigenanteils nicht veranlasst. Allein die Überschreitung des Curricularnormwerts in Folge höherer Fremdleistungen rechtfertigt nicht die Annahme einer unzulässig überhöhten Lehrnachfrage, durch die die Kapazität bzw. die Zahl der zuzulassenden Studierenden vermindert würde. Anhaltspunkte dafür, dass der Curriculareigenanteil überhöht wäre, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Einer Hochschule ist es nicht verwehrt, einen weitergehenden Ausbildungsaufwand zu betreiben. Sie kann diesen überobligatorischen Aufwand den Studienbewerbern lediglich nicht kapazitätsmindernd entgegenhalten, sondern muss ihre Berechnungen gleichwohl anhand des Curricularnormwerts vornehmen (vgl. NdsOVG, U.v. 25.6.2019 – 2 LC 655/17 – juris Rn. 50). Ist die – faktische – Überschreitung des Curricularnormwerts durch die Lehrleistungen anderer Lehreinheiten bedingt, besteht grundsätzlich kein Anspruch von Studienbewerbern auf die sog. proportionale Stauchung von Eigen- und Fremdanteil mit der Folge, dass durch die Reduzierung des Eigenanteils die Zahl der errechneten Studienplätze steigen würde. Eine derartige Handhabung hätte die mit dem Curricularnormwert als bestimmende Größe für die Ermittlung der Lehrnachfrage (§ 50 Abs. 1 Satz 1 HZV a.F.) nicht zu vereinbarende Konsequenz, dass durch die größere Anzahl von Studienplätzen die Lehrnachfrage erheblich steigen und das durch Anwendung des ursprünglich berechneten Curriculareigenanteils erreichte Gleichgewicht von Lehrangebot und Studienplätzen gestört würde. Im Ergebnis bedeutete dies eine Unterschreitung des für einen Studierenden durchschnittlich erforderlichen Aufwands, der für seine ordnungsgemäße Ausbildung aus dem Bereich der Vorklinik zu erbringen ist. Das fordert das Kapazitätserschöpfungsgebot nicht.
d) Die von den Antragstellern zitierte Rechtsprechung des Senats im Beschluss vom 29. Juni 2011 – 7 CE 11.10338 – (juris) lässt sich als Beleg für deren Auffassung, bei einer Überschreitung des Curricularnormwerts sei eine anteilige Kürzung („Stauchung“) von Eigen- und Fremdanteil vorzunehmen, nicht anführen. Bei der dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fallgestaltung ergab sich nach Aufteilung des Curricularnormwerts auf die am Studiengang beteiligten Lehreinheiten durch die Hochschule (vgl. § 50 Abs. 4 Satz 1 HZV a.F.) in der Summe eine Überschreitung des Curricularnormwerts. Hierzu führte der Senat aus, „dass die (wenn auch geringfügige) Überschreitung des Curricularnormwerts durch eine (anteilig auch) den Curriculareigenanteil treffende Kürzung auf den geltenden Curricularnormwert von 2,42 zurückzuführen ist“. Hat die Hochschule den Curricularnormwert bei der Aufteilung auf die am Studiengang beteiligten Lehreinheiten in der Summe überschritten und macht sie diesen Wert zur Grundlage ihrer Berechnung der Anzahl der Studienplätze, ohne von dem ihr grundsätzlich zustehenden Gestaltungsspielraum zur Rückführung auf den normierten Wert Gebrauch zu machen, muss dieser durch das Gericht im Wege proportionaler Kürzung von Eigen- und Fremdanteil auf den Normwert zurückgeführt werden. Hat die Hochschule jedoch – wie hier – ihren Gestaltungsspielraum selbst genutzt und bei der Aufteilung des Curricular(norm) werts auf die am Studiengang beteiligten Lehreinheiten etwaige sich ergebende Überschreitungen kompensiert, sodass sich im Ergebnis keine Überschreitung des Curricularnormwerts ergibt, besteht weder das Recht noch die Pflicht des Gerichts, in den Gestaltungsspielraum der Hochschule einzugreifen, soweit keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Eigenanteil überhöht angesetzt worden ist.
3. Soweit die Antragsteller zum wiederholten Male vortragen, die „Berechnungsmethodik der LMU bezüglich der Schwundberechnung widerspreche den Grundsätzen und dem Sinn und Zweck des § 53 HZV“, weil die Ausbildungskapazität durch die Nichtberücksichtigung beurlaubter Studenten „kleingerechnet“ würde, bleibt der Senat bei seiner diesbezüglichen Rechtsprechung (vgl. zuletzt für LMU BayVGH, B.v. 4.4.2019 – 7 CE 18.10072 u.a. – juris Rn. 17). Nicht zu beanstanden ist, dass beurlaubte Studenten bei der Berechnung nicht berücksichtigt werden, weil diese während der Beurlaubung kein Schwundverhalten zeigen können. Nach § 53 HZV a.F. ist die Studienanfängerzahl zu erhöhen, wenn zu erwarten ist, dass wegen Aufgabe des Studiums oder Fachwechsels oder Hochschulwechsels die Zahl der Abgänge an Studierenden in höheren Fachsemestern größer ist als die Zahl der Zugänge (Schwundquote). Da eine Berechnungsmethode nicht gesetzlich vorgegeben ist, ist die die Kapazität festsetzende Stelle befugt, über den Modus der Schwundberechnung zu entscheiden. Ohnehin lässt sich die Entwicklung der Gesamtnachfrage, weil in der Zukunft liegend, nicht rechnerisch bestimmen, sondern allenfalls prognostisch schätzen (vgl. BVerwG, U.v. 20.11.1987 – 7 C 103.86 u.a. – NVwZ-RR 1989, 184; BayVGH, B.v. 13.3.1997 – 7 CE 97.10019 – juris). Die dabei angestellte Prognose ist durch das Gericht ausschließlich daraufhin überprüfbar, ob die die Kapazität festsetzende Stelle von zutreffenden Abgrenzungen und Daten ausgegangen ist und sich einer wissenschaftlich vertretbaren Methode bei der Schwundberechnung bedient hat. Anhaltspunkte dafür, dass (ehemals) beurlaubte Studenten generell ein gravierend anderes „Schwundverhalten“ zeigen als nicht beurlaubte Studenten, so dass dies im Rahmen der Berechnung der Schwundquote zwingend berücksichtigt werden müsste, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, 14. Aufl. 2014, Anhang und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.


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