Verwaltungsrecht

Qualitätsanforderungen an Lehrpersonen von Integrationskursen

Aktenzeichen  19 ZB 18.356

Datum:
9.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 26776
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 12 Abs. 1
AufenthG § 43, § 44
IntV § 15 Abs. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 154, § 161 Abs. 1
GG Art. 80 Abs. 1

 

Leitsatz

1. § 43 Abs. 4 AufenthG ist eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage zur Regelung von Qualifikationsanforderungen an Lehrpersonen von Integrationskursen. Die subjektiven Anforderungen, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge an die Lehrkräfte in Integrationskursen stellt, sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. (Rn. 11 und 14)
2. Die Zusatzqualifizierung durch das Bundesamt nach § 15 Abs. 2 IntV soll die Erlangung einer der Formalqualifikation nach § 15 Abs. 1 IntV gleichrangigen Qualifikation gewährleisten; an die Ausgangsqualifikation für die Zusatzqualifizierung sind daher adäquate Anforderungen zu stellen. (Rn. 19)

Verfahrensgang

AN 6 K 16.2472 2017-11-09 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils), des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache) und des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) gestützte Antrag, der ausschließlich anhand seiner fristgemäßen Begründung vom Senat der rechtlichen Überprüfung zu unterziehen ist (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO), rechtfertigt keine Zulassung der Berufung gegen das Urteil vom 9. November 2017, durch das das Verwaltungsgericht die Klage auf Zulassung zur Zusatzqualifizierung für die Lehrtätigkeit in Integrationskursen gemäß § 15 IntV abgewiesen und den ablehnenden Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18. August 2016 und den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 28. November 2016 bestätigt hat. Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO liegen nicht vor.
1. Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (z.B. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/547 – juris) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2010 – 7 AV 4/03 – DVBl 2004, 838/839 – juris). Dies ist in Ansehung der Antragsbegründung nicht der Fall.
Der Kläger macht geltend, die Ermächtigungsgrundlage des § 43 Abs. 4 AufenthG reiche nicht aus, um die Berufsfreiheit durch eine von der Beklagten erstellte Matrix von festgelegten Zulassungskriterien einzuschränken. Da der Kläger kein abgeschlossenes Studium Deutsch als Fremd- oder Zweitsprache vorweisen könne, müsse er vor seiner Zulassung zur Lehrtätigkeit an einer Qualifizierung der Beklagten nach § 15 Abs. 2 IntV teilnehmen. Die Auswahlkriterien für diese Qualifizierung seien weder gesetzlich noch in der Integrationsverordnung, sondern lediglich in der Matrix der Beklagten auf ihrer Internetseite geregelt. Dadurch werde der Kläger in unzulässiger Weise in seiner Berufswahlfreiheit beschränkt. Die vom Bundesamt erstellte Matrix genüge auch nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz und dem Gleichbehandlungsgebot. Der Kläger erlange aufgrund seiner Ausbildung als Versicherungsbetriebswirt (DVA) das Qualifikationsniveau 6 des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR-Niveau). Die Matrix der Beklagten genüge nicht dem Bestimmtheitsgebot und sei nicht geeignet, eine Gleichbehandlung von Bewerbern für die Zulassung als Lehrkraft sicherzustellen. Das Verwaltungsgericht hätte über die Frage des vom Kläger erreichten DQR-Niveaus Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erheben müssen. Es stelle sich die Frage, wer überhaupt Sprachlehrerfahrung in der Erwachsenenbildung aufweisen könnte, um für die Zusatzqualifizierung zugelassen zu werden, da Sprachlehrerfahrungen außerhalb ehrenamtlicher Tätigkeit und Hospitationen praktisch nicht erbracht werden könnten. Der Kläger habe im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit wesentlich kompliziertere Lehrinhalte vermittelt. Er müsse daher für die Zusatzqualifikation der Beklagten zugelassen werden. In § 15 Abs. 2 IntV sei eine Beschränkung der möglichen Qualifikationen nicht vorgesehen.
Das Zulassungsvorbringen ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zu begründen.
Nach § 43 Abs. 1 und 2 Satz 1 AufenthG wird die Integration von im Bundesgebiet lebenden Ausländern durch ein Grundangebot zur Integration (Integrationskurs) gefördert. Gemäß § 43 Abs. 3 Satz 2 AufenthG wird der Integrationskurs vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) koordiniert und durchgeführt, das sich hierzu privater und öffentlicher Träger bedienen kann. In § 43 Abs. 4 Satz 1 AufenthG wird die Bundesregierung ermächtigt, nähere Einzelheiten des Integrationskurses, insbesondere die Grundstruktur, die Dauer, die Lerninhalte und die Durchführung der Kurse, die Vorgaben bezüglich der Auswahl und Zulassung der Kursträger sowie die Voraussetzungen und die Rahmenbedingungen für die ordnungsgemäße und erfolgreiche Teilnahme und ihre Bescheinigung einschließlich der Kostentragung sowie die erforderliche Datenübermittlung zwischen den beteiligten Stellen und die Datenverarbeitung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nach § 88a Absatz 1 und 1a durch eine Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zu regeln. Der Entwurfsbegründung, wonach die Regelungsermächtigung nach § 43 Abs. 4 AufenthG darauf abzielt, bestehende Förderangebote verschiedener staatlicher Einrichtungen und freier Träger aufeinander abzustimmen, ist die zentrale Rolle und Verantwortung des Bundesamtes bei der Durchführung der Integrationskurse zu entnehmen (vgl. BT-Drs. 15/420, S. 87).
Die Bundesregierung hat durch den Erlass der Verordnung über die Durchführung von Integrationskursen für Ausländer und Spätaussiedler – Integrationskursverordnung (IntV) – vom 1. Januar 2005 (BGBl I 2004, 3370) von der Verordnungsermächtigung Gebrauch gemacht.
Gemäß § 15 Abs. 1 IntV müssen Lehrkräfte, die in Integrationskursen Deutsch als Zweitsprache unterrichten, ein erfolgreich abgeschlossenes Studium in den Studienfächern Deutsch als Fremdsprache oder Deutsch als Zweitsprache vorweisen. Die von dieser Rechtsvorschrift geforderten Voraussetzungen erfüllt der Kläger nach der zutreffenden Feststellung des Verwaltungsgerichts nicht.
Nach § 15 Abs. 2 IntV ist, soweit diese fachlichen Qualifikationen nicht vorliegen, eine Zulassung zur Lehrtätigkeit möglich, wenn die Lehrkraft an einer vom Bundesamt vorgegebenen Qualifizierung teilgenommen hat. Der Zugang zu der vorgegebenen Qualifizierung ist in der Verordnung selbst nicht geregelt, jedoch haben die bundesamtlichen Regelungen zu den Qualifikationsanforderungen an die Lehrkräfte von Integrationskursen in § 43 Abs. 4 Satz 1 AufenthG unter Berücksichtigung der umfassenden Verantwortung und Koordinierungsaufgabe des Bundesamtes nach § 43 Abs. 3 Satz 2 AufenthG auch in Wahrung des Wesentlichkeitsgrundsatzes nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage.
Die verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers, Inhalt, Zweck und Ausmaß einer Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen im Gesetz zu bestimmen, soll gewährleisten, dass der Bürger schon aus der gesetzlichen Ermächtigung erkennen und vorhersehen kann, was ihm gegenüber zulässig sein soll und welchen möglichen Inhalt die aufgrund der Ermächtigung erlassenen Verordnungen haben können. Die Ermächtigungsnorm muss aber in ihrem Wortlaut nicht so genau wie irgend möglich gefasst sein und muss nur hinreichend bestimmt sein. Dazu genügt es, dass sich die gesetzlichen Vorgaben mit Hilfe allgemeiner Auslegungsregeln erschließen lassen, insbesondere aus dem Zweck, dem Sinnzusammenhang und der Entstehungsgeschichte der Norm. Welche Anforderungen an das Maß der erforderlichen Bestimmtheit im Einzelnen zu stellen sind, lässt sich nicht allgemein festlegen. Das notwendige Ausmaß der Bestimmtheit richtet sich insbesondere nach der Intensität der Auswirkungen und der Grundrechtsrelevanz der Regelung für die Betroffenen. Greift die Regelung erheblich in dessen Rechtsstellung ein, sind höhere Anforderungen an den Grad der Bestimmtheit der Ermächtigung zu stellen, als wenn es sich um einen Regelungsbereich handelt, der die Grundrechtsausübung weniger tangiert (BVerfG, B.v. 21.9.2016 – 2 BvL 1/15 – BVerfGE 143, 38 Rn. 54 ff.; BayVGH, U.v. 19.6.2018 – 11 N 17.1693 – juris Rn. 26).
Mit der Ermächtigungsnorm des § 43 Abs. 4 Satz 1 AufenthG wollte der Gesetzgeber den Verordnungsgeber zur Regelung von „Einzelheiten des Integrationskurses“, seiner „Grundstruktur“ und der „Lerninhalte“ sowie der „Vorgaben bezüglich der Auswahl und Zulassung der Kursträger“ insbesondere unter systematischer Berücksichtigung der umfassenden Durchführungs- und Koordinationsverantwortung des Bundesamtes sowie der aufenthaltsrechtlichen Bedeutung der Integrationskurse erkennbar auch zur Regelung von Qualifikationsanforderungen an die jeweiligen Lehrpersonen im Interesse einer einheitlichen Grundstruktur und Ausgestaltung der Integrationskurse ermächtigen. Durch das Zuwanderungsgesetz wurde in § 43 AufenthG erstmals die Förderung der Integration als staatliche Aufgabe normiert. Ziel der Neuregelung war es daher, einen staatlich organisierten Integrationskurs einzuführen, ein Recht auf Teilnahme einzuräumen, die Zuständigkeiten auf Bundesebene zu bündeln, um bestehende Integrationsangebote von Bund, Ländern und Gemeinden zu harmonisieren und zu koordinieren und neue Ansätze der Integrationsförderung zu schaffen (vgl. BT-Drs. 15/420, S. 86 ff.). Die Rechtsverordnung soll Rahmenvorgaben für die Grundstruktur der Integrationskurse im Sinne eines Mindeststandards für die Anfangsorientierung der Ausländer definieren und weitere Einzelheiten des Integrationskurses zum Zwecke einer bundesweit einheitlichen Festlegung regeln (vgl. Entwurfsbegründung BT-Drs. 15/420, S. 87). Indem in § 43 Abs. 3 Satz 1 AufenthG als Ziel des Integrationskurses die Erlangung ausreichender Sprachkenntnisse definiert wird, ergibt sich hieraus bereits das Erfordernis an bestimmte Qualifikationsanforderungen der Lehrpersonen. Aufgrund des umfassenden Regelungsauftrages in § 43 Abs. 4 AufenthG und der gesetzlichen Normierung des Ziels des Integrationskurses in § 43 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ist § 43 Abs. 4 AufenthG entgegen dem Zulassungsvorbringen als hinreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage zur Regelung von Qualifikationsanforderungen an die Lehrpersonen von Integrationskursen anzusehen.
Dem ist der Verordnungsgeber in § 15 IntV nachgekommen, indem in Absatz 1 der Vorschrift als Qualifikationsanforderung an Lehrkräfte ein erfolgreich abgeschlossenes Studium Deutsch als Fremdsprache oder Deutsch als Zweitsprache gefordert wird. Der Erfolg von Integrationskursen, an den aufenthaltsrechtliche Wirkungen anknüpfen, setzt qualifizierte Lehrkräfte voraus, die sich neben hoher pädagogischer und interkultureller Kompetenz durch hohe sprachfachliche Qualifikation auszeichnen. Zur Gewährleistung einer der Formalqualifikation nach § 15 Abs. 1 IntV gleichrangigen Qualifikation sieht § 15 Abs. 2 IntV eine Zusatzqualifizierung durch das Bundesamt vor. Dass der Verordnungsgeber nicht voraussetzungslos jedem Bewerber eine Teilnahme an einer Zusatzqualifizierung und damit eine Zulassungsmöglichkeit zur Berufsausübung als Lehrkraft in Integrationskursen ermöglichen wollte, kann auch § 15 Abs. 2 IntV selbst trotz seiner weiten Fassung hinreichend deutlich entnommen werden, wenn eine Zusammenschau mit § 15 Abs. 1 IntV erfolgt. Im Hinblick darauf, dass die fachliche Ausgangsqualifikation des jeweiligen Bewerbers in Verbindung mit der vom Bundesamt vorgegebenen zusätzlichen Qualifizierung zu einem den Anforderungen des § 15 Abs. 1 IntV vergleichbaren Ausbildungs- und Leistungsstand führen muss, sind an die Ausgangsqualifikation adäquate Anforderungen zu stellen. Im Interesse der Sicherstellung einer adäquaten fachlichen Qualifikation der Lehrkräfte hat das Bundesamt unter Hinzuziehung eines Expertengremiums mit Vertretern aus Wissenschaft und Praxis und unter Beteiligung des Bundesministeriums des Innern die Zulassungskriterien für die Zusatzqualifizierung nach § 15 Abs. 2 IntV in einem generellen Regelwerk (Matrix) erarbeitet und festgelegt. Die vom Bundesamt aufgestellte Matrix dient darüber hinaus dazu, einen gleichmäßigen Verwaltungsvollzug sicherzustellen.
Die Matrix ist auf den Internetseiten des Bundesamts veröffentlicht und statuiert neben Regelungen zu einer verkürzten Zusatzqualifizierung und zum Verzicht auf eine Zusatzqualifizierung bei besonderen Voraussetzungen die Zugangsvoraussetzungen zur unverkürzten Zusatzqualifizierung im Umfang von 140 Unterrichtseinheiten. Hiernach werden für den Weg einer Zulassung als Lehrkraft über eine unverkürzte Zusatzqualifizierung minimal ein Hochschulabschluss oder ein sprachlicher Berufsabschluss kumulativ zu dem Nachweis praktischer Erfahrung als Sprachlehrer in der Erwachsenenbildung im Umfang von 500 Unterrichtseinheiten vorausgesetzt, wobei Äquivalenzen laut Deutschem Qualifikationsrahmen (DQR) mindestens der Stufe 6 einem Hochschulabschluss gleichgestellt sind. Die 500 Unterrichtseinheiten Sprachlehrerfahrung sind verzichtbar, soweit es sich um einen Hochschulabschluss in Pädagogik/Sozialpädagogik/Sonderpädagogik, Erwachsenenbildung, Erziehungswissenschaften, Psychologie oder um einen Hochschulabschluss nebst anderen Zertifikaten über Deutsch als Fremd- bzw. Zweitsprache (DaF/DaZ-Zertifikate) handelt.
Auch mit Blick auf die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass zur Gewährleistung eines hochwertigen Lehrangebots in den Integrationskursen subjektive Anforderungen an die Lehrkräfte gestellt werden.
Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet das Recht, Beruf und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG kann die Berufsausübung durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. Die Regelungsbefugnis erstreckt sich – in unterschiedlicher Intensität – auf die Berufsausübung und die Berufs- bzw. Ausbildungswahl. Sie ist um der Berufsausübung willen gegeben und darf nur unter diesem Blickpunkt allenfalls auch in die Freiheit der Berufswahl eingreifen. Inhaltlich ist sie umso freier, je mehr sie reine Ausübungsregelung ist, umso enger begrenzt, je mehr sie auch die Berufswahl berührt (vgl. grundlegend BVerfGE 7, 377 [sog. Apothekenurteil]). Während die Freiheit der Berufsausübung bereits beschränkt werden kann, soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls es zweckmäßig erscheinen lassen, darf die Freiheit der Berufswahl nur eingeschränkt werden, soweit der Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter es zwingend erfordert. Wird der Zugang zu einem Beruf von Voraussetzungen abhängig gemacht, die in der Person des Betreffenden begründet sind und die von ihm beeinflusst werden können (subjektive Zulassungsvoraussetzungen, etwa die Erfüllung bestimmter Leistungsanforderungen), muss die Beschränkung dem Schutz von Gemeinschaftsgütern dienen, die das Grundrecht der Berufsfreiheit des Einzelnen überragen.
Angesichts dieser abgestuften Anforderungen an Eingriffe in Berufswahl und Berufsausübung erfordert die verfassungsrechtliche Beurteilung von Veränderungen des Tätigkeitsspektrums eine Zuordnung zu diesen Ausprägungen der Berufsfreiheit. Für berufliche Spezialisierungen erweist sich als vorentscheidend, ob ein neuer, speziellerer Beruf ergriffen werden soll oder ob das nunmehr wahrgenommene Tätigkeitsfeld trotz Verengung des Tätigkeitsspektrums weiterhin als Teil des allgemein gefassten Berufes zu verstehen ist. In der ersten Fallgruppe tangieren gesetzliche Eingriffe den Berufswahl-, in der zweiten Gruppe den Berufsausübungsaspekt (vgl. Mann in Sachs, GG Kommentar, 8. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 82). Auch Tätigkeitserweiterungen können sich als integrative Modalität eines bereits ausgeübten Berufes oder als Zuwahl eines eigenständigen Zweitberufes darstellen. Unterfällt eine erstrebte berufliche Betätigung einem anderen, weiter gespannten Berufsbild, so ist regelmäßig von einem unselbständigen Teil eines Berufes auszugehen. Nicht jede Erweiterung des beruflichen Betätigungsfeldes stellt eine Berufswahlentscheidung mit den daraus abzuleitenden höheren Anforderungen des Verfassungsrechts an die Reglementierung solcher Lebenssachverhalte dar (vgl. OVG NRW, B.v. 24.10.2016 – 6 B 819/16 – juris Rn. 13). Gegenüber subjektiven Zulassungsvoraussetzungen stellen sich Beschränkungen der freien Wahl des Arbeitsplatzes für den Einzelnen in der Regel weniger einschneidend dar als Eingriffe in die Berufswahl. Erst recht folgt aus dem Grundrecht der freien Berufswahl kein Recht auf einen bestimmten Arbeitsplatz, kein Anspruch gegenüber einem privaten oder öffentlichen Arbeitgeber auf Einstellung. Mit der Berufswahlfreiheit ist kein Anspruch auf Bereitstellung eines Arbeitsplatzes eigener Wahl verbunden (vgl. BVerfG, U.v. 24.4.1991 – 1 BvR 1341/90 – BVerfGE 84, 133-160).
Nach diesen Maßgaben ist bei der Zusatzqualifizierung nach § 15 Abs. 2 IntV schon in Anbetracht des zeitlichen Umfangs der Nachqualifizierung von maximal 140 Unterrichtseinheiten nicht von einer eigenständigen Berufsausbildung auszugehen. Prägend für eine Ausbildungsstätte ist, dass sie aufbauend auf eine schulische Bildung berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt. Demgegenüber soll die Zusatzqualifizierung nach § 15 Abs. 2 IntV ausgehend von einer bestehenden beruflichen Qualifizierung eine Spezialisierung bewirken, damit ein dem Abschluss nach § 15 Abs. 1 IntV adäquates Qualifikationsniveau erreicht werden kann. Der Zugang zur Zusatzqualifikation stellt sich nicht als neues Berufsbild, sondern als berufsimmanente Weiterqualifizierung dar.
Auch ist die berufliche Betätigung als Lehrkraft in Integrationskursen trotz der bundesweit einheitlichen Regelung und Monopolstellung des Bundesamtes aufgrund der gesetzlich gewünschten zentralen Koordinierungsfunktion bei der Durchführung von Integrationskursen nicht als eigenständiges Berufsbild, sondern vielmehr als besondere Modalität eines ausgeübten Berufes und als Arbeitsplatzregelung zu bewerten. Die angestrebte berufliche Betätigung ist ein Unterfall des weiter gespannten Berufsbildes des Lehrberufs.
Die in § 15 IntV geregelten Qualifikationsanforderungen an Lehrkräfte in Integrationskursen dienen dem Gemeinwohl und sind zur erfolgreichen Integration von Ausländern in die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland erforderlich und nicht unverhältnismäßig. Die Sprachvermittlung an Migranten stellt – wie ausgeführt – an die Qualifikation der Lehrkräfte besondere Anforderungen. Im Interesse eines bundesweit einheitlichen Qualifikationsniveaus sowie eines einheitlichen Verwaltungsvollzugs ist es daher erforderlich und angemessen, entsprechende Qualifikationsanforderungen an Lehrkräfte in Integrationskursen festzulegen. Dass in § 15 Abs. 2 IntV keine Regelungen zur Ausgangsqualifikation für die Zusatzqualifizierung getroffen wurden, erweist sich insoweit als unschädlich, als in Zusammenschau mit § 15 Abs. 1 IntV erkennbar ist, dass mit der Zusatzqualifizierung ein dem Abschluss nach § 15 Abs. 1 IntV vergleichbares Qualifikationsniveau erreicht werden soll.
Die zulässigerweise an ihn gestellten Anforderungen erfüllt der Kläger nicht.
Dahinstehen kann, ob der Kläger mit seiner beruflichen Qualifikation „Versicherungsbetriebswirt (DVA)“, als einem nach Auskunft der Deutschen Versicherungsakademie vom 6. September 2016 rein brancheninternen Abschluss über einen einem Hochschulabschluss äquivalenten Abschluss entsprechend Stufe 6 des Deutschem Qualifikationsrahmen (DQR) verfügt. Den im Falle des Klägers für die Zulassung zur Zusatzqualifizierung neben einem Hochschulabschluss erforderlichen Nachweis von 500 Unterrichtseinheiten an Sprachlehrerfahrung in der Erwachsenenbildung hat der Kläger jedenfalls – worauf das Verwaltungsgericht schließlich zu Recht hinweist – nicht erbracht. Die im Zulassungsvorbringen vertretene Auffassung, der Kläger habe im Rahmen seiner Weiterbildung „Trainerausbildung Vertrieb und Marketing“ wesentlich kompliziertere Sachverhalte vermittelt, und eine Sprachlehrerfahrung sei außerhalb einer ehrenamtlichen Tätigkeit und Hospitationen nicht zu erlangen, ist unzutreffend bzw. nicht nachvollziehbar, zumal Sprachlehrerfahrungen in mannigfaltiger Form auch außerhalb des ehrenamtlichen Bereichs erbracht werden können (z.B. Sprachschulen, Erwachsenenbildungsstätten). Dass bei Fehlen eines pädagogischen Hochschulabschlusses eine Sprachlehrerfahrung in einem Umfang von 500 Unterrichtseinheiten gefordert wird, dient der Gewährleistung der pädagogigschen Eignung und eines hochwertigen Lehrangebots in den Integrationskursen und stellt sich insoweit als sachgerechtes Kriterium dar, eine fehlende pädagogische Hochschulausbildung zu kompensieren. Schulungstätigkeiten im Bereich Vertrieb und Marketing sind nicht geeignet, eine Sprachlehrtätigkeit in der Erwachsenenbildung zu ersetzen.
Eine im Zulassungsvorbringen nicht näher substantiierte Ungleichbehandlung des Klägers durch Anwendung der vom Bundesamt aufgestellten Matrix ist nicht ersichtlich. Insbesondere erscheint im Hinblick auf die erforderliche pädagogische Eignung und interkulturelle Kompetenz ein Abstellen auf eine Lehrerfahrung in einem bestimmten Umfang als sachgerechtes Differenzierungskriterium.
2. Auch eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen der vom Kläger geltend gemachten besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten kommt nicht in Betracht. Denn solche Schwierigkeiten sind bereits nicht den Anforderungen von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne dieser Vorschrift weist eine Rechtssache dann auf, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, wenn sie sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2017 – 15 ZB 16.673 – juris Rn. 42 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind nach dem Zulassungsvortrag des Klägers, der sich darin erschöpft, dass die in der Matrix geforderte Sprachlehrerfahrung in der Erwachsenenbildung rein tatsächlich nicht erfüllt werden könne, vorliegend nicht erfüllt.
3. Gleiches gilt für den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie eine im angestrebten Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat, wobei zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 5, Abs. 5 Satz 2 VwGO) die Frage nicht nur auszuformulieren, sondern zudem auch substantiiert auszuführen ist, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72 m.w.N.). Die unsubstantiierte Behauptung, eine Sprachlehrerfahrung in der Erwachsenenbildung sei nicht zu erbringen, genügt dem nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung entspricht §§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 3, 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§§ 152 Abs. 1, 158 Abs. 1 VwGO; §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG); mit seinem Zugang wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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