Verwaltungsrecht

Recht der Landesbeamten, Anerkennung als Dienstunfall, Berufskrankheit i.S.v. Art. 46 Abs. 3 BayBeamtVG

Aktenzeichen  Au 2 K 20.119

Datum:
27.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 30684
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBeamtVG Art. 46 Abs. 3
Berufskrankheiten-Verordnung Nr. 3101 der Anlage 1 der

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung eines Dienstunfalls nach Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG. Demnach gilt auch die Erkrankung an einer in Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2623) in der jeweils geltenden Fassung genannten Krankheit als Dienstunfall, wenn der Beamte nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung besonders ausgesetzt war, es sei denn, dass der Beamte sich die Krankheit außerhalb des Diensts zugezogen hat. Nach Nr. 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung sind Infektionskrankheiten dann Berufskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war. Als Infektionskrankheit wird die Erkrankung an Tuberkulose von Nr. 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung nach bestimmten Maßgaben grundsätzlich erfasst. Nr. 3101 – letzte Alternative – fordert eine der betreffenden Tätigkeit innewohnende besondere, den übrigen aufgeführten Tätigkeiten vergleichbare Gefährdung.
Nach Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG in Verbindung mit der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung gilt die in Nr. 3101 aufgeführte Infektionskrankheit nur dann als Dienstunfall, wenn die zur Zeit der Infektion konkret ausgeübte dienstliche Tätigkeit erfahrungsgemäß im ganzen gesehen ihrer Art nach unter den besonderen zur Zeit der Krankheitsübertragung bestehenden tatsächlichen Verhältnissen und Begleitumständen eine hohe Wahrscheinlichkeit der Erkrankung in sich birgt (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 28.1.1993 – 2 C 22.90 – juris Rn. 12). Diese besondere Gefährdung muss für die dienstliche Verrichtung typisch und in erheblich höherem Maße als bei der übrigen Bevölkerung vorhanden sein. Art. 46 Abs. 3 BayBeamtVG setzt zwar nicht voraus, dass die durch die Art der dienstlichen Verrichtung hervorgerufene Gefährdung generell den Dienstobliegenheiten anhaftet. Vielmehr genügt es, wenn die eintretende Gefährdung der konkreten dienstlichen Verrichtung ihrer Art nach eigentümlich ist, allerdings nur dann, wenn sich die Erkrankung als typische Folge des Diensts darstellt; maßgebend kommt es darauf an, ob die von dem Beamten zum Zeitpunkt der Erkrankung ausgeübte dienstliche Tätigkeit erfahrungsgemäß eine hohe Wahrscheinlichkeit der Erkrankung gerade an dieser Krankheit in sich birgt (stRspr. vgl. BVerwG, B.v. 15.05.1996 – 2 B 106.95 – juris; VG Würzburg, U.v. 26. 5.2020 – W 1 K 19.40 – juris Rn. 26).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann nicht erkannt werden, dass unter den gegebenen tatsächlichen Umständen die besondere Gefährdung einer Ansteckung des Klägers an einer (latenten) tuberkulösen Infektion für seine Tätigkeit als Fachoberlehrer typisch war und in erheblich höherem Maße als bei der übrigen Bevölkerung bestand. Die Zahl der nachgewiesen an Tuberkulose erkrankten Personen an dem Staatlichen Beruflichen Schulzentrum … ist äußerst gering. Das Bundesverwaltungsgericht (U.v. 11.2.1965 – II C 11.62 – ZBR 1965, 244) hat ausgeführt, dass auch das wiederholte – dienstlich bedingte – Zusammentreffen mit verschiedenen tuberkulosekranken Personen nicht für die Feststellung ausreiche, ein Beamter sei nach der Art seiner dienstlichen Verrichtungen dem besonderen Risiko gerade einer Tuberkuloseinfektion ausgesetzt gewesen. In der Rechtsprechung sind Infektionskrankheiten als Dienstunfall im Sinne des § 31 Abs. 3 BeamtVG (und damit auch Art. 46 Abs. 3 BayBeamtVG) grundsätzlich nur anerkannt worden, wenn die betreffende Infektionskrankheit gehäuft aufgetreten war (vgl. BVerwG, U.v. 9.11.1960 – VI C 144.58 – BVerwGE 11, 229; U.v. 4.9.1969 – II C 106.67 – juris Rn. 14; VGH BW, U.v. 21.11986 – S 2468/85 – ZBR 1986, 277; OVG NW, U.v. 8.11.1973 – 6 A 1244/71 – ZBR 1974, 300; U.v. 22. 5.1992 – 12 A 2403/89 – juris Rn. 31). Von einer derartigen Häufung kann vorliegend selbst dann nicht gesprochen werden, wenn zugunsten des Klägers unterstellt wird, dass neben dem erkrankten Schüler auch eine weitere Lehrkraft an Tuberkulose erkrankt gewesen war. Weitere nachgewiesene Tuberkulosefälle sind nicht bekannt geworden. Eine Nachfrage beim Landratsamt … – Gesundheitsamt – hat lediglich ergeben, dass aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht keine Namen oder Zahlen von den mit TBC infizierten Personen am Staatlichen Beruflichen Schulzentrum … genannt werden dürfen. Auch von Klägerseite sind hierzu keine weiteren Angaben erfolgt.
Bei einem auf Art. 46 Abs. 3 BayBeamtVG gestützten Anspruch hat der Beamte, der die Dienstunfallfürsorge wegen einer Krankheit erreichen will, für die besondere Erkrankungsgefahr im Sinne von Satz 1 der Vorschrift und die rechtzeitige Meldung der Erkrankung die materielle Beweislast zu tragen, wenn das Gericht die erforderliche, d.h. vernünftige Zweifel ausschließende Überzeugungsgewissheit nicht gewinnen kann. In diesem Rahmen können dem Beamten auch allgemein anerkannte Beweiserleichterungen wie der Beweis des ersten Anscheins oder eine Umkehr der Beweislast zugutekommen, wenn die hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen gegeben sind (BVerwG, B. v. 11.3.1997 – 2 B 127.96 – juris). Lässt sich bei Vorliegen der beiden erstgenannten Voraussetzungen hingegen lediglich nicht klären, ob sich der Beamte die Erkrankung innerhalb oder außerhalb des Dienstes zugezogen hat, so trägt das Risiko der Unaufklärbarkeit hinsichtlich dieser Voraussetzung der Dienstherr (BVerwG, U.v. 28.4.2011 – 2 C 55.09 – juris Rn. 13).
Nach diesen Grundsätzen geht der Umstand, dass ein seuchenhaftes bzw. häufiges Auftreten der Infektionskrankheit nicht nachgewiesen werden kann, zu Lasten des Klägers. Für den Kausalzusammenhang besteht – worauf es hier aber nicht ankommt – eine gesetzliche Vermutung („es sei denn, …“), die allerdings vom Dienstherr widerlegt werden kann. Deshalb trägt dieser das Risiko der Unaufklärbarkeit des Umstands, ob sich der Beamte die Erkrankung innerhalb oder außerhalb des Diensts zugezogen hat. Gründe für eine Beweislastumkehr dahingehend, dass der Dienstherr auch für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen – Krankheit nach Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung bzw. die besondere Erkrankungsgefahr – die Beweislast zu tragen hat, liegen hier nicht vor.
Eine andere Betrachtung ist auch nicht deswegen gerechtfertigt, weil der Kläger in einer BAF-Klasse tätig war, in denen berufschulpflichtige Asylbewerber und Geflüchtete unterrichtet werden. Zwar ist das Gefährdungspotential dieses Personenkreises als erhöht einzustufen, aber sowohl prozentual als auch in absoluten Zahlen ist auch hier die Zahl der an Tuberkulose Erkrankten so gering, dass von einer besonderen Gefährdung des Klägers durch den Kontakt mit Asylbewerbern und Geflüchteten im Rahmen seiner Tätigkeit nicht gesprochen werden kann. Im Jahr 2018 wurden in Deutschland insgesamt 5.429 Tuberkulose-Fälle registriert. Insgesamt 30,2% aller Erkrankten hatten die deutsche, 69,8% eine andere Staatsangehörigkeit. Bei Letzteren betrug die Inzidenz 37,3 pro 100.000 Einwohner. Angesichts dieser Zahlen ist die Wahrscheinlichkeit, sich als Lehrer einer BAF-Klasse durch Ansteckung bei einem Schüler an Tuberkulose zu erkranken, als gering einzuschätzen, auch wenn sie höher sein mag als bei einem Durchschnittsbürger (vgl. OVG NW, U.v. 22.5.1992 – 12 A 2403/89 – juris Rn. 32 ff.; Bericht zur Epidemiologie der Tuberkulose in Deutschland für 2018, Robert Koch Institut).
Aufgrund der im vorliegenden Fall geringen Anzahl an festgestellten Tuberkulosefällen war der Dienst des Klägers – verglichen mit der Allgemeinbevölkerung – nicht mit einer erheblich erhöhten Gefahr verbunden, sich tuberkulös zu infizieren. Vielmehr hat sich sein allgemeines Lebensrisiko realisiert. Diese Einschätzung ändert sich auch nicht dadurch, dass der Kläger nicht nur Frontalunterricht, sondern auch aktiven (Praxis-) Unterricht gehalten hat, bei dem ein näherer Kontakt zu den Schülern möglich ist. Eine mit den in der Nr. 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung übrigen aufgeführten Tätigkeiten vergleichbare Gefährdung ist hier auch unter Berücksichtigung der besonderen Unterrichtsform in den BAF-Klassen nicht ersichtlich.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 124, § 124a Abs. 1 VwGO).


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