Verwaltungsrecht

Rechtmäßige Abschiebungsandrohung – Krankheitsbedingtes zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis nicht substantiiert dargelegt

Aktenzeichen  M 28 S 17.45266

Datum:
14.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 143086
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
AsylG § 75
AsylG § 71
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 5
AsylG § 36
AufenthG § 60 Abs. 7 Sätze 1 – 4

 

Leitsatz

1 Erlässt das Bundesamt anlässlich der Entscheidung über einen Folgeantrag eine (erneute) Abschiebungsandrohung, wird vorläufiger Rechtsschutz durch einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsandrohung gewährt. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2 Das Verwaltungsgericht darf einstweiligen Rechtsschutz nur dann gewähren, wenn es ernstliche Zweifel daran hat, dass die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 S. 1 AsylG iVm § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen oder dass das Bundesamt das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG im Ergebnis zu Recht verneint hat. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3 Bei einem Folgeantrag darf sich das Bundesamt nicht mit der Prüfung begnügen, ob die Voraussetzungen des § 51 VwVfG für ein Wiederaufgreifen zu § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen, sondern es muss anlässlich der Entscheidung über den gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG unzulässigen Asylantrag feststellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
4 Fehlt es schon an einem aktuellen Attest eines Facharztes, das den Mindestanforderungen an die Substantiierung einer PTBS genügt, liegen die Voraussetzungen für ein krankheitsbedingtes zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 7 S. 1 – 4 AufenthG offenkundig nicht vor. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Die Antragstellerin ist iranische Staatsangehörige. Sie verließ ihr Heimatland im Dezember 2011 und reiste über die Türkei und Griechenland in die Bundesrepublik Deutschland ein (alles eigene Angaben).
Am 24. Januar 2012 stellte die Antragstellerin einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit Bescheid vom 6. Februar 2013 ablehnte. Die hiergegen zum Verwaltungsgericht München erhobenen Klage wurde mit Urteil vom 9. Dezember 2013 (Az.: M 2 K 13.30907) rechtskräftig abgewiesen. Zur Begründung führte das Gericht aus, die vorgebrachten Fluchtgründe seien nicht glaubwürdig.
Am 9. Juli 2014 stellte die Antragstellerin einen Folgeantrag. Bereits zuvor hatte sie sich bezüglich einer Folgeantragstellung mit Schreiben vom 30. Juni 2014 an das Bundesamt gewandt. In diesem Schreiben nahm sie Bezug auf ein Schreiben ihrer damaligen Bevollmächtigten vom 4. April 2014, wonach bei der Antragstellerin eine posttraumatische Belastungsstörung sowie eine mittelschwere depressive Episode diagnostiziert worden sei. Zur Vorlage kam ein entsprechendes psychiatrisch-psychotherapeutisches Gutachten der Dr. med. …, Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, … …, vom … Februar 2014.
Mit Bescheid vom 22. Juni 2017, zugestellt am 26. Juni 2017, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens als unzulässig ab (Ziffer 1.), lehnte einen Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 6. Februar 2013 bezüglich der Feststellungen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ab (Ziffer 2.), forderte die Antragstellerin auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, andernfalls werde sie abgeschoben (Ziffer 3.) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4.). Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt: Der Folgeantrag nach § 71 AsylG sei gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG unzulässig, da die Voraussetzung für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vorlägen. Die Antragstellerin habe keine Wiederaufgreifensgründe dargelegt. Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG seien ebenfalls nicht gegeben. Die Antragstellerin habe ihre psychischen Erkrankungen nicht glaubhaft geltend machen können. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 71 Abs. 4 i.V.m. § 34 Abs. 1 AsylG erlassen worden. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus §§ 71 Abs. 4 i.V.m. 36 Abs. 1 AsylG. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot werde nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Wegen der weiteren Einzelheiten der Bescheidsbegründung wird auf den Bescheid (Bl. 42 ff. BA) verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin durch ihre Bevollmächtigten am 3. Juli 2017 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München. Diese Klage, über die noch nicht entschieden ist, wird unter dem Aktenzeichen M 28 K 17.45264 geführt. Ferner beantragte die Antragstellerin ebenfalls 3. Juli 2017,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen sowie der Antragsgegnerin aufzugeben, der Ausländerbehörde mitzuteilen, dass eine Abschiebung der Antragstellerin nicht durchgeführt werden dürfe.
Am 7. Juli 2017 legte die Antragsgegnerin die Behördenakten (Erst- und Folgeverfahren) vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.
II.
1. Der Antrag ist zulässig als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylG; § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 71 Abs. 4, 36 Abs. 3 AsylG).
Erlässt das Bundesamt anlässlich der Entscheidung über einen Folgeantrag gemäß §§ 71 Abs. 4, 34 Abs. 1 AsylG eine (erneute) Abschiebungsandrohung, wird vorläufiger Rechtsschutz gemäß § 71 Abs. 4 AsylG i.V.m. § 36 Abs. 3 AsylG durch einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsandrohung gewährt (Funke-Kaiser in GK-AsylG, Stand November 2016, § 71 Rn. 379 ff.; Marx, AsylG, 9. Auflage 2017, § 71 Rn. 118). Hieran hat sich auch durch die jüngste Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Rechtsschutz bei Folgeanträgen nach Inkrafttreten des Integrationsgesetzes zum 6. August 2016 (siehe dazu: BVerwG, U. v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – juris) nichts geändert: Die aus dieser hinsichtlich des einstweiligen Rechtsschutzes anlässlich der Ablehnung eines Folgeantrags abzuleitenden Neuerungen betreffen nur die Fallkonstellation, dass das Bundesamt keine (erneute) Abschiebungsandrohung erlassen hat (vgl. dazu etwa VG München, B. v. 8.5.2017 – M 2 E 17.37375; B. v. 23.3.2017 – M 2 S 17.34212 und M 2 E 17.34213). Hat das Bundesamt hingegen eine (erneute) Abschiebungsandrohung erlassen, dann kann und – wegen § 123 Abs. 5 VwGO – muss einstweiliger Rechtsschutz (wie schon vor Inkrafttreten des Integrationsgesetzes) in einem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gewährt werden, weil in dieser Fallkonstellation unverändert gemäß §§ 71 Abs. 4, 36 Abs. 3 AsylG ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO „gegen die Abschiebungsandrohung“ vorgesehen ist.
Vorliegend legt das Gericht den von der Antragstellerin gestellten Antrag als einen solchen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung aus (§ 88 VwGO). Dem zusätzlich formulierten Satz, der Antragsgegnerin aufzugeben, der Ausländerbehörde mitzuteilen, dass eine Abschiebung vorläufig nicht durchgeführt werden darf, misst das Gericht keine eigenständige Bedeutung zu (§ 88 VwGO), da ein entsprechender Antrag gemäß § 123 VwGO neben einem Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wegen § 123 Abs. 5 VwGO nicht zulässig wäre. Hilfsweise angemerkt sei noch Folgendes: Selbst wenn man von einem zulässigen Antrag gemäß § 123 VwGO ausgehen wollte, so wäre dieser unbegründet: Wie sich aus Nachstehendem ergeben wird, bestünde jedenfalls kein Anordnungsanspruch.
2. In der Sache bleibt der Antrag ohne Erfolg.
Die Aussetzung der Abschiebung darf nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (§ 71 Abs. 4 AsylG i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG). Ernstliche Zweifel liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird (BVerfGE 94, 166, 194). Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (§ 71 Abs. 4 AsylG i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG).
Die Androhung der Abschiebung unter Bestimmung einer Ausreisefrist von einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung stützt sich vorliegend darauf, dass ein Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag nach § 71 AsylG) als unzulässig abgelehnt wurde, weil das Bundesamt das Vorliegen der Voraussetzungen der § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG verneint hat (§ 71 Abs. 4 AsylG i.V.m. §§ 34 Abs. 1, 36 Abs. 1 AsylG). Das Verwaltungsgericht darf einstweiligen Rechtsschutz nur dann gewähren, wenn es ernstliche Zweifel daran hat, dass die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen (BVerfG, B. v. 16.3.1999 – 2 BvR 2131/95 – juris Rn. 22; Funke-Kaiser in GK-AsylG, Stand November 2016, § 36 Rdnr. 85). Darüber hinaus hat das Gericht gemessen am Maßstab der ernstlichen Zweifel auch zu prüfen, ob das Bundesamt im Ergebnis zu Recht das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG verneint hat (zum Ganzen: Marx, Kommentar zum AsylG, 9. Auflage 2017, § 36 Rn. 43, 56 f. jew. m.w.N., § 71 Rn. 124 m.w.N.).
Vorliegend bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids vom 22. Juni 2017. Das Bundesamt ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen. Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist auch, dass das Bundesamt keine Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festgestellt hat.
Zur Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die Ausführungen im Bescheid des Bundesamts vom 22. Juni 2017 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen:
Zur Begründung des Folgeantrags wurde vorgetragen, die Antragstellerin leide an einer posttraumatische Belastungsstörung sowie einer mittelschweren depressiven Episode. Vorgelegt wurde ein entsprechendes psychiatrisch-psychotherapeutisches Gutachten der Dr. med. …, Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, … …, vom … Februar 2014. Eine darüber hinausgehende Begründung erfolgte weder gegenüber dem Bundesamt noch gegenüber dem Gericht, insbesondere wurden auch keine weiteren Beweismittel vorgelegt.
Mit diesem Vorbringen wird allenfalls ein sog. krankheitsbedingtes zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 7 Sätze 1 – 4 AufenthG angesprochen. Hingegen hat eine etwaige Erkrankung der Antragstellerin schon im Ansatz und ganz offensichtlich mit einer asylrelevanten und asylerheblichen Verfolgung, Gefährdung oder Bedrohung im Sinne einer Asylberechtigung (Art. 16a GG) oder des internationalen Schutzes (§§ 3 ff., 4 AsylG) nichts zu tun. Das Vorbringen der Erkrankung ist von vornherein nach jeder vertretbaren Betrachtung ungeeignet, zur Asylberechtigung (Art. 16a GG) oder zur Zuerkennung des internationalen Schutzes (§§ 3 ff., 4 AsylG) zu verhelfen, aufgrund des Vorbringens der Erkrankung besteht insoweit noch nicht einmal die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung (siehe zu diesem für die Wiederaufnahmegründe des § 51 Abs. 1 VwVfG geltenden Maßstab: BVerfG, B. v. 3.3.2000 – 2 BvR 39/98 – juris Rdnr. 32 m.w.N. sowie den Bescheid, § 77 Abs. 2 AsylG). Nur die Anerkennung als Asylberechtigte (Art. 16a GG) und die Zuerkennung von internationalem Schutz (§§ 3 ff, 4 AsylG), nicht hingegen die nationalen Abschiebungsverbote, sind Gegenstand eines Asylantrags (dazu: § 13 Abs. 2 Satz 1 AsylG) und damit eines Folgeantrags im Sinne des § 71 Abs. 1 AsylG als erneutem Asylantrag.
Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist auch, dass das Bundesamt keine nationalen Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG festgestellt hat. Zwar hätte sich das Bundesamt nicht mit der Prüfung begnügen dürfen, ob die Voraussetzungen des § 51 VwVfG für ein Wiederaufgreifen zu § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen. Vielmehr hätte es sich anlässlich der Entscheidung über den gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG unzulässigen Asylantrag in Bezug auf § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG sachlich mit dem Schutzbegehren zu befassen gehabt, es hätte – so ausdrücklich § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG – festzustellen gehabt, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen (dazu BVerwG, U. v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – juris Rn. 18 und 20). Gleichwohl bestehen im Ergebnis auch insoweit keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, weil es das Vorbringen der Antragstellerin ganz offensichtlich nicht rechtfertigt, ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG anzunehmen, insbesondere auch kein sog. krankheitsbedingtes zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Sätze 1 – 4 AufenthG:
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Regelung in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfasst dabei nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solcher ergeben, nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können (st. Rspr., BVerwG, U. v. 25.11.1997 – Az. 9 C 58.96 – juris; BVerwG, U. v. 29.10.2002 – 1 C 1/02 – juris; BayVGH, U. v. 8.3.2012 – 13a B 10.30172 – juris; OVG NW, U. v. 27.1.2015 – 13 A 1201/12.A – juris Rn. 45).
Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich dabei auch aus der Krankheit eines Ausländers ergeben, wenn diese sich im Heimatstaat verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind. Ein zielstaats-bezogenes Abschiebungshindernis kann sich darüber hinaus trotz an sich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann, etwa weil er nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügt (BVerwG, U. v. 29.10.2002, a.a.O.; BayVGH, U. v. 8.3.2012, a.a.O.). Dabei setzt die Annahme einer erheblichen konkreten Gefahr voraus, dass sich der Gesundheitszustand des betroffenen Ausländers alsbald nach der Ankunft im Zielland der Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde (BVerwG, U. v. 25.11.1997, a.a.O.). Durch Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl I S. 390) wurden hinsichtlich des krankheitsbedingten zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses durch § 60 Abs. 7 Sätze 2 bis 4 AufenthG zusätzlich folgende Bestimmungen getroffen: Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist.
Hinzu kommt hinsichtlich des Vorbringens einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS): Die höchstrichterliche Rechtsprechung (BVerwG, B. v. 26.7.2012 – 10 B 21/12 – juris Rn. 7 m.w.N.; BVerwG, U. v. 11.9.2007 – 10 C 17/07 – juris Rn. 15) stellt an die Substantiierung des Vorbringens einer Erkrankung an einer PTBS besondere Anforderungen. Gefordert wird die Vorlage eines gewisse Mindestanforderungen genügenden, aktuellen fachärztlichen Attests. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren soll das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist.
Daran gemessen liegen im Fall der Antragstellerin die Voraussetzungen für ein krankheitsbedingtes zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 7 Sätze 1 – 4 AufenthG offenkundig nicht vor: Bezüglich der vorgebrachten PTBS fehlt es schon an einem aktuellen Attest eines Facharztes, das den o.g. Mindestanforderungen genügt. Das allein vorgelegte Gutachten datiert vom 25. Februar 2014, hierbei handelt es sich zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG) zweifellos nicht (mehr) um ein aktuelles Attest. Auch hinsichtlich der daneben vorgebrachten Depression mangelt es angesichts dessen, dass auch diesbezüglich nur das Gutachten vom 25. Februar 2014 vorliegt, bereits an jeglichem Nachweis, dass die Antragstellerin auch derzeit noch an einer derartigen Erkrankung leiden könnte. Bei diesem Ergebnis kommt es dann nicht mehr darauf an, ob und ggf. inwiefern eine etwaige Erkrankung der Antragstellerin behandlungsbedürftig ist. Gleiches gilt für die Frage der Behandlungsmöglichkeiten im Iran sowie die Folgen einer etwaigen Nichtbehandlung. Dahingestellt kann auch bleiben, ob das behauptete traumatisierende Erlebnis überhaupt stattgefunden hat. Dies muss gegenüber dem Tatrichter nachgewiesen bzw. wahrscheinlich gemacht werden (BayVGH, B. v. 23.5.2017 – 9 ZB 13.30236 – juris Rn. 7 ff. m.w.N.; B. v. 15.2.2017 – 9 ZB 14.30433 – juris Rn. 7 m.w.N.; B. v. 4.11.2016 – 9 ZB 16.30468 – juris Rn. 18 m.w.N.; VG Ansbach, U. v. 24.3.2015 – AN 3 K 14.30132 – juris Rn. 77; VG München, U. v. 14.2.2014 – M 21 K 11.30993 – juris Rn. 36; VG Augsburg, U. v. 21.6.2013 – Au 7 K 13.30077 – juris Rn. 62) und ist vorliegend im Hinblick darauf durchaus zweifelhaft, als das Gericht das Vorbringen der Antragstellerin im ersten Asylverfahren für unglaubwürdig erachtet hat (vgl. das den Beteiligten bekannte Urteil vom 9. Dezember 2013, Az.: M 2 K 13.30907).
Nach alldem war der gemäß § 83 b AsylG gerichtskostenfreie Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.


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