Verwaltungsrecht

Rechtmäßige Abschiebungsanordnung eines Ahmadi nach Pakistan

Aktenzeichen  Au 3 S 16.30016

Datum:
4.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
GG GG Art. 16a

 

Leitsatz

Die Unverzichtbarkeit der öffentlichen Glaubensausübung als ein zentrales Element der religiösen Identität, bei der in Pakistan für einen Angehörigen der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft die begründete Furcht vor einer Verfolgung aus religiösen Gründen besteht, muss glaubhaft dargelegt werden (vgl. BVerwG BeckRS 2013, 49253). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 4. Januar 2016 wird abgelehnt.
II.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragssteller.
III.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt …, …, wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist pakistanischer Staatsangehöriger punjabischer Volkszugehöriger und gehört nach seinen Angaben der Religionsgemeinschaft der Ahmadiyya an. Er reiste im Juni 2013 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 26. Juni 2013 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag. Hinsichtlich des Vortrags des Antragstellers bei der vorausgehenden Befragung zur Identitätsklärung bei der Regierung von … am 18. Juni 2013 wird auf die betreffende Niederschrift verwiesen.
Am 23. September 2013 legte er dem Bundesamt eine Bescheinigung des Ahmadiyya Muslim Jamaat e.V. Zentrale für Deutschland vom 19. September 2013 vor, wonach er seit Geburt Mitglied der Glaubensgemeinschaft Ahmadiyya Muslim Jamaat sei.
Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 27. Januar 2014 gab er zu seinen Asylgründen befragt im Wesentlichen an, dass er der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft angehöre und von seiner Gemeinde im Jahr 2007 gemeinsam mit vier andere Jungen aus seinem Dorf zum Hilfseinsatz in das Erdbebengebiet in Kaschmir beordert worden sei. Dort habe er einen Jungen getroffen, der früher Ahmadi gewesen sei, sich dann aber der Organisation Lashkar-e-Taiba angeschlossen habe. In Kaschmir seien sie von der pakistanischen Armee geretten worden; Lashkar-e-Taiba habe Leute beauftragt gehabt, sie zu töten, obwohl sie geholfen hätten. Später habe er in seinem Heimatland einen Jungen namens … kennengelernt. Dieser sei auch von der Lashkar-e-Taiba gewesen und habe den Antragsteller aufgefordert, zu dessen Glauben (Sunniten wahabitischer Ausprägung) zu konvertieren. Sie hätten über Religion gestritten und viel diskutiert. lm Sommer 2011 oder 2012 habe der Antragsteller schließlich den für sein Dorf zuständigen Mullah geholt, um diesen Streit zu schlichten, … habe ihm aber nicht zugehört. Stattdessen sei der Antragsteller von … eingeladen worden, nach … zu gehen und dort an einer großen Versammlung der Lashkar-e-Taiba teilzunehmen. Der Antragsteller sei auch zu dieser Versammlung hingegangen und habe sich dort alles angesehen. Er wisse aber nicht mehr, in welchem Jahr dies gewesen sei. Auf dem Rückweg habe der Antragsteller erneut mit … diskutiert. Später sei der Antragsteller bei einem Freund von … in … gewesen, welcher ihm gesagt habe, dass die Ahmadis schlechte Menschen seien und keine Religion hätten. Er sei von ihm bedroht worden. … habe ihm schließlich empfohlen, aus … wegzugehen, weil man ihn dort nicht in Ruhe lassen würde. In seinem Dorf habe der Antragsteller allen erzählt, was passiert sei. Man habe ihm geraten, sein Heimatland zu verlassen. Auch … habe ihm dazu geraten.
Mit Urteil vom 19. Mai 2014 verurteilte das Amtsgericht … den Antragsteller nach mehrmonatiger Untersuchungshaft wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil eines sechsjährigen Mädchens zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten und setzte die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus.
Mit Bescheid vom 4. Januar 2016 lehnte das Bundesamt den Asylantrag (Nr. 2) und den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) als offensichtlich unbegründet ab. Weiter wurde der Antrag auf Zuerkennung von subsidiärem Schutz abgelehnt (Nr. 3) und festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG (Nr. 4) nicht vorliegen würden. Dem Antragsteller wurde die Abschiebung nach Pakistan angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
Auf die Ausführungen zur Begründung des Bescheids wird verwiesen.
Am 12. Januar 2016 ließ der Antragsteller Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg erheben, mit den Anträgen, Nrn. 1 und 3 bis 5 des Bescheids des Bundesamtes vom 4. Januar 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Antragsteller die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG, § 3 Abs. 1 AsylG und subsidiären Schutzstatus gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG, § 4 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen und festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen.
Außerdem ließ er beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung aus dem Bescheid des Bundesamts vom 4. Januar 2016 anzuordnen.
Hinsichtlich der Begründung des Rechtsschutzantrags wird auf die vom Bevollmächtigten des Antragstellers eingereichten Schriftsätze vom 19. Januar 2016, 8. Februar 2016 und 19. Februar 2016 verwiesen.
Darüber hinaus beantragte er Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten sowohl für das Eil- als auch für das Klageverfahren und kündigte an, die PKH-Unterlagen nachzureichen, was bislang, d. h. zum Entscheidungszeitpunkt, allerdings nicht erfolgt ist.
Das Bundesamt, hat sich in der Sache nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt.
Mit Schreiben vom 23. Januar 2016 nahm die Ahmaddiyya Muslim Jamaat Deutschlad zu Fragen des Gerichts Stellung. Auf diese Auskunft wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- sowie die vom Bundesamt vorgelegten Asylakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige, insbesondere nach § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG fristgerecht gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung nach § 80 Abs. 5 VwGO, hat keinen Erfolg.
Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens ist gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG die unter Bestimmung einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) ausgesprochene Abschiebungsandrohung.
Die mit der Abschiebungsandrohung intendierte umgehende Beendigung des Aufenthalts des Asylbewerbers im Bundesgebiet stützt sich auf die Ablehnung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet und ist deren Folge. Anknüpfungspunkt der fachgerichtlichen Prüfung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes muss daher die Frage sein, ob das Bundesamt den Asylantrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat (BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 – juris Rn. 93). Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes daher die Einschätzung des Bundesamtes, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht, ein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes bzw. ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht besteht, zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 – juris; BVerfG [Kammer], B. v. 10.7.1997 – 2 BvR 1291/96 – juris; BVerfG, U. v. 7.11.2008 – 2 BvR 629/06 – juris m. w. N.).
Die Aussetzung der Abschiebung darf nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen (§ 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG). Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG vom 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 – Rn. 98). Die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet kann vor Gericht daher nur dann Bestand haben, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Auffassung die Abweisung des Begehrens sich dem Gericht geradezu aufdrängt. Aus den Gründen des Bescheides muss sich dabei klar ergeben, weshalb das Bundesamt zu dem Ergebnis kommt, dass die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie auf Asylanerkennung nicht nur schlicht, sondern offensichtlich unbegründet sind. Ferner dürfen keine ernstlichen Zweifel daran bestehen, dass kein Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes besteht und nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (vgl. BVerfG, U. v. 7.11.2008 – 2 BvR 629/06 – juris m. w. N.).
Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Bundesamts hinsichtlich der Ablehnung der Asylanerkennung (Art. 16a Abs. 1 GG), der Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 Abs. 1 AsylVfG) und der Versagung subsidiären Schutzes (§ 4 Abs. 1 AsylVfG) sowie an der Rechtmäßigkeit der Feststellung, dass nationale Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Insoweit wird in vollem Umfang auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheids verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylVfG). Ergänzend wird ausgeführt:
Was den ursprünglich beim Bundesamt gestellten Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigten i. S. d. Art. 16a Abs. 1 GG anbelangt, ist der Bescheid des Bundesamts, mit dem der Antrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist, bestandskräftig geworden, da sich die Klage nicht auf Nr. 2 des Entscheidungssatzes des genannten Bescheids bezieht.
Dem Vortrag des Antragstellers lassen sich auch keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass er bei einer Rückkehr nach Pakistan einer flüchtlingsrelevanten Verfolgung in Anknüpfung an eines der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG genannten Merkmale ausgesetzt wäre.
Der Sachvortrag des Antragstellers im Verwaltungsverfahren ist in weiten Bereichen nicht glaubhaft. Dies gilt insbesondere für die Angaben, die er auf die ausdrückliche Aufforderung zur Schilderung seines Verfolgungsschicksals und der Tatsachen, die seine Furcht vor politischer Verfolgung begründen, gemacht hat.
Bei der Befragung zur Identitätsklärung bei der Regierung von … am 18. Juni 2013 hat der Antragsteller ausweislich des Protokolls über die Befragung auf Fragen zu Personaldokumenten angegeben, in Pakistan zwar keinen Pass, aber einen Personalausweis besessen zu haben. Auf Frage, wo sich der Ausweis befinde, hat er vorgetragen, dass dieser zuhause gelegen habe, das Haus aber abgebrannt worden sei, worauf sie („wir“, somit auch der Antragsteller) von dem Ort weggegangen seien. Seine in der Niederschrift festgehaltenen Angaben hat der Antragsteller nach Rückübersetzung unterschriftlich bestätigt. Auch bei der Anhörung vor dem Bundesamt am 27. Januar 2014 hat er auf Frage angegeben, dass er bei der Befragung am 18. Juni 2013 die Wahrheit gesagt habe. Dagegen hat er im weiteren Verlauf der Anhörung vor dem Bundesamt am 27. Januar 2014 angegeben, dass er bis zum Iran seinen Personalausweis gehabt habe, dieser ihm aber vom Schleuser weggenommen worden sei. Auf Vorhalt seiner früher gemachten Aussage, wonach der Personalausweis beim Brand seines Hauses zerstört worden sei, hat er dann angegeben, dass ihm im Iran nicht der Originalausweis, sondern nur eine Fotokopie abgenommen worden sei. Er habe auf Nachfrage erfahren, dass das Original seines Ausweises „bei dem Brand“ zerstört worden sei. Auf Frage, wann denn das Haus abgebrannt sei, hat er dann geantwortet, dass das Haus nicht abgebrannt sei. Vielmehr hätten Kinder nur „die Dokumente“ verbrannt und zwar zu einem Zeitpunkt, als er Pakistan schon verlassen gehabt habe. Er habe bei seiner Ausreise aus Pakistan nicht den Original-Personalausweis, sondern nur eine Farbkopie mitgenommen. Diese Aussagen des Antragstellers sind nicht miteinander in Einklang zu bringen. Wenn ihm ein Widerspruch in seinen Aussagen vorgehalten wurde, wie etwa bei den Fragen, ob und wann das Haus abgebrannt ist, ob er damals noch in Pakistan war und wann und wo der Personalausweis verbrannt sein soll, hat er neue Versionen erfunden. Das Gericht ist deshalb davon überzeugt, dass der Antragsteller zu dem im Rahmen des Asylverfahrens wichtigen Thema des Identitätsnachweises die Unwahrheit gesagt hat.
Auch die Schilderung seiner „Fluchtgründe“ erscheint konstruiert und nicht glaubhaft. Insbesondere erscheint es dem Gericht in keiner Weise nachvollziehbar, dass der Antragsteller als angeblich „bekennender“ Ahmadi eine in … stattfindende Versammlung der militant-islamistischen Terrororganisation Lashkar-e-Taiba zu dem Zweck besucht haben will, um dort einen sunnitisch-wahabitischen Mullah zu treffen, um mit diesem über Religionsfragen zu diskutieren („Streit klären“). Dass der Antragsteller nicht angeben konnte, wann diese Veranstaltung, bei der er sich „alles angesehen“ habe, stattgefunden haben soll, stützt weiter die Annahme, dass der Sachverhalt frei erfunden wurde. Auch hinsichtlich der angeblichen Geschehnisse in der Stadt …, bei dem der Antragsteller einen Freund seines Bekannten … getroffen haben und von diesem bedroht worden sein will, bleiben die Schilderungen des Klägers sehr vage und wenig substanziiert. Letzteres gilt insbesondere in Bezug auf die angebliche Bedrohung sowie auch hinsichtlich der „langhaarigen jungen Männer“, denen man angeblich die Fersen abgetrennt hatte.
Auch soweit es darum geht, ob der Antragsteller ein i. S. d. der Rechtsprechung „bekennender Ahmadi“ (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – NVwZ 2013, 936/938; VGH BW, U. v. 12. Juni 2013 – A 11 S 757/13 – juris m. w. N.) ist, fehlt es offensichtlich an einer tragfähigen Grundlage zur Bejahung dieser Frage. Voraussetzung wäre insoweit, dass das Bekennen seines Glaubens in der Öffentlichkeit für den Antragsteller identitätsbestimmender Teil seines Glaubensverständnisses ist.
Zwar dürfte vorliegend kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass der Antragsteller seit Geburt Mitglied der Ahmadiyya Muslim Jamaat ist (vgl. Bescheinigung des Ahmadiyya Muslim Jamaat e.V. Zentrale für Deutschland vom 19.9.2013 sowie die vom Gericht eingeholte Stellungnahme der Ahmadiyya Muslim Jamaat Körperschaft des öffentlichen Rechts vom 23.1.2016), doch erfüllt er nach Überzeugung des Gerichts nicht die qualifizierenden Voraussetzungen, die die Rechtsprechung an einen „bekennenden“ Ahmadi stellt. Denn dazu müsste er sein Verhalten nach den Glaubens- und Verhaltensgrundsätzen, der Religionsgemeinschaft ausrichten und auch in der Vergangenheit ausgerichtet haben. Der Vortrag des Klägers bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt gibt dazu nichts greifbar Positives her. Soweit er sich auf die Glaubensbetätigung vor der Ausreise aus Pakistan bezieht, kann dem Antragsteller nach den obigen Darlegungen schon nicht geglaubt werden; selbst wenn man von der Richtigkeit seiner Angaben ausginge, könnten seine Schilderungen, auch die zur Begründung der Klage sowie des Antrags gemachten (insoweit weitgehend substanzlosen und unkonkreten) Ausführungen, auch nicht annähernd ausreichen, dem Kläger das Prädikat des „bekennenden“ Ahmadis i. S. d. genannten Rechtsprechung zuzubilligen.
Gleiches gilt auch, wenn sein Verhalten im Inland betrachtet wird. Der Besuch von örtlichen oder überörtlichen Veranstaltungen seiner Gemeinschaft spricht zwar für die Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft stellt aber noch kein Indiz für das identitätsbestimmende Bedürfnis dar, den Glauben nach außen hin zu leben.
Aus der Stellungnahme der Ahmadiyya Muslim Jamaat Körperschaft des öffentlichen Rechts vom 23.1.2016 ergibt sich ebenfalls kein Beleg dafür, dass der Antragsteller in seiner religiösen Betätigung besonders nach außen hin aktiv geworden wäre. Die zusammenfassende Feststellung, dass das Verhalten des Antragstellers „der Gemeinde gegenüber zufriedenstellend“ sei, lässt lediglich erkennen, dass er sich wie ein „durchschnittlicher“ Ahmadi innerhalb der Gemeinde verhält.
Aber selbst wenn man einzelne Indizien bejahen wollte, die die Annahme einer nach außen hin gerichteten Glaubensbetätigung zumindest ansatzweise rechtfertigen könnten, wären die Wirkung dieser Indizien durch das dokumentierte Verhalten des Antragstellers im Inland in mehrfacher Hinsicht zunichte gemacht.
Der Antragsteller selbst hat bei der Anhörung vor dem Bundesamt selbst angegeben, dass es die Pflicht eines Ahmadis sei, immer die Wahrheit zu sagen. Dass er sich selbst an diese Pflicht nicht hält, belegen die obigen Darlegungen zur fehlenden Glaubhaftigkeit seines Sachvortrags. Darüber hinaus ist es aktenkundig, dass der Antragssteller auch im Rahmen des gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs eines sechsjährigen Mädchens jedenfalls zunächst gelogen hat. Auch wenn der Antragsteller die Tat, wegen der er zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt wurde, nach dem o.g. Strafurteil des Amtsgerichts … später gestanden hat, hatte er den Tatvorwurf ausweislich des Ermittlungsberichts der Kriminalpolizei vom 25. Dezember 2014 zunächst bestritten und damit gegen das Wahrheitsgebot der Ahmadiyya verstoßen.
Schließlich liegt ein gravierender Verstoß gegen Verhaltensgrundsätze der Ahmadiyya darin, dass der Antragsteller sich am 24. Dezember 2013 der sexuellen Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung schuldig gemacht hat. Ein derartiges Verhalten widerspricht nach Auffassung des Gerichts in eklatanter Weise den Verhaltensgrundsätzen der Ahmadiyya, die u. a. auf Frieden und Achtung der Mitmenschen ausgerichtet sind.
Das Gericht ist deshalb zur Überzeugung gelangt, dass der Antragsteller offensichtlich kein „bekennender“ Ahmadi i. S. d. og. Rechtsprechung ist.
Eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist damit offensichtlich ausgeschlossen.
Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, soweit die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus i. S. des § 4 Abs. 1 AsylVfG abgelehnt wurde.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt dabei auch die Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG). Die Art der Behandlung oder Bestrafung muss eine Schwere erreichen, die dem Schutzbereich des Art. 3 EMRK zuzuordnen ist und für den Fall, dass die Schlechtbehandlung von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht, muss der pakistanische Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sein, Schutz zu gewähren (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG i. V. m. § 3 c Nr. 3 AsylVfG).
Gemessen an diesen Maßstäben hat der Antragsteller offensichtlich keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes i. S. des § 4 Abs. 1 AsylVfG, denn es ist in keiner Weise erkennbar, dass ihm bei der Rückkehr eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG drohen würde.
Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, soweit das Nichtvorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festgestellt wurde. Auch insoweit wird auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid in vollem Umfang Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylVfG).
Auch die übrigen Nebenentscheidungen einschließlich der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots begegnen daher keinen Bedenken.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylVfG).
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe war ebenfalls abzulehnen. Der Antragsteller hat bislang keine Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf amtlichem Formblatt gemacht hat. Damit erweist sich der Prozesskostenhilfeantrag als unzulässig. Darüber hinaus ist er auch unbegründet. Nachdem der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt wurde, liegen die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht vor (§ 166 VwGO i. V. m. §§ 114 ff. ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).


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