Verwaltungsrecht

Rechtmäßige Anordnung eines Haltungs- und Betreuungsverbots von Tieren

Aktenzeichen  B 1 K 17.913

Datum:
7.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 41811
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TierSchG § 2, § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 3

 

Leitsatz

Tenor

1. Nummer 5 des Bescheids des Landratsamts … vom 20. Oktober 2017 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Über den Rechtsstreit kann gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört. Ihr Einverständnis ist nicht erforderlich.
II.
Die zulässige Klage ist überwiegend unbegründet. Der Bescheid vom 20. Oktober 2017 ist rechtmäßig (soweit die Anordnungen Nrn. 1 bis 4 und Nrn. 6 bis 8 betroffen sind) und verletzt die Kläger daher nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Zur Begründung wird zunächst zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Gründe des angegriffenen Bescheids vom 20. Oktober 2017 Bezug genommen und insoweit von einer gesonderten Darstellung abgesehen (§ 84 Abs. 1 Satz 3, § 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend ist zur Sache noch Folgendes auszuführen:
1. Die Anordnung eines Haltungs- und Betreuungsverbots von Tieren erweist sich als rechtmäßig. Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. BVerwG, B.v. 23.11.1990 – 1 B 155.90 – juris Rn. 3; U.v. 29.3.1996 – 1 C 28.94 – juris Rn. 15).
Nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG kann demjenigen, der den Vorschriften des § 2 TierSchG, einer Anordnung nach Nr. 1 dieser Vorschrift oder einer Rechtsverordnung nach § 2a TierSchG wiederholt oder grob zuwiderhandelt und dadurch den von ihm gehaltenen oder betreuten Tieren erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt hat, das Halten oder Betreuen von Tieren einer bestimmten oder jeder Art untersagt werden. Eine wiederholte oder grobe Zuwiderhandlung liegt z.B. vor, wenn bei den gehaltenen Tieren oder einem Teil davon ein oder mehrere Verhaltensbedürfnisse (z.B. Nahrungserwerb, Ernährung und Pflege, Ruheverhalten, Körperpflege) unterdrückt oder erheblich zurückgedrängt werden. Darauf, ob der Halter schuldhaft handelt, kommt es nicht an. Bei einem vorsätzlichen Verstoß gegen Strafvorschriften (z.B. § 18 i.V.m. § 2 TierSchG) kann von einer groben Zuwiderhandlung ausgegangen werden. Bei der Frage, ob den Tieren erhebliche oder langanhaltende Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, ist die vorrangige Beurteilungskompetenz des beamteten Tierarztes zu beachten (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Auflage, 2016, Rn. 44 ff. zu § 16a TierSchG).
Nach den Ausführungen des Tierarztes vom 18. Oktober 2017 steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Haltungsbedingungen der Kangal-Hündin „…“ gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen haben. Nach § 8 Abs. 1 der Tierschutz-Hundeverordnung (TierSchHuV) hat die Betreuungsperson dafür zu sorgen, dass dem Hund in seinem gewöhnlichen Aufenthaltsbereich jederzeit Wasser in ausreichender Menge und Qualität zur Verfügung steht. Sie hat den Hund mit artgemäßem Futter in ausreichender Menge und Qualität zu versorgen. Zwar mag Eigentümer des Tieres ein gewisser A… gewesen sein. Der Hund wurde den Klägern aber zur Betreuung überlassen, so dass diese Pflichten den Klägern oblagen. Dem tierärztlichen Befundbericht ist zu entnehmen, dass die Hündin hochgradig kachektisch war, ohne dass hierfür pathologische Befunde sprechen würden. Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob das Tier abgemagert war, weil die Kläger es absichtlich nicht füttern wollten oder aus anderen Gründen. Sollten der Abmagerung andere Ursachen zu Grunde gelegen haben, so wäre es die Pflicht der Betreuer gewesen, das Tier umgehend einem Tierarzt vorzustellen, damit eine Nahrungsaufnahme wieder möglich ist.
2. Schließlich ist der Beklagte bei der nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG vorzunehmenden Prognoseentscheidung in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass aufgrund der Gesamtumstände hinreichend gewichtige Tatsachen gegeben sind, die die Annahme rechtfertigen, dass die Kläger weiterhin Zuwiderhandlungen gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen begehen werden (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 31.01.2017 – 9 C 16.2022 – juris Rn. 10). Der Kläger zu 1) wurde bei der Kontrolle am 6. September 2017 auf die Missstände hinsichtlich der Entenhaltung hingewiesen und darauf, dass auf Grund des Durchfalls der Enten ein Tierarzt beizuziehen ist. Auch diese Aufforderung wurde von den Klägern nicht beachtet.
Dem Vortrag der Kläger können keine Tatsachen entnommen werden, die die Annahme rechtfertigen würden, dass sie sich zukünftig ordnungsgemäß verhalten werden und erkrankte Tiere einem Tierarzt vorstellen werden, um ihnen weitere Leiden zu ersparen. Damit war im Zeitpunkt des Bescheidserlasses nicht mit hinreichender Gewissheit zukünftig auszuschließen, dass sich die Kläger nicht wiederum tierschutzwidrig verhalten werden (vgl. hierzu auch VG Würzburg, B.v. 19.04.2011 – W 5 S 11.242).
3. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Das Landratsamt hat ausführlich dargelegt, weshalb es vorliegend ein Haltungs- und Betreuungsverbot für Tiere für geboten erachtet und weniger einschneidende Maßnahmen nicht in Betracht kommen. Es ist nicht ersichtlich, dass dabei die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigungsgrundlage nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden wäre (vgl. § 114 Satz 1 VwGO). Eine weniger schwerwiegende Maßnahme als das Verbot ist nicht ersichtlich. Hinsichtlich des Erfordernisses des Aufsuchens eines Tierarztes zeigten sich die Kläger uneinsichtig. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass bei anderen Tierarten ein besseres Verhalten zu erwarten wäre. Eine weitere Fristsetzung hätte (auch in Anbetracht des Zustands der Hündin) keinen Erfolg versprochen.
4. Die in Nr. 2 bis Nr. 4 des streitgegenständlichen Bescheids verfügten Anordnungen, die in der Obhut befindlichen Tiere an eine Person oder Einrichtung zu übergeben, die die Ernährung, Pflege und Unterbringung sicherstellen kann, die Nachweisführung hierzu und die Einziehungsanordnung sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Da das Tierhaltungsverbot in Nr. 1 des Bescheids für sofort vollziehbar erklärt wurde, sind die Kläger nicht berechtigt, Tiere zu halten oder zu betreuen. Die Hündin … wurde vom Kläger zu 1) dem Landratsamt übereignet (Erklärung auf Blatt 13 der Behördenakte). Das Gericht legt den Bescheid vom 20. Oktober 2017 so aus, dass die Anordnungen in Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 4 des Bescheids auf die (nach der Übereignung der Hündin) bei den Klägern verbliebenen Tiere (also Hund, Ente und Chinchilla) gerichtet sind. Daher kommt es nicht darauf an, ob der Kläger zu 1) Eigentümer der Hündin war und eine Duldungsanordnung an den Eigentümer hätte ergehen müssen. Rechtsgrundlage für die Einziehungsanordnung ist § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG, für die Auflösung des Tierbestands § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierschG und für den Nachweis darüber § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder Abs. 1 Satz 1 TierSchG. Hierbei ist richtiger Adressat der Anordnung der Halter der Tiere, also jede Person, die ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat. Dies waren, da sich die Tiere in der Verfügungsgewalt der Kläger befanden, die Kläger selbst. Die Nachweispflicht ist deshalb erforderlich, da eine Scheinabgabe an Angehörige oder Freunde vermieden werden soll. Hierbei wird als rechtmäßig anerkannt, dass z.B. bei Hunden die Chipnummer des Hundes mit Namen und vollständiger Adresse des Übernehmers genannt werden (Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Auflage 2016, § 16a Rn. 54, 52 und 21). Dem Gericht erscheint eine Frist für die Abgabe des jeweiligen Tiers von 5 Tagen und des Nachweises nach weiteren 2 Tagen als ausreichend und verhältnismäßig.
5. Hinsichtlich der angedrohten Zwangsmittel ist zu unterscheiden: Soweit der Tierbestand nicht aufgelöst wird, wird in Nr. 4 des Bescheids die „Einziehung im Wege der Ersatzvornahme“ angedroht. Hierbei ist zwar zu beanstanden, dass eine Ersatzvornahme nicht hätte angedroht werden dürfen, da es sich bei dem zu vollziehenden Grundverwaltungsakt (Herausgabe der Tiere) um eine unvertretbare Handlung handelt, die nur der Pflichtige selbst vornehmen kann. Richtiges Zwangsmittel wäre somit entweder die Androhung von Zwangsgeld oder falls dies untauglich erscheint, die Anwendung unmittelbaren Zwangs gewesen. Auch wurde nicht beachtet, dass nach Art. 36 Abs. 4 Satz 1 VwZVG in der Androhung der Ersatzvornahme der Kostenbeitrag vorläufig zu veranschlagen ist, da dem Pflichtigen das Risiko seines Verhaltens vor Augen geführt werden soll (VG München, U.v. 18.03.2009 – M 18 K 08.6246 – juris Rn. 59).
Andererseits ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass auch eine Einziehung ohne Androhung eines Zwangsmittels verfügt werden kann. Die Einziehung ist dann keine Maßnahme der Zwangsvollstreckung, sondern ein selbständiger Verwaltungsakt (Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Auflage 2016, § 16a Rn. 54). Ob das Landratsamt hier den Tierbestand durch unmittelbaren Zwang auflösen wollte oder eine Einziehung anordnen wollte (und hierbei irrtümlich zusätzlich die Ersatzvornahme angedroht hat), kann hier aber dahingestellt bleiben, da die Kläger angegeben haben, die Tiere bereits abgegeben zu haben, so dass sich die diesbezügliche Anordnung in Nr. 4 des Bescheids erledigt hat und nicht mehr im Wege der Anfechtungsklage weiterverfolgt werden kann.
Das angedrohte Zwangsgeld für den Verstoß gegen die Nachweispflicht (in Nr. 7 des Bescheids) in Höhe von 100 EUR ist angemessen und rechtmäßig.
III.
Die Anordnung in Nr. 5 des Bescheids ist nach Ansicht des Gerichts nicht rechtmäßig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klage ist insoweit begründet.
Nach Nr. 5 des Bescheids wird ein von den Klägern entgegen Nr. 1 des Bescheids verbotswidrig gehaltenes Tier eingezogen. Das Gericht legt Nr. 5 des Bescheids so aus, dass gemeint ist, dass Tiere, die die Kläger in Zukunft verbotswidrig halten, sofort eingezogen werden. Da in den Nummern 2 bis 4 des Bescheids bereits Anordnungen bezüglich der vorgefundenen Tiere getroffen wurden, kann sich Nr. 5 nur auf fiktive zukünftig gehaltene Tiere beziehen. Voraussetzung für eine Einziehung ist die vorher erfolgte Beschlagnahme der Tiere mit der Begründung, dass der fortdauernde Besitz des Halters infolge des bestandskräftigen oder für sofort vollziehbar erklärten Haltungs- und Betreuungsverbots eine fortdauernde Störung der öffentlichen Sicherheit darstellt (Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Auflage 2016, § 16a Rn. 54). Da für das Hinzutreten fiktiver Tierbestände noch keine sofort vollziehbare Beschlagnahmeanordnung ausgesprochen werden kann und auch nicht wurde, ist Nr. 5 des streitgegenständlichen Bescheids rechtswidrig und daher aufzuheben.
IV.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Demnach werden die Kosten des Verfahrens den Klägern (§ 159 Satz 2 VwGO) ganz auferlegt, da der Beklagte nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO


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