Verwaltungsrecht

Rechtmäßige Ausweisung aus spezialpräventiven Gründen

Aktenzeichen  10 ZB 20.2140

Datum:
26.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 30396
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3
AufenthG § 25a, § 53, § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

Die Anwendung der auf eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung abstellenden Ausweisungstatbestände erfordert keine Prüfung, ob der Betroffene tatsächlich eine Straftat begangen hat. In aller Regel kann von der Richtigkeit einer Verurteilung ausgegangen und die darin getroffenen Feststellungen der Entscheidung zugrunde gelegt werden. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 25 K 20.152 2020-06-24 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung wendet sich die Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 24. Juni 2020, mit dem ihre Klage gegen den Bescheid vom 12. Dezember 2019 abgewiesen wurde. Die Beklagte hat mit dem streitgegenständlichen Bescheid die Ausweisung der Klägerin verfügt, ihren Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abgelehnt, für die Dauer von acht bzw. zehn Jahren ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet und die Abschiebung nach Jordanien angedroht.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich weder die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO noch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Solche Zweifel bestünden dann, wenn der Rechtsmittelführer im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16). Dies ist jedoch nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass die Klägerin erneut erheblich straffällig werde. Unter Bezugnahme auf die Urteilsgründe des Strafurteils des Amtsgerichts Wolfratshausen vom 29. November 2018 hat es ausgeführt, dass die Straftaten der Klägerin in schwerer Weise gegen das hohe Gut der körperlichen Unversehrtheit verstießen und sie das Nähe- und Machtverhältnis gegenüber ihrer Tochter H. missbraucht habe. Auch im Führungsbericht der JVA vom 15. April 2020 werde nicht von einer günstigen Kriminal- und Sozialprognose ausgegangen. Zudem stehe zu befürchten, dass der Klägerin der „westlich geprägte Lebensstil“ ihrer jüngeren Tochter R. missfallen und es auch ihr gegenüber zu körperlichen Übergriffen kommen werde. Zudem rechtfertigten allein generalpräventive Gründe die Ausweisung. Das öffentliche Interesse an der Ausweisung überwiege das Bleibeinteresse. Die minderjährige Tochter R. verfüge nur über eine Duldung. Der Klägerin und ihrer minderjährigen Tochter sei eine gemeinsame Rückkehr nach Jordanien möglich und zumutbar. Die erwachsenen Kinder seien auf eine Unterstützung der Klägerin nicht angewiesen. Sie verfüge noch über Bindungen zu Jordanien. Sie habe in Jordanien den Lebensunterhalt der Familie mit ihrem Einkommen bestritten. Dies sei auch nach einer Rückkehr dorthin wieder möglich. Das Bundesamt habe in seinem den Folgeantrag ablehnenden Bescheid vom 3. Juni 2020 kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG festgestellt.
Das Zulassungsvorbringen führt hierzu im Wesentlichen aus, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht vom Vorliegen einer Wiederholungsgefahr ausgegangen sei. Die von der Klägerin verübten Straftaten seien nicht im Bereich der Schwerkriminalität anzusiedeln. Das Verwaltungsgericht habe nicht beachtet, dass die Klägerin ihre volljährige Tochter H. in zwölf Nächten jede Nacht „nur leicht mit einem Stift in die Rippen oder die Füße gestoßen habe“, um sie aufzuwecken. Die Tochter sei dadurch auch nicht nachhaltig und schwer verletzt worden. Das Urteil des Amtsgerichts vom 29. November 2018 enthalte eine deutlich überhöhte Strafe. Für ein zwölfmaliges leichtes Stoßen eines Stiftes oder das Werfen einer halbvollen Plastikflasche auf die Tochter oder das Ziehen an den Haaren sei der Ausspruch eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren nicht gerechtfertigt. Das Erstgericht habe bei der Prognoseentscheidung nicht berücksichtigt, dass die Tochter in der Pubertät gewesen sei und sie sich zum Teil in nicht nachvollziehbarer Weise der Klägerin widersetzt habe und diese dabei als alleinerziehende Mutter in Erziehungsaufgaben überfordert gewesen sei. Es sei zu vordergründig, ihr einen Missbrauch des Nähe- und Machtverhältnisses zwischen Mutter und Tochter zu unterstellen. Die Klägerin habe auch nicht aus einer rohen und gefühlslosen Gesinnung heraus gehandelt. Nicht nachvollziehbar sei auch die Behauptung des Verwaltungsgerichts, vorherrschendes Tatmotiv der Klägerin sei die Befolgung der sittlich-religiösen Gebote des islamischen Glaubens gewesen. Auch treffe es nicht zu, dass es Ziel der Klägerin gewesen sei, das Leben der Tochter vollständig zu kontrollieren und ihr ein selbstbestimmtes Leben nach den in der Bundesrepublik Deutschland gelten Wertmaßstäben zu verwehren. Zudem sei nicht nachvollziehbar, weshalb das Verwaltungsgericht von einer ungünstigen Kriminal- und Sozialprognose ausgehe. Zu ihrer minderjährigen Tochter R. habe die Klägerin eine sehr gute Beziehung. Die Aussage des Verwaltungsgerichts, der Klägerin werde deren westlich geprägter Lebensstil missfallen und es werde daher erneut zu körperlichen Übergriffen kommen, stelle eine bloße Vermutung dar. Bei der Beurteilung der Wiederholungsgefahr hätte das Verwaltungsgericht vielmehr berücksichtigen müssen, dass die Klägerin ihre Taten lediglich über einen kurzen Zeitraum hinweg begangen habe, sie bislang nicht straffällig gewesen sei, die Taten nicht der Schwerkriminalität zuzuordnen seien, die Straftaten nur gegen die damals 19-jährige Tochter begangen worden seien, sie aufgrund des Todes des Ehemannes psychisch angespannt gewesen und mit der Erziehung ihrer vier Kinder gänzlich auf sich allein gestellt gewesen sei, sie infolge der abschreckenden dreijährigen Hafterfahrung in Zukunft keine Körperverletzung mehr begehen werde und sie Opfer von unberechtigten Anschuldigungen ihrer Tochter geworden sei. Auch generalpräventive Gründe lägen nicht vor. Zudem bestünden schwerwiegende Bleibeinteressen. Die minderjährige Tochter R. verfüge zwar nur über eine Duldung, ihr wäre aber infolge ihres hohen Integrationsstatus ein Aufenthaltstitel nach § 25a AufenthG zu erteilen. Die Tochter sei nach sechs Jahren Aufenthalt in Deutschland gut integriert. Eine Übersiedlung nach Jordanien wäre für sie nicht mehr zumutbar. Sie könne weder Arabisch lesen noch schreiben und hätte in Jordanien keine Möglichkeit mehr, ihre schulische Laufbahn fortzusetzen. Ihr sei auch das Erlernen der arabischen Sprache nicht möglich. Auch der Klägerin könne nicht zugemutet werden, nach Jordanien überzusiedeln und dort ein neues Leben aufzubauen. Sie sei dann von ihren volljährigen Kindern und ihrer minderjährigen Tochter getrennt. Zudem leide sie an einer posttraumatischen Belastungsstörung bzw. einer qualifizierten mittelschweren bis schweren depressiven Episode. Daraus ließe sich ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ableiten. Hinzu komme, dass die Klägerin in Jordanien als Frau ins Abseits gestellt würde, da sie ohne Ehemann dort leben würde. Dies würde sie an den Rand der Gesellschaft drängen. Insoweit werde auf das anliegende Stammesurteil vom 17. Januar 2018 verwiesen. In diesem Zusammenhang habe das Erstgericht auch nicht die neueste Rechtsprechung des EuGH bezüglich straffällig gewordener Flüchtlinge berücksichtigt (Entscheidung vom 14.5.2019, C-391/16).
Dieses Vorbringen begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten begehen wird und hat dabei einen Prognosemaßstab zugrunde gelegt, der die Schadenswahrscheinlichkeit mit dem Schadensausmaß in Relation setzt (stRspr; vgl. z.B. BayVGH, B.v. 11.3.2020 – 10 ZB 19.777 – juris Rn.7. m.w.N.). Angesichts der Wertigkeit des gefährdeten Schutzguts körperliche Unversehrtheit reicht auch eine nur entferntere Möglichkeit eines weiteren Schadenseintritts aus.
Entgegen der Auffassung der Klägerin durfte das Verwaltungsgericht die strafrechtliche Verurteilung vom 29. November 2018 zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren wegen gefährlicher Körperverletzung in 15 tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in 2 tatmehrheitlichen Fällen bei der Feststellung des Vorliegens einer Wiederholungsgefahr ohne weitere Nachprüfung zugrunde legen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, B.v. 24.2.1998 – 1 B 21.98 – juris zu § 47 Abs. 1 AuslG 1990; B. v. 8.5.1989 – 1 B 77.89 – InfAuslR 1989, 269 zu § 10 Abs. 1 Nr. 2 AuslG 1965, jeweils m.w.N.) erfordert die Anwendung der auf eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung abstellenden Ausweisungstatbestände keine Prüfung, ob der Betroffene tatsächlich eine Straftat begangen hat. Soweit es bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisung etwa auf die Umstände der Tatbegehung ankommt – z.B. im Rahmen der Feststellung einer Wiederholungsgefahr – besteht zwar keine derartige strikte Bindung an eine rechtskräftige Verurteilung. Es ist aber geklärt, dass die Ausländerbehörden – und demzufolge auch die zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung berufenen Gerichte – in dieser Beziehung ohne weiteres in aller Regel von der Richtigkeit der Verurteilung ausgehen können und die darin getroffenen Feststellungen ihrer Entscheidung zugrunde legen dürfen (OVG NRW, B.v. 8.12.2015 – 18 A 2462/13 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 5.9.2018 – 10 ZB 18.1121 – juris). Etwas anderes gilt nur dann, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür dargetan werden, dass sich dem Verwaltungsgericht eine weitere Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen müssen.
Solche konkreten Anhaltspunkte ergeben sich weder aus dem Vorbringen in der ersten Instanz noch aus dem Zulassungsvorbringen. Insbesondere ist nicht zutreffend, dass – wie die Klägerin im Zulassungsverfahren vorträgt – die dreijährige Freiheitsstrafe nur darauf beruhe, dass sie ihre Tochter H. während des Ramadan im Jahr 2016 zwölfmal mit einem Stift leicht in die Fußsohlen oder Rippen gestoßen habe, um sie aufzuwecken. Dem Strafurteil vom 29. November 2018 lässt sich entnehmen, dass auch das Strafgericht diese Körperverletzungsdelikte bei der Strafzumessung nur als minderschweren Fall einstufte. Die Höhe der Freiheitsstrafe erklärt sich vielmehr aus der Tat am 20. Mai 2016, als die Klägerin ihre Söhne aufforderte, die Tochter H. aufgrund eines Fotos, das sie ohne Kopftuch zeigte, zu misshandeln (Schläge mit Verlängerungskabel mit Stecker auf Rücken, Beine und Arme), sie einen Schal um den Kopf der Tochter schlang, um sie am Schreien zu hindern, mit Fäusten auf sie einschlug und an den Haaren zog. Am darauffolgen Tag schlug die Klägerin wieder mit Fäusten auf die Tochter H. ein, weil diese entgegen eines Verbots ein Mobiltelefon benutzte. Kurz darauf biss die Klägerin ihre Tochter in die Hand, weil diese sich weigerte, den Inhalt ihrer Hosentaschen vorzuzeigen. Die Verletzungen der Tochter H., die aus diesen Züchtigungen stammten, sind dokumentiert und wurde im Strafverfahren durch mehrere Zeugen bestätigt. Am 6. und am 10. Juni 2016 schlug die Klägerin ihre Tochter H. mit einer Flip-Flop-Sandale und einem Kleiderbügel bzw. warf eine halbvolle Getränkeflasche nach ihr. Diese Taten hat die Klägerin selbst eingeräumt. Das Zulassungsvorbringen geht daher in weiten Teilen ins Leere, weil die Klägerin entgegen den Feststellungen des Strafgerichts den Eindruck erwecken will, sie habe ihre Tochter nur zwölfmal mit einem Stift gestoßen und einmal an den Haaren gezogen. Auch der Einwand der Klägerin, die Tochter habe sie zu Unrecht beschuldigt, lässt keine Zweifel daran aufkommen, dass sie die der strafrechtlichen Verurteilung zugrundeliegenden Straftaten begangen hat und den Taten die vom Strafgericht angenommene Motivation zugrunde lag. Das Strafgericht hat sich ausführlich mit der Glaubwürdigkeit der Tochter und der vernommenen Zeugen beschäftigt; es hält sie für glaubwürdig und deren Angaben für glaubhaft. Dagegen überzeugt das Vorbringen der Klägerin, sie habe sich um ihre Tochter gesorgt bzw. diese habe sich in der Pubertät befunden, nicht. Die Tochter H. war zum Zeitpunkt der Körperverletzungsdelikte bereits 19 Jahre alt und damit weit jenseits der Pubertät. Auch der Anlass der körperlichen Attacken spricht nicht für mütterliche Sorge, sondern – wie das Strafgericht formuliert hat – „für eine verachtenswerte und auf niedrigen Bewegründen beruhende Gesinnung“. Die körperlichen Übergriffe der Klägerin endeten auch nicht, weil sie das Unrecht ihres Tuns einsah, sondern weil die Tochter H. am 17. Juni 2016 in das Frauenhaus floh. Da die Klägerin bzw. ihre beiden Söhne versuchten, die Tochter H. ausfindig zu machen, um sie zur Wiederherstellung der Familienehre zu töten, lebt diese seither in einem Zeugen- bzw. Opferschutzprogramm und hat ihre frühere Identität abgelegt.
Das Verwaltungsgericht ist daher zu Recht von einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit weiterer Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit – insbesondere der minderjährigen Tochter R. – durch die Klägerin ausgegangen. Die Tatsache, dass sie „Erstverbüßerin“ ist und sich in der Strafhaft ohne Beanstandungen führt, führt zu keiner günstigeren Gefahrenprognose. Die Justizvollzugsanstalt kam in ihrer Stellungnahme vom 15. April 2020 zu einer Strafaussetzung zur Bewährung nach § 57 StGB zu dem Ergebnis, dass der Klägerin keine günstige Sozial- und Kriminalprognose bescheinigt werden könne, weil sie sich der Abschiebung nach Jordanien durch Untertauchen entzogen hatte, sie wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft genommen werden musste und den Straftaten eine rohe und gefühllose Gesinnung zugrunde lag.
Da somit der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 AufenthG bereits aus spezialpräventiven Gründen erfüllt ist, kommt es nicht mehr darauf an, ob darüber hinaus eine Ausweisung allein aus generalpräventiven Gründen gerechtfertigt wäre.
Das Verwaltungsgericht hat auch zutreffend festgestellt, dass unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls das öffentliche Interesse an der Ausreise der Klägerin ihr Interesse an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet überwiegt (§ 53 Abs. 1 und 2 AufenthG). Hierbei hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass die minderjährige Tochter R. im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung kein Aufenthaltsrecht hat, sondern nach erfolgloser Durchführung eines Asylverfahrens ausreisepflichtig und derzeit nur geduldet ist. Aus dem Zulassungsvorbringen ergibt sich nicht hinreichend substantiiert, dass es der Tochter R. nicht zumutbar wäre, zusammen mit der Klägerin nach Jordanien zurückzukehren, dort ihre arabischen Sprachkenntnisse zu vertiefen und aufbauend auf den in Deutschland erworbenen Kenntnissen ihre Schulbildung zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Die damit verbundenen Erschwernisse sind nicht unüberwindlich. Die Klägerin selbst ist in die hiesigen Lebensverhältnisse nicht integriert. Sie hat ihr Leben überwiegend in Jordanien verbracht und wird aufgrund ihrer langen Berufstätigkeit auch wieder in der Lage sein, dort ihren Lebensunterhalt und den ihrer Tochter R. zu bestreiten. Die Söhne der Klägerin sind volljährig und bedürfen ihrer Unterstützung nicht. Da sie vollziehbar ausreisepflichtig sind, steht es ihnen frei, mit der Klägerin nach Jordanien zurückzukehren.
Soweit sich die Klägerin auf ihre Erkrankung und den fehlenden Zugang zu einer adäquaten medizinischen Behandlung in Jordanien, die gesellschaftliche Stigmatisierung als alleinstehende Frau ohne Familie und die angebliche Bedrohung durch die Familie ihres verstorbenen Mannes beruft, macht sie zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote geltend. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat den Folgeantrag der Klägerin als unzulässig abgelehnt und die Feststellung, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG bestehen, nicht abgeändert. In diesem Verfahren hat sie ebenfalls geltend gemacht, dass sie bei einer Rückkehr nach Jordanien von ihrem Clan verfolgt werde und mit dem Tod bedroht sei, ihre Erkrankung dort nicht behandelt werden und sie aufgrund der Erkrankung den Lebensunterhalt für die Familie nicht bestreiten könne. Das Verwaltungsgericht durfte bei der Interessenabwägung daher davon ausgehen, dass zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote nicht bestehen (§ 42 AsylG).
Auf die Begründung der Klageabweisung bezüglich der Ablehnung des beantragten Aufenthaltstitels, des Einreise- und Aufenthaltsverbots und der Abschiebungsandrohung geht die Klägerin im Zulassungsverfahren nicht ein.
Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist bereits nicht hinreichend dargelegt.
Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dementsprechend verlangt die Darlegung (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung, dass eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 23.1.2020 – 10 ZB 19.2235 – Rn. 4; B.v. 14.2.2019 – 10 ZB 18.1967 – juris Rn. 10). Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht annähernd. Die Klägerin hat schon keine Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert. Eine solche lässt sich dem Zulassungsvorbringen auch nicht entnehmen. Der Verweis auf die Entscheidung des EuGH vom 14. Mai 2019 liegt schon deshalb neben der Sache, weil die Klägerin nicht als Flüchtling anerkannt ist.
Die Kostenentscheidung beruf auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 2, § 39 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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