Verwaltungsrecht

Rechtmäßige Ausweisung wegen Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit

Aktenzeichen  M 10 S 17.5867

Datum:
28.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 7775
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 11 Abs.1 S. 2, § 53, § 54, § 55, § 81 Abs. 4
EMRK Art. 8

 

Leitsatz

Ein volljähriger Ausländer unterliegt nicht (mehr) dem Sorgerecht und der Sorgepflicht eines Sorgeberechtigten; er hat jedenfalls rechtlich auf eigenen Beinen zu stehen und die Verantwortung für seine Lebensführung selbst zu tragen.  (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der am … Mai 1999 in … geborene Antragsteller ist mazedonischer Staatsangehöriger. Er wendet sich gegen seine Ausweisung und begehrt die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis.
Der Antragsteller reiste am 30. April 2014 mit seiner Mutter und Geschwistern mit Visum zum Familiennachzug zum Ehemann seiner Mutter in das Bundesgebiet ein. Die erteilte Aufenthaltserlaubnis wurde zuletzt bis zum 20. Mai 2016 verlängert; eine weitere Verlängerung wurde am 28. Juni 2016 beantragt.
Mit Bescheid des Landratsamts … vom 11. Dezember 2017 wurde der Antragsteller aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Nr. 1 des Bescheids), sein Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 28. Juni 2016 abgelehnt (Nr. 2), die Sperrwirkung der Ausweisung beginnend mit der Ausreise auf fünf Jahre befristet (Nr. 3) sowie die Abschiebung aus der Haft nach Mazedonien angeordnet; für den Fall der Haftentlassung vor einer Abschiebung wurde ihm eine Ausreisefrist von vier Wochen nach Haftentlassung und Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht gesetzt sowie ihm die Abschiebung nach Mazedonien angedroht (Nr. 4). Die sofortige Vollziehung der Ausweisungsverfügung wurde angeordnet (Nr. 5).
Zum Sachverhalt wird ausgeführt, der Antragsteller habe u.a. aufgrund sprachlicher Probleme keinen Schulabschluss erreicht, er habe auch keinen Ausbildungsplatz erhalten und lediglich vorübergehend im Dezember 2016 und Januar 2017 einige Tage bei einer Baufirma als Aushilfe gearbeitet. Der Antragsteller sei bereits mehrfach strafrechtlich auffällig geworden. Mit Urteil des Amtsgerichts Weilheim vom 24. Februar 2016 und Berufungsurteil des Landgerichts München II vom 4. Juli 2016 sei der Antragsteller wegen Sachbeschädigung in zwei tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit versuchter Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen verurteilt worden; mit Urteil des Amtsgerichts Weilheim vom 22. Juni 2016 sei er wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt und mit Urteil des Amtsgerichts Weilheim vom 18. Januar 2017 wegen Sachbeschädigung in zwei tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit dem Verstoß gegen das Vereinsgesetz verurteilt worden. Zuletzt sei er mit Urteil des Amtsgerichts München vom 9. August 2017 der versuchten gefährlichen Körperverletzung und der gefährlichen Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen worden und unter Einbeziehung des Urteils des Landgerichts München II vom 4. Juli 2016 sowie des in dieses Urteil einbezogenen Urteils des Amtsgerichts Weilheim vom 22. Juli 2016 und unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Weilheim vom 18. Januar 2017 zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden. Eine Aussetzung der Bewährung sei nicht angeordnet worden.
Nach einem Vermerk des Bayerischen Landeskriminalamts vom 10. April 2017 sei der Antragsteller als Prüffall an das Kompetenzzentrum des LKA zur Deradikalisierung (KomZ) gemeldet worden. Bei einem längeren Einzelgespräch durch einen Berater sei dieser zum Ergebnis gekommen, dass der Antragsteller keine tieferen ideologischen Kenntnisse habe. Vielmehr handele es sich bei ihm um Versatzstücke aus der salafistischen Ideologie. Er zeige sich jedoch kaum zugänglich, sondern respektlos und uninteressiert an weiteren Beratungsgesprächen. Daher seien derartige Maßnahmen eingestellt worden. Es sei darüber informiert worden, dass die radikalen Äußerungen des Antragstellers weniger auf die innere Haltung einer tieferen Identifizierung mit der salafistischen Ideologie hinwiesen, als vielmehr auf eine Facette seiner aggressiven Art, er provoziere gerne und er mache gerne Angst. In jedem Fall zeige er sich sehr empfänglich für das salafistische Gedankengut und habe ein hohes Aggressionspotential. Für eine gelingende Deradikalisierung brauche es ein gewisses Maß an Mitwirkung des Betroffenen. Diese Bereitschaft sei nicht gegeben, weshalb die Beratungen vorerst eingestellt würden. Auch bei einer späteren erneuten Kontaktaufnahme sei die Beratung abgebrochen worden. Der Berater gehe von einer nicht unwesentlichen religiösen Radikalisierung aus, die sich im Gegensatz zur letzten Beratung geändert habe. Der Antragsteller stehe unter einer hohen psychischen Anspannung. Er zeige auch im Kontakt mit Beamten des KomZ ein verbal aggressives Verhalten. Er habe seine Impulse offensichtlich nicht unter Kontrolle. Es bestehe wohl eine Mischung aus einer derzeit gestiegenen Grundaggressivität bzw. eines hohen Stresslevels und einer Hinwendung zum radikalen Islamismus. Auch wenn diese ideologische Radikalisierung noch nicht manifestiert zu sein scheine, leiste sie möglicherweise seinen Gewaltaktionen immer wieder Vorschub. Er scheine fremdbestimmt und zeige sich von möglichen Konsequenzen unbeeindruckt. Es werde eine hohe Sicherheitsrelevanz gesehen, im Besonderen die Fremdgefährdung. Eine Abschiebung aus der Haft heraus werde angeregt.
Zur rechtlichen Würdigung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei nach § 53 Abs. 1 AufenthG auszuweisen, da sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit gefährde und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergebe, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiege. Der Antragsteller sei durch eine Vielzahl von Straftaten in Erscheinung getreten. Aufgrund der Häufigkeit der Straftaten und der hohen Rückfallgeschwindigkeit sei davon auszugehen, dass er auch in Zukunft erhebliche Straftaten im Bundesgebiet begehen werde. Die von ihm ausgehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung würden durch die Hinwendung zum salafistischen Islamismus noch gesteigert. Der Antragsteller habe über das soziale Netzwerk Facebook für alle Nutzer einsehbar ein Bild veröffentlicht, welches im Fokus einen Demonstranten zeige, der die Flagge des Islamischen Staates (IS) in die Luft halte. Der Islamische Staat stelle eine ausländische Vereinigung dar, für welche durch das Bundesministerium des Innern mit Verfügung vom 12. September 2014 ein Betätigungsverbot für den räumlichen Geltungsbereich des Vereinsgesetzes angeordnet worden sei; dies habe der Antragsteller gewusst bzw. wissen können und müssen.
Nach § 54 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG sei ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse bereits dann erfüllt, wenn ein Ausländer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten u.a. gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden sei, sofern die Straftat mit Gewalt für Leib oder Leben oder mit List begangen worden sei. Solche Gründe für ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse lägen insbesondere mit dem rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts München vom 9. August 2017 wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und der gefährlichen Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung vor. Dagegen stünde kein besonders schwerwiegendes oder ein schwerwiegendes Bleibeinteresse. Die Voraussetzung aus § 55 Abs. 1 AufenthG für ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse seien nicht erfüllt, insbesondere, da der Antragsteller sich noch nicht seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Auch ein schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 2 AufenthG liege nicht vor. Insbesondere sei der Antragsteller mittlerweile nicht mehr minderjährig; er könne sich damit weder auf schutzwürdige familiäre und soziale Bindungen noch auf einen langdauernden Aufenthalt im Bundesgebiet berufen.
Bei der Abwägung zwischen dem Ausweisungs- und einem Bleibeinteresse seien nach § 53 Abs. 2 AufenthG insbesondere die Dauer des Aufenthalts, die persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie die Folgen der Auswirkung für die Familienangehörigen und Lebenspartner zu berücksichtigen. Die Abwägung ergebe, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiege. Der Antragsteller sei zwar als Minderjähriger 2014 in das Bundesgebiet eingereist und habe sich seit dem hier aufgehalten. Gleichwohl sei es ihm bis heute nicht gelungen, sich in einer sozial verträglichen Art und Weise in die hiesigen Lebensverhältnisse einzufügen. Vielmehr sei er wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten. Die wiederholt begangenen Strafdelikte könnten auch künftig schwerwiegende Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zur Folge haben. Ausweisungszweck sei auch die Abschreckung anderer Ausländer vor einem gleichartigen Verhalten (Generalprävention). Eine Ausweisung aus generalpräventiven Gründen sei gerechtfertigt, wenn ein öffentliches Interesse bestehe, eine verhaltenssteuernde Wirkung bei anderen Ausländern zu erreichen. Es solle anderen Ausländern deutlich vor Augen geführt werden, dass ein solches Verhalten wie vom Antragsteller gezeigt, nicht hingenommen werde und zur unverzüglichen Aufenthaltsbeendigung führe. Darüber hinaus werde auch ein spezialpräventiver Ausweisungszweck verfolgt. Es bestehe aufgrund des Gesamtverhaltens und der Persönlichkeit des Antragstellers eine begründete Wiederholungsgefahr, die es rechtfertige und erforderlich mache, die Ausweisung auch aus spezialpräventiven Gründen anzuwenden. Nur durch eine solche Maßnahme könnten zukünftige Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung konkret unterbunden werden. Die Wiederholungsgefahr stütze sich darauf, dass der Antragsteller während des bisherigen Aufenthalts wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten sei und sich auch von strafrechtlichen Sanktionen nicht von der Begehung weiterer Straftaten habe abhalten lassen. Unter anderem habe er auch nicht, wie im Urteil des Landgerichts München II vom 4. Juli 2016 angeordnet, an einem Antigewalttraining teilgenommen.
Die Ausweisung stehe auch mit Art. 8 EMRK in Einklang. Die Ausweisung sei nicht unverhältnismäßig. Es seien keinerlei Umstände ersichtlich, die das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegen würden. Aufgrund der mangelhaften Deutschkenntnisse habe es der Antragsteller nicht geschafft, einen Schulabschluss zu erreichen. Er habe zuletzt bei seiner Mutter und dem Stiefvater gewohnt, eine eigene Wohnung habe er nicht gehabt. Seine beruflichen Möglichkeiten seien in seinem Heimatland nicht schlechter einzustufen als in Deutschland. Zwar lebe die Verwandtschaft des Antragstellers in Deutschland, aufgrund der Inhaftierung sei der Kontakt aber bereits jetzt eingeschränkt. Für den Fall der Abschiebung sei es möglich und zumutbar, in Zukunft mit der Familie vom Ausland aus telefonischen oder brieflichen Kontakt zu halten. Eine Rückkehr in seinen Heimatstaat Mazedonien stelle keine außergewöhnliche Härte dar. Er habe bis zu seinem 14. Lebensjahr dort gelebt, sodass eine Reintegration in die dortigen Lebensverhältnisse nicht schwerer fallen werde als die gescheiterten Integrationsbemühungen in die hiesigen Lebensverhältnisse.
Die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis scheitere bereits daran, dass mit der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 AufenthG eine gesetzliche Sperre vorliege. Zudem sei auch sonst kein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu sehen. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf Grundlage des § 32 AufenthG scheide bereits deshalb aus, da der Antragsteller zwischenzeitlich volljährig sei. Ebenso seien die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 AufenthG nicht erfüllt. Der Antragsteller sei nicht in der Lage, seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln zu sichern. Zudem bestünden aufgrund der begangenen Straftaten ein Ausweisungsinteresse nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Die Abschiebungsanordnung werde aufgrund § 58 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 AufenthG ausgesprochen. Die Ausreise bedürfe der Überwachung, da der Antragsteller sich in Haft befinde. Sollte die Abschiebung bis zum Ende der Haft nicht durchführbar sein und der Antragsteller deshalb aus der Justizvollzugsanstalt entlassen werden, werde er gemäß § 59 Abs. 1 AufenthG zum Verlassen des Bundesgebiets aufgefordert und ihm die Abschiebung angedroht. Abschiebungsverbote oder -hindernisse bestünden nicht.
Das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 2 und 3 AufenthG werde in sachgerechter Ermessensausübung auf fünf Jahre befristet. Diese Befristung werde sowohl aus spezialpräventiven wie auch aus generalpräventiven Gründen für erforderlich gehalten.
Die sofortige Vollziehung der Ausweisung werde ausnahmsweise angeordnet, weil das öffentliche Interesse am Sofortvollzug über jenes hinausgehe, welches die Ausweisung selbst begründe. Aufgrund der vom Antragsteller ausgehenden konkreten Wiederholungsgefahr rechtfertige sich die Sofortvollzugsanordnung. Es bestehe die Gefahr, dass der Antragsteller bei einer vorzeitigen Haftentlassung vor Unanfechtbarkeit der Ausweisung erneut erhebliche Straftaten begehe.
Der Bescheid wurde am 12. Dezember 2017 zugestellt.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Laufen vom 5. Dezember 2017 wurde der Rest der Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts München vom 9. August 2017 mit Wirkung zum 15. Dezember 2017 zur Bewährung ausgesetzt, da der Verurteilte einen Teil der Strafe verbüßt habe und dies im Hinblick auf die Entwicklung des Verurteilten auch unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden könne.
Der Antragsteller hat am 17. Dezember 2017 Klage gegen den Bescheid vom 11. Dezember 2017 erhoben und gleichzeitig beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Nr. 1 des Bescheids sowie gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung anzuordnen.
Zur Begründung wird vorgetragen, aus dem Beschluss des Amtsgerichts Laufen zur Bewährungsaussetzung ergebe sich, dass das Amtsgericht nach Prüfung davon ausgehe, dass vom Antragsteller keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mehr ausgehe. Weiter wurde nachgetragen, der Antragsteller besuche nunmehr seit dem 25. Januar 2018 ein Antigewalttraining voraussichtlich bis Ende April 2018. Weiter besuche der Antragsteller ab dem 2. Februar 2018 voraussichtlich bis Ende Juni 2018 einen Vorbereitungskurs für den qualifizierenden Mittelschulabschluss. Weiter habe sich der Antragsteller in psychologische Betreuung begeben, der erste Termin sei für den 9. Februar 2018 festgelegt. Im Hinblick auf die positive Entwicklung des Antragstellers während der Haft und seit Haftentlassung seien die Aussichten der Klage jedenfalls als offen zu sehen, so dass die aufschiebende Wirkung anzuordnen sei.
Das Landratsamt beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Es werde auf die Begründung des angefochtenen Bescheids verwiesen. Ergänzend werde mitgeteilt, dass der Antragsteller bei einem Vorsprachetermin am 8. Januar 2018 sich hinsichtlich seiner bisherigen Straffälligkeit dahingehend geäußert habe, dass er durch die Inhaftierung erstmals bestraft worden sei. Es fehle die Einsicht, dass er in der Vergangenheit wiederholt straffällig geworden sei, er zeige kein Bewusstsein für seine vorherigen strafrechtlichen Verurteilungen. Seine Straftaten bagatellisiere er. Weiter werde in einem Führungsbericht der JVA … vom 6. November 2017 erwähnt, dass sich der Antragsteller disziplinarisch nicht ordnungsgemäß verhalten habe und dabei gegen einen Mitgefangenen tätlich geworden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Bei sachgerechter Auslegung ist der Eilantrag dahin zu verstehen, die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage (M 10 K 17.5866) hinsichtlich Nr. 1 des Bescheids vom 11. Dezember 2017 (Ausweisung) anzuordnen sowie die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich Nr. 2 des Bescheids (Ablehnung einer Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis) wiederherzustellen, um damit die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung vorläufig gegenstandslos zu machen.
Unbeschadet der Wirkungsanordnung einer Ausweisung nach § 84 Abs. 2 AufenthG hat die Klage gegen eine Ausweisung aufschiebende Wirkung. Vorliegend wurde hinsichtlich der Ausweisungsverfügung im angefochtenen Bescheid jedoch die sofortige Vollziehung der Ausweisung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet. Die Klage gegen die Ablehnung der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis in Nr. 2 des angefochtenen Bescheids hat nach § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG keine aufschiebende Wirkung. Damit ist der Antragsteller sowohl aufgrund der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Ausweisung wie auch der kraft Gesetzes bestehenden Vollziehbarkeit der Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig. Die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ließe die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht entfallen. Der Antragsteller ist auch nicht ohnehin und unabhängig von der Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis ausreisepflichtig, denn mit der Beantragung einer neuen Aufenthaltserlaubnis vor Ablauf seiner bestehenden gilt bis zum Zeitpunkt der Ablehnung gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG der bestehende Aufenthaltstitel fort. Hinsichtlich der geringfügigen Verspätung des Verlängerungsantrags (die Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers war bis 20.5.2016 befristet, am 28.6.2016 beantragte die Mutter des Antragstellers die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis) ist der Antragsgegner offenbar selbst davon ausgegangen, dass eine Fortgeltung nach § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG zur Vermeidung einer unbilligen Härte in Betracht kommt.
2. Der Antrag bleibt jedoch sowohl hinsichtlich der Ausweisung wie auch der Versagung einer weiteren Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ohne Erfolg.
Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung, wobei es das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs gegen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides abzuwägen hat. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen, die ein wesentliches, allerdings nicht das alleinige Indiz für und gegen die Begründetheit des einstweiligen Rechtsschutzbegehrens sind. Ergibt die im Eilverfahren allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung der Erfolgsaussichten, dass die Klage offensichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse eines Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angegriffene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens hingegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei der Interessenabwägung.
Gemessen an diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Klage des Antragstellers nach derzeitiger Einschätzung aufgrund summarischer Prüfung erfolglos bleiben wird. Damit überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das persönliche Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
Der Antragsgegner hat die Ausweisung zu Recht angeordnet und die Erteilung bzw. Verlängerung eines Aufenthaltstitels zu Recht abgelehnt. Die Abschiebungsandrohung begegnet ebenso keinen rechtlichen Bedenken. Der angefochtene Bescheid erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Das Gericht folgt der Begründung des Verwaltungsakts und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe entsprechend § 117 Abs. 5 VwGO ab. Lediglich ergänzend ist auszuführen:
2.1 Bei der Ausweisungsverfügung stellt das Landratsamt zu Recht darauf ab, dass das Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG schwer wiegt, da der Antragsteller wegen mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wurde – hier zu einem Jahr und drei Monaten – und die Vollstreckung der Strafe zunächst auch nicht zur Bewährung ausgesetzt worden war. Dagegen liegt kein besonderes Bleibeinteresse des Antragstellers nach § 55 Abs. 1 und 2 AufenthG vor. Damit verbleibt es für den Antragsteller bei seinem allgemeinen Interesse an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet nach § 53 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG. Danach sind insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie Tatsachen, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen. Der Antragsteller ist mittlerweile seit dem 18. Mai 2017 volljährig. Das familiäre Bleibeinteresse eines Volljährigen ist wesentlich geringer anzusetzen als das Bleibeinteresse eines Minderjährigen (welches in § 55 AufenthG teilweise näher kodifiziert ist), da der Volljährige nicht mehr dem Sorgerecht und der Sorgepflicht eines Sorgeberechtigten unterliegt, vielmehr jedenfalls rechtlich auf eigenen Beinen zu stehen hat bzw. selbst die Verantwortung für seine Lebensführung hat. Der volljährige Antragsteller ist rechtlich und tatsächlich in der Lage, auch ohne seine Mutter und seine Geschwister ein eigenbestimmtes Leben zu führen. Das Gericht verkennt nicht, dass natürlich trotzdem eine starke familiäre bzw. emotionale Bindung des Antragstellers an seine Mutter und ggf. Geschwister vorhanden ist, die aber nunmehr im Rahmen der Abwägung der Bleibeinteressen gegen das Ausweisungsinteresse geringer anzusetzen ist. Auch die Dauer des Aufenthalts hat für den Antragsteller kein sonderlich hohes Gewicht. Er reiste erst im April 2014, also mit fast schon 15 Jahren in das Bundesgebiet ein, er hat sich bisher damit noch nicht einmal vier Jahre hier aufgehalten. Er hat auch keine besonderen Bindungen innerhalb des Bundesgebiets entwickelt, insbesondere ist seine Integration in die örtlichen Verhältnissen kaum bis gar nicht gelungen. So hat der Antragsteller nach Aktenlage bisher nur mangelhafte Deutschkenntnisse erworben, weswegen er auch nicht in der Lage war, einen Schulabschluss zu erzielen und eine berufliche Ausbildung anzutreten oder gar zu beenden. Er war bisher offenbar immer auf wirtschaftliche Leistungen der Mutter und ggf. des Stiefvaters angewiesen, da er nur vorübergehend einige wenige Tage selbst erwerbstätig war.
Demgegenüber stehen die doch erheblichen strafrechtlichen Verfehlungen des Antragstellers, die im Rahmen der Ausweisungsverfügung eingehend gewürdigt wurden. Ob vom Antragsteller darüber hinaus auch eine gewisse fundamentalistische oder terroristische Gefährdung ausgeht, weil er salafistischem Gedankengut möglicherweise nahesteht, kann insoweit dahinstehen. Jedenfalls wurde er mehrfach wegen Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit verurteilt. In den strafgerichtlichen Entscheidungen wird ausgeführt, dass der Antragsteller seit 2015 immer wieder erhebliche Aggressionsdelikte begehe.
Dagegen ist es dem Antragsteller zuzumuten, zurück in sein Heimatland nach Mazedonien zu gehen, in dem den wesentlichen Teil seines bisherigen Lebens und seiner Entwicklung verbracht hat. Er ist mit der mazedonischen Sprache und in der dortigen Kultur und Gesellschaft aufgewachsen, so dass er keine Probleme haben wird, sich nach seiner Rückkehr dorthin zurechtzufinden.
Insoweit kann letztlich außer Betracht bleiben, ob vom Antragsteller tatsächlich eine erhöhte Gefährdung ausgeht, weil er dem salafistischen Gedankengut nahestünde. Soweit sich dies darin äußert, dass er auf einer von ihm verantworteten Webseite ein Foto von IS-Kämpfern mit einer Fahne mit IS-Symbol hochgeladen hatte, war dies Gegenstand der Verurteilung durch das Amtsgericht Weilheim vom 8. Januar 2017, des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz. Eine wirklich greifbare Gefährdung durch belegbare Handlungen, die die Wertung einer Hinwendung zum radikalen Islamismus rechtfertigen könnte, welche das Bayerische Landeskriminalamt in seiner Stellungnahme vom 10. April 2017 anspricht, lassen sich derzeit nicht feststellen. Aus dem Führungsbericht der JVA … vom 6. November 2017 ergibt sich zudem, dass ein Sicherheitsvermerk betreffend den Antragsteller „islamistische/salafistische Szene (Stufe 2)“ am 10. Oktober 2017 nach Anregung durch das BayLfZ auf „Verdachtsfall islamistische Szene (Stufe 1)“ heruntergestuft worden sei. Anhaltspunkte für eine Radikalisierung hätten sich während der Haftzeit nicht ergeben.
Bei der Gesamtbetrachtung reichen aber wie bereits ausgeführt die bisherigen strafrechtlichen Verurteilungen des Antragstellers, zuletzt zu einer Jugendfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten aus. Gerade aus den abgeurteilten Taten ergibt sich ein hohes Aggressionspotential des Antragstellers, welches auch für die nähere Zukunft befürchten lässt, dass es wiederum wegen des unkontrollierten aggressiven Ausbruchs des Antragstellers zu weiteren Straftaten auch gegen die körperliche Unversehrtheit anderer kommt. Diese Gefahrenprognose rechtfertigt gerade auch mit Blick auf die relativ kurze Aufenthaltsdauer des Antragstellers im Bundesgebiet und seine bisher nicht erfolgte Integration in die herrschenden Lebensverhältnisse hier seine auch sofort vollziehbare Ausweisung. Eine Auseinandersetzung mit oder gar Bewältigung seiner der Straffälligkeit zugrundeliegenden Aggressionen kann der Antragsteller nicht geltend machen. Im vorgelegten Führungsbericht der JVA vom 6. November 2017 wird angeführt, dass der Antragsteller mehrfach disziplinarisch belangt werden musste; seine Strafe sehe er nicht ein. Auf eine Deliktbearbeitung im Einzelsetting habe er sich nicht einlassen können. Er zeige sich fest davon überzeugt, sich bereits so geändert zu haben, dass es in seinem Leben keine Straftaten mehr geben werde.
2.2 Darüber hinaus ist der Antragsteller auch wegen der Ablehnung seines Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vollziehbar ausreisepflichtig.
Der Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels steht gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 AufenthG bereits die Sperrwirkung der in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids verfügten Ausweisung entgegen. Nach dieser Vorschrift wird einem Ausländer, der ausgewiesen worden ist, auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Die Sperrwirkung der Ausweisung greift gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, wonach die Wirksamkeit der Ausweisung von Widerspruch und Klage unberührt bleibt, unabhängig davon ein, ob die Ausweisungsverfügung sofort vollziehbar oder bestandskräftig ist. Eine Durchbrechung der Sperrwirkung ist aufgrund des sich aus Art. 19 Abs. 4 GG ergebenden Gebotes effektiven Rechtsschutzes jedoch dann erforderlich, wenn ein Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels unter Bezugnahme auf eine gleichzeitig erlassene Ausweisung abgelehnt wurde und sich die Ausweisung als rechtswidrig darstellt. In solchen Fällen ist im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Versagung des Titels inzident auch die Rechtmäßigkeit der ausgesprochenen Ausweisungsverfügung summarisch zu prüfen (vgl. BVerfG, Kammerb.v. 29.3.2007 – 2 BvR 1977/06 – NVwZ 2007, 948 ff.; HessVGH, B.v. 17.8.1995 – 13 TH 3304/94 – NVwZ-RR 1996, 112ff.; VG München, B.v. 25.11.2013 – M 25 S 13.2682 – juris – Rn. 55).
Vorliegend wurde die Ausweisung aber wie bereits ausgeführt rechtmäßig verfügt.
Weiterhin fehlt es nach summarischer Überprüfung auch an den Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Wie im streitgegenständlichen Bescheid ausgeführt, ist der Antragsteller nicht in der Lage, seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln zu sichern; er geht keiner Erwerbstätigkeit nach und konnte auch nicht darlegen, dass er aus sonstigen Mitteln seinen Lebensunterhalt bestreiten könnte.
3. Die in Nr. 4 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltene Abschiebungsandrohung erweist sich bei summarischer Prüfung ebenfalls als rechtmäßig. Der Erlass einer Abschiebungsandrohung setzt voraus, dass der Ausländer zur Ausreise verpflichtet ist. Vorliegend ergibt sich die Ausreisepflicht des Antragstellers bereits aus dem Umstand, dass er keinen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erforderlichen Aufenthaltstitel (mehr) besitzt. Der am 28. Juni 2016 gestellten Anträge auf Erteilung bzw. Verlängerung eines Aufenthaltstitels wurde in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids abgelehnt, womit auch die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG entfallen ist. Im Übrigen entspricht die Abschiebungsandrohung den gesetzlichen Anforderungen. Die gesetzte Ausreisefrist hält sich im Rahmen des § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, besondere Umstände des Einzelfalls im Sinne des § 59 Abs. 1 Satz 4 AufenthG, die eine längere Ausreisefrist erfordern würden, liegen nicht vor. Da sich bei summarischer Prüfung damit auch die Abschiebungsandrohung als rechtmäßig erweist, setzt sich das öffentliche Interesse an dem vom Gesetzgeber in Art. 21a VwZVG vorgesehenen Sofortvollzug gegenüber dem Wunsch des Antragstellers nach der vorläufigen Suspendierung der Abschiebungsandrohung durch.
Nachdem ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit weder hinsichtlich der Ausweisung, der Ablehnung des Aufenthaltstitels noch hinsichtlich der Abschiebungsandrohung bestehen und das Hauptsacheverfahren damit voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird, ist der Eilantrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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