Verwaltungsrecht

Rechtmäßige Gewerbeuntersagung nach Verurteilung wegen einer gewerbebezogenen Straftat

Aktenzeichen  22 ZB 16.284

Datum:
20.7.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 50123
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO § 35 Abs. 1
StGB § 56 Abs. 1 S. 1, § 266a
StPO § 257c

 

Leitsatz

1. Zwar kommt es aufgrund des sicherheitsrechtlichen zukunftsbezogenen Regelungszwecks von § 35 Abs. 1 S. 2 GewO nicht auf ein Verschulden des Gewerbetreibenden hinsichtlich der die Annahme seiner Unzuverlässigkeit tragenden Gründe an (Anschluss an BVerwG BeckRS 1996, 31225303). Ein rechtswidriges Verhalten des Gewerbetreibenden rechtfertigt aber nicht in jedem Fall die Annahme seiner Unzuverlässigkeit, ohne dass sein Verschulden und der Grad seines Verschuldens in den Blick zu nehmen wären. (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist der Gewerbetreibende wegen einer Straftat (hier nach § 266a StGB) rechtskräftig verurteilt, müssen Behörde und Verwaltungsgerichte in eigener Verantwortung prüfen, ob die der Bestrafung zugrunde liegenden Tatsachen eine Verneinung der Zuverlässigkeit rechtfertigen; hierbei dürfen sie in der Regel von den tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts ausgehen (Anschluss an BVerwG BeckRS 1997, 31220808). (redaktioneller Leitsatz)
3. Die eine Strafaussetzung zur Bewährung rechtfertigende Sozialprognose führt mit Blick auf die unterschiedlichen Gefahrenmaßstäbe von § 56 Abs. 1 S. 1 StGB und § 35 Abs. 1 GewO nicht zwingend auch zu einer günstigen Prognose im Rahmen der Prüfung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit (vgl. VGH München BeckRS 2010, 50600 Rn. 2 mwN). (redaktioneller Leitsatz)
4. Behauptet der Gewerbetreibende, seinem Geständnis des der strafgerichtlichen Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalts im Strafprozess liege eine Verständigung nach § 257c StPO zugrunde, bedarf es im Verwaltungsverfahren näherer Darlegungen des Gewerbetreibenden dazu, inwiefern das Geständnis keine Einräumung des Sachverhalts enthält, sondern nur als prozessuales Anerkenntnis bzw. als “formale Unterwerfung” anzusehen ist (vgl. dazu auch BGH BeckRS 9998, 36105). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 5 K 15.1265 2015-11-26 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Kosten des Antragsverfahrens trägt die Klägerin.
III.
Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 20.000 € festgesetzt.

Gründe

I. Die Klägerin wendet sich gegen eine von der Beklagten gegen sie verhängte erweiterte Gewerbeuntersagung. Sie hat im Juli 2011 bei der Beklagten ein Gewerbe angemeldet, mit dem sie Haushalts- und Küchenhilfen, Gebäudereinigungsdienste und Kleintransporte verrichtete. Mit seit dem 20. März 2015 rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Memmingen (Az. 1 LS 112 Js 19332/12) wurde die Klägerin wegen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt, betreffend den Arbeitgeber- und den Arbeitnehmeranteil, in 24 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten auf Bewährung verurteilt. Nach den Feststellungen des Strafgerichts hatte die Klägerin seit Oktober 2011 für die Reinigungsdienste in einem Hotel ausländische, der deutschen Sprache nicht mächtige Arbeitskräfte angeworben, diesen eine abhängige Beschäftigung zugesagt und sie auch als weisungsgebundene Arbeiter beschäftigt, sie aber dennoch veranlasst, in Deutschland selbst ein Gewerbe anzumelden; außerdem habe die Klägerin seit Mai 2013 andere von ihr eingesetzte Arbeiter selbst als abgabenbegünstigte geringfügig Beschäftigte zur Bundesknappschaft angemeldet, obwohl sie diese Arbeitnehmer in einem Umfang deutlich über der Geringfügigkeitsgrenze von 400 € beschäftigt habe. Die Klägerin habe es unterlassen, die betreffenden Arbeitnehmer vollständig, rechtzeitig und zutreffend bei den Sozialversicherungsträgern anzumelden, wodurch diesen ein Schaden von insgesamt 71.388 € entstanden sei. Die Beklagte nahm die Verurteilung zum Anlass für ein Gewerbeuntersagungsverfahren und erließ nach Anhörung der Klägerin den angefochtenen Bescheid vom 3. August 2015, mit dem gegen die Klägerin eine zwangsgeldbewehrte erweiterte Gewerbeuntersagung verfügt wurde.
Die hiergegen erhobene Versagungsgegenklage wies das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg mit Urteil vom 26. November 2015 ab.
Die Klägerin hat die Zulassung der Berufung gegen das Urteil beantragt und macht zur Begründung (im Schriftsatz vom 1.4.2016 und ergänzend im Schriftsatz vom 30.6.2016) geltend, es lägen die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2, 3 und 4 VwGO vor.
Die Beklagte (Schriftsatz vom 19.5.2016) beantragt, die Berufung nicht zuzulassen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Behördenakten Bezug genommen.
II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Die Klägerin macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend. Solche Zweifel bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 124 Rn. 7 und 7a, m. w. N.). Diese schlüssigen Gegenargumente müssen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO innerhalb offener Frist vorgebracht werden. Der Rechtsmittelführer muss darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (BVerfG, B. v. 8.12.2009 – 2 BvR 758/07 – NVwZ 2010, 634/641; Happ in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 62 f.).
Gemessen an diesen Voraussetzungen ergeben sich aus den Darlegungen der Klägerin keine ernstlichen Zweifel daran, dass die gegen die Klägerin ausgesprochene erweiterte Gewerbeuntersagung rechtmäßig und demzufolge das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts im Ergebnis richtig ist.
1.1. Eine Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO erfordert eine auf – vergangene oder gegenwärtige (noch andauernde) – Tatsachen gestützte Prognose dahingehend, dass erstens der Gewerbetreibende in Bezug auf das betroffene Gewerbe unzuverlässig ist und zweitens (vgl. das zusätzliche Merkmal „sofern die Untersagung…“) die Gewerbeuntersagung zum Schutz der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Unzuverlässig ist ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird (std. Rspr, vgl. zuletzt BVerwG, U. v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – GewArch 2015, 366, Rn. 14; BayVGH, B. v. 20.5.2016 – 22 ZB 16.253 – juris, Rn. 9). Aus dem ausschließlich sicherheitsrechtlichen, zukunftsbezogenen Regelungszweck von § 35 GewO folgt, dass es auf ein Verschulden des Gewerbetreibenden hinsichtlich der die Annahme der Unzuverlässigkeit rechtfertigenden Umstände nicht ankommt (BVerwG, B. v. 11.11.1996 – 1 B 226/96 – GewArch 1997, 68, Rn. 4 m. w. N.). Dies bedeutet aber nicht, dass die „die Annahme der Unzuverlässigkeit rechtfertigenden Umstände“ bei rechtswidrigem Verhalten des Gewerbetreibenden ausnahmslos in jedem Fall bejaht werden können, ohne dass hierbei die Frage in den Blick genommen würde, inwieweit Pflichtverletzungen vorsätzlich bzw. fahrlässig begangen wurden.
Ist ein strafrechtlich geahndetes persönliches Fehlverhalten des Gewerbetreibenden Anlass für die Prüfung einer Gewerbeuntersagung, so kann die Prüfung, ob sich der Gewerbetreibende künftig erneut falsch verhalten und damit die Allgemeinheit oder die im Betrieb Beschäftigten gefährden wird, regelmäßig nicht zutreffend beurteilt werden, ohne zum Einen die Gründe für das Verhalten des Gewerbetreibenden zu kennen und zum Andern zu berücksichtigen, ob sich der Betreffende der Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens bewusst war. Nicht das Strafurteil, sondern nur das Verhalten des Gewerbetreibenden, das zu dem Urteil geführt hat, kann eine Gewerbeuntersagung erfordern (BVerwG, B. v. 23.5.1995 – 1 B 78.95 – GewArch 1995, 377, Rn. 7). Die Gewerbebehörden und die Verwaltungsgerichte müssen sich selbst davon überzeugen, welcher Sachverhalt einer Bestrafung zugrunde gelegen hat – wobei sie i.d.R. von den tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts ausgehen dürfen -, und in eigener Verantwortung prüfen, ob die der Bestrafung zugrunde liegenden Tatsachen eine Verneinung der Zuverlässigkeit rechtfertigen (BVerwG, B. v. 26.2.1997 – 1 B 34.97 – GewArch 1997, 242 (248), Rn. 10). Hierbei können schuldmindernde Umstände eine Rolle spielen.
1.2. Die Antragsbegründung der Klägerin vermag durchgreifende ernstliche Zweifel daran, dass das angegriffene Urteil im Ergebnis diesen unter 1.1 dargelegten Maßgaben gerecht wird, nicht zu wecken.
1.2.1. Die Klägerin meint, solche Zweifel bestünden deshalb, weil das Verwaltungsgericht ebenso wie die Beklagte die Unzuverlässigkeit ausschließlich auf die einmalige strafrechtliche Verurteilung der Klägerin gestützt habe (Schriftsatz vom 1.4.2016, S. 3 oben). Dem ist nicht zu folgen. Das Verwaltungsgericht hat nämlich – der Einschätzung der Beklagten folgend – seine Überzeugung von der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit der Klägerin zutreffend nicht unmittelbar aus deren strafrechtlicher Verurteilung als solcher gewonnen, sondern aufgrund der mit dem Urteil geahndeten Taten. Dies ergibt sich hinreichend deutlich sowohl aus dem angefochtenen Bescheid (Nr. 2.6 ff. auf S. 8 ff.) als auch aus dem Urteil (z. B. UA Rn. 31 mit dem dortigen Hinweis auf Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Aufl. 2011, § 35 Rn. 37 m. w. N.). Nicht die Zahl der Strafurteile und nicht die strafrechtliche Verurteilung als solche sind entscheidend, sondern die zugrundeliegenden Delikte. Dies hat das Verwaltungsgericht nicht verkannt und ist damit sowohl den oben unter 1.1 genannten Anforderungen an die Prognose der künftigen (Un-)zuverlässigkeit als auch dem von der Rechtsprechung entwickelten Prüfungsmaßstab gerecht geworden.
1.2.2. Die Klägerin wendet ein, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die Verwaltungsbehörden und die Verwaltungsgerichte nur regelmäßig, aber nicht ausnahmslos, den Feststellungen der Strafgerichte ohne weitere eigene Ermittlungen folgen dürften und dass im vorliegenden Fall aus verschiedenen Gründen eine Ausnahme von dieser Regel gemacht werden müsse; außerdem sieht die Klägerin in der rechtlichen Würdigung durch die Beklagte und das Verwaltungsgericht anscheinend einen Verstoß gegen § 35 Abs. 3 GewO (Schriftsatz vom 1.4.2016, S. 3 unten). Damit kann die Klägerin nicht durchdringen.
Die Klägerin meint, in den Fällen einer Verständigung nach § 257c StPO dürfe die Behörde zwar regelmäßig den im unanfechtbaren Strafurteil getroffenen Feststellungen ohne weitere eigene Ermittlungen folgen (Schriftsatz vom 1.4.2016, S. 4 oben), eine Ausnahme sei vorliegend aber deswegen zu machen, weil der Weg über § 257c StPO „auf Anraten des Verteidigers … gegen die Überzeugung der Klägerin“ eingeschlagen worden sei. Die Klägerin unterlässt indes die nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO gebotene substantiierte Darlegung, inwiefern die von der Beklagten und vom Verwaltungsgericht übernommenen Tatsachenfeststellungen des Strafgerichts überhaupt falsch gewesen sein sollen. Denn in tatsächlicher Hinsicht ist das Strafgericht jedenfalls davon ausgegangen, dass die Klägerin die Umstände gekannt hat, die eine Arbeitnehmereigenschaft ihrer Beschäftigten begründeten und nicht – wie von der Klägerin vorgegeben – eine selbstständige Berufsausübung; weiter hat das Strafgericht in Bezug auf die zu prüfenden Tatbestände festgestellt, dass der Klägerin als Arbeitgeberin bewusst gewesen ist, dass sie die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer vollständig, rechtzeitig und richtig bei den für die Einziehung der Sozialversicherungsbeiträge zuständigen Stellen hätte anmelden müssen, und dass sie außerdem in der Absicht der bewussten Umgehung dieser Pflicht die meisten Arbeitskräfte eine Gewerbeanmeldung hat vornehmen lassen, obwohl sie den der deutschen Sprache nicht mächtigen Reinigungskräften eine abhängige Beschäftigung zugesagt hatte (Amtsgericht Memmingen, Strafurteil vom 12.3.2015, 1 Ls 112 Js 19332/12, rechtskräftig seit 20.3.2015, S. 6 unten). Die Richtigkeit dieser Feststellungen wird weder in der Begründung des Zulassungsantrags noch durch den von der Klägerin und im Tatbestand des angefochtenen Urteils (UA Rn. 7) angesprochenen Vortrag im Verwaltungsverfahren (Schriftsatz vom 3.7.2015) noch durch ihre in der mündlichen Verhandlung vom 26. November 2015 gemachten Angaben (vgl. die Niederschrift vom 26.11.2015) durchgreifend in Zweifel gezogen.
Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass das Strafgericht zu ihren Gunsten davon ausgegangen ist, dass sie sich der strafrechtlichen Relevanz ihres Tuns nicht bewusst gewesen sei und einen Verbotsirrtum angenommen habe, bedeutet dies nach dem Inhalt des Strafurteils gerade nicht, dass die Kenntnis der Pflichtwidrigkeit eines bestimmten, absichtlichen Tuns oder Unterlassens vom Strafgericht in Frage gestellt wird, sondern nur, dass die Kenntnis von der Strafbarkeit dieses Verhaltens gefehlt haben könnte. Nur in Bezug auf Letzteres (Strafbarkeit) befand sich die Klägerin in einem (allerdings vermeidbaren) Irrtum; kein Irrtum bestand nach den Feststellungen des Strafgerichts dagegen in Bezug auf die objektiv bestehende, sozialversicherungs- und arbeitsrechtlich begründete Pflicht zur korrekten Anmeldung der Beschäftigten bei den Sozialversicherungsträgern.
Aus diesem Grund kann vorliegend die Bejahung eines Verbotsirrtums – entgegen der Ansicht der Klägerin (Schriftsatz vom 1.4.2016, S. 4 Mitte) – auch keinen Anhaltspunkt dafür bieten, dass die Feststellungen des Strafgerichts in tatsächlicher Hinsicht in Zweifel zu ziehen wären und durch eigene Ermittlungen der Verwaltungsbehörde überprüft werden müssten. Die Klägerin behauptet zwar, das Verwaltungsgericht habe die Bedeutung eines Geständnisses im Fall einer Verständigung nach § 257c StPO verkannt und die diesbezüglichen Anforderungen des Bundesgerichtshofs in seinem – vom Verwaltungsgericht selbst angeführten (UA Rn. 27) – Urteil vom 10. Juni 1998 (2 StR 156/98 – NJW 1999, 370) außer Acht gelassen. Dies trifft aber nicht zu. Zum Einen hat der Bundesgerichtshof in dem genannten Urteil nur eine strafrichterliche Überzeugungsbildung als unzureichend bezeichnet, die sich auf ein solches Geständnis des Angeklagten stützt, das keine Einräumung des Sachverhalts enthält, sondern als bloßes prozessuales Anerkenntnis oder als nur „formale Unterwerfung“ anzusehen ist (BGH, U. v. 10.6.1998, a. a. O., juris Rn. 12); inwiefern vorliegend die Klägerin sich ausschließlich aus strafprozesstaktischen Gründen derart „formal“ verhalten haben soll, ergibt aus den Darlegungen der Klägerin nicht. Zum Andern geht die Klägerin nicht darauf ein, dass das Strafgericht ausweislich der Urteilsgründe (Nr. III auf S. 14) das Geständnis der Klägerin gerade nicht ungeprüft übernommen, sondern den strafrechtlich zu würdigenden Sachverhalt unter Nr. II der Gründe (mithin auch das oben genannte bewusst pflichtwidrige Verhalten der Klägerin) aufgrund des vollumfänglichen Geständnisses und dessen Überprüfung anhand der Angaben der ermittelnden Zollbeamtin festgestellt, mithin auch den vom Bundesgerichtshof (U. v. 10.6.1998, a. a. O., juris Rn. 12) aufgestellten Anforderungen entsprochen hat. Soweit die Klägerin gleichwohl meint, das Verwaltungsgericht habe sowohl die in seinem Urteil zitierte Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, B. v. 5.3.2014 – 22 ZB 12.2174, 22 ZB 12.2175 – GewArch 2014, 444, juris Rn. 26 und B. v. 24.9.2015 – 22 ZB 15.1722 – juris Rn. 10, jeweils m. w. N.) als auch die des Bundesgerichtshofs in Strafsachen verkannt, wonach – wie die Klägerin wenig präzise formuliert – „jeweils Ausnahmen vorgesehen und auch anzuerkennen“ seien, trifft dieser Vorwurf nicht zu.
1.2.3. Auch die Darlegungen der Klägerin, wonach das Verwaltungsgericht die Bedeutung der vom Strafgericht gegebenen Sozialprognose für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Klägerin und damit für die Rechtmäßigkeit der Gewerbeuntersagung verkannt habe (Schriftsatz vom 1.4.2016, S. 5 Mitte), vermögen keine ernstlichen Zweifel daran zu wecken, dass das Urteil im Ergebnis richtig ist. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach eine günstige, die Aussetzung der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung rechtfertigende Sozialprognose nicht zwingend zur gewerberechtlichen Zuverlässigkeit führt, weil sich die Sozialprognose nur auf das zukünftige strafrechtsrelevante Verhalten bezieht, aber nicht demselben Maßstab wie die gewerberechtlich gebotene Prognose folgt, steht im Einklang mit der im Schrifttum (z. B. Tettinger/Wank/Ennuschat, a. a. O., § 35 Rn. 33 m. w. N.) und in der Rechtsprechung einhellig vertretenen Auffassung, wonach sich aus § 56 Abs. 1 Satz 1 StGB und § 35 Abs. 1 GewO unterschiedliche Gefahrenmaßstäbe herleiten lassen (BayVGH, B. v. 16.6.2010 – 22 ZB 10.1164 – BayVBl 2011, 247, juris Rn. 2; BVerwG, B. v. 16.6.1987 – 1 B 93/86 – GewArch 1987, 351, juris Rn. 12; NdsOVG, B. v. 13.4.2007 – 7 ME 37/07 – NVwZ-RR 2007, 521, juris Rn. 8). Aus der vom Verwaltungsgericht gewählten Formulierung, eine günstige strafrechtliche Sozialprognose führe „nicht zwingend“ zur Bejahung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit, lässt sich entgegen der Ansicht der Klägerin weder folgern, dass das Verwaltungsgericht gemeint habe, die gewerberechtliche Zuverlässigkeit müsse bei günstiger strafrechtlicher Sozialprognose zumindest „in der Regel“ angenommen werden, noch wäre ein solcher Schluss gerechtfertigt.
1.2.4. Die Behauptung der Klägerin, das angegriffene Urteil verletze Unionsrecht (Schriftsatz vom 1.4.2016, S. 6 oben), vermag ernstliche Zweifel an der – auf das Ergebnis bezogenen – Richtigkeit des Urteils nicht zu stützen. Zwar gibt die von der Klägerin bemängelte Formulierung unter Rn. 32 des Urteils, wonach es für die Prognose der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit auf ein subjektiv vorwerfbares Verhalten, auf ein Verschulden des Gewerbetreibenden oder auf seine innere Einstellung nicht ankomme, die Voraussetzungen einer Gewerbeuntersagung nur unvollständig wieder (es gilt insoweit der oben unter 1.1 dargelegte Maßstab). Allerdings greift der Einwand der Klägerin jedenfalls deswegen nicht durch, weil – wie ausgeführt – sowohl die Beklagte als auch das Verwaltungsgericht tatsächlich nicht auf die strafrechtliche, gemäß § 17 Satz 2 StGB modifizierte Bewertung der Schuld abgestellt haben, sondern auf das absichtliche pflichtwidrige Verhalten der Klägerin. Abgesehen davon hat die Klägerin nicht – wie es geboten wäre – dargelegt, welche „europäischen Regelungen“ durch eine derartige tatrichterliche Würdigung verletzt worden sein sollen.
1.2.5. Dass die erweiterte Gewerbeuntersagung ermessensfehlerhaft („Ermessensfehlgebrauch“) und zudem unverhältnismäßig sei und beides vom Verwaltungsgericht verkannt worden sei, behauptet die Klägerin zwar. Ihre diesbezüglichen Darlegungen mit den Hinweisen und Behauptungen einer Fehlerhaftigkeit der Interessenabwägung (Interessen der Klägerin – Schutz der Allgemeinheit), einer Zerstörung der „mühsam aufgebauten Existenzgrundlage“ der Klägerin und einer Vernichtung der Arbeitsplätze (Schriftsatz vom 1.4.2016, S. 6 Mitte und unten) genügen indes nicht den Darlegungsanforderungen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.
2. Aus den Darlegungen der Klägerin ergibt sich auch nicht der Zulassungsgrund besonderer rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Eine Rechtssache weist besondere rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn eine kursorische Prüfung der Erfolgsaussichten einer Berufung keine hinreichend sichere Prognose über den Ausgang des Rechtsstreits erlaubt. Entscheidend für besondere rechtliche Schwierigkeiten ist dabei stets die Qualität, nicht die Quantität (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 27). Besondere tatsächliche Schwierigkeiten einer Rechtssache entstehen durch einen besonders unübersichtlichen und/oder einen schwierig zu ermittelnden Sachverhalt (vgl. Happ, a. a. O., § 124 Rn. 33). Keine dieser Voraussetzungen ist vorliegend erfüllt. Denn auf die von der Klägerin zur Begründung für ihre Ansicht genannten Gesichtspunkte (Schriftsatz vom 1.4.2016, Nr. 2 auf S. 7) kommt es aus den oben unter 1 genannten Gründen entweder nicht an oder sie lassen sich ohne Schwierigkeiten mittels der einschlägigen rechtlichen Normen und der hierzu ergangenen maßgeblichen Rechtsprechung beantworten.
3. Soweit die Klägerin geltend macht, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), hat sie nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt, welche Rechtsfrage nach der für die angefochtene oder erstrebte Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage vorliegend erstens entscheidungserheblich, zweitens klärungsbedürftig und drittens über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (zum Erfordernis des kumulativen Vorliegens dieser Voraussetzungen vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 35 bis 40). Abgesehen davon beschränkt sich die Klägerin darauf, dieselben Gründe zu benennen, die sie für den – behaupteten – Verstoß gegen Unionsrecht angeführt hat. Sie unterlässt diesbezüglich aber – in gleicher Weise wie bei der Geltendmachung ernstlicher Zweifel – eine Darlegung, gegen welche unionsrechtlichen Normen oder ungeschriebenen Rechtssätze das Verwaltungsgericht überhaupt verstoßen haben soll.
4. Soweit die Klägerin meint, das angegriffene Urteil weiche vom Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 24. September 2015 (22 ZB 15.1722) ab und daher sei die Berufung zuzulassen (§124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO), kann sie auch damit nicht durchdringen. Eine Divergenz in rechtlicher Hinsicht liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung einen Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der in Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, auf den eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte – grundsätzlich in Anwendung der gleichen Rechtsnorm – eine Entscheidung tragend gestützt hat. Der Rechtssatz des Verwaltungsgerichtshofs, von dem das Verwaltungsgericht abgewichen sein soll, lautet nach dem Vortrag der Klägerin, dass Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte ihren eigenen Entscheidungen die von Strafgerichten unanfechtbar getroffenen Feststellungen zwar regelmäßig, aber nicht ausnahmslos ohne weitere eigene Ermittlungen zugrunde legen dürfen; eine Ausnahme von dieser Regel sei nur anzuerkennen, wenn gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen sprächen, was insbesondere dann der Fall sei, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel vorlägen, die nach § 359 Nr. 5 StPO die Zulässigkeit eines Wiederaufnahmeverfahrens begründen würden. Die Klägerin meint, das Verwaltungsgericht habe sich zu diesem Rechtssatz dadurch in Widerspruch gesetzt, dass es sich mit seiner Argumentation auf den vom Verwaltungsgerichtshof nur beispielhaft genannten Fall des § 359 Nr. 5 StPO beschränkt, die anderen im vorliegenden Fall für eine Ausnahme von der Regel sprechenden Gesichtspunkte aber außer Acht gelassen habe. Dies trifft indes nicht zu.
Zum einen hat das Verwaltungsgericht weder ausdrücklich noch sinngemäß mit seiner Argumentation einen Rechtssatz dahingehend aufgestellt, dass nicht nur „insbesondere“, sondern „ausschließlich“ dann gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen sprächen, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel vorliegen, die nach § 359 Nr. 5 StPO die Zulässigkeit eines Wiederaufnahmeverfahrens begründen würden, andere Ausnahmegründe also nicht gelten dürften. Vielmehr hat sich das Verwaltungsgericht hinreichend mit den möglicherweise für einen Ausnahmefall sprechenden Umständen befasst, sie jedoch letztendlich – mit zutreffenden Erwägungen – für nicht durchgreifend erachtet (UA Rn. 27 bezüglich des Einwands der Klägerin, das Strafurteil sei gemäß § 257c StPO ergangen und es gebe erhebliche Zweifel an der Schuld der Klägerin; UA Rn. 33 bezüglich der geltend gemachten Unerfahrenheit der aus Ungarn stammenden Klägerin mit der von der ungarischen Rechtslage abweichenden deutschen Rechtsordnung; UA Rn. 34 bezüglich der günstigen Sozialprognose und der Strafaussetzung zur Bewährung und des Wohlverhaltens der Klägerin in der – noch laufenden – Bewährungszeit).
Zum anderen betreffen die von der Klägerin genannten und – nach ihrer Ansicht – vom Verwaltungsgericht verkannten Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs lediglich strafgerichtliche Tatsachenfeststellungen (nicht dagegen die strafgerichtliche Bewertung der Schuld oder die Sozialprognose). Was die strafgerichtlich festgestellten Tatsachen (das absichtliche pflichtwidrige und dem den angeworbenen Arbeitnehmern gegebenen Versprechen zuwider laufende Tun und Unterlassen der Klägerin, die ihre sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nicht ordnungsgemäß gemeldet hat) angeht, so hat die Klägerin – wie oben ausgeführt – gerade keine gewichtigen Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen nennen können.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
6. Der Streitwert bemisst sich nach § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 GKG (wie Vorinstanz).

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