Verwaltungsrecht

Rechtmäßigkeit der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet

Aktenzeichen  M 21 S 17.38121

Datum:
17.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 4, § 36 Abs. 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Bei offensichtlichem Nichtvorliegen asylrechtlich relevanter Gründe, die ein Asylrecht rechtfertigen, bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abweisung. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller, der bislang weder Personalpapiere noch andere Identitätsnachweise seines Herkunftslands vorlegte, ist nach letzten, eigenen Angaben ein lediger, in Timbuktu geborener Staatsangehöriger der Republik Mali muslimischen Glaubens.
Er stellte am 21. Juli 2016 bei der Außenstelle des Bundesamts für … (kurz: Bundesamt) in M. einen Asylantrag.
Zur Niederschrift über seine Anhörung bei der Außenstelle des Bundesamts in M. am 24. Oktober 2016 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, bis zu seiner Ausreise mit seiner Familie in Timbuktu gelebt zu haben. Sein Heimatland habe er im April 2013 verlassen und sei am 14. Oktober 2015 in das Bundesgebiet eingereist. Die ca. 2.000 $ für die Reise habe er sich zusammen gespart. Im Heimatland lebten noch zwei Brüder, zwei Schwestern und die Großfamilie. Er sei Hirte gewesen. Aufgrund des Krieges habe er Mali verlassen. Die Dschihadisten hätten alles kaputt gemacht. Sie nähmen Leute und schlügen sie auf öffentlichen Plätzen. Sie hätten keine Sicherheit. Wer religiöse Fragen falsch beantworte, werde gefoltert. Auf die Frage, was dem Antragsteller persönlich passiert sei, antwortete er, sie hätten keine Sicherheit gehabt. Sie hätten ihre Tiere beschlagnahmt. Deswegen und wegen des Krieges habe er das Land verlassen. Die Frage, ob er sich an die Polizei oder an andere staatliche Behörden gewandt habe, verneinte der Antragsteller und gab an, im Busch gelebt zu haben. Dort gebe es keine Polizei. Sie hätten in Diré gelebt. Persönlich habe er in Mali nichts zu befürchten, nur dass seine Familie nicht mehr dort sei.
Mit Bescheid vom 13. April 2017 lehnte das Bundesamt die Anträge des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1.), auf Asylanerkennung (Ziffer 2.) und auf subsidiären Schutz (Ziffer 3.) als offensichtlich unbegründet ab, verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (Ziffer 4.) und drohte ihm mit einer Ausreisefrist von einer Woche die Abschiebung nach Mali an (Ziffer 5.). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Angaben zu den Umständen, die den Antragsteller zur Ausreise bewogen haben sollen, seien so nichts sagend, pauschal und vage, dass sich insbesondere nicht plausibel nachvollziehen lasse, was ihn zur Flucht motiviert habe. Selbst bei Wahrunterstellung knüpfe die vorgetragene Bedrohung nicht an ein flüchtlingsrechtlich relevantes Merkmal an. Die vorgetragene Bedrohung sei als kriegerische Gefahr zu werten, welche alle in diesem Landesteil lebenden Menschen gleichsam betroffen habe. Dem Antragsteller stehe nach wie vor eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. So sei etwa eine Rückkehr nach Bamako zumutbar. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 36 Abs. 1 AsylG.
Am 25. April 2017 ließ der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage erheben und beantragen, den Bundesamtsbescheid vom 13. April 2017 aufzuheben und festzustellen, dass er asylberechtigt sei, die Flüchtlingseigenschaft bei ihm vorliege, der subsidiäre Schutzstatut bei ihm vorliege und Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bei ihm vorliegen.
Über die Klage (M 21 K 17.38119) ist noch nicht entschieden.
Zugleich ließ der Antragsteller am 25. April 2017 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München sinngemäß beantragen,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen.
Zur Klage- und Antragsbegründung wurde durch Schriftsatz vom 25. April 2017 im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller habe die Gefährdung in Mali geschildert. Anhörer und Entscheider seien nicht identisch gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten zu Eil- und Klageverfahren und auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Eilantrag ist unbegründet.
Gemäß Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 GG wird die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen insbesondere in Fällen, die offensichtlich unbegründet sind, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen. Im Anschluss an Art. 16a Abs. 4 Satz 2 GG bestimmt § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG, dass die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden darf, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (Art. 16a Abs. 4 Satz 2 GG, § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG). „Ernstliche Zweifel“ im Sinne des Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 GG liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 99).
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamts, dass dem Antragsteller kein subsidiärer Schutzstatus nach § 4 AsylG zuzuerkennen ist und dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht bestehen, zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung in § 36 AsylG nicht unmittelbar zu entnehmen, dafür sprechen jedoch § 34 Abs. 1 AsylG und Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BVerfG, B.v. 17.7.1996 – 2 BvR 1291/96 – juris Rn. 3).
Gemessen an diesen Maßstäben bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, an die Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung.
Ernstliche Zweifel bestehen insbesondere nicht an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet und an der Rechtmäßigkeit der Verneinung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
Zur näheren Begründung wird auf die Gründe des angefochtenen Bundesamtsbescheids Bezug genommen (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass eine Personenverschiedenheit von Anhörer und Entscheider als solche bei – wie hier erfolgter – hinreichender Protokollierung der Einlassungen des Asylbewerbers im Rahmen der Anhörung unschädlich ist. Sie führt dann auch nicht dazu, dass ein Asylantrag deswegen nicht als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden kann (vgl. nur Berlit, NVwZ-Extra 2017, 1/8 m.w.N).
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben