Verwaltungsrecht

Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung – erfolgloser Folgeantrag

Aktenzeichen  M 4 S 16.31453

Datum:
27.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 36 Abs. 3 S. 1, § 71 Abs. 1 S. 1, Abs. 4
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 1
GG GG Art. 16a Abs. 4
VwGO VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

Die aktuelle Sicherheitslage im Irak – auch im Hinblick auf die Eroberungszüge des sog. Islamischen Staats (IS) – stellt kein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1 AufenthG dar. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist irakischer Staatsangehöriger schiitischen Glaubens und hat bereits einen Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt, dessen Ablehnung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) durch Bescheid vom 11. August 2009 am 26. April 2010 in Bestandskraft erwachsen ist. Dem Antragsteller wurde damals bereits die Abschiebung in den Irak angedroht.
Am … 2014 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag). Zur Begründung trug er vor, im Irak herrsche noch Krieg und dieser sei kein stabiles Land, er fühle sich in Deutschland sicherer. Im Rahmen der Anhörung zum beabsichtigten Einreise- und Aufenthaltsverbot trug der Bevollmächtigte des Antragstellers vor, dieser ginge einer geregelten Arbeit nach und lebe bereits seit acht Jahren in Deutschland.
Mit Bescheid vom 7. Juni 2016, dem Bevollmächtigten des Antragstellers zugestellt am 13. Juni 2016, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Ziffer 1) sowie den Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 11. August 2009 bezüglich der Feststellungen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ab (Ziffer 2). Es forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen; für den Fall nicht fristgerechter Ausreise drohte es die Abschiebung in den Irak oder in einen anderen aufnahmebereiten oder zur Rückübernahme verpflichteten Staat an (Ziffer 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4). Auf die Begründung dieses Bescheides wird verwiesen. Hinsichtlich des strittigen Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG führte das Bundesamt aus, die aktuelle Sicherheitslage im Irak stelle kein Abschiebungshindernis in diesem Sinne dar. Laut seinen Angaben vom 29. Mai 2008 stamme der Antragsteller aus der … Für diesen Teil des Irak sei laut Erkenntnissen des Bundesamtes von keiner automatischen Gefahrenverdichtung auszugehen, vielmehr bedürfe es hierfür individueller gefahrerhöhender Merkmale. Derartige Merkmale seien vom Antragsteller jedoch nicht dargelegt worden. Weitere Gründe, die eine Abänderung der bisherigen Entscheidung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG gemäß § 49 VwVfG rechtfertigen würden, lägen nicht vor. Seine Integrationsleistungen könnten im Rahmen dieser Ermessensentscheidung nicht berücksichtigt werden.
Mit Schriftsatz vom 17. Juni 2016, am selben Tag beim Verwaltungsgericht München eingegangen, ließ der Antragsteller über seinen Bevollmächtigten Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 07. Juni 2016 erheben, mit den Anträgen:
I.
Der Bescheid des Bundesamtes vom 07. Juni 2016 wird aufgehoben.
II.
Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, den Kläger als Flüchtling anzuerkennen.
III.
Hilfsweise wird die Beklagte verpflichtet, dem Kläger subsidiären Schutz zuzusprechen.
IV.
Weiter hilfsweise wird die Beklagte verpflichtet festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Iraks vorliegen.
Über diese Klage (Az. M 4 K 16.31452) ist noch nicht entschieden.
Im selben Schriftsatz stellte der Bevollmächtigte des Antragstellers Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO mit dem Antrag,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung von Klage und Eilantrag führte der Bevollmächtigte aus, der Antragsteller stamme aus …, wo sich auch die gesamte noch im Irak lebende Familie befinde. In der weiteren Begründung führte der Bevollmächtigte im Wesentlichen die Eroberungszüge des sogenannten Islamischen Staats (IS) zur Begründung von Klage und Eilantrag an. Der IS kontrolliere vor allem sunnitische Gebiete nördlich und östlich der …, immer wieder komme es zu verheerenden Anschlägen im …
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte des Bundesamtes Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bleibt erfolglos.
Die Ablehnung des Antrags auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens sowie auf Abänderung des ursprünglichen Bundesamtsbescheids vom 11. August 2009 bezüglich der Feststellung nationaler Abschiebungshindernisse unterliegen jedenfalls keinen durchgreifenden Bedenken. Auch das Vorliegen von Abschiebungsverboten ist nicht erkennbar, so dass eine Aussetzung der Abschiebung im Ergebnis nicht geboten ist.
1. Das Gericht geht gemäß § 122 Abs. 1 i. V. m. § 88 VwGO in sachgerechter Auslegung des Antrags davon aus, dass sich der Eilantrag nicht gegen das auf § 11 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) gestützte Aufenthalts- und Einreiseverbot nach der Abschiebung (Ziffer 4. des Bescheids) richtet. Ein derartiger Antrag wäre mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig (NdsOVG, B. v. 14.12.2015 – 8 PA 199/15 – juris Rn. 5; ausführlich ebenso VG München, B. v. 19.1.2016 – M 21 S 16.30019 – S. 8 f. des BA zur Notwendigkeit einer Verpflichtungsklage für die Befristungsentscheidung m. umfangr. Nachw.).
2. Mit seinem ansonsten vorgebrachten Eilantrag begehrt der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltene Abschiebungsandrohung in den Irak. Dieser Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden, und auch statthaft, da die erhobene Klage kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung hat (§ 75 Satz 1, § 71 Abs. 4, §§ 34, 35, 36 AsylG) und eine ausdrückliche Abschiebungsandrohung enthält.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat jedoch keinen Erfolg, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes vom 7. Juni 2016 bestehen (vgl. Art. 16a, Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylVfG). Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens ist gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG die unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) ausgesprochene Abschiebungsandrohung. Die mit dieser Verwaltungsentscheidung intendierte umgehende Beendigung des Aufenthalts stützt sich auf die Ablehnung eines Folgeantrags (§ 71 Abs. 4 AsylG) und ist deren Folge. Für verwaltungsgerichtliche Entscheidungen im Verfahren des Eilrechtsschutzes enthält Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG den Prüfungsmaßstab (BVerfG, B. v. 16.03.1999 – 2 BvR 2131/95 – juris, Rn. 22), welchen der Gesetzgeber durch die Regelungen in § 71 Abs. 1, 4 i. V. m. § 36 Abs. 4 AsylG bestimmt hat. Die Aussetzung der Abschiebung darf nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel daran bestehen, dass die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1, Satz 1 AsylG nicht vorliegen (BVerfG, B. v. 16.03.1999, a. a. O., Rn. 22). Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung – insbesondere das Verneinen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Satz 1 AslyG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG – einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166). Zum Prüfungsumfang gehört gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a bzw. Nr. 3 AsylG auch, dass dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise zulässig ist (hierzu VG Augsburg, B. v. 26.11.2013, Au 7 S 13.30439, juris Rn. 11).
Die Entscheidung des Bundesamtes, gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG kein weiteres Asylverfahren durchzuführen, begegnet keinen ernstlichen Zweifeln. Zur Vermeidung von Wiederholungen folgt das Gericht der im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamts gegebenen Begründung (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass nach dem Vortrag der Antragstellerseite der Kläger aus … stammt, also dorthin zurückkehren kann. Außerdem befindet sich nach seinen eigenen Angaben dort auch seine gesamte noch im Irak lebende Familie. Es ist dem Antragsteller daher zuzumuten, zu seiner Familie nach … zurückzukehren.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO war daher mit der sich aus § 154 Abs. VwGO, § 83b AsylG ergebenden Kostenfolge abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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