Verwaltungsrecht

Rechtmäßigkeit der Ausweisung wegen Straffälligkeit

Aktenzeichen  AN 5 S 16.00073

Datum:
7.11.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 124755
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 53 Abs. 1

 

Leitsatz

Ein erhebliches wiederholtes strafrechtlich relevantes in Erscheinung treten kann eine Ausweisung nach § 53 Abs. 1 AufenthG rechtfertigen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der 1973 geborene Antragsteller ist nigerianischer Staatsangehöriger. Er reiste erstmals im Jahre 1997 unter Aliasnamen in das Bundesgebiet ein und stellte u.a. mit dem Vortrag, er sei sudanesischer Staatsangehöriger, Asylantrag. Dieser Asylantrag wurde unanfechtbar abgelehnt und dem Antragsteller damals die Abschiebung angedroht. Zu einem unbekannten Zeitpunkt hat er Deutschland wieder verlassen und reiste am 30. Juli 2002 erneut mit Visum zum Zweck der Eheführung in das Bundesgebiet ein, nachdem er zwischenzeitlich im … in Nigeria eine deutsche Staatsangehörige geheiratet hatte. Die deutsche Ehefrau trennte sich im … vom Antragsteller. Im Hinblick auf die Eheschließung war der Antragsteller im Zeitraum Juli 2003 bis zuletzt 25. Juli 2006 im Besitz eines Aufenthaltstitels. Am 24. Juli 2006 beantragte der Antragsteller rechtzeitig die Verlängerung des Aufenthaltstitels. Am … 2006 wurde der gemeinsame Sohn, ein deutscher Staatsangehöriger, geboren. Die Ehefrau und der Antragsteller haben hinsichtlich dieses Sohnes das gemeinsame Sorgerecht. Anfänglich übte der Antragsteller sein Umgangsrecht alle vierzehn Tage aus. Einem Schreiben des Amtes für Jugend und Familie des Landratsamtes … vom 13. Juli 2015 an die Ausländerbehörde der Antragsgegnerin ist zu entnehmen, dass das gemeinsame Sorgerecht nach wie vor besteht, dass der dort letzte bekannte Umgang zwischen dem Antragsteller und seinem Sohn am … 2013 begleitet beim Deutschen Kinderschutzbund stattgefunden hat und dass dieser Umgang in einem Konflikt zwischen Vater und der Fachkraft des Kinderschutzbundes geendet hat. Danach erhält die Mutter auch vom Antragsteller keinen Unterhalt für das Kind und wird hinsichtlich der Erziehung des Kindes nicht vom Kindsvater unterstützt.
Am … heiratete der Antragsteller in Dänemark eine im … geborene deutsche Staatsangehörige und stellte erneut Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, und zwar zur Familienführung mit zwei Kindern, wobei er für den am … geborenen Sohn, einen deutschen Staatsangehörigen, eine Sorgerechtserklärung des Antragstellers und der Kindsmutter vorlegte.
Einer Stellungnahme der Beratungsstelle „…“ vom 22. Juni 2015, deren Träger der Deutsche Kinderschutzbund ist, und auf die das Jugendamt der Stadt … seit dem 1. April 2012 das Thema Sorge und Umgangsrecht übertragen hat, ist zu entnehmen, dass gemäß einem Telefonat mit der Kindsmutter zwischen Antragsteller und Sohn seit März 2014 kein Kontakt mehr besteht. Neben dem Scheidungsverfahren sei noch eine Vaterschaftsaberkennung und Nichtehelichkeitsanfechtung anhängig, da der Antragsteller nicht der leibliche Vater sei. Dies werde das Verfahren auch ergeben. Momentan bestehe keine schutzwürdige Vater-Sohn-Beziehung.
Strafrechtlich ist der Antragsteller nach Aktenlage wie folgt in Erscheinung getreten:
1. 19. Februar 2004, Amtsgericht …, Verurteilung zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je 15,00 EUR wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis
2. 22. Juli 2005, Amtsgericht …, Verurteilung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30,00 EUR wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis
3. 21. Februar 2006, Amtsgericht …, Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten wegen Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen
4. 22. August 2006, Amtsgericht …, Verurteilung zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 25,00 EUR wegen Erschleichens von Leistungen
5. 25. Januar 2007, Amtsgericht …, Verurteilung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 20,00 EUR wegen Freiheitsberaubung
6. 27. Februar 2008, Amtsgericht …, Verurteilung zu einer Geldstrafe von 105 Tagessätzen zu je 20,00 EUR; nachträglich gebildete Gesamtstrafe, einbezogen wurden die Entscheidungen vom 22. Juni 2006 und 25. Januar 2007
7. 12. Juni 2008, Amtsgericht …, Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten wegen Körperverletzung in Tatmehrheit mit Beleidigung in Tatmehrheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis unter Einbeziehung der Entscheidung vom 25. Mai 2009; Strafrest zur Bewährung wurde bis 20. Dezember 2014 zunächst ausgesetzt und dann widerrufen.
8. 1. Dezember 2008, Amtsgericht …, Verurteilung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 20,00 EUR wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung
9. 25. Mai 2009, Amtsgericht …, Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten wegen Körperverletzung in zwei Fällen
10. 19. April 2010, Amtsgericht …, Verurteilung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30,00 EUR wegen Erschleichens von Leistungen
11. 5. Februar 2013, Amtsgericht …, Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten wegen vorsätzlicher Körperverletzung
12. 19. Februar 2014, Amtsgericht …, Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten wegen vorsätzlicher Körperverletzung, die auf Berufung der Staatsanwaltschaft durch Urteil des Landgerichts … vom 24. Juli 2014 auf eine Freiheitsstrafe von einem Jahr abgeändert wurde.
Mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 10. Februar 2015 wurde der Antragsteller zur beabsichtigten Ausweisung und Versagung des Antrags auf Aufenthaltstitel angehört.
Hierzu ließ er durch seinen Bevollmächtigten im Wesentlichen vortragen, dass er Vater zweier deutscher Kinder im Alter von neun und zwei Jahren sei, zu denen er intensiven Kontakt habe und auch das Sorgerecht ausübe. Aus der Haftliste sei zu ersehen, dass … ihn bereits in der Haft besucht habe. Außerdem führe er Telefonate mit seinem Kind in … Vor seiner Inhaftierung habe er noch am 23. November 2013 Umgang mit seinem Sohn gehabt. Keine Rolle spiele der Konflikt zwischen Vater und der Fachkraft des Kinderschutzbundes. Es bestehe auch telefonischer Kontakt mit der Mutter des älteren Sohnes. Über das Landratsamt … habe er diesem auch zwei Karten und ein kleines Büchlein geschickt. Da die Haftzeit überschaubar sei, werde in Kürze der Umgang und das Sorgerecht mit dem Sohn fortgesetzt werden können. Der Antragsteller sei mit jeglicher Umgangsregelung einverstanden.
Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 18. Dezember 2015 wurde der Antragsteller aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziffer I). Die Wirkungen der Ausweisung und einer eventuellen Abschiebung wurden auf die Dauer von fünf Jahren ab Ausreise/Abschiebung befristet (Ziffer II). Die Erteilung eines Aufenthaltstitels wurde abgelehnt (Ziffer III). Die Abschiebung aus der Haft unmittelbar bzw. im Rahmen eines Verfahrens gemäß § 456a StPO, frühestens eine Woche nach Zustellung dieser Verfügung nach Nigeria oder einen anderen aufnahmebereiten oder aufnahmeverpflichteten Staat wurde angeordnet (Ziffer IV).
Für den Fall vorheriger Haftentlassung wurde die Abschiebung nach Nigeria oder in einen anderen aufnahmebereiten oder aufnahmeverpflichteten Staat unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche nach Haftentlassung angedroht (Ziffer V).
Wegen des Inhalts des Bescheids wird auf die Begründung des Bescheids Bezug genommen.
Hiergegen ließ der Antragsteller mit Schreiben seines vormaligen Bevollmächtigten vom 14. Januar 2016, bei Gericht am gleichen Tag eingegangen, Klage erheben mit dem Ziel der Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids und der Verpflichtung der Antragsgegnerin, dem Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
Mit gleichem Schriftsatz begehrte der Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz und ließ beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 18. Dezember 2015 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragte
Antragsablehnung.
Zur Begründung wurde auf den Inhalt des streitgegenständlichen Bescheids Bezug genommen.
Die Regierung von … beteiligte sich am Verfahren als Vertreter des öffentlichen Interesses und trug zur Sache im Wesentlichen vor, dass die Klage bzw. der Eilantrag für unbegründet gehalten werde. Eine gemäß § 53 Abs. 1 AufenthG erforderliche Gefährdungslage sei gegeben. Beim Antragsteller liege ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG vor. Der Antragsteller sei bereits mehrfach – auch einschlägig – vorbestraft. Ein besonders schweres Bleibeinteresse sei in der Person des Antragstellers nicht gegeben. Die Fiktionswirkung gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG entspreche nicht dem Vorliegen einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG. Im Rahmen der Abwägung überwiege das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts. Der Antragsteller habe zu seinen Kindern keinen bzw. lediglich telefonischen Kontakt. Im Übrigen sei im Fall des jüngeren Kindes fraglich, ob der Antragsteller überhaupt dessen leiblicher Vater sei. Telefonischen und postalischen Kontakt könne der Antragsteller auch von Nigeria aus aufrechterhalten. Eine wirtschaftliche und berufliche Integration sei ihm nicht gelungen. Er sei zuletzt auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen gewesen. Er habe einen Großteil seines Lebens in Nigeria verbracht. Im Übrigen liege die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht vor und es bestehe auch der Versagungsgrund gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Behördenakte und der Gerichtsakte.
II.
Der Antrag ist im Interesse des Antragstellers auszulegen als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 18. Dezember 2015 insoweit, als dieser einen kraft Gesetzes vollziehbaren Inhalt hat (§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), was vorliegend hinsichtlich der in Ziffer III verfügten Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels sowie hinsichtlich der in Ziffer IV und V getroffenen Annexverfügungen zur Durchsetzung der Ausreisepflicht der Fall ist (vgl. § 84 Abs. 1 und Nr. 1 AufenthG sowie Art. 21a BayVwZVG).
Nicht betrifft dieser Antrag die in Ziffer I verfügte Ausweisung, da die Klage hiergegen aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 1 VwGO hat und der Sofortvollzug nicht angeordnet ist.
Des Weiteren betrifft dieser Antrag nicht die Befristung der gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung auf fünf Jahre nach erfolgte Ausreise bzw. Abschiebung (Ziffer II), die insoweit keinen vollziehbaren Inhalt hat.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, aber unbegründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht in Fällen, in denen die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs, wie vorliegend, kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen. Dabei ist das private Interesse des Antragstellers am Suspensiveffekt seines Rechtsbehelfs mit dem öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug des angefochtenen Bescheids abzuwägen. Die gebotene, aber auch ausreichende summarische Überprüfung des Bescheids der Antragsgegnerin vom 18. Dezember 2015 ergibt, dass gegen die Ablehnung der Verlängerung/Erteilung eines Aufenthaltstitels und auch gegen die Abschiebungsanordnung bzw. die Abschiebungsandrohung keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken bestehen. Das private Interesse des Antragstellers am vorläufigen weiteren Verbleib im Bundesgebiet ist gegenüber dem kraft Gesetzes bestehenden besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Aufenthaltsbeendigung nachrangig.
Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, da der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vorliegend bereits die zwingend anzuwendende Vorschrift des § 11 Abs. 1 AufenthG entgegensteht. Danach wird u.a. Ausländern, die ausgewiesen sind, auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach diesem Gesetz kein Aufenthaltstitel erteilt. Die angeordnete Ausweisung des Antragstellers löst trotz der aufschiebenden Wirkung der hiergegen gerichteten Klage (§ 80 Abs. 1 VwGO) diese Wirkung aus. Kraft gesetzlicher Regelung (§ 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG) entsteht die Sperrwirkung der Ausweisung bereits mit Bekanntgabe der entsprechenden Verfügung. Für die Rechtmäßigkeit der Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis ist damit formal gesehen nur erforderlich, dass eine Ausweisung wirksam bekannt gegeben worden ist. Gleichwohl bzw. gerade deshalb ist die Rechtmäßigkeit dieser Ausweisung im vorliegenden Eilverfahren zu prüfen, da es unbillig wäre, wenn der Aufenthalt eines Ausländers wegen der Ablehnung einer Aufenthaltsgenehmigung zwangsweise beendet würde, in einem späteren Verfahren sich jedoch die Rechtswidrigkeit der Ausweisung ergeben würde (vgl. etwa: BayVGH, B.v. 31.1.1996 – 10 CS 95.3854 m.w.N., ständige Rechtsprechung).
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der streitgegenständlichen Ausweisungsentscheidung sind nunmehr die §§ 53 f. AufenthG in der seit 1. Januar 2016 geltenden Fassung.
Demgemäß ist die Ausweisungsentscheidung nunmehr unter dem Gesichtspunkt einer gerichtlich uneingeschränkt überprüfbaren Rechtsentscheidung zu beurteilen (vgl. BT-Drs. 642/14, S. 56). Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Ausweisungsentscheidung ist nunmehr einheitlich für alle denkbaren Ausweisungsanlässe, dass die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise (vgl. § 54 AufenthG n.F.) mit den Interessen am weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet (vgl. § 55 AufenthG n.F.) ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
Die in § 53 Abs. 1 AufenthG normierte Grundvoraussetzung für eine Ausweisung, nämlich eine vom Antragsteller ausgehende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der freiheitlich demokratischen Grundordnung oder sonstiger erheblicher Interessen der Bundesrepublik Deutschland ist gegeben. Mit der Antragsgegnerin geht die Kammer von einer vom Antragsteller ausgehenden Wiederholungsgefahr aus. Ausgehend davon, dass gerade bei Fallgruppen besonders schwerer und schädlicher Delikte, wie Gewaltdelikten, an den Grad der Wiederholungswahrscheinlichkeit regelmäßig nur geringe Anforderungen zu stellen sind, stellte die Antragsgegnerin zutreffend fest, dass der Antragsteller seit spätestens 2004 fortlaufend massiv strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Er wurde durch die Begehung von Sachbeschädigung, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Leistungserschleichung, Freiheitsberaubung und insbesondere durch Körperverletzungsdelikte auffällig. Auffällig sind dabei die Häufigkeit und Vielfältigkeit der strafrechtlichen Verstöße, insbesondere der Umstand, dass sich der Antragsteller auch durch strafrechtliche Sanktionen nicht von der Begehung weiterer Straftaten abhalten ließ. Die unter der Ziffer I im Einzelnen aufgeführten Verurteilungen wegen Körperverletzungsdelikten (Nr. 3, 7, 8, 9, 11 und 12) zeigen überdeutlich die charakterlichen Mängel des Antragstellers auf, der vor Schädigung anderer an Gesundheit und Leben offenbar nicht zurückschreckt. Dass seine Tathandlungen noch zu wesentlich schwereren Verletzungen führen hätten können, spielte dabei für ihn offensichtlich keine Rolle. Das unter Ziffer 11 abgeurteilte Körperverletzungsdelikt beging der Antragsteller gegenüber seinem Sohn, wissend, dass dieser entwicklungsverzögert ist und bereits epileptische Anfälle hatte und eine Brille beim Essen benötigte. Wäre die Brille dabei zu Schaden gekommen, wäre der Augenbereich des Sohnes unmittelbar gefährdet gewesen. Dies alles drängt die Annahme auf, dass der Antragsteller Aggressionen rücksichtslos auslebt. Bisherige strafrechtliche Sanktionen veranlassten ihn ebenso wenig, sein Verhalten zu überdenken wie die drohende Aufenthaltsbeendigung. Zutreffend stellte die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang heraus, dass auch die gravierende Rückfallgeschwindigkeit bei ihm auffällig ist. Auf Grund Gesamtpersönlichkeit, bisherigem Verhalten und charakterlicher Mängel geht die Antragsgegnerin damit zutreffend davon aus, dass auch künftig schwere bzw. schwerste Straftaten vom Antragsteller zu erwarten sind.
Die bei dieser Sachlage nunmehr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise (vgl. § 54 AufenthG) mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet (vgl. § 55 AufenthG) ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. So ist festzustellen, dass der Antragsteller zuletzt wegen vorsätzlicher Körperverletzung durch Urteil des Amtsgerichts … vom 19. Februar 2014 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt wurde. Damit ist in seinem Fall von einem schwerwiegenden Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG auszugehen.
Ein Bleibeinteresse des Antragstellers käme nur im Hinblick auf das Personensorgerecht zu den deutschen Kindern in Betracht. Ein schwerwiegendes Bleibeinteresse gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG scheidet aus, da der Antragsteller insoweit wohl das Personensorgerecht besitzt, von einer ernsthaften Ausübung des Umgangsrechts aber auf Grund des gesamten Sachverhalts nicht die Rede sein kann. So hat der Antragsteller offensichtlich seit Ende 2013 keinen tatsächlichen Umgang mehr mit seinem älteren Sohn, der im Übrigen Opfer der vorsätzlichen Körperverletzung war, die durch Urteil des Amtsgerichts … vom 5. Februar 2013 abgeurteilt wurde. Bezüglich des jüngeren Kindes steht offenbar nicht einmal die Vaterschaft endgültig fest.
Die Antragsgegnerin geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG vorliegen, wonach ein schwerwiegendes Bleibeinteresse dann besteht, wenn die Belange oder das Wohl des Kindes zu berücksichtigen sind. Ob diese Annahme vorliegend tatsächlich zutrifft, kann nach Auffassung der Kammer dahinstehen, da das Kindeswohl auch im Rahmen der Würdigung der Aspekte des Einzelfalles nach § 55 Abs. 1 und 2 AufenthG einzubeziehen und zu prüfen ist (vgl. Beck Online, Komm. zum AuslR, Rn. 68 zu § 55 AufenthG).
Damit steht im Rahmen der Abwägung ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse dem wohl schwerwiegenden Bleibeinteresse des Antragstellers gegenüber.
Die nach § 53 AufenthG nunmehr erforderliche Abwägung der Bleibe- und Ausweisungsinteressen hat unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles zu erfolgen. Diese Abwägung ergibt vorliegend, dass das Ausweisungsinteresse überwiegt. Die Antragsgegnerin hat im streitgegenständlichen Bescheid sowohl im Rahmen der für eine Regelausweisung erforderlichen Ausnahmeprüfung wie auch im Rahmen der hilfsweise getroffenen Ermessensentscheidung sämtliche Gesichtspunkte des Einzelfalles zutreffend berücksichtigt, die auch in die Interessenabwägung der §§ 53 bis 55 AufenthG n.F. einzustellen sind und in nicht zu beanstandender Weise gewichtet. So wurde die Schwere der Straftaten, die Tatsache bereits zahlreicher früherer auch einschlägiger Verurteilungen wegen Gewaltdelikten und die oben bereits erwähnte Wiederholungswahrscheinlichkeit berücksichtigt. Es wurde gesehen, dass sich der Antragsteller wiederholt und bereits eine Vielzahl von Jahren im Bundesgebiet aufhält, andererseits aber, dass es ihm nicht gelungen ist – trotz des langen Aufenthalts hier – sich hier zu integrieren um einen ordnungsgemäßen, rechtschaffenen und sozialverträglichen Lebenswandel zu führen. Stattdessen hat er wiederholt brutal und skrupellos Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit anderer verletzt, wobei ihn vorherige strafrechtliche Sanktionen jeweils unbeeindruckt ließen. Gesehen wurde aber auch, dass der Antragsteller in Nigeria aufgewachsen ist und sich dort die meiste Zeit seines Lebens aufgehalten hat und er nicht erwarten konnte, unabhängig von seinem Verhalten in und gegenüber der Gesellschaft für immer im Bundesgebiet bleiben zu können. In die Abwägung einzubeziehen sind auch die familiären Umstände des Antragstellers; hierbei ist jedoch zu sehen, dass die Straftaten trotz dieser familiären Bindungen und ohne jegliche Überlegungen bezüglich der Auswirkungen auf das Wohlergehen der Kinder begangen wurden. Zu sehen ist, dass mit dem jüngeren Kind, so der Antragsteller tatsächlich der Vater ist, offensichtlich keinerlei Kontakt besteht und dass mit dem älteren Sohn ebenfalls seit 23. November 2013 kein Zusammentreffen mehr stattgefunden hat. Hinzu kommt in diesem Zusammenhang, dass der Antragsteller gegenüber diesem Sohn ein Körperverletzungsdelikt begangen hat, ohne jegliches Schutzbedürfnis gegenüber dem Sohn zu empfinden, weswegen das letzte Zusammentreffen auch nur begleitet möglich war. Wenn die Antragsgegnerin trotz der im Bundesgebiet bestehenden bzw. entstandenen Bindungen davon ausgeht, dass im Hinblick auf die Schwere der vom Antragsteller begangenen Straftaten der und von ihm ausgehenden Gefahr das Interesse an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet zurückzutreten hat und dem Antragsteller ein Leben in seinem Heimatland zuzumuten ist, so ist diese Gesamtabwägung nicht zu beanstanden.
Insgesamt ist damit festzustellen, dass sich die Ausweisung auch gemessen an der neuen Gesetzeslage als rechtmäßig erweist und dass sie insbesondere auch nicht im Hinblick auf Art. 6 GG und Art. 8 EMRK unverhältnismäßig ist.
Im Hinblick auf die verfügte Ausweisung steht der Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels schon § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG entgegen.
Die in Ziffer IV und V des streitgegenständlichen Bescheids verfügten ausländerrechtlichen Annexentscheidungen sind rechtlich nicht zu beanstanden.
Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 117 Abs. 5 VwGO analog auf den Inhalt des streitgegenständlichen Bescheids Bezug genommen.


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