Verwaltungsrecht

Rechtsbehelfsbelehrung hinsichtlich eines zunächst mündlich erlassenen Verwaltungsakts

Aktenzeichen  12 CS 21.1400

Datum:
14.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 15822
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 37 Abs. 2 S. 2
PfleWoqG Art. 13 Abs. 2
VwGO § 58 Abs. 2 S. 1, § 70, § 74, § 123 Abs. 1, § 146

 

Leitsatz

1. Erfolgt der mündliche Verwaltungsakt ohne Rechtsbehelfsbelehrung, besitzt die Behörde die Möglichkeit, im Rahmen der schriftlichen Bestätigung des mündlich ausgesprochenen Verwaltungsakts eine Rechtsbehelfsbelehrung beizufügen, um auf diese Art und Weise mit dem Lauf der Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Bestandskraft des Verwaltungsakts herbeizuführen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eingeschränkt wird diese Möglichkeit der Behörde lediglich dann, wenn der mündliche Verwaltungsakt bereits in Bestandskraft erwachsen, mithin die Frist des § 58 Abs. 2 S. 1 VwGO bereits abgelaufen ist. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 17 S 21.558 2021-04-21 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 360.000,- € festgesetzt.

Gründe

Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den vom Antragsgegner angeordneten Aufnahmestopp für die Seniorenresidenz S. weiter.
I.
1. Die Antragstellerin betreibt in S. die stationäre Einrichtung für ältere Menschen und die stationäre Kurzzeitpflegeeinrichtung „Seniorenresidenz S.“ Im Laufe des Jahres 2020 wurde die Einrichtung mehrfach durch die Fachstelle für Pflege- und Behinderteneinrichtungen – Qualitätsentwicklung und Aufsicht – (FAQ) des Landratsamtes M. und den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Bayern (MDK) geprüft. Hierbei wurden wiederholt Mängel festgestellt.
2. Nach einer Prüfung der Einrichtung durch die Fachstelle des Landratsamts fand am 28. Mai 2020 ein Abschlussgespräch statt, in dem gegenüber den Vertretern der Antragstellerin mündlich ein sofortiger Aufnahmestopp verhängt wurde. Im Anschluss erfolgten am 31. Mai 2020, am 2. und am 5. Juni 2020 weitere Kontrollen der Einrichtung. Schließlich traf das Landratsamt M. mit Bescheid vom 5. Juni 2020, der Antragstellerin mit Postzustellungsurkunde am 9. Juni 2020 zugestellt, erneut heimrechtliche Anordnungen. Insbesondere wurde der Antragstellerin (Ziffer IV. des Bescheids)
„als Trägerin sowie der Leitung der Einrichtung Seniorenresidenz S. (…) untersagt, neue Bewohner in der stationären Pflegeeinrichtung Seniorenresidenz S. aufzunehmen (Aufnahmestopp). Dies bedeutet, dass weder freie noch freiwerdende Plätze belegt werden dürfen. Dieser Aufnahmestopp gilt solange, bis der Bescheid durch die Fachstelle für Pflege- und Behinderteneinrichtungen – Qualitätsentwicklung und Aufsicht – (FQA) des Landratsamtes M. aufgehoben worden ist. Für die Seniorenresidenz S. wurde Ihnen am 28. Mai 2020 mündlich die Anordnung des Aufnahmestopps ab sofort bereits erteilt. Hiermit wird diese Anordnung schriftlich bestätigt.“
In der dem Bescheid beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung:wurde darauf hingewiesen, dass „gegen diesen Bescheid“ innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe entweder Widerspruch eingelegt oder unmittelbar Klage erhoben werden könne.
3. Daraufhin legte die Antragstellerin zunächst gegen den Bescheid vom 5. Juni 2020 mit Schreiben vom 14. Januar 2021 Widerspruch ein und beantragte zugleich hilfsweise seine Rücknahme für die Vergangenheit, weiter hilfsweise für die Zukunft und darüber hinaus hilfsweise den Widerruf des Bescheids. Den Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2021 wegen Ablaufs der Widerspruchsfrist als unzulässig zurück. Dies gelte auch für den Aufnahmestopp als Dauerverwaltungsakt. Gegen den Bescheid vom 5. Juni 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Februar 2021 erhob die Antragstellerin am 1. April 2021 Klage, über die aktuell noch nicht entschieden ist.
Darüber hinaus legte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 5. März 2021 Widerspruch nunmehr auch gegen die mündliche Anordnung des Aufnahmestopps vom 28. Mai 2020 ein. Diesbezüglich liege keine Verfristung vor, da sich die Rechtsbehelfsbelehrung:im Bescheid vom 5. Juni 2020 nicht auf den mündlich ausgesprochenen Verwaltungsakt vom 28. Mai 2020 beziehe.
In der Folge begehrte die Antragstellerin mit Schriftsätzen vom 3. Februar 2021, 5. März 2021 und 20. April 2021 vorläufigen Rechtsschutz und beantragte zuletzt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 5. März 2021 gegen den „Bescheid“ des Antragsgegners vom 28. Mai 2020 anzuordnen, hilfsweise den Antragsgegner im Rahmen einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die mit „Bescheid“ vom 28. Mai 2020 getroffene Anordnung vorläufig aufzuheben. Weiter beantragte sie, die aufschiebende Wirkung der Klage vom 1. April 2021 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 5. Juni 2020 anzuordnen, hilfsweise den Antragsgegner im Rahmen einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die mit Bescheid vom 5. Juni 2020 getroffenen Anordnungen vorläufig aufzuheben.
4. Sowohl die Hauptwie auch die Hilfsanträge lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 21. April 2021 ab.
4.1 Soweit die Antragstellerin mit ihrem (ersten) Hauptantrag die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 5. März 2021 gegen die mündliche Anordnung des Aufnahmestopps vom 28. Mai 2020 beanspruche, sei der Antrag zulässig. In der Hauptsache wäre eine Anfechtungsklage statthaft. Ferner komme dem Widerspruch vom 5. März 2021 nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit Art. 13 des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes (PfleWoqG) keine aufschiebende Wirkung zu. Bei dem mündlich im Rahmen der Heimprüfung am 28. Mai 2020 verhängten Aufnahmestopp handle es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 Satz 1 BayVwVfG. Dieser sei im Zeitpunkt der Einlegung des Widerspruchs am 5. März 2021 noch nicht bestandskräftig gewesen. Denn mangels ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung:habe insoweit nicht die Monatsfrist des §§ 70 Abs. 1, 74 Abs. 1 VwGO, sondern stattdessen die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO Anwendung gefunden, die die Antragstellerin eingehalten habe. Die im schriftlichen Bescheid vom 5. Juni 2020 enthaltene Rechtsbehelfsbelehrung:beziehe sich ihrerseits nicht auf den mündlichen Verwaltungsakt vom 28. Mai 2020. Dies folge daraus, dass in der Rechtsbehelfsbelehrung:über Rechtsmittel „gegen diesen Bescheid“ belehrt werde. Soweit der Bescheid vom 5. Juni 2020 in Ziffer IV auch den mündlich verfügten Aufnahmestopp vom 28. Mai 2020 schriftlich bestätige, könne hieraus nicht geschlossen werden, dass sich die Rechtsbehelfsbelehrung:auch darauf beziehe. Denn eine Rechtsbehelfsbelehrung:„gegen diesen Bescheid“ richte sich ausschließlich auf die in dem Bescheid enthaltenen Verwaltungsakte, nicht hingegen auf sonstige, in dem Bescheid enthaltenen Aussagen und Hinweise. Kein Bestandteil des „Bescheids“ vom 5. Juni 2020 sei folglich der mündliche Aufnahmestopp vom 28. Mai 2020. Dessen Bestätigung in Ziffer IV. des Bescheids vom 5. Juni 2020 und die Bezugnahme auf den mündlichen Verwaltungsakt führe zu keiner anderen Bewertung. Die Rechtsbehelfsbelehrung:im Bescheid vom 5. Juni 2020 könne auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sie sich auch auf einen vorhergehenden mündlichen, im Bescheid schriftlich bestätigten Verwaltungsakt beziehe. Insoweit müsse die behördliche Erklärung gem. §§ 133, 157 BGB analog nach dem objektiven Empfängerhorizont ausgelegt werden. Dieser führe bei einem Bescheid wie dem vom 5. Juni 2020, der mehrere Verwaltungsakte enthalte, zwingend zu einer einheitlichen Sichtweise. Dass es auch zulässig sei, die Rechtsbehelfsfrist für einen mündlichen Verwaltungsakt ab Bekanntgabe der schriftlichen Bestätigung laufen zu lassen, sei für den objektiven Empfänger bei der hier gewählten Formulierung nicht erkennbar gewesen und könne eine andere Auslegung daher nicht rechtfertigen. Das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin entfalle auch nicht mit Blick auf Ziffer IV. des Bescheids vom 5. Juni 2020 und den hiergegen gerichteten Widerspruch der Antragstellerin vom 14. Januar 2021. Denn die schriftliche Bestätigung eines mündlich verfügten Verwaltungsakts stelle keine eigene Regelung und damit keinen Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 Satz 1 BayVwVfG dar, der seinerseits in Bestandskraft hätte erwachsen können. Vielmehr handele es sich insoweit um eine schlichthoheitliche Maßnahme.
Im Übrigen erweise sich der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Sache nach als unbegründet. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird insoweit auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
4.2. Soweit die Antragstellerin hilfsweise beantragt habe, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den mündlich verfügten Aufnahmestopp vom 28. Mai 2020 aufzuheben, erweise sich der Antrag bereits als unstatthaft. Das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO sei gegenüber dem nach § 123 Abs. 1 VwGO vorrangig. Darüber hinaus fehle es der Antragstellerin auch an der Antragsbefugnis. Eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Aufhebung des Aufnahmestopps komme hier nur unter den Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG in Betracht. Da der verfügte Aufnahmestopp sich jedoch als rechtmäßig erwiesen habe und es sich zudem nicht um einen bestandskräftigen Verwaltungsakt handle, sei eine Rechtsbeeinträchtigung nicht möglich. Für einen Widerruf nach Art. 49 BayVwVfG mangele es ebenfalls an einem bestandskräftigen Verwaltungsakt.
Der weitere Hauptantrag, nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage vom 1. April 2021 gegen den Bescheid vom 5. Juni 2021 anzuordnen, sei ebenfalls unzulässig. Hinsichtlich Ziffer IV des Bescheids vom 5. Juni 2020 sei der Antrag bereits unstatthaft, da in der schriftlichen Bestätigung des Aufnahmestopps kein Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 Satz 1 BayVwVfG liege. Im Übrigen seien die im Bescheid vom 5. Juni 2020 enthaltenen Verwaltungsakte bereits bestandskräftig geworden, sodass dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO das Rechtsschutzbedürfnis fehle.
Schließlich erweise sich auch der weitere Hilfsantrag, den Antragsgegner zu verpflichten, die mit Bescheid vom 5. Juni 2020 getroffenen Anordnungen vorläufig aufzuheben, als unzulässig und unbegründet. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO habe die Antragstellerin trotz entsprechender Hinweise des Gerichts keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Zudem würde bei Erlass der einstweiligen Anordnung die Hauptsache in unzulässiger Weise vorweggenommen.
5. Gegen den verwaltungsgerichtlichen Beschluss ließ die Antragstellerin mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 5. Mai 2021 insoweit Beschwerde einlegen, als das Verwaltungsgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 5. März 2021 gegen den „Bescheid“ der Antragsgegnerin vom 28. Mai 2020 abgelehnt hat, und zur Begründung mit Schriftsatz vom 25. Mai 2021 vortragen, der streitgegenständliche verwaltungsgerichtliche Beschluss sei rechtsfehlerhaft, da das Verwaltungsgericht seiner Sachaufklärungspflicht nach § 86 VwGO nicht hinreichend nachgekommen sei und die Voraussetzungen für die Anordnung eines Aufnahmestopps nach Art. 13 PfleWoqG zum Entscheidungszeitpunkt nicht vorgelegen hätten. Demgegenüber verteidigt die Antragsgegnerin den verwaltungsgerichtlichen Beschluss.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde erweist sich unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren als unbegründet, da das Verwaltungsgericht – jedenfalls im Ergebnis – den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 5. März 2021 gegen die mündliche Verfügung des Aufnahmestopps vom 28. Mai 2020 zutreffend abgelehnt hat. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der ursprüngliche Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung bereits unzulässig, da der Aufnahmestopp als solcher vor Einlegung des Widerspruchs am 5. März 2021 schon in Bestandskraft erwachsen war, sodass es der Antragstellerin am Rechtsschutzbedürfnis für die beanspruchte Anordnung fehlt.
1. Art. 37 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG sieht vor, dass ein mündlich erlassener Verwaltungsakt schriftlich oder elektronisch zu bestätigen ist, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Erachtet die zuständige Behörde die schriftliche Bestätigung eines mündlichen Verwaltungsakts, insbesondere aus Gründen der Rechtssicherheit, für erforderlich, kann sie diese auch von Amts wegen ohne Antrag des Betroffenen verfügen (Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 37 Rn. 82). Erfolgte der mündliche Verwaltungsakt ohne Rechtsbehelfsbelehrung:, besitzt die Behörde die Möglichkeit, im Rahmen der schriftlichen Bestätigung des mündlich ausgesprochenen Verwaltungsakts eine Rechtsbehelfsbelehrung:beizufügen, um auf diese Art und Weise mit dem Lauf der Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Bestandskraft des Verwaltungsakts herbeizuführen. Eingeschränkt wird diese Möglichkeit der Behörde lediglich dann, wenn der mündliche Verwaltungsakt bereits in Bestandskraft erwachsen, mithin die Frist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO bereits abgelaufen ist (Kimmel in BeckOK VwGO, Stand 1.1.2021, § 58 Rn. 3). Fügt die Behörde der schriftlichen Bestätigung des mündlich erlassenen Verwaltungsakts eine Rechtsbehelfsbelehrung:bei (vgl. hierzu die bundesrechtliche Regelung in § 37 Abs. 6 Satz 2 VwVfG, die im BayVwVfG fehlt), muss sie den Betroffenen darüber belehren, dass er gegen den mündlich erlassenen Verwaltungsakt binnen eines Monats nach der Bekanntgabe der schriftlichen oder elektronischen Bestätigung Widerspruch einlegen oder Klage erheben kann. In diesem Fall wird die zunächst nach §§ 70 Abs. 2, 58 Abs. 2 VwGO in Lauf gesetzte Jahresfrist durch die einmonatige Rechtsbehelfsfrist gleichsam „überholt“ (vgl. hierzu ausführlich Linhart, Schreiben, Bescheide und Vorschriften in der Verwaltung, Stand April 2021, Rn. 248a; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 37 Rn. 23; Schröder in Schoch/Schneider, VwVfG, Stand Juli 2020, § 137 Rn. 117; ebenso die vom VG zitierte Entscheidung BayVGH, B.v. 25.4.2008 – 7 ZB 07.2331 – BeckRS 2008, 38038 Rn. 9).
So verhält es sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts in der vorliegend streitgegenständlichen Konstellation hinsichtlich des zunächst am 28. Mai 2020 – wohl ohne Rechtsbehelfsbelehrung:- mündlich gegenüber der Antragstellerin verhängten Aufnahmestopps nach Art. 13 Abs. 2 PfleWoqG. Bereits im Tenor von Ziffer IV. des Bescheids des Antragsgegners vom 5. Juni 2020 wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Aufnahmestopp bereits mündlich verfügt worden sei und hiermit schriftlich bestätigt werde. Wenn die abschließende Rechtsbehelfsbelehrung:dann dahingehend erteilt wird, dass gegen „diesen Bescheid“ innerhalb der Monatsfrist Widerspruch oder Klage erhoben werden könne, erfasst dies offenkundig auch die schriftliche Bestätigung des mündlich am 28. Mai 2020 erteilten Aufnahmestopps. Insoweit erschließt sich dem Senat weder die vom Verwaltungsgericht postulierte Notwendigkeit einer Auslegung der Rechtsbehelfsbelehrung:noch das nach dem objektiven Empfängerhorizont gefundene Auslegungsergebnis, wonach sich die Rechtsbehelfsbelehrung:„nur auf die im Bescheid enthaltenen Verwaltungsakte“ beziehen soll und der Adressat objektiv erwarten könne, dass bei einer „einheitlichen“ Rechtsbehelfsfrist „alle mit den genannten Rechtsbehelfen angreifbaren Verwaltungsakte einheitlich in dem Schreiben enthalten sein müssen“. Vielmehr ergibt sich für den unbefangenen Leser des Bescheids vom 5. Juni 2020 nach dem objektiven Empfängerhorizont eindeutig, dass gegen den mündlich am 28. Mai 2020 verfügten und mit dem Bescheid vom 5. Juni 2020 explizit schriftlich bestätigten Aufnahmestopp innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheids entweder Widerspruch eingelegt oder Klage erhoben werden kann.
Demnach erweist sich die Widerspruchseinlegung der Antragstellerin erst am 5. März 2021 als evident verfristet, da der Aufnahmestopp zu diesem Zeitpunkt bereits in Bestandskraft erwachsen war. Der Antragstellerin fehlte mithin für den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis; der Antrag war bereits unzulässig.
Ungeachtet der Regelung in § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO war der Senat im vorliegenden Fall auch befugt, über die Darlegungen der Antragstellerin in der Beschwerdebegründung hinaus das Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen und damit auch des Rechtsschutzbedürfnisses für den vorläufigen Rechtsschutzantrag im Rahmen des Beschwerdeverfahrens zu prüfen (vgl. hierzu Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 27); eine Bindung des Beschwerdegerichts an die Bejahung der Zulässigkeit des vorläufigen Rechtsschutzantrags durch das Ausgangsgericht besteht nicht.
2. Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass Ziffer IV. Satz 1 des Bescheids vom 5. Juni 2020 mit guten Gründen auch dahingehend verstanden werden könnte, dass es sich nicht um die „schriftliche Bestätigung“ des mündlich erteilten Aufnahmestopps, sondern stattdessen um eine „wiederholende“ Verfügung handelt. Hierfür spricht insbesondere, dass Ziffer IV. des Bescheids vom 5. Juni 2020 den Aufnahmestopp nicht nur „bestätigt“, sondern komplett neu verfügt und ihm auch eine explizite Begründung beigegeben hat. In diesem Fall wäre der mündliche, noch nicht bestandskräftige Verwaltungsakt durch einen Neuerlass „überholt“ worden, sodass ihm keine Rechtswirkungen mehr innewohnten. Jedoch würde der Antragstellerin auch bei dieser Sichtweise das Rechtsschutzbedürfnis für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Aufnahmestopp vom 28. Mai 2020 fehlen.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu den weiteren Haupt- und Hilfsanträgen hat die Antragstellerin nicht angegriffen; diese sind deshalb auch nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens.
3. Die Antragstellerin trägt nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert bestimmt sich für das Beschwerdeverfahren nach § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.


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