Verwaltungsrecht

Rechtswidrigkeit eines Zutrittsverbots für Kinder und Jugendliche zu einer Lasertag-Anlage

Aktenzeichen  M 18 K 17.3701

Datum:
20.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 15745
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
JuSchG § 7 S. 1
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1, Art. 40

 

Leitsatz

1 Für die Annahme einer seelischen Gesundheitsgefährdung Minderjähriger nach § 7 JuSchG durch eine Lasertag-Anlage ist eine detaillierte Sachverhaltsermittlung aller für Kinder und Jugendliche angebotenen Spielformen (inklusive genauer Spielbeschreibungen) erforderlich.  (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine jugendschutzrechtliche Untersagung von Lasertag-Spielen ist nur dann hinreichend bestimmt, wenn deutlich wird, welche Spielformen konkret untersagt werden sollen. (Rn. 47 – 50) (redaktioneller Leitsatz)
3 Erst nach der Ermittlung der konkreten Spielvarianten und Bedingungen im Betrieb einer Lasertag-Anlage kann ermessensgerecht festgestellt werden, unterhalb welchen Alters welche Gefährdungen für Kinder und Jugendliche für jede angebotene Spielvariante vorliegen. In zweiter Stufe kann dann unter Ausübung von Ermessen festgestellt werden, ob und wenn ja, welche weiteren Anordnungen erforderlich und verhältnismäßig sind, um diese ggf. ermittelten Gefährdungen zu mindern oder auszuschließen. (Rn. 57) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 14. Juli 2017, in der Form, die er durch den Änderungsbescheid vom 25. Januar 2019 erhalten hat, wird in den Ziffern 1 und 2 aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 14. Juli 2017 in der Form, die er durch den Änderungsbescheid vom 25. Januar 2019 erhalten hat, ist in den Ziffern 1 und 2 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er war daher aufzuheben, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
1. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Anfechtungsklage ist im vorliegenden Fall der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Beim Vorliegen eines Dauerverwaltungsaktes ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen, wenn das materielle Recht – wie hier – nicht die Maßgeblichkeit eines anderen Zeitpunkts bestimmt (BVerwG, U.v. 19.9.2013 – 3 C 15/12 – juris Rn. 9; BVerwG, B.v. 29.10.2014 – 9 B 32/14 – juris Rn. 3). Bei den angegriffenen Ziffern der Untersagungsverfügung handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt. Ein Dauerverwaltungsakt ist nach seinem Sinn und Zweck und dem einschlägigen materiellen Recht in seinen Wirkungen wesensgemäß auf Dauer angelegt und im allgemeinen dadurch gekennzeichnet, dass er sich nicht in einem einmaligen Ge- oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtlage erschöpft, sondern ein auf Dauer berechnetes oder in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis begründet oder inhaltlich verändert (BVerwG, B.v. 29.10.2014 – 9 B 32/14 – juris Rn. 3; BeckOK VwGO, Posser/Wolff, 48. Edition, Stand: 01.01.2019, § 113 Rn. 22.9). Es handelt sich – anders als bei einmaligen Veranstaltungen in anderen Veranstaltungsräumen – vorliegend um einen Betrieb des Klägers, der fortlaufend als Hauptdienstleistung die von der Behörde als (teilweise) kinder- und jugendgefährdend eingestuften Lasertag-Spielvarianten anbietet. Somit ist in den streitgegenständlichen Zutrittsuntersagungen bzw. – beschränkungen kein einmaliges Verbot zu sehen, sondern ein Verbot, das sich auf die Dauer des vom Kläger unverändert aufrechterhaltenden Betriebs der Lasertag-Anlage bezieht.
Die Änderungen durch den Bescheid vom 25. Januar 2019 sind wegen des maßgeblichen Beurteilungszeitpunkts vom 20. März 2019 zu berücksichtigen. Streitgegenständlich sind daher – entsprechend des zuletzt gestellten Klageantrags – die Ziffern 1 und 2 des Bescheids vom 14. Juli 2017 in der Form, die sie durch den Bescheid vom 25. Januar 2019 erhalten haben.
2. Der Inhalt der Bescheide vom 14. Juli 2017 und 25. Januar 2019 ist vorliegend mangels hinreichender Klarheit durch Auslegung zu ermitteln.
Willenserklärungen der Verwaltung sind der Auslegung zugänglich. Hierzu ist gemäß der im öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren Auslegungsregel des § 133 BGB der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Maßgebend ist nicht der innere, sondern der erklärte Wille, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte, § 157 BGB (BVerwG, B.v. 19.9.2013 – 9 B 20/13, 9 B 21/13 – juris Rn. 11 m.w.N.). Die Bescheidsbegründung kann zur Auslegung eines Verwaltungsaktes mit herangezogen werden. Verbleibende Unklarheiten gehen zu Lasten der Verwaltung (BVerwG, U.v. 3.11.1998 – 9 C 51/97 – juris Rn. 13).
Ziffer 1 Satz 1 des Bescheids vom 14. Juli 2017 ist unter Einbeziehung des Reglungsinhalts des Änderungsbescheids vom 25. Januar 2019 dahingehend auszulegen, dass unter 12-Jährigen der Zutritt zur Lasertag-Anlage des Klägers vollständig untersagt wird und 12- bis 14-Jährigen nur die Anwesenheit bei der mit Bescheid vom 25. Januar 2019 beschriebenen Spielvariante erlaubt wird.
Ziffer 2 Satz 1 des Bescheids vom 14. Juli 2017 ist dahingehend zu verstehen, dass der Zutritt zur Lasertag-Anlage des Klägers für Personen unter 16 Jahren untersagt ist, wenn Spiele, die unter die „Spielvariante 16 bis 18 Jahre“ fallen, gespielt werden. Diese Zutrittsuntersagung ergibt sich direkt aus dem Tenor. Die „Spielvariante 16 bis 18 Jahre“ ist ausweislich des Punkts 3. in den Gründen des Bescheids ein Sonderbetrieb der Lasertag-Anlage des Klägers, der einige von der Beklagten aufgeführte Unterschiede zum Regelbetrieb aufweist.
Darüber hinaus ist der Bescheid – über seinen bloßen Wortlaut hinaus – dahingehend auszulegen, dass der Zutritt von unter 18-Jährigen im Regelbetrieb generell untersagt sowie der Zutritt von Kindern und Jugendlichen, deren Alter unterhalb der jeweiligen vorgegebenen Altersstufen liegt, zu den altersgestaffelten Sonderbetrieben verboten wird.
Die Beklagte hat ausweislich der Bescheidsbegründung des Bescheids vom 14. Juli 2017 im Vergleich zum Regelbetrieb der Anlage einen Sonderbetrieb für Jugendliche ab 14 Jahren und einen weiteren Sonderbetrieb für Jugendliche ab 16 Jahren vorgesehen. Diese – von der Beklagten definierten – Sonderbetriebe grenzen sich zueinander sowie zum Regelbetrieb durch unterschiedliche, von der Beklagten benannten Kriterien ab. Grund für die Einrichtung der Sonderbetriebe, die in verschiedenen Alterskategorien kategorisiert sind, ist nach der Bescheidsbegründung eine Vermeidung von Gefährdungen der seelischen und psychischen Gesundheit der Jugendlichen der jeweiligen Alterskategorie. Der Bescheid ist insoweit auch unter Berücksichtigung des objektiven Empfängerhorizonts hinreichend klar zu verstehen. Die Beklagte hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 20. März 2019 auch nochmals klargestellt, dass diese Auslegung ihrem Regelungswillen entsprach.
3. Der derart ausgelegte Bescheid vom 14. Juli 2017 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 25. Januar 2019 ist in den Ziffern 1 und 2 aus mehreren – selbsttragenden – Gründen rechtswidrig. Das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 JuSchG ist angesichts erheblicher Defizite der Sachverhaltsaufklärung durch die Beklagte nicht hinreichend aufgeklärt worden (3.1.). Die unter Ziffer 2 des Bescheids vom 14. Juli 2017 in seiner streitgegenständlichen Fassung getroffenen Regelungen sind nicht bestimmt genug (3.2.). Aufgrund der erheblichen Aufklärungsdefizite konnte schließlich eine fehlerfreie Ermessensausübung der Beklagten nicht stattfinden (3.3.).
3.1. Die Annahme des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 JuSchG durch die Beklagte erfolgte rechtsfehlerhaft.
Die Beklagte stützt ihren Bescheid auf § 7 JuSchG. Danach kann die zuständige Behörde anordnen, dass ein Gewerbetreibender Kindern und Jugendlichen die Anwesenheit nicht gestatten darf, wenn von dem Gewerbebetrieb eine Gefährdung für das körperliche, geistige und seelische Wohl von Kindern und Jugendlichen ausgeht. Die Anordnung kann Altersbegrenzungen, Zeitbegrenzungen oder andere Auflagen enthalten, wenn dadurch die Gefährdung ausgeschlossen oder wesentlich gemindert wird.
Der Kläger betreibt mit der Lasertag-Anlage einen Gewerbebetrieb (vgl. VG Würzburg, U.v. 14.4.2016 – W 3 K 14.438 – juris Rn. 30; BayVGH, B v. 21.7.2016 – 12 ZB 16.1206 – juris Rn .14).
Die Beklagte hat den Sachverhalt, aufgrund dessen sie von einer Gefährdung des Kindes- bzw. Jugendwohls nach § 7 JuSchG ausgeht, nicht ausreichend aufgeklärt. Eine von einem Gewerbebetrieb ausgehende Gefährdung von Kindern oder Jugendlichen im Sinne § 7 S. 1 JuSchG ist dann anzunehmen, wenn bei ungehindertem, objektiv zu erwartenden Geschehensablauf in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die körperliche Unversehrtheit, die psychische Konstitution oder das sozial-ethische Wertebild Minderjähriger Schaden nehmen wird (Erbs/Kohlhaas/Liesching, Strafrechtliche Nebengesetze, Werkstand: 222. EL Dezember 2018, § 7 Rn. 4). Für diese Annahme muss die Beklagte hinreichend konkrete Anhaltspunkte ermitteln (VG Würzburg, U.v. 14.4.2016 – W 3 K 14.438 – juris Rn. 7; VG Neustadt, U.v. 22.10. 2013 – 5 K 185/13.NW – juris Rn. 29).
Für die Annahme einer seelischen Gesundheitsgefährdung Minderjähriger nach § 7 JuSchG ist – wegen der starken Abhängigkeit derselben vom den Spielregeln und -zielen der Einzelspiele – eine detaillierte Sachverhaltsermittlung aller für Kinder und Jugendliche angebotenen Spielformen (inklusive genauer Spielbeschreibungen) erforderlich. Die Bejahung von hinreichend konkreten Gefahren ist bei dem vom Kläger betriebenen Gewerbebetrieb nicht allein durch die Art des Gewerbebetriebs als Lasertag-Anlage vorgegeben. Anknüpfungspunkt für die Bewertung von konkreten Gefahren, die von der Lasertag-Anlage des Klägers für Kinder ausgehen könnten, ist nicht das Spiel „Lasertag“ an sich, da es sich hierbei um einen Überbegriff für eine Vielzahl von Spielangeboten handelt, die mit Hilfe einer Lasertag-Anlage gespielt werden können. Vielmehr ist auf die einzelnen konkret angebotenen Spielformen abzustellen. Im Bereich der Laserspiele existieren (noch) keine durch Dachverbände organisierten und fest vorgegebenen Spielregeln wie bei klassischen Sportarten (z.B. Fußball, Tennis, o.ä.). Das vom Kläger insoweit im Verwaltungsverfahren vorgelegte Turnierregelwerk bildet lediglich einen kleinen Teil der in der klägerischen Lasertag-Anlage angebotenen Spiele ab. Lasertag-Anlagen sind so programmiert, dass verschiedenste Spielvarianten mit Hilfe dieser Anlagen gespielt werden können, was auch durch die Vorlage des Skriptausdrucks des Lasertag-Anlagenherstellers in der mündlichen Verhandlung ersichtlich wurde. Weiter wurde nach den Angaben des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung die aktuell angebotene und mit Bescheid vom 25. Januar 2019 geregelte Spielvariante für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren eigens programmiert, da diese Spielform nicht im Regelbetrieb der vom Kläger benutzten Laseranlage der Firma L. enthalten war. Die Möglichkeit neue Spielvarianten zu erfinden und programmieren zu lassen, besteht demnach zusätzlich zu den mannigfaltigen vorprogrammierten Spielangeboten der Lasertag-Anlage des Klägers. Daraus ergibt sich eine große Vielfalt an möglichen Spielen, die vom Kläger angeboten werden könnten.
Für die Prüfung einer möglichen Gefährdung von Kindern und Jugendlichen ist daher auf die konkret angebotenen Spielvarianten im Gewerbebetrieb des Klägers abzustellen. Ausweislich des vom Kläger vorgelegten psychologischen Gutachtens von Dr. R. vom 24. März 2017 zu einer anderen Lasertag-Anlage hängt beim Lasertag eine möglicherweise anzunehmende seelische Gefährdung der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen nach dem General Aggression Model (im Folgenden: GAM) davon ab, ob die angebotenen Spielformen dazu geeignet sind, kurzfristig einen aggressiven Erlebniszustand hervorzurufen, langfristig zu einer aggressiveren Persönlichkeit beizutragen und kurzfristig starke Angstreaktionen hervorzurufen (vgl. S. 3 ff. des Gutachtens). Die Zugrundelegung des GAM zur Bewertung einer möglichen Gefährdung ist dabei nach Auffassung des Gerichts nicht zu beanstanden (vgl. auch VG Würzburg, U.v. 14.4.2016 – W 3 K 14.438 – juris Rn. 34 ff., 58 ff.; OVG Lüneburg, B.v. 19.3.2018 – 7 ME 9/18 – juris Rn. 12 f.) Der Gutachter betrachtete ausweislich der Schwerpunktsetzung in dem vorgelegten Gutachten für die Prüfung einer möglichen Gesundheitsgefährdung besonders die Regeln, Ziele und Siegbedingungen der jeweiligen konkret angebotenen Spiele (vgl. S. 18 bis 22 und S. 25 bis 33). Auch in der bisherigen Rechtsprechung ergibt sich aufgrund der dort berücksichtigten Gutachten, dass es im Rahmen der Gefährdungsermittlung mit Hilfe des GAM besonders auf die dem Spiel zu Grunde liegenden Spielziele und die Methoden, diese zu erreichen, ankommt (VG Würzburg, U.v. 14.4.2016 – W 3 K 14.438 – juris Rn. 34, 40, 42 f.; VG Oldenburg, B.v. 10.1.2018 – 13 B 8506/17 – juris 55 ff., 65 (zu Paintball)). Weitere Faktoren sind die Ausstattung, Beleuchtung, Dekoration der Anlage sowie anderer Umstände, die das Verhalten und die Emotionen der Spieler beeinflussen können, wie z.B. die eingespielte Geräuschkulisse, persönliche Einweisungen, AGB-Vorschriften oder Auswertungen der Spiele (vgl. im vorgelegten Gutachten u.a. S. 25, 28, 29, 31 ff., 38).
Die konkret vom Kläger angebotenen Spiele müssen daher wegen der Unterschiede zwischen den Spielformen einzeln betrachtet werden, um – auf die konkreten Spielhandlungen bzw. -abläufe bezogen – eine Gesundheitsgefährdung von Kindern und Jugendlichen festzustellen (vgl. zu Paintball: VGH BW, B.v. 17.5.2004 – 1 S 914/04 – juris Rn. 11, VG Oldenburg, B.v. 10.1.2018 – 13 B 8506/17 – juris 46 ff., 55 f.). Die einzelnen Spielvarianten, die vom Kläger in seiner Anlage angeboten werden, wurden von der Beklagten jedoch nur teilweise namentlich eruiert und überhaupt nicht bezüglich ihrer Spielziele, Spielregeln und Siegbedingungen erfasst. Die Frage, für Kinder welchen Alters der Kläger nach seinem Betriebskonzept seine Lasertag-Anlage überhaupt zugänglich machen möchte und welche Spielformen er für welche Altersgruppe anbieten möchte, wurde im Rahmen des Behördenverfahrens nur am Rande ermittelt. Auch der Kläger stellte trotz mehrfacher Aufforderung des Gerichts im Laufe des Gerichtsverfahrens nicht in ausreichend detaillierter Weise dar, welche Spielformen in seiner Anlage betrieben werden und für welche Altersstufen er diese anbieten möchte.
Eine Einschätzung, ob und wenn ja, ab welchem Alter eine Gefährdung von Kindern und Jugendlichen im Gewerbebetrieb des Klägers vorliegt, konnte daher mangels ausreichender Sachverhaltsermittlung durch die Beklagte nicht erfolgen. Die Beklagte hätte die notwendigen Informationen bei fehlender Kooperationsbereitschaft u.a. durch zwangsgeldbewehrten Anordnungsbescheid einholen können und müssen (vgl. auch Ziffer 7 des Bescheides vom 14. Juli 2017).
Wegen dieser defizitären Sachverhaltsaufklärung war im Übrigen auch eine Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Gericht nicht veranlasst.
3.2. Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids ist zudem mangels hinreichender Bestimmtheit rechtswidrig.
Gemäß Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG muss ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein. Das bedeutet zum einen, dass der Adressat in die Lage versetzt werden muss, zu erkennen, was von ihm gefordert wird. Zum anderen muss der Verwaltungsakt geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts (BVerwG, U.v. 16.10.2013 – 8 C 21/12 – juris Rn. 13 m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen genügt der oben unter Punkt 2. ausgelegte Inhalt von Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids in seiner geänderten Fassung nicht dem Bestimmtheitsgebot, da der Kläger weder in der Lage ist, ausreichend klar zu erkennen, was von ihm gefordert wird, noch der Bescheid als Grundlage für eine Verwaltungs- bzw. Strafvollstreckung ausreichend konkret ist.
Aus dem Bescheid ergibt sich nicht hinreichend genau, welche Spielformen die Beklagte konkret untersagt hat.
§ 7 JuSchG stellt nach seinen strukturellen Besonderheiten kein Verbot eines Gewerbebetriebs mit Erlaubnisvorbehalt dar, so dass eine Genehmigung von (möglicherweise) jugendschutzgefährdenden Gewerbebetrieben beantragt und von der Beklagten erst erteilt werden müsste (sog. repressives/präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). Stattdessen liegt die Konstellation einer grundrechtlich geschützten, generellen Zulässigkeit des Betriebs von Lasertag-Anlagen mit der Verbots- oder Beauflagungsmöglichkeit aus Jugendschutzgründen durch die Beklagte vor (vgl. Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Werkstand: 222. EL Dezember 2018, § 7 Rn. 1). Ein solcher Bescheid kann also entgegen der Ansicht der Beklagten nicht begünstigend sein, sondern stellt immer ein repressives Einschreiten der Behörde dar. Hieraus und aus den unter Punkt 3.1. bereits angesprochenen Wichtigkeit der Spielregeln und -ziele der einzelnen Spiele für die Prüfung einer möglichen Gesundheitsgefährdung ergibt sich, dass die Beklagte im Bescheid Beschränkungen hinsichtlich der einzelnen Spielvarianten, die sie für kinder- bzw. jugendgefährdend hält, vornehmen müsste. Nur so kann der Kläger klar erkennen, welche Spielvarianten er für welche Altersgruppen aufgrund des Verbotsbescheids nicht anbieten darf bzw. unter welchen Beschränkungen er bestimmte Spielvarianten nur anbieten darf.
Im Bescheid vom 14. Juli 2017 wird zur Abgrenzung der von der Beklagten definierten Sonderbetriebe von 14 bis 16 und von 16 bis 18 Jahren untereinander als einziges Abgrenzungskriterium bezüglich des Spielziels angegeben, dass ein Spieler in einem Spiel wesentlich mehr oder lediglich mehr Punkte durch das Markieren von Arenazielen als von Mitspielern erhält (vgl. S. 2 und 3 des Bescheids vom 14. Juli 2017). Dieses Kriterium ist unkonkret und ausfüllungsbedürftig. Angesichts dieses sehr vagen und ausfüllungsbedürftigen Hauptkriteriums ist für den Kläger nicht mit Sicherheit zu bestimmen, welche seiner Spielvarianten nun unter welchen Sonderbetrieb fallen sollen.
Die Beklagte kann die von ihr intern zur Ausfüllung des § 7 JuSchG erarbeiteten Kriterien zur Alterseinstufung nicht als Abgrenzungskriterien dem Kläger vorgeben und dem Kläger die Aufgabe aufbürden, die von ihm angebotenen Spielformen unter diese Kriterien selbst einzuordnen. Stattdessen ist es gerade Aufgabe der Behörde, die vom Kläger angebotenen Spielformen zu prüfen und klar festzustellen, ob eine mögliche Gesundheitsgefährdung im Sinne des § 7 S. 1 JuSchG für Kinder und Jugendliche vorliegt und mit welchen Mitteln diesen einzeln ermittelten Gefährdungen gegebenenfalls begegnet werden kann. Diesen Anforderungen kam die Beklagte nur mit dem Änderungsbescheid vom 25. Januar 2019 für eine einzelne, dort genau beschriebenen Spielvariante nach.
Aufgrund der nicht ausreichend rechtssicheren Bestimmbarkeit welche Spielvarianten ab welchem Alter verboten werden, ist Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids zudem keine geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung. § 7 JuSchG gibt der Behörde das Mittel von Verbots- oder Beschränkungsverfügungen zur Hand, die konkret für den Kläger vorgeben müssen, was er aufgrund der jugendschutzrechtlicher Anordnungen zu tun, zu dulden oder zu unterlassen hat. Zudem ist die faktische Kontrolle der Einhaltung der (zu) abstrakten Kriterien für den Sonderbetrieb verschiedener Alterskategorien für die Beklagte z.B. durch stichprobenartigen Kontrollen der Einhaltung der Verbots- bzw. Beschränkungsverfügungen nicht möglich.
Darüber hinaus folgt eine noch erhöhte Bestimmtheitsanforderung von jugendschutzrechtlichen Anordnungen aus der Bußgeld- und Strafbewehrung im Fall eines (qualifizierten) Verstoßes gegen eine Beschränkung nach § 7 JuSchG (§§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1 Nr. 9 JuSchG). Das aus § 103 Abs. 2 Grundgesetz folgende Bestimmtheitsgebot von Strafvorschriften (vgl. BayVGH, U.v. 14.3.2019 – 20 BV 17.1507 – juris Rn. 70) führt dazu, dass bei Verweis einer nebenstrafrechtlichen Norm auf einen verwaltungsrechtliche Anordnung – wie hier – dieser Bescheid dem Kläger ausreichend konkret aufzeigen muss, mit welchen Handlungen er sich strafbar machen würde.
3.3. Die angeordneten Zutrittsverbote und Beschränkungen der Klägerin in Ziffer 1 und Ziffer 2 des Bescheides vom 14. Juli 2017 in seiner dem Verfahren zu Grunde zu legenden Fassung beruhen auch auf einer ermessensfehlerhaften Entscheidung. Da keine ausreichende Sachverhaltsermittlung vorlag, konnte auch keine ausreichende Ermessensausübung erfolgen.
Der Erlass eines Zutrittsverbots nach § 7 S. 1 JuSchG und/oder von Beschränkungen nach § 7 S. 2 JuSchG nach Feststellung einer Gefährdung von Kindern und Jugendlichen unterliegt dem Ermessen der Beklagten. Die von der Behörde zu treffende Entscheidung umfasst sowohl die Frage, ob sie handeln will (Entschließungsermessen) als auch die Frage, wie sie handeln will (Auswahlermessen). Dabei hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (Art. 40 BayVwVfG). Ein Ermessensfehler ist anzunehmen, wenn die Behörde ihre Entscheidung auf einer unzureichenden Tatsachenbasis getroffen hat, was anhand der Begründung des Verwaltungsaktes zu ermitteln ist (VG Würzburg, U.v. 14.4.2016 – W 3 K 14.438 – juris Rn. 96 f. m.w.N.).
Wie bereits ausgeführt hat die Behörde die einzelnen Spielvarianten, die vom Kläger angeboten wurde, nicht ermittelt, geschweige denn differenziert bezüglich ihres jeweiligen Gefährdungspotentials analysiert. Dies ist jedoch, um nach pflichtgemäßen Ermessen eine Entscheidung darüber zu treffen, notwendig: Erst nach der Ermittlung der konkreten Spielvarianten und Bedingungen im Betrieb der klägerischen Lasertag-Anlage im Wege der Amtsermittlung (Art. 24 ff. BayVwVfG) kann die Beklagte ermessensgerecht feststellen, unterhalb welchen Alters welche Gefährdungen für Kinder und Jugendliche für jede angebotene Spielvariante vorliegen. In zweiter Stufe kann dann unter Ausübung von Ermessen festgestellt werden, ob und wenn ja, welche weiteren Anordnungen erforderlich und verhältnismäßig sind, um diese ggf. ermittelten Gefährdungen zu mindern oder auszuschließen.
4. Der Kläger ist durch die rechtswidrigen Ziffern 1 und 2 des Bescheids in seiner streitgegenständlichen Fassung in seinen Rechten aus seinem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletzt; daher waren diese Ziffern aufzuheben. Die weiteren Regelungen in den Bescheiden vom 14. Juli 2017 sowie vom 25. Januar 2019 waren nicht angegriffen, so dass hierüber keine Entscheidung zu treffen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708ff. ZPO.


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