Verwaltungsrecht

Regelung einer vorläufigen Dienstenthebung

Aktenzeichen  M 19B DA 20.1816

Datum:
5.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 24726
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BDG § 10, § 38 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, § 63 Abs. 1 Abs. 3, § 77 Abs. 2
StGB § 184b Abs. 3

 

Leitsatz

Das außerdienstlich begangene Dienstvergehen des Besitzes kinderpornographischer Schriften eröffnet ohne Dienstbezug einen Orientierungsrahmen (nur) bis zur Zurückstufung.

Tenor

I. Die Verfügung der Deutschen Post AG vom 19. November 2019 über die vorläufige Dienstenthebung des Antragstellers und die Einbehaltung von 50% seiner monatlichen Dienstbezüge wird ausgesetzt.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Aussetzung der mit Verfügung der Deutschen Post AG vom 19. November 2019 angeordneten vorläufigen Dienstenthebung und Einbehaltung von Dienstbezügen.
1. Der am 30. Dezember 1968 geborene Antragsteller trat am 1. September … als Auszubildender zur Dienstleistungsfachkraft im Postbetrieb beim damaligen Postamt S* … in den Postdienst ein. Mit Wirkung vom 24. August 1991 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Postoberschaffner z.A. ernannt. Mit Wirkung vom 1. September 1992 erfolgte die Ernennung zum Postoberschaffner, mit Wirkung vom 1. September 1993 die Ernennung zum Posthauptschaffner. Zum 1. Januar 1995 wurde die Deutsche Bundespost in eine Aktiengesellschaft mit der Bezeichnung Deutsche Post AG umgewandelt. Seit 30. Dezember 1995 ist der Antragsteller Beamter auf Lebenszeit. Auf eigenen Wunsch wurde er vom 2. Januar bis 31. März 2006 zur damaligen Niederlassung BRIEF F* … abgeordnet und mit Wirkung vom 1. April 2006 dorthin versetzt. Mit Wirkung vom 1. Juli 2011 erfolgte die Übertragung des Amts eines Postbetriebsassistenten (Besoldungsgruppe A 5vz). Am 1. September 2014 vollendete er eine Dienstzeit von 25 Jahren. Der Antragsteller war zuletzt als Briefzusteller beim Zustellstützpunkt E* … eingesetzt. Am 1. August 2019 wurde ihm die Führung der Dienstgeschäfte verboten.
In der letzten Beurteilung vom 12. März 2019 erhielt der Antragsteller vier Punkte und das verbale Gesamturteil „Erfüllt regelmäßig die Anforderungen, weist nur selten Mängel auf“, das der Stufe vier von neun möglichen Stufen entspricht.
Der Antragsteller ist in zweiter Ehe verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn. Er ist disziplinarrechtlich nicht vorbelastet. Am 1. Juli 2017 und 31. Mai 2019 wurden schriftliche Ermahnungen gegen ihn ausgesprochen.
Der Antragsteller unterzog sich vom 4. Juni bis 16. Juli 2019 einer stationären Behandlung in der … Klinik … in … …
2. Mit Strafbefehl vom 6. Juni 2019, rechtskräftig seit 24. Juni 2019, verhängte das Amtsgericht … wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften (§ 184b Abs. 3 Strafgesetzbuch – StGB) eine Freiheitsstrafe von neun Monaten gegen den Antragsteller, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Ihm wurde folgender Sachverhalt zur Last gelegt:
Er sei zum Zeitpunkt der Durchsuchung am 9. Mai 2018 in seiner Wohnung in … wissentlich und willentlich im Besitz von mindestens sieben kinderpornographischen Bild- und mindestens 150 kinderpornographischen Videodateien gewesen, die auf dem Notebook, dem Tablett, der Speicherkarte und dem Smartphone gespeichert gewesen seien, wobei
– 122 hiervon (davon 119 Videos) die Vornahme sexueller Handlungen von Erwachsenen an Mädchen oder Jungen unter 14 Jahren (vaginal, anal und oral)
– ein Bild und acht Videos hiervon die Vornahme sexueller Handlungen von Kindern an anderen Kindern jeweils unter 14 Jahren (vaginal, anal und oral)
– drei Bilder und 23 Videos hiervon das Darstellen von sexuell aufreizenden Posen von Kindern unter 14 Jahren durch die Wiedergabe eines ganz oder teilweise unbekleideten Kindes in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung und die sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien oder des unbekleideten Gesäßes eines Kindes zeigten.
Das Verfahren wurde hinsichtlich des Besitzes jugendpornographischer Schriften, des Besitzes der nicht im Strafbefehl enthaltenen kinderpornographischen Schriften (über 7 Bilder und über 150 Videos hinausgehend), des Verschaffens von pornographischen Schriften und des Verbreitens pornographischer Schriften über Googleplus nach §§ 154 Abs. 1, 154a Abs. 1 StPO beschränkt.
Mit separatem Beschluss wies das Amtsgericht … den Antragsteller an, sich einer sexual- oder psychotherapeutischen Behandlung zur Verhinderung des Sammelns und des Konsumierens von kinder- und jugendpornographischen Inhalten zu unterziehen und diese weiterzuführen bis zu dem ärztlich für erforderlich gehaltenen Zeitpunkt; außerdem erlegte es ihm auf, als Geldauflage einen Geldbetrag in Höhe von 3500 € zu bezahlen.
3. Nachdem die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg, Zentralstelle Cybercrime Bayern, dem Leiter der Niederlassung Betrieb … der Deutschen Post AG mit Schreiben vom 13. Juni 2019 eine Ausfertigung des gegen den Antragsteller gerichteten Strafbefehlsantrags wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften übersandt hatte, leitete der Leiter der Niederlassung mit Verfügung vom 9. Juli 2019 ein Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller ein, bestellte Postoberamtsrat F. zum Ermittlungsführer und räumte dem Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme ein, auch zur beabsichtigten vorläufigen Dienstenthebung und teilweisen Einbehaltung der Dienstbezüge. Der Antragsteller äußerte sich nicht zur Sache und legte lediglich eine auf den 31. Juli 2019 datierte Übersicht zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vor. Die Antragsgegnerin zog im Disziplinarverfahren die Akten der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg, Zentralstelle Cybercrime Bayern, zum dortigen Verfahren 430 … … auszugsweise bei. Mit Verfügung vom 18. November 2019 stellte sie das Ermittlungsergebnis dar.
Mit Schreiben vom 19. November 2019 übersandte sie dieses an den Antragsteller und räumte ihm erneut Gelegenheit zur Stellungnahme ein. Gleichzeitig enthob sie ihn vorläufig des Dienstes und ordnete die Einbehaltung von 50% der Dienstbezüge an. Die vorläufige Dienstenthebung wurde darauf gestützt, dass der Ermittlungsführer dem Antragsteller wegen seines auch strafrechtlich geahndeten Besitzes kinderpornographischer Schriften den für eine Weiterbeschäftigung als Beamter, insbesondere im konkret-funktionellen Amt als Briefzusteller, erforderlichen Respekt, die erforderliche Wertschätzung und das erforderliche Vertrauen in seine moralische Sauberkeit nicht mehr entgegenbringen könne. Zudem sei davon auszugehen, dass die zuständige Disziplinarkammer voraussichtlich auf seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkennen werde. Der Einbehaltungssatz von 50% ergebe sich, wenn man einerseits das Nettoeinkommen der Ehefrau des Antragstellers, andererseits die für Paare geltenden Regelleistungen der Grundsicherung und sämtliche vom Antragsteller geltend gemachten regelmäßigen monatlichen Ausgaben berücksichtige.
Mit Schriftsatz vom 19. Februar 2020 äußerten sich die Bevollmächtigten des Antragstellers. Der auf seinen Wunsch mit Schreiben vom 24. März 2020 beteiligte Betriebsrat wandte sich mit Schreiben vom 30. März 2020 gegen eine Entfernung aus dem Dienst.
4. Am 29. April 2020 ließ der Antragsteller durch seine Bevollmächtigten beim Verwaltungsgericht München beantragen,
die Anordnungen der Antragsgegnerin vom 19. November 2019 über die vorläufige Dienstenthebung und Einbehaltung eines Teils der Dienstbezüge auszusetzen und ihm die bisher einbehaltenen Dienstbezüge nachzuzahlen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, bei dem gegenwärtigen Erkenntnisstand könne nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass ihm die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis drohe. Die Voraussetzungen hierfür lägen nicht vor. Insoweit werde auf die anwaltliche Stellungnahme vom 19. Februar 2020 verwiesen, aus der sich ergibt: Der Antragsteller habe sich schon im Sommer 2019 in eine intensive therapeutische Behandlung begeben, die ergänzt durch psychologische Unterstützung ambulant fortgeführt werde. Seine Familie stehe ihm unterstützend zur Seite. Bei dem vorgeworfenen Verhalten handele es sich um eine außerdienstliche und erstmalige Pflichtverletzung, die keinen Bezug zu dem Dienstposten als Postbetriebsassistent aufweise. Bei dem hier vorliegenden mittleren Strafrahmen bis zu drei Jahren (vgl. § 184b Abs. 3 StGB) sei generell die Zurückstufung als mögliche Disziplinarmaßnahme anzusehen, weshalb eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis von vorneherein nicht infrage komme. Die strafrechtliche Verurteilung bewege sich zudem im unteren Drittel der möglichen strafrechtlichen Verurteilung. Der Antragsteller habe keinen außergewöhnlich hohen Bestand an Bildmaterial besessen und sei erstmals strafrechtlich auffällig geworden. Eine Rückfallgefahr habe im Rahmen des Strafverfahrens nicht festgestellt werden können. Hinzu kämen der Therapiewille, die zuverlässige Erfüllung der Therapieauflage und die soziale Eingebundenheit. Das Dienstvergehen sei nicht nach außen hin bekannt geworden. Insgesamt werde eine Kürzung der Dienstbezüge um 1/10 für die Dauer von einem Jahr für angemessen gehalten.
Die Antragsgegnerin beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller habe sich durch den Besitz kinderpornographischer Schriften nicht nur strafbar gemacht, sondern auch gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verstoßen. Den Verstoß habe er zwar außerdienstlich begangen, doch weise das Dienstvergehen einen Bezug zu seinem Dienstposten auf. Auf seinem täglichen Zustellgang treffe er ständig auf Kinder und Jugendliche, sei es, dass er ihnen auf dem Gehweg begegne oder mit ihnen bei der Zustellung in Kontakt gerate. An den Zustellstützpunkten werde er auch regelmäßig auf Auszubildende treffen. Der Leiter der Niederlassung Betrieb … sei verpflichtet, sicherzustellen, dass für all diese Kinder und Jugendlichen von dem Antragsteller keine Gefahr ausgehe. Dies wäre aber nur möglich, wenn er ihn ständigen beaufsichtigen ließe, was eine nicht mehr zumutbare Beeinträchtigung des ordnungsgemäßen Dienstablaufs wäre. Die Strafandrohung liege mit einer Freiheitsstrafe im mittleren Bereich. Zudem trage, wer kinderpornographische Schriften besitze, durch seine Nachfrage nach solchen Darstellungen zu schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern bei. Nach alledem bejahe die Antragsgegnerin einen dienstlichen Bezug des außerdienstlichen Dienstvergehens des Antragstellers, der nachteilige Schlüsse auf die Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben und den guten Ruf der Deutschen Post AG zulasse und eine derartige Beschädigung von Autorität und Ansehen des Antragstellers zur Folge habe, dass im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werde, so dass die Voraussetzung für die vorläufige Dienstenthebung gegeben sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Akten (Disziplinarakte, Auszug aus der Strafakte und Personalakten) und die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat Erfolg.
Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 Bundesdisziplinargesetz (BDG) kann die Disziplinarbehörde einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (§ 10 BDG) erkannt werden wird. Nach § 38 Abs. 2 Satz 1 BayDG kann sie gleichzeitig mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass bis zu 50 v.H. der monatlichen Dienstbezüge einbehalten werden. Nach § 63 Abs. 1 BDG kann der Beamte bei dem Gericht der Hauptsache die Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Dienstbezügen beantragen. Über den Antrag ist durch Beschluss zu entscheiden (vgl. § 63 Abs. 3 BDG), den nach § 46 Abs. 1 Satz 2 BDG der Vorsitzende der Disziplinarkammer ohne Mitwirkung der Beamtenbeisitzer erlässt.
Die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von Bezügen sind nach § 63 Abs. 2 BDG ganz oder zum Teil auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Dies ist dann der Fall, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts offen ist, ob die von der Behörde getroffene Anordnung rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 Satz 1 BDG ist zu prüfen, ob die in der Anordnung liegende Prognose gerechtfertigt ist, der Beamte werde im Disziplinarverfahren voraussichtlich aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden, was dann der Fall ist, wenn nach dem Kenntnisstand des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens die Möglichkeit der Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist. Ist es dagegen zumindest ebenso wahrscheinlich, dass eine Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis im Disziplinarverfahren nicht erfolgen wird, sind insoweit ernstliche Zweifel im Sinne des § 63 Abs. 2 BDG zu bejahen. Hinsichtlich des zur Last gelegten Dienstvergehens genügt die Feststellung, dass der Beamte dieses Dienstvergehen mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit begangen hat; nicht erforderlich ist, dass es bereits in vollem Umfang nachgewiesen ist. Da im gerichtlichen Verfahren nach § 63 BDG für eigene Beweiserhebungen im Regelfall kein Raum ist, muss das Gericht anhand einer ihrer Natur nach nur kursorisch möglichen Prüfung des Sachverhalts aufgrund der gerade aktuellen Entscheidungsgrundlage entscheiden (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 28.10.2019 – 16a DS 19.1720 – juris Rn. 5 ff.).
Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung. Nach der derzeitigen Sach- und Rechtslage ist es nicht überwiegend wahrscheinlich, dass gegen den Antragsteller die disziplinare Höchstmaßnahme verhängt werden wird. Die vorläufige Dienstenthebung ist daher ebenso wie die Einbehaltung von 50% der monatlichen Dienstbezüge auszusetzen.
1. Zwar erscheinen die in der Disziplinarverfügung gegen den Antragsteller erhobenen Vorwürfe bei summarische Prüfung des Sachverhalts als gerechtfertigt. Das Amtsgericht … verhängte mit rechtskräftigen Strafbefehl vom 6. Juni 2019 wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften (§ 184b Abs. 3 StGB) eine Freiheitsstrafe von neun Monaten gegen ihn. Ihm wurde zur Last gelegt, mindestens sieben kinderpornographische Bild- und mindestens 150 kinderpornographische Videodateien auf seinen Speichermedien besessen zu haben. Den tatsächlichen Feststellungen des Strafbefehls kommt dabei nach § 23 Abs. 2 BDG Indizwirkung zu. Der Antragsteller hat die Vorwürfe im Übrigen eingestanden.
Nicht Gegenstand des Disziplinarverfahrens sind dagegen der Besitz jugendpornographischer Schriften und der Besitz der nicht im Strafbefehl enthaltenen kinderpornographischen Schriften, das Verschaffen von pornographischen Schriften und das Verbreiten pornographischer Schriften über Googleplus. Insoweit wurde das Strafverfahren nach §§ 154 Abs. 1, 154 Abs. 1 StPO beschränkt. Die mögliche Aufnahme dieser Vorwürfe in das Disziplinarverfahren und deren selbständige Aufklärung durch die Disziplinarbehörde erfolgten nicht.
2. Mit seinem Verhalten hat der Antragsteller gegen die Pflicht zu gesetzmäßigem (§ 60 Abs. 1 Satz 3 Bundesbeamtengesetz – BBG – i.V.m. § 184b Abs. 3 StGB) und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 61 Abs. 1 Satz 2 BBG) verstoßen.
3. Das Fehlverhalten des Antragstellers begründet eine außerdienstliche Pflichtverletzung, weil es nicht in sein Amt eingebunden war und sich als das Verhalten einer Privatperson darstellt. Er hatte die Dateien ausschließlich auf seinen privaten Speichermedien gespeichert (BayVGH, U.v. 18.3.2015 – 16a D 14.121 – juris Rn. 40).
Das außerdienstliche Fehlverhalten hat nach § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG disziplinarrechtliche Bedeutung. Es überschreitet ein Mindestmaß an Relevanz, das die Rechtsprechung bei einem Strafrahmen von mindestens zwei Jahren als gegeben ansieht (vgl. BVerwG, B.v. 18.6.2014 – 2 B 55/13 – juris Rn. 11). Hier liegt der Strafrahmen bei einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren (vgl. § 184b Abs. 3 StGB).
Damit kann an dieser Stelle offen bleiben, ob bei dem Antragsteller als Briefzusteller darüber hinaus auch Dienstbezug gegeben ist.
4. Der Antragsteller handelte mit Wissen und Wollen, also vorsätzlich.
5. Die die zu treffende Bemessungsentscheidung führt jedoch voraussichtlich nicht zu seiner Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (§ 10 BDG) sondern lediglich zu einer Zurückstufung um eine oder mehrere Stufen (§ 9 BDG). Anders als die Antragsgegnerin annimmt ist der Orientierungsrahmen nur bis zu dieser Disziplinarmaßnahme eröffnet.
Nach § 13 Abs. 1 BDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens, dem Persönlichkeitsbild des Beamten und der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6/14 – juris Rn. 12; U.v. 18.6.2015 – 2 C 9/14 – juris Rn. 25; BayVGH, U.v. 5.10.2016 – 16a D 14.2285 – juris Rn. 55). Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrecht zu erhalten (BayVGH, U.v. 29.6.2016 – 16b D 13.993 – juris Rn. 36).
Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amts erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 2 Satz 1 BDG). Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er durch die Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden.
Für den Besitz kinder- und jugendpornographischer Schriften gibt es keine Regeleinstufung, weil die Variationsbreite der jeweiligen Schwere der außerdienstlichen Verfehlung zu groß ist. Maßgeblich für die Maßnahmebemessung ist daher die jeweilige Strafandrohung unter Berücksichtigung des Dienstbezugs der Pflichtverletzung des Beamten. Das Ausmaß des Vertrauensschadens, der durch eine außerdienstlich begangene Straftat hervorgerufen wird, wird maßgeblich durch den Strafrahmen bestimmt (vgl. BayVGH, U.v. 18.3.2015 – 16a D 14.121 – juris Rn. 48). Dieser liegt für den Besitz kinderpornographischen Materials nach § 184b Abs. 3 StGB bei bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Für den bis Anfang 2015 geltenden Strafrahmen des § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB a.F. von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe hat das Bundesverwaltungsgericht einen Orientierungsrahmen bis zur Zurückstufung für angemessen gehalten (BVerwG, U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Rn. 29 ff.). Für den nunmehr geltenden Strafrahmen finden sich – soweit ersichtlich – in der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung keine Aussagen zum eröffneten Orientierungsrahmen, weil die jeweils behandelten Taten meist noch unter der Geltung des alten Rechts verübt wurden. Da auch nach der Verschärfung des Strafrahmens durch den Strafgesetzgeber in Anbetracht des nun dreijährigen Strafrahmens noch ein mittelschweres Delikt vorliegt, reicht der Orientierungsrahmen nach Auffassung des Gerichts unverändert bis zur Zurückstufung. Die Anhebung des Strafrahmens um ein Jahr auf drei Jahre begründet – ungeachtet der besonderen Vorwerfbarkeit der Tat, die darin besteht, dass derjenige, der kinderpornographische Bilder konsumiert, durch seine Nachfrage nach solchen Darstellungen zum sexuellen Missbrauch von Kindern und damit zum Verstoß gegen ihre Menschenwürde und körperliche Unversehrtheit beiträgt (BayVGH, U.v. 18.3.2015 – 16a D 14.121 – juris Rn. 42), noch nicht das Vorliegen eines schweren Delikts, das erforderlich wäre, um einen Orientierungsrahmen bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu eröffnen.
Zu Recht weist die Antragsgegnerin allerdings darauf hin, dass in Fällen, in denen zwischen dem Dienstvergehen und dem Amt des Beamten ein hinreichender Bezug besteht, der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme auch für mittelschwere Straftaten bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis reichen kann (vgl. BVerwG, B.v. 23.1.2014 – 2 B 52.13 – juris Rn. 8; B.v. 14.5.2012 – 1 B 146.11 – juris Rn. 9; OVG NW, U.v. 27.6.2018 – 3d A 2378/15.O – juris Rn. 116).
Ein Dienstbezug ist bei Dienstvergehen im Zusammenhang mit dem Besitz kinderpornographischer Schriften bislang allerdings nur bei Lehrern und Polizeibeamten angenommen worden. Für Justizvollzugsbeamte wurde ein Dienstbezug dagegen bislang verneint (OVG NW, B.v. 19.12.2018 – 3d B 1680/18.O; U.v. 27.6.2018 – 3d A 2378/15.O – juris Rn. 116; VG Wiesbaden, U.v. 16.7.2014 – 28 K 1419/12.WI.D – juris Rn. 48); das Bundesverwaltungsgericht hat nun mit Beschluss vom 23. Juli 2019 (2 B 61.18 u.a. – juris) wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. Juni 2018 zugelassen. Ebenso wurde bei einem Hochschulprofessor ein Dienstbezug verneint (OVG NW, B.v. 17.11.2016 – 3d B 547/16.O).
Auch bei einem Briefzusteller weist das Dienstvergehen des außerdienstlichen Besitzes kinderpornographischer Schriften keinen Dienstbezug auf, der mit dem eines Lehrers oder Polizeibeamten vergleichbar ist. Ein Briefzusteller hat weder – wie ein Lehrer – kontinuierlichen dienstlichen Kontakt mit Kindern; ihm ist auch keine spezifische Dienstpflicht zu Schutz und Obhut gerade von Kindern auferlegt. Sein Amt ist auch nicht mit dem eines Polizeibeamten zu vergleichen, der Straftaten zu verhüten, aufzuklären und zu verfolgen hat. Der sporadische Kontakt eines Briefzustellers im Dienst zu Kindern und Jugendlichen, denen er bei Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit, sei es auf seinen Zustellgängen, sei es im sonstigen dienstlichen Betrieb, begegnet, reicht nicht aus, um einen Dienstbezug zu begründen.
Bei der Ausschöpfung des damit in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung nur eröffneten Orientierungsrahmens bis zur Zurückstufung sind die Umstände zu berücksichtigen, die den Unrechtsgehalt der Straftat kennzeichnen. Hierzu gehören neben dem Tatzeitraum und der Anzahl der Dateien im Besitz des Beamten vor allem deren Inhalt (BVerwG, B.v. 14.5.2012 – 2 B 146.11 – juris Rn. 10; OVG NW, U.v. 27.6.2018 – 3d A 2378/15.O – juris Rn. 121 f.). Insoweit erscheint die Beiziehung der vollständigen – und nicht nur der auszugsweisen – Strafakte und die Berücksichtigung des Inhalts der aufgefundenen kinderpornographischen Schriften im Disziplinarverfahren unumgänglich.
Im Rahmen der Milderungsgründe wird zu berücksichtigen sein, welcher Art von psychologischer Behandlung sich der Antragsteller mit welche Dauer und Kontinuität unterzogen hat und welche Prognose für ihn besteht. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Entlassungsbericht der … Klinik … – sollte dort die strafgerichtlich angeordnete Behandlung durchgeführt worden sein – und sonstigen Äußerungen der ihn stationär oder ambulant behandelnden Ärzte oder Therapeuten zu. Auch diese Unterlagen sind im Disziplinarverfahren beizuziehen und auszuwerten.
Dem Antrag war daher stattzugeben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 BDG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).


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