Verwaltungsrecht

Reiseausweis für Ausländer, Eritrea

Aktenzeichen  19 B 21.1789

Datum:
25.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 43861
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthV § 5

 

Leitsatz

Verfahrensgang

W 7 K 18.1021 2019-07-01 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 1. Juli 2019 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, dem Kläger einen Reiseausweis für Ausländer zu erteilen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 30. Juli 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die von der Beklagten erhobene Berufung ist zulässig. Zwar hat es die Beklagte unterlassen, sich in der mündlichen Verhandlung von einer gemäß § 67 Abs. 4 VwGO postulationsfähigen Person vertreten zu lassen. Sie konnte daher in der mündlichen Verhandlung keinen wirksamen Berufungsantrag stellen (zum Antragserfordernis §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 103 Abs. 3 VwGO). Allerdings ist eine mündliche Antragstellung nicht zwingend. Es genügt, wenn sich das Begehren aus einem schriftsätzlich angekündigten Antrag oder aus dem sonstigen Vorbringen mit hinreichender Klarheit ergibt (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 103 Rn. 15 m.w.N.). Mithin war der Senat berechtigt und verpflichtet, den durch die Beklagte unter dem 29. Juli 2021 schriftsätzlich angekündigten Berufungsantrag heranzuziehen. Dort beantragte die Beklagte durch den unterzeichnenden „rechtsk. berufsm. Stadtrat“ K. „das Urteil des Verwaltungsgerichts W. vom 1. Juli 2019 aufzuheben“. Diesen Antrag (dem der Zusatz „und die Klage abzuweisen“ fehlt), konnte und musste der Senat – auch unter Berücksichtigung des sonstigen Vorbringens in dem genannten Schriftsatz – als sachdienlich auslegen. Denn das Berufungsziel der Beklagten ist eindeutig erkennbar. Auch haben sich Zweifel an der Postulationsfähigkeit des Unterzeichnenden (sog. Behördenprivileg gem. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO) nicht ergeben. Soweit der Klägervertreter (erstmals) in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Postulationsfähigkeit des Herrn K. in Frage stellte, sind durchgreifende Zweifel (es handelt sich um einen gewählten Referenten der Stadt W.) weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Soweit der Klägervertreter im Übrigen in der mündlichen Verhandlung auf einen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Juli 2021 (20 N 21.66 – juris) hingewiesen hat, betrifft diese Entscheidung eine andere Konstellation, da der dortige Antragsteller – wie hier nicht – einen Normenkontrollantrag ohne postulationsfähigen Prozessvertreter vor dem Verwaltungsgerichtshof gestellt hat.
Die Berufung ist begründet:
Gemäß § 5 Abs. 1 AufenthV kann einem Ausländer, der keinen Pass oder Passersatz besitzt und ihn nicht auf zumutbare Weise erlangen kann, ein Reiseausweis ausgestellt werden.
Dabei ist im Hinblick auf den mit der Ausstellung eines Passes regelmäßig verbundenen Eingriff in die Personalhoheit eines anderen Staates grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Ausländerbehörde den Ausländer zunächst auf die Möglichkeit der Ausstellung eines Passes durch seinen Heimatstaat verweist und die Erteilung eines Reiseausweises erst dann in Betracht zieht, wenn diese Bemühungen nachweislich ohne Erfolg geblieben sind (OVG NRW, B.v. 17.5.2016 – 18 A 951/15 – NVwZ – RR 2016, 678; B.v. 17.5.2016 – 8 A 91/15 – juris Rn. 3 m.w.N.; für den Status nach § 60 Abs. 7 AufenthG vgl. BayVGH, B.v. 13.6.2016 – 10 C 16.773 – juris). Eine Unzumutbarkeit, sich zunächst um die Ausstellung eines Nationalpasses des Heimatstaates zu bemühen, kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Es beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls, welche konkreten Anforderungen an das Vorliegen einer Unzumutbarkeit zu stellen sind und ob Bemühungen zur Erlangung eines Nationalpasses im Einzelfall sich als unzumutbar darstellen (BVerwG, B. v. 15.6.2006 – 1 B 54/06 – juris Rn. 4 zu § 30 Abs. 4 AuslG; BayVGH, B.v. 13.6.2016 – 10 C 16.773 – juris Rn.17).
Die einen Ausnahmefall begründenden Umstände sind grundsätzlich vom Ausländer darzulegen und nachzuweisen (BayVGH, B.v. 28.12.2020 – 10 ZB 20.2157 – juris Rn. 6; OVG NW, B.v. 17.5.2016 – 18 A 951/15 – juris Rn. 3; HessVGH B.v. 1.8.2016 – 3 A 959/16.Z – juris Rn. 6; NdsOVG, U.v. 18.3.2021 – 8 LB 97/20 – juris Rn. 29). Je gewichtiger die vom Ausländer plausibel vorgebrachten Umstände sind, desto geringer sind die Anforderungen an das Vorliegen einer daraus resultierenden Unzumutbarkeit (VGH BW, U.v. 29.2.1996 – 11 S 2744/95 – juris Rn. 24; OVG NRW, B.v. 17.5.2016 – 18 A 951/15 – juris Rn. 3; NdsOVG, U.v. 18.3.2021 – 8 LB 97/20 – juris Rn. 29). Trägt der Ausländer substantiiert Umstände vor, aus denen sich ergibt, dass er sich oder seine Familie durch das Bemühen um Ausstellung eines Nationalpasses seines Heimatstaates unmittelbar in Gefahr bringen könnte, so genügt es, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine solche Gefährdung nicht ausgeschlossen werden kann. In diesen Fällen muss sich der Ausländer insbesondere nicht darauf verweisen lassen, sich zunächst mit der Auslandsvertretung seines Heimatstaates in Verbindung zu setzen, um durch deren Reaktion die behauptete Gefährdung nachzuweisen (VGH BW, U.v. 29.2.1996 – 11 S 2744/95 – juris Rn. 24).
Bei dem Terminus Zumutbarkeit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt und hinsichtlich dessen Anwendung die Behörde keinen Ermessungsspielraum besitzt (BayVGH, B.v. 17.10.2018 – 19 ZB 15.428 – juris Rn. 9).
Der Kläger kann zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Tatsachenentscheidung (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 18.3.2021 – 8 LB 97/20 – juris Rn. 24 m.w.N.) einen eritreischen Pass auf zumutbare Weise erlangen:
1. Der Kläger hat es bislang unterlassen, in ausreichender Weise zumutbare Bemühungen zur Erlangung eines eritreischen Nationalpasses zu entfalten:
a) Im Ausland lebende eritreische Staatsangehörige erhalten im Ausland in der Regel auf Antrag bei der zuständigen eritreischen Auslandsvertretung problemlos eritreische Pässe, sofern sie (in einem ersten Schritt) ihre Staatsangehörigkeit nachweisen (Hinweise des Auswärtigen Amtes zur Beschaffung und Überprüfung von eritreischen Dokumenten, Stand 11.2.2021). Für die Beantragung eines Reisepasses sind der Auslandsvertretung Unterlagen vorzulegen. Diese sind im Schreiben des Bayerischen Landesamtes für Asyl und Rückführungen vom 5. Januar 2021 im Einzelnen benannt.
b) Davon ausgehend hat der Kläger (insbesondere in Anbetracht seiner Ausführungen im Rahmen der informatorischen Anhörung vor dem Senat) keine ausreichenden Bemühungen zur Erlangung eines eritreischen Reisepasses entfaltet:
Der Kläger ließ schriftsätzlich erklären bzw. führte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat u.a. aus, er habe „ziemlich oft“ telefonischen Kontakt mit seiner Mutter (wobei sie über sich, über das Leben sprächen). Seine Eltern hätten Personalausweise gehabt, ob sie jetzt noch welche hätten, das wisse er nicht, „weil er ja hier sei“. Er wisse nicht, ob er in Eritrea bei seiner Geburt in ein Geburtsregister eingetragen worden sei. Seine Mutter (so der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat) habe „bei der Kirche“ eine Taufurkunde eingeholt und diese in eingescannter Form über Facebook an ihn nach Deutschland geschickt. An der Schule, die er zuletzt besucht habe, seien 20 bis 30 bzw. 15 bis 20 Lehrer gewesen. Die Telefonnummer seines Vaters habe er, er habe mit ihm „ganz selten“ bzw. „selten“ telefonischen Kontakt. In Eritrea befänden sich weiter der neue Lebensgefährte/Ehemann der Mutter, weitere vier Kinder (Eltern: seine Mutter und der neue Lebensgefährte/Ehemann), die Großeltern des Klägers (Eltern der Mutter), die „Großfamilie“ (laut Aussage in der mündlichen Verhandlung seien eine Tante und ein Onkel in Eritrea), des Weiteren der Sohn des Bruders des aktuellen Lebensgefährten/Ehemanns der Mutter (dieser habe Internet und die Taufurkunde per Facebook geschickt).
c) Davon ausgehend ist nicht ersichtlich, dass der Kläger bislang ausreichende Bemühungen entfaltet hat, im Hinblick auf den erforderlichen Nachweis seiner Staatsangehörigkeit und die insoweit von der Auslandsvertretung geforderten Unterlagen ausreichende Bemühungen zu deren Erlangung entfaltet hat. Seinem Vortrag (insbesondere auch seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat) ist lediglich zu entnehmen, dass seine Mutter „bei der Kirche“ eine Taufurkunde erhielt. Erstmals wurde dem Senat in der mündlichen Verhandlung bekannt, dass diese Taufurkunde per Facebook an den Kläger übermittelt wurde. Nach Feststellungen des Bayerischen Landesamtes für Asyl und Rückführungen (Stand 28.6.2021) können auch Taufurkunden ausnahmsweise Aussagekraft entfalten, wenn sie durch das für den Kläger zuständige Rathaus auf Richtigkeit bestätigt werden. Hierzu werde ein entsprechender Stempel angebracht. Hinzu kommt: nach den Feststellungen des Bayerischen Landesamtes für Asyl und Rückführungen (Stand 28.6.2021) ist davon auszugehen, dass die Geburt des Klägers in einem Geburtsregister (mit der Folge der Möglichkeit der Ausstellung einer Geburtsurkunde) registriert wurde. Soweit dies hier ausnahmsweise nicht der Fall gewesen sein sollte (in ländlichen Regionen werden nicht alle Personen in das Geburtsregister eingetragen), käme eine Nachfrage beim für den Kläger (damals) zuständigen Rathaus in Betracht. Über konkrete Gespräche (und nachfolgende Initiativen) im Rahmen ihm zumutbarer Bemühungen – insbesondere mit seiner Mutter, aber auch mit anderen ihm nahestehenden Personen in Eritrea -, die die Beschaffung von Unterlagen zur Erlangung eines Nationalpasses zum Inhalt haben, hat der Kläger nichts berichtet. Auch seine Antwort, die Eltern hätten Personalausweise gehabt, ob sie jetzt noch welche hätten, das wisse er nicht, „weil er ja hier sei“, überzeugt nicht. Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Kläger insoweit nicht nachgefragt hat und ggf. Unterlagen „per Facebook“ übermittelt bekommt. Wenig Engagement zeigt auch sein Vorbringen zur Frage der Erlangung eines Identitätsnachweises/Schülerausweises durch die zuletzt besuchte Schule (Schülerausweis gemäß Aussage des Klägers vor dem Bundesamt in Äthiopien abgenommen, gemäß schriftsätzlicher Aussage im Schreiben vom 2. August 2018 in Äthiopien gestohlen, gemäß Aussage in der mündlichen Verhandlung in Äthiopien weggenommen). Soweit er vorträgt, er habe keine Telefonnummer der Schule, auch keine Email-Adresse, liegt es nahe, dass er sich erforderliche Informationen über seine zahlreichen Kontaktpersonen in Eritrea besorgen könnte. Im Übrigen hat der Kläger von (weiteren) Verwandten und Bekannten mit Smartphones in Eritrea berichtet, auch diese könnten für etwaige Hilfeleistungen zur Verfügung stehen.
d) Es kann dahinstehen, ob der Kläger am 4. Oktober 2017 lediglich „pro forma“ (um dem Argument entgegen zu treten, ihm sei zunächst grundsätzlich eine Kontaktaufnahme mit der Auslandsvertretung zumutbar, vgl. BayVGH, B.v. 28.12.2020 – 10 ZB 20.2157 – juris) die eritreische Auslandsvertretung aufsuchte (und von dort Formblätter mitbrachte, die er dann der Ausländerbehörde vorlegte) oder ob er dort „formell“ die Ausstellung eines eritreischen Nationalpasses beantragte. Nach der Auskunft des Bayerischen Landesamtes für Asyl und Rückführung bestätigt die Auslandsvertretung eine Antragstellung und händigt dem Vorsprechenden eine Liste über die erforderlichen Unterlagen aus. Der Kläger hat hingegen erklärt, er habe eine derartige Bestätigung nicht bekommen. Ins Auge fällt zudem, dass der Kläger in seinem anwaltlichen Schriftsatz vom 5. Oktober 2017 an die Ausländerbehörde, mit dem er über die Vorsprache vor dem Generalkonsulat berichtete, nichts von der Erforderlichkeit der Abgabe einer sogenannten Reueerklärung oder der Erforderlichkeit der Zahlung einer sogenannten Aufbausteuer erwähnte. Auch den gleichzeitig der Ausländerbehörde übergebenen Formblättern (S. 245 ff. der Behördenakte) ist dazu nichts zu entnehmen. Eine vom Konsulat bei der Vorsprache geforderte Abgabe einer Reueerklärung erwähnte der Vertreter des Klägers erstmals unter dem 2. August 2018, der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht sowie nunmehr in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Ein Verlangen der Auslandsvertretung bei der Vorsprache am 4. Oktober 2017 nach der Zahlung einer Aufbausteuer erwähnte der Kläger (ebenfalls) erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht sowie nunmehr in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat.
e) Soweit der Kläger (nicht nachvollziehbar) dartut, er habe sich bei seinen Bekannten und Verwandten im Rahmen des ihm Zumutbaren erfolglos um den Nachweis seiner Staatsangehörigkeit (bzw. die Vorlage der von der Auslandsvertretung geforderten Unterlagen) bemüht, fehlt es (unabhängig davon und darüber hinaus) jedenfalls an Bemühungen des Klägers zur Einleitung eines sogenannten Zeugenverfahrens (vgl. auch Auskünfte/Informationen des Bayerischen Landesamtes für Asyl und Rückführungen vom 5.1.2021 und Stand 28.6.2021). Ersichtlich ist dem Kläger der Kontakt zu einer Vielzahl von Personen, die insoweit die erforderlichen Bedingungen erfüllen, in Eritrea möglich. Hinzukommen (nach den Aussagen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat) eine Tante in Deutschland, ein Onkel in Schweden, zwei Onkel in Äthiopien sowie die „Bekannte“ die nach dem klägerischen Vortrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bei einem Eritreabesuch mit der Mutter des Klägers in Kontakt war. Zudem drängt sich die Heranziehung des Onkels in Israel auf, der über Schleuserorganisationen in verschiedenen Ländern von Israel aus die Reise des Klägers nach Deutschland finanziell organisierte, ebenso die Ausreise des Halbbruders des Klägers A.M., über deren Verlauf der Kläger schwerlich nachvollziehbar in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausführte, er sei an seiner Ausreise nicht beteiligt gewesen, er habe zwar mit A.M. (von Deutschland aus) in Eritrea telefoniert, keiner rufe seinen Bruder an und sage, komm nach Europa, er habe damit nichts zu tun gehabt, er wisse nicht genau was die Ausreise gekostet habe, bezahlt habe es der Onkel aus Israel.
f) Im Übrigen hat der Kläger nicht darüber berichtet, dass er sich für die Beschaffung benötigter Urkunden an sogenannte Vertrauensanwälte gewandt habe. Nach den bereits genannten Hinweisen des Auswärtigen Amtes zur Beschaffung und Überprüfung von eritreischen Dokumenten (Stand 11.2.2021) können im Ausland lebende eritreische Staatsangehörige Dritte (z.B. Familienangehörige, Bekannte, Rechtsanwälte) schriftlich für die Beschaffung von benötigten Personenstandsurkunden und auch für die Registrierung von Geburten und Eheschließungen bevollmächtigen. Die zuständigen eritreischen Standesämter würden dafür meist eine Beglaubigung der Vollmacht durch eine eritreische Auslandsvertretung verlangen. Diesbezügliche Aktivitäten hat der Kläger nicht vorgetragen.
2. Bemühungen des Klägers zur Erlangung eines Nationalpasses sind im vorliegendem Einzelfall nicht schon deshalb unzumutbar, weil die verfolgungsrechtliche Situation des Klägers bei einer wertenden Betrachtung im materiellen Kern und vom Ergebnis her mit der eines Flüchtlings vergleichbar ist (vgl. BayVGH, U.v. 18.1.2011 – 19 B 10.2157 – juris Rn. 31; B.v. 17.10.2018 – 19 ZB 15.428 – juris Rn. 12). Eine Unzumutbarkeit ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Schutzstatus aufgrund drohender staatlicher Verfolgung zugesprochen wurde und die Inbesitznahme eines Nationalpasses wie eine erneute Unterschutzstellung zu werten wäre (HessVGH, B.v. 20.9.2019 – 3 D 2520/18 – juris Rn. 8 m.w.N.; BayVGH, B.v. 17.10.2018 – 19 ZB 15.428 juris Rn. 12).
Davon ausgehend steht bei wertender Betrachtung der Zumutbarkeit der Passbeantragung nicht entgegen, dass das Bundesamt dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuerkannt hat:
a) Gemäß Art. 25 Abs. 1 RL 2011/95/EU (EU-Qualifikations-Richtlinie) stellen die Mitgliedsstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, Reiseausweise – wie im Anhang zur Genfer Flüchtlingskonvention vorgesehen – für Reisen außerhalb ihres Gebiets aus, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen. Gemäß Art. 25 Abs. 2 RL 2011/95/EU stellen die Mitgliedsstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist und die keinen nationalen Pass erhalten können, Dokumente für Reisen außerhalb ihres Hoheitsgebiets aus, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen. Schon dem unterschiedlichen Wortlaut der beiden genannten Absätze ist zu entnehmen, dass es subsidiär Schutzberechtigten grundsätzlich zumutbar ist, sich bei den Auslandsvertretungen des Herkunftsstaates um die Ausstellung eines Nationalpasses zu bemühen (ebenso BayVGH, B.v. 17.10.2018 – 19 ZB 15.428 – juris Rn. 6 ff; BayVGH, B.v. 13.6.2016 – 10 C 16.773 – juris Rn. 17, OVG NRW, B.v. 17.5.2016 – 18 A 951/15 – juris Rn. 3, 5; ausführlich OVG Lüneburg, U.v. 18.3.2021 – 8 LB 97/20 – juris Rn. 30 ff., unter Hinweis auf den unterschiedlichen Ansatz beider Schutzregime).
b) Auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles kann nicht angenommen werden, dass der Kläger gemäß Art. 25 Abs. 2 RL 2011/95/EU „keinen nationalen Pass erhalten kann“, weil er mit einer Person, der die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, gleichzustellen wäre. Bezug genommen wird auf den Bescheid des Bundesamtes vom 26. Oktober 2016 und das Urteil des Verwaltungsgerichts M. vom 11. April 2017. Auch ist dem Vortrag des Klägers, der nicht aus dem Nationaldienst desertiert ist, nicht zu entnehmen, dass er sich einer unmittelbar bevorstehenden Einberufung in den Nationaldienst entzogen hätte. Er ist vielmehr ohne eine Vorverfolgung ausgereist. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärte er insoweit, er sei in der zehnten Klasse weggegangen, die Schule dauere zwölf Jahre, das zwölfte Jahr sei aber schon ein Jahr, in dem man auf den Soldatenberuf vorbereitet werde, deswegen sei es nur noch ein richtiges Schuljahr gewesen. Er habe selbst die Idee zur Ausreise nach Europa bzw. nach Deutschland gehabt. Selbst wenn aber davon auszugehen wäre, dass der vom Bundesamt in seiner Entscheidung zu § 4 AsylG angenommene ernsthafte Schaden wegen einer drohenden staatlichen Verfolgung (im Hinblick auf die aus damaliger Sicht in der Zukunft liegende Verweigerung des Nationaldienstes und sich daraus ergebende Konsequenzen) zugesprochen wurde, ist nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass dem Kläger die Beantragung eines Nationalpasses bei einer eritreischen Auslandsvertretung (verbunden mit Bemühungen um den Nachweis der eritreischen Staatsangehörigkeit und die Vorlage von Unterlagen im Heimatland) aufgrund einer drohenden staatlichen Verfolgung unzumutbar wäre. Insoweit ist auch in den Blick zu nehmen, dass der Kläger (nach eigenem Vortrag) bereits am 4. Oktober 2017 das eritreische Generalkonsulat aufsuchte, mithin (nach eigenem Vortag) in Kontakt mit dieser Behörde des Heimatstaates trat. Über negative Folgen dieser Kontaktaufnahme hat er nichts berichtet. Auch hat er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt, er wisse von keinen Problemen für seine Angehörigen in Eritrea aus dem Grund, dass er Eritrea verlassen habe. Diese in Anbetracht der bestehenden Kontakte des Klägers nach Eritrea getätigte Aussage stimmt mit den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes (Lagebericht vom 9.12.2020 i.d.F. vom 25.1.2021, S. 21 ff.) überein, nach denen eine allgemeine staatliche Verfolgung allein aufgrund der unerlaubten Ausreise nicht festgestellt werden könne und dem Auswärtigen Amt kein Fall aus neuerer Zeit bekannt sei, in dem es zu Sanktionen gegen in Eritrea verbliebene Familienangehörige nur wegen einer unerlaubten Ausreise gekommen wäre. Das Auswärtige Amt führt weiter aus, Erfahrungen deutscher Behörden mit anerkannten Asylbewerbern aus Eritrea, die trotz ihrer behaupteten politischen Verfolgung besuchsweise nach Eritrea gereist seien, ohne dort von den Behörden behelligt worden zu sein, deuteten darauf hin, dass die bloße Stellung eines Asylantrags im Ausland und die Anerkennung als Flüchtling keine Bestrafungen nach sich zögen. Auch seien die eritreischen Behörden (im Hinblick auf in Eritrea verbliebene Familienangehörige) angesichts der großen Zahl der Ausgereisten nicht in der Lage, eine Verfolgung zu organisieren. Die Regierung könne kein Interesse daran haben, den größten Teil der Bevölkerung zu verfolgen, da inzwischen praktisch jede eritreische Familie Verwandte im Ausland habe. Der eritreische Staat habe jedoch großes Interesse daran, die Auslandseritreer an sich zu binden und unternehme dazu erhebliche Anstrengungen. Dahinter stehe der Wunsch, sich das Knowhow und die Investitionskraft der Auslandseritreer für den Fall ihrer Rückkehr zu sichern, aber auch durch regelmäßige Devisentransfers an ihre in Eritrea verbliebenen Familien (allerdings verneint der Kläger Geldüberweisungen nach Eritrea an Nahestehende) die Wirtschaft des Landes zu stützen… Ausgereiste erhielten nach in der Regel drei Jahren Auslandsaufenthalt die Möglichkeit, unbehelligt wieder nach Eritrea zu reisen und dort den sogenannten Diaspora-Status zu beantragen. Sie würden dazu eine sieben, manchmal auch zehn Jahre lang gültige Karte, die ihnen freie Ein- und Ausreise gestatte und auch verlängert werden könne, erhalten. Diese ersetze die ansonsten erforderlichen Ein- und Ausreisevisa…Es gebe daher eine relativ große Gruppe von Menschen, die zwischen Eritrea und anderen Ländern hin und her pendeln und dabei Geld und Konsumgüter ins Land bringen… Dabei würden zur Einreise nicht nur eritreische und ausländische Pässe, sondern auch im Ausland ausgestellte Flüchtlingsausweise genutzt. Dies wäre nicht denkbar, wenn die Reisenden hier befürchten müssten, von den Behörden verfolgt zu werden oder ihre Familie in einer solchen Gefahr auszusetzen…Soweit – und zwar unabhängig von der Stellung eines Asylantrags oder einer Bestätigung für eine Oppositionsorganisation im Ausland (der Kläger hat keine Oppositionstätigkeit geltend gemacht) – einem Rückkehrer neben der illegalen Ausreise das Umgehen der nationalen Dienstpflicht oder sogar Fahnenflucht vorgeworfen werden könne, könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Betroffenen bei einer Rückkehr nach Eritrea wegen dieser Delikte zu verantworten hätten. Die Bestrafung könne von einer bloßen Belehrung bis zu einer Haftstrafe reichen. Im Regelfall könne man sich nach dreijährigem Auslandsaufenthalt als Mitglied der Diaspora registrieren lassen und frühere Verfehlungen würden nicht verfolgt… Ebenso führt das Bayerische Landesamt für Asyl und Rückführungen in seiner Stellungnahme vom 5. Januar 2021 aus, auf Nachfrage bei der Deutschen Botschaft Asmara habe diese am 12. Oktober 2020 mitgeteilt, dass dem Auswärtigen Amt kein Fall bekannt sei, in dem einem Erklärenden oder seinen Angehörigen (bezogen auf die sog. Reueerklärung, dazu im Einzelnen sogleich) hierdurch ein Nachteil entstanden wäre.
c) Dem Kläger ist es auch nicht unzumutbar im Hinblick auf § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylG bei der eritreischen Auslandsvertretung einen Nationalpass zu beantragen. Nach dieser Vorschrift erlöschen die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn der Ausländer sich freiwillig durch Annahme oder Erneuerung eines Nationalpasses oder durch sonstige Handlungen erneut dem Schutz des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, unterstellt. Davon ausgehend, dass seit Ablauf der Umsetzungsfrist der RL 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes – Asylverfahrensrichtlinie – für diesen Fall die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vom Bundesamt widerrufen werden (Bergmann in Bergmann/Dienelt, AuslR, 13 Aufl. 2020, § 72 AsylG Rn. 1) ist § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylG hier weder direkt noch entsprechend anwendbar. Denn der Kläger ist weder als Asylberechtigter noch als Flüchtling anerkannt. Angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 72 Abs. 2 Nr. 1 AsylG ist für eine analoge Anwendung der Vorschrift kein Raum (BayVGH, B.v. 17.10.2018 – 19 ZB 15.428 – juris Rn. 10; OVG NRW, B.v. 17.5.2016 – 18 A 951/15 – juris Rn. 6; VG Gießen, U.v. 28.7.2016 – 6 K 3108/15 – juris Rn. 18; VG Hannover, U.v. 20.5.2020 – 12 A 2452/19 – juris Rn. 28; VG Wiesbaden, U.v. 8.6.2020 – 4 K 2002/19. WI – juris Rn. 19 ff; Schleswig-Holsteinisches VG, U.v. 25.6.2021 – 11 A 270/20 – juris Rn. 21). Verbleibt es mithin bei subsidiär Schutzberechtigten bei einer Einzelfallprüfung, ob die Beschaffung eines Nationalpasses zumutbar ist, ist (wie dargelegt) nicht ersichtlich, warum dem Kläger, der vor mittlerweile sieben Jahren Eritrea verlassen hat und bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt zur Begründung seines Asylantrages (im Wesentlichen) vorgetragen hat, er habe Angst gehabt, zum Militär zu müssen, er habe nicht lebenslang Soldat sein wollen, in Anbetracht der benannten Erkenntnisse des Auswärtigen Amtes (Lagebericht i.d.F. vom 25.1.2021, S. 27: in der Regel keine Ahndung der Dienstflucht nach drei Jahren mehr) eine Passerlangung bei der Auslandsvertretung seines Herkunftslandes aufgrund seines subsidiären Schutzstatus nicht zumutbar sein sollte.
3. Unabhängig davon, ob die Auslandsvertretung vom Kläger bereits als Voraussetzung für die Erlangung eines Nationalpasses die Errichtung einer Aufbausteuer in Höhe von 2% verlangt hat, folgt aus einem derartigen Erfordernis für den Kläger keine Unzumutbarkeit, sich um die Ausstellung eines eritreischen Nationalpasses zu bemühen. Der Kläger hat nichts über die Einzelheiten einer derartigen Forderung vorgetragen, insbesondere nichts dazu, ob die Steuer von ihm auch rückwirkend verlangt wird, ob sie netto oder brutto erzielte Einkünfte betreffen soll, ob sie auch auf (etwaige) Sozialleistungsbezüge des Klägers erhoben wird. Solange der Kläger sich nicht kundig macht, welche konkreten Forderungen insoweit die eritreische Auslandsvertretung ihm gegenüber erhebt, scheidet schon deshalb die Annahme einer Unzumutbarkeit i.S.d. § 5 Abs. 1 AufenthV aus. Unabhängig davon, ist (grundsätzlich) festzuhalten, dass nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes (Lagebericht Stand 25.1.2021) die Aufbausteuer in Höhe von 2% nach dem Wortlaut der entsprechenden Proklamation nur auf Erwerbseinkommen sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erhoben wird. Nach Auskunft der eritreischen Botschaft in Berlin werde die Aufbausteuer von allen im Ausland lebenden, volljährigen, eritreischen Staatsangehörigen erhoben; Rentnerinnen und Rentner, Studierende ohne Einkommen und stark erkrankte Personen seien hiervon ausgenommen. Es seien aber Fälle bekannt, in denen ein „Minimalbetrag“ auch von Studenten und Empfängern von Sozialleistungen verlangt werde. Die Entrichtung der Aufbausteuer werde bei Auslandseritreern und bei Eritreern mit „Diaspora-Status“ im Inland zur Voraussetzung für staatliche Leistungen gemacht, hinzu komme der soziale Druck innerhalb der eritreischen Gemeinschaft, seinen Solidaritätsbeitrag zu leisten. Eritreische Staatsangehörige in Deutschland errichten die Steuer, wenn sie Dienstleistungen des eritreischen Staates in Anspruch nehmen wollen, etwa die Ausstellung von Pässen oder Personalausweisen oder Amtshandlungen im Zusammenhang mit Erbschaften oder Haus- und Grundbesitz in Eritrea. Das Bayerische Landesamt für Asyl und Rückführungen führt in seiner Stellungnahme gegenüber dem Amtsgericht R. vom 5. Januar 2021 u.a. aus, die Aufbausteuer werde von allen im Ausland lebenden Eritreern erhoben. Sie betrage zwei Prozent des Einkommens der Betroffenen. Hierzu würden auch Sozialleistungen zählen. Inwieweit Personen davon ausgenommen werden können, sei von den Betroffenen mit der zuständigen eritreischen Auslandsvertretung abzuklären.
Davon ausgehend handelt es sich bei dieser Steuer um eine Steuer, deren Zahlung der Erfüllung zumutbarer staatsbürgerlicher Pflichten gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 AufenthV dient und die weder gegen völkerrechtliche Regeln noch gegen deutsches Recht verstoßen würde (vgl. bereits VG Gießen, U.v. 28.7.2015 – 6 K 3108/15. GI – juris Rn. 23 ff, ebenso OVG Lüneburg, U.v. 18.3.2021 – 8 LB 97/20 – juris Rn. 37 ff.; VG Wiesbaden, U.v. 8.6.2020 – 4 K 2002/19.WI – juris Rn. 22 ff.; Schleswig-Holsteinisches VerwG, U.v. 25.6.2021 – 11 A 270/20 – juris Rn. 30 ff.).
Der Kläger hat nichts darüber berichtet, dass er sich (insbesondere bei dem Besuch im eritreischen Generalkonsulat am 4.10.2017) über die Einzelheiten der von ihm zu entrichtenden Aufbausteuer (als Voraussetzung für die Erteilung eines Nationalpasses) erkundigt hätte. Kann er sich schon (wie ausgeführt) deshalb aufgrund der Umstände des Einzelfalles nicht auf eine Unzumutbarkeit der Entrichtung dieser Steuer berufen, ist zusätzlich nicht erkennbar, dass sich für den Kläger im Einzelfall eine Unzumutbarkeit aus der Höhe der zu zahlenden Steuer ergeben könnte. Dazu hat er nichts dargetan. Er hätte sich (um sich auf eine Unzumutbarkeit der Passbeschaffung aufgrund der Steuer zu berufen) zumindest von der Botschaft bzw. dem Konsulat bescheinigen lassen müssen, wie hoch der von ihm zu zahlende Betrag wäre. Die Erkundigung über die Voraussetzungen der Passausstellung bei der Auslandsvertretung des Heimatstaates (auch die Klärung der Frage, in welcher Höhe und welche Einkünfte betreffend die Steuer von ihm verlangt wird) ist ihm grundsätzlich zumutbar. Gesichtspunkte, die dagegensprechen könnten, hat der Kläger weder vorgetragen noch sind sie ersichtlich. Im Übrigen hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf Fragen des Gerichts (selbstständig hat er im gesamten Verfahren dazu nichts vorgetragen) erklärt, er habe, als er im Jahr 2014 nach Deutschland gekommen sei, erstmal zwei, drei Monate nichts gemacht, dann ein Jahr Deutschkurs, dann Schule (Berufsvorbereitungsjahr), dann ab 2016 eine Ausbildung zum Elektriker, fertig sei er seit Februar 2021, seit März 2021 sei er Geselle, er verdiene jetzt 1.724,00 € netto. Der Klägervertreter ergänzte, dass der Kläger, sobald er seine Ausbildung zum Meister abgeschlossen habe, vielleicht 4.500,00 € verdienen werde. Die Aufbausteuer werde rückwirkend verlangt, wenn man etwas vom Staat in Eritrea wolle, es sei eine zusätzliche Steuer zur z.B. Einkommenssteuer, die der Kläger in Deutschland zu zahlen habe, ein Doppelbesteuerungseinkommen existiere nicht. Davon ausgehend ist zum hier maßgeblichen Zeitpunkt nichts dafür ersichtlich, dass – unabhängig von der Frage, in wie weit die Steuer rückwirkend verlangt wird, ob auch der Bezug von Sozialleistungen berücksichtigt wird und ob die Steuer anhand des Bruttoeinkommens oder des Nettoeinkommens zu berechnen ist (vgl. im Hinblick auf insoweit zum Teil widersprüchliche Angaben OVG Lüneburg, U.v. 18.3.2021, a.a.O. – juris Rn. 39 ff.) – selbst unter Annahme aller für den Kläger meist belastenden Umstände dieser unzumutbar getroffen würde. Die Einnahmen des Klägers waren bis Februar 2021 relativ gering, erst seit März 2021 bekommt er ein Gehalt als Geselle des Elektrohandwerks. In Anbetracht dessen und im Hinblick auf den relativ geringen Steuersatz spricht nichts für eine Unzumutbarkeit, die sich aus der Höhe der zu zahlenden Steuer im Einzelfall ergeben könnte. Davon ist auch dann auszugehen, wenn der Kläger in Zukunft höhere Einkünfte erzielen würde.
4. Unabhängig von dem Umstand, ob das eritreische Generalkonsulat am 4. Oktober 2017 vom Kläger die Abgabe einer sogenannten Reueerklärung („letter of regret“) forderte, führt dieses Erfordernis nicht zur Unzumutbarkeit der Erlangung eines Nationalpasses:
Als Reueformular bzw. Reueerklärung („letter of regret“) wird das von den eritreischen Auslandsvertretungen vorgehaltene Formular „4/4.2“ („Immigration and Citizenship Services Request Form“) bezeichnet. Mit seiner Unterschrift hat der Erklärende neben der Richtigkeit seiner Angaben abschließend zu bestätigen, dass er bereue, einen Gesetzverstoß begangen zu haben, indem er seine nationalen Verpflichtungen nicht erfüllt habe, und dass er bereit sei, die dafür ggf. verhängten angemessenen Maßnahmen zu akzeptieren (vgl. Anlage zu der Studie der Universität Tilburg, „Tilburg University, The 2% Tax for Eritreans in the Diaspora, Juni 2017; VG Hannover, U.v. 20.5.2020 – 12 A 2452/19 – juris Rn. 34; Schleswig-Holsteinisches VG, U.v. 25.6.2021 – 11 A 270/20 – juris Rn. 35).
Das Auswärtige Amt führt in seinem Lagebericht (Stand 25.1.2021, S. 26) insoweit aus, zur Beantragung konsularischer Dienstleistungen sei ggf. die Unterzeichnung einer „Immigration and Citizenship Services Request Form“ erforderlich, die u.a. einen Passus des Bedauerns der Flucht (sog. „Reueerklärung“) beinhalte. Bei der dem Auswärtigen Amt bekannten Fassung der sog. „Reueerklärung“ handle es sich um einen Passus (zwei Sätze), indem der Erklärende bedauere, seiner nationalen Pflicht nicht nachgekommen zu sein und erkläre, eine eventuell dafür verhängte Strafe zu akzeptieren. Der Text sei nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes als Mahnung zu verstehen. Dem Auswärtigen Amt sei kein Fall bekannt, in dem die Unterzeichnung der sog. „Reueerklärung“ die rechtliche Position der Unterzeichnenden verschlechtern würde oder Angehörige der Unterzeichnenden in Eritrea Repressalien ausgesetzt wären. Durch die Unterzeichnung erhalte der Erklärende Zugang zu konsularischen Dienstleistungen, während eventuelle Sanktionen nicht von seiner Einwilligung in Form der „Reueerklärung“ abhängig seien. Nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes werde Dienstflucht nach drei Jahren nicht mehr geahndet, Ausnahmen seien jedoch möglich.
Davon ausgehend, dass alle illegal ausgereisten eritreischen Staatsangehörigen im dienstfähigem Alter (wobei faktisch jeder illegal ausgereiste Eritreer im dienstfähigem Alter seinen Nationaldienst nicht (vollständig) erfüllt hat) Dienstleistungen wie die Ausstellung eines Reisepasses nur gegen Abgabe der Reueerklärung in Anspruch nehmen können (so OVG Lüneburg, U.v. 18.3.2021, a.a.O. – juris Rn. 45 ff. unter Heranziehung einer dort eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 14.12.2020) macht die zu unterzeichnende Reueerklärung die Passerlangung für den Kläger nicht unzumutbar:
Weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass die Abgabe einer Reueerklärung in jedem Falle „per se“ unzumutbar sei. Wie ausgeführt, können Auslandseritreer i. d. R. nach drei Jahren Auslandsaufenthalt den sogenannten Diaspora-Status grundsätzlich unabhängig davon beantragen, ob sie legal oder illegal ausgereist sind und ob sie ihren Nationaldienst beendet haben oder nicht. Der sogenannte Diaspora-Status ist von der Nationalpflicht ausgenommen und es können Eritreer nach einem Aufenthalt, der i.d.R. nicht länger als sechs Monate im Jahr andauern sollte, das Land ohne Ausreisevisum wieder verlassen. Nach Abwägung der Vor- und Nachteile erklären sich eritreische Staatsangehörige nicht selten freiwillig dazu bereit, die Reueerklärung zu unterschreiben, um so von den Privilegien des Diaspora-Status zu profitieren. So reisen nach offiziellen Angaben jährlich durchschnittlich 95.000 im Ausland wohnhafte Eritreer, die üblicherweise die genannten Bedingungen der Behörden erfüllen, nach Eritrea ein (vgl. Tilburg University, a.a.O. S. 84 – 96, EASO, Eritrea, Nationaldienst, Ausreise und Rückkehr, September 2019, S. 63 ff., Lagebericht des Auswärtigen Amtes Eritrea in der Fassung vom 25.1.2021, S. 22; OVG Lüneburg, U.v. 18.3.2021, a.a.O. Rn. 53; VG Hannover, U.v. 20.5.2020 – juris Rn. 38). Davon ausgehend erkennt der Senat nicht, dass die Abgabe einer Reueerklärung in jedem Falle wegen der mit ihr verbundenen Konsequenzen unzumutbar wäre (so aber VG Wiesbaden, U.v. 8.6.2020 – 4 K 2002/19. W I – juris Rn. 26: „… nicht absehbar, welche konkreten Strafen … für die illegale Ausreise drohen“.).
Bezogen auf den konkreten Fall des Klägers ist festzuhalten:
Nachdem der Kläger nach seinen Behauptungen bereits am 4. Oktober 2017 im eritreischen Generalkonsulat aufgefordert worden war, eine Reueerklärung abzugeben, ließ er erstmals unter dem 18. Dezember 2018 vortragen, von einem Geflüchteten könne nicht verlangt werden, dass er sich bei dem Land entschuldige, aus dem er geflohen sei, aufgrund der dortigen katastrophalen Verhältnisse. Sodann erklärte er in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 1. Juli 2019, es sei von ihm bei dem Besuch im eritreischen Generalkonsulat verlangt worden, dass er sich beim eritreischen Staat und dem Präsidenten schriftlich entschuldigen und den Präsidenten positiv darstellen solle. Unter dem 24.Oktober 2019 ließ er ausführen, das Verlangen einer Aufbausteuer sowie eine Entschuldigung bei dem eritreischen Regime entsprächen einer Erpressung und zwangsweisen Unterschutzstellung. Die Beklagte und die Landesanwaltschaft würden verlangen, dass sich der Kläger dieser Erpressung unterwerfe. Sie würden die Aufrechterhaltung des Geldflusses aus westlichen Ländern fordern und die Freiheit des Klägers ignorieren, sie würden durch die Versagung der Passerteilung vom Kläger verlangen, sich dem Druck zu beugen und sich schließlich dem Unwesen des eritreischen Staates zu unterwerfen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärte er auf Frage des Gerichts, wofür er sich entschuldigen solle: „Dafür, dass der Diktator gut ist zum Beispiel. Es wäre eine Lüge, wenn ich mich entschuldigen würde. Warum soll ich mich entschuldigen. Ich hätte mich entschuldigt, wenn ich ihn gewählt hätte, aber ich habe ihn nicht gewählt, für mich ist er ein Diktator. Es gibt keine Wahlen in Eritrea, ich habe ihn nie wählen oder nicht wählen können.“
Davon ausgehend macht die unterzeichnende Reueerklärung die Passerlangung für den Kläger in seinem Einzelfall nicht unzumutbar:
Eine Unzumutbarkeit des Verlangens nach Abgabe einer Reueerklärung könnte sich im Einzelfall daraus ergeben, dass der Betroffene glaubhaft und nachvollziehbar vorträgt, die Erklärung entspreche nicht seinem inneren Willen und er sehe sich an deren Unterzeichnung aufgrund seiner entgegenstehenden inneren Überzeugung gehindert. Für diesen Fall könnte das Verlangen nach einer derartigen Erklärung einen nicht gerechtfertigten Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) darstellen (so VG Hannover, U.v. 20.5.2020 – 12 A 2452/19 – juris Rn. 39 ff; aufgehoben durch OVG Lüneburg, U.v. 18.3.2021 – 8 LB 97/20 – juris Rn. 54 ff.). Der verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigte Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) könnte insbesondere darin liegen, dass das Verlangen nach Abgabe der Reueerklärung die Selbstbezichtigung einer Straftat beinhaltet (so Schleswig-Holsteinisches VG U.v. 25.6.2021 – 11 A 270/20 – juris Rn. 43 ff.).
a) Die grundsätzliche Möglichkeit der Unzumutbarkeit der Abgabe einer Reueerklärung (wegen eines nicht gerechtfertigten Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht) unterstellend, erweist sich das Verlangen nach Abgabe der Reueerklärung im vorliegenden Einzelfall jedenfalls für den Kläger als zumutbar. Denn er hat nicht glaubhaft und nachvollziehbar vorgetragen, dass eine derartige Erklärung nicht seinem inneren Willen entspreche und er sich an deren Abgabe aufgrund seiner entgegenstehenden inneren Überzeugung gehindert sehe (vgl. VG Hannover, U.v. 20.5.2020, a.a.O. Rn. 40 ff.), dass er sich aus Gründen der Wahrung seiner persönlichen Integrität und Werte weigere, die Reueerklärung zu unterzeichnen (vgl. Schleswig-Holsteinisches VG, U.v. 25.6.2021, a.a.O. Rn. 45), dass er eine Gewissensentscheidung, die den Charakter eines unabweisbaren, den Ernst eines die ganze Persönlichkeit ergreifenden sittlichen Gebots, einer inneren Warnung vor dem Bösen und eines unmittelbaren Anrufs zum Guten trage, getroffen habe (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 18.3.2021 – 8 LB 97/20 – juris Rn. 48 ff. m.w.N. insbesondere zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).
b) Bei Wahrunterstellung, dass dem Kläger bereits am 4. Oktober 2017 bei seinem Besuch in der eritreischen Auslandsvertretung mitgeteilt wurde, dass er eine Reueerklärung abzugeben habe (ohne dass es darauf ankommt, drängt sich zudem der Gedanke auf, dass dem seit dem Jahr 2014 in Deutschland befindlichen Kläger und seinem Vertreter diese Problematik bereits vorher bekannt war, jedenfalls bekannt sein musste), hat der Kläger diesen Umstand der zuständigen Behörde erst knapp ein Jahr später mitgeteilt. Ebenso hat er in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht darauf hingewiesen. Zur Begründung seiner insoweit ablehnenden Haltung hat er lediglich mit Schriftsatz seines Klägervertreters vom 18. Dezember 2018 Stellung genommen. Die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat er nicht dazu genutzt, individuell darzulegen, warum er sich außer Stande sehe, eine Reueerklärung abzugeben. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 1. Juli 2019 (dementsprechend) die sich aus dem Verlangen der Abgabe einer Reueerklärung ergebende Problematik nicht behandelt. Erst im Zulassungsantragsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof hat sich der Kläger insoweit weiter geäußert. Zudem tätigte er die (dargestellten) Ausführungen auf Fragen des Senats in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof.
c) In Würdigung der Umstände des Einzelfalles hat der Kläger zunächst nicht dargetan, dass das Verlangen nach Abgabe einer Reueerklärung für ihn problematisch, gar unzumutbar sein könnte. Ersichtlich hat sich das Verwaltungsgericht auch deshalb mit dieser Frage gar nicht befasst. Aber auch die späteren Ausführungen des Klägers lassen nicht erkennen, dass sich der Kläger durch den Zwang zur Abgabe einer Reueerklärung in eine seiner inneren Überzeugung entgegenstehende Konfliktlage begeben würde mit der Folge, dass der Unterzeichnung des Schriftstücks einer von ihm (ernsthaft) getroffenen Gewissensentscheidung entgegenstehen würde. Den insoweit zu stellenden Anforderungen genügen die vom Kläger getätigten, eher allgemein gehaltenen Angaben (es handle sich um Erpressung, um zwangsweise Unterschutzstellung unter den eritreischen Staat; von einem Geflüchteten könne nicht verlangt werden, dass er sich bei dem Land entschuldige, aus dem er geflohen sei aufgrund der dortigen katastrophalen Verhältnisse; Weigerung den vom Kläger nicht gewählten und nicht wählbaren Diktator zu unterstützen, Weigerung ein verbrecherisches System zu unterstützen) nicht. Seine Aussagen beziehen sich zudem (jedenfalls im Hinblick auf die Aussagen seines Vertreters im Schriftsatz vom 24.10.2019 sowie im Hinblick auf die konkrete Frage im Rahmen der informatorischen Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, warum er sich weigere, eine Reueerklärung abzugeben) weniger auf die Abgabe der Reueerklärung, sondern eher auf die Entrichtung der Aufbausteuer. Mithin ist nicht dargelegt, dass die Abgabe der Reueerklärung den Kläger „in echte Gewissensnöte“ (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 18.3.2021 – a.a.O. – juris Rn. 56) bringen könnte. Der Kläger hat lediglich seine ablehnende Haltung gegenüber der eritreischen Staatsführung dargelegt sowie (schriftsätzlich) seinen fehlenden Willen aufgezeigt, sich bei dem „verbrecherischen Regime“ zu entschuldigen. Im Übrigen ist auch aus den Gesamtumständen nicht ersichtlich, dass der Kläger in einer Oppositionsstellung zur Führung Eritreas stehen würde und sich daraus (ggf. zusätzliche) Anhaltspunkte für die Unzumutbarkeit der Abgabe einer Reueerklärung ergeben könnten.
d) Auch handelt es sich bei der Abgabe der Reueerklärung nicht um eine Selbstbezichtigung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach ein Zwang, durch eigene Aussagen die Voraussetzungen für eine strafgerichtliche Verurteilung oder die Verhängung entsprechender Sanktionen liefern zu müssen, unzumutbar und mit der Würde des Menschen unvereinbar ist, da der Kläger anders als den in vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fällen zu Selbstbezichtigungen selbst entscheidet, ob er die Reueerklärung gegenüber der eritreischen Auslandsvertretung abgibt, um so einen Nationalpass zu erlangen, oder ob er hierauf verzichtet; eine imperative Verpflichtung zur Unterzeichnung der Reueerklärung existiert gerade nicht (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 18.3.2021 – 8 LB 97/20 – juris Rn. 64 m.w.N.).
e) In Anbetracht des Umstandes, dass der Kläger nicht dargetan hat, durch die Abgabe einer Reueerklärung in eine für ihn nicht hinnehmbare Konfliktlage aufgrund einer ernsthaften Gewissensentscheidung zu gelangen, kann dahinstehen, dass nach Auffassung des OVG Lüneburg (U.v. 18.3.2021, a.a.O. Rn. 58 ff.) die Abgabe und Entgegennahme der Erklärung mit einer geringen Ernsthaftigkeitserwartung einhergehen und dass die tatsächlichen Folgen dem Erklärungsinhalt widersprechen. Das OVG Lüneburg führt aus, die Erklärung, es zu bereuen, den nationalen Pflichten nicht nachgekommen zu sein, sei unter Berücksichtigung der Gesamtumstände bei wertender Betrachtung nicht etwa so zu verstehen, dass hiermit eine echte Reue des Unterzeichnenden bekundet werde, wofür zum einen spreche, dass eine Vielzahl von Auslandseritreern diese Erklärung freiwillig unterzeichne, um die mit dem Diaspora-Status verbundenen Vorteile zu erlangen, aber nicht anzunehmen sei, dass diese Personen ihre Flucht und die damit verbundene Entziehung von der schwer belastenden Dienstpflicht ernsthaft bereuten, dagegen spreche auch, dass die Situation, in der die Erklärung abgegeben werde, gar keinen Anlass biete, in eine ernsthafte Reflektion über eigene Schuld oder Verantwortlichkeit für ein vermeintliches Fehlverhalten einzutreten, die Erklärung diene der Erlangung des Diaspora-Status und sei Vorbedingung für konsularische Dienstleistungen, es handle sich um eine bloße Formalie, mit der der Unterzeichnende zu erkennen geben solle, dass er den eritreischen Staat akzeptiere, auch erfahre der eritreische Staat durch die Reueerklärung nichts, was er aufgrund der schlichten Vorsprache bei dem Konsulat nicht schon wüsste, die Abgabe der Reueerklärung erhöhe das Risiko einer Strafverfolgung gegenüber dem in Eritrea allgemein bestehenden Risiko der willkürlichen Inhaftierung nicht, vielmehr reduziere die Abgabe der Reueerklärung die Wahrscheinlichkeit einer Bestrafung, zumal kurzzeitige Eritrea-Gesuche von Diaspora-Angehörigen normalerweise problemlos verlaufen würden. Soweit einige Quellen gegenüber EASO von vereinzelten Vorfällen berichtet hätten, bei denen Besucher verhaftet oder in den Nationaldienst berufen worden seien, seien diese allerdings entweder wegen oppositioneller Aktivtäten im Ausland als regierungskritisch angesehen worden (dies trifft für den Kläger nicht zu) oder hätten die Reueerklärung gerade nicht unterzeichnet (vgl. EASO, Eritrea, Nationaldienst, Ausreise und Rückkehr, September 2019, S. 64 ff;).
5. Eine Unzumutbarkeit der Passerlangung ist auch nicht deshalb anzunehmen, weil – wie der Kläger meint – er bei einer Reise ins Ausland (konkret nach Israel) mit einem eritreischen Nationalpass eher von einer Abschiebung nach Eritrea bedroht wäre, als wenn er in Besitz eines deutschen Reiseausweises wäre. Der Senat vermag eine vom Kläger behauptete höhere Bedrohungslage bei einer Auslandsreise mit eritreischem Nationalpass nicht zu erkennen. Durch die Erteilung eines deutschen Reiseausweises für Ausländer behielte der Kläger die eritreische Staatsangehörigkeit, die auch in den Reiseausweis für Ausländer einzutragen wäre (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 9 AufenthV). Sie wäre damit für ausländische Behörden ebenso, wie wenn er einen Pass oder ein Passersatzpapier seines Heimatstaates besäße, erkennbar (vgl. OVG Hamburg, B.v. 28.2.2012 – 4 Bf 207/11.Z – juris Rn. 23; im Hinblick auf BayVGH B.v. 17.10.2018 – 19 ZB 15.428 – juris Rn. 12 insoweit klarstellend).
6. Eine Unzumutbarkeit der Erlangung eines Nationalpasses folgt auch nicht aus § 4 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 AufenthV, wonach Passersatzpapiere mit dem einschränkenden Nachweis ausgestellt werden können, dass die Personendaten auf den eigenen Angaben des Antragstellers beruhen (vgl. dazu BayVGH B.v. 10.2.2016 – 19 ZB 14.2708 – juris Rn. 8). Diese Ermessensvorschrift kommt nur dann zum Tragen, wenn ein Ausländer in Anbetracht der hier behandelten Problemstellungen auf zumutbare Weise keinen Pass erlangen kann (§ 5 Abs. 1 AufenthV). Dies ist wie dargelegt nicht der Fall. Im Übrigen ist es schwerlich denkbar, dass der Kläger im Rahmen ausreichender zumutbarer Bemühungen zur Beschaffung erforderlicher Unterlagen für die Erlangung eines Nationalpasses (bzw. im Rahmen des „Zeugenbeweises“) nicht auch seine Personendaten, mithin seine Identität nachvollziehbar dartun könnte.
7. Da die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 AufenthV nicht vorliegen, kommt es nicht mehr darauf an, dass es sich bei § 5 Abs. 1 AufenthV auf der Rechtsfolgenseite um eine Ermessensvorschrift handelt. Dahinstehen kann, ob für den Fall, dass bei einem subsidiär Schutzberechtigten die Tatbestandsvoraussetzungen für die Ausstellung eines Reiseausweises vorliegen und zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung der Erteilung eines Reiseausweises nicht entgegenstehen, Art. 25 Abs. 2 der RL 2011/95/EU eine Ermessensreduzierung auf Null bewirkt mit der Folge, dass die Ausländerbehörden zur Ausstellung eines Reiseausweises verpflichtet sind (vgl. VG Hannover, U.v. 20.5.2020; 12 A 2452/19; juris Rn. 48 m.w.N.).
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen (§ 154 Abs. 1 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 11 ZPO und § 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.


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