Verwaltungsrecht

Religionsausübung als wesensprägendes Charaktermerkmal eines Asylbewerbers

Aktenzeichen  21 ZB 16.30040

Datum:
13.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 20332
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3a Abs. 1, § 78 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2

 

Leitsatz

1. Zeigen die religiösen Aktivitäten einer Person nicht auf, dass sie für ihn ein wesensprägendes Charaktermerkmal sind, kann er sich nicht auf eine schwerwiegende Verletzung von grundlegenden Menschenrechten durch eine Einschränkung der Ausübung seiner Religion berufen. (Rn. 4 – 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG, wenn die Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung nicht erheblich war. (Rn. 2 – 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 11 K 14.30818 2016-01-20 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1.1. Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) zuzulassen.
Eine Rechtssache hat – soweit hier von Interesse – nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinn des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG, wenn eine im Zulassungsantrag formulierte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war und wenn sie klärungsbedürftig ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 36). Der Zulassungsantrag lässt nicht erkennen, dass diese Voraussetzungen vorliegen.
1.1.1 Der Kläger misst der Frage eine grundsätzliche Bedeutung bei, „ob es zutreffen kann, dass eine Religionsausübung nur bei einem Stattfinden in der Öffentlichkeit oder bei einem Hineinwirken in die Öffentlichkeit eingriffsfähig im Sinn einer Verfolgung ist“. (Hervorhebung durch den Senat).
Diese Frage war für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich, weil es sich im Hinblick auf den Kläger nur mit einer öffentlichkeitsbezogenen religiösen Betätigung zu befassen hatte. Das Vorbringen des Klägers im Rahmen der Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge enthält nichts Konkretes dazu, dass der Kläger in Pakistan deshalb Verfolgungshandlungen im Sinn des § 3a Abs. 1 AsylG zu erdulden hatte, weil er seine Religion im privaten Rahmen praktizierte. Solches ergibt sich auch nicht aus dem erstinstanzlichen Vorbringen des Klägers, das lediglich auf einer Verfolgung der Ahmadis in Pakistan wegen einer Religionsausübung in der Öffentlichkeit abzielte.
1.1.2 Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob den Ausführungen des Verwaltungsgerichts ein schwerwiegender Bewertungsfehler deshalb zugrunde liege, weil es die vom Kläger geschilderten Verfolgungsmaßnahmen als bloße „Diskriminierung“ bewertet habe und festgestellt habe, die Umstände würden „auch kumuliert nicht das Ausmaß einer schwerwiegenden Verletzung von grundlegenden Menschenrechten“ erreichen.
Das rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Berufung. Das Verwaltungsgericht hat die vom Kläger vorgetragenen Umstände als die für Pakistan typischen Benachteiligungen von Ahmadis durch radikale Moslems eingeordnet (UA S. 9). Das Zulassungsvorbringen übt der Sache nach Kritik an dieser spezifisch auf den Vortrag des Klägers bezogenen verwaltungsgerichtlichen Bewertung ohne aufzuzeigen, dass damit eine über den Einzelfall hinausreichende Grundsatzfrage aufgeworfen ist.
1.1.3 Mit dem Zulassungsantrag wird schließlich die als grundsätzlich bedeutsam erachtete Frage formuliert, „ob der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte Rechtssatz richtig ist, dass eine religiöse Betätigung hier in Deutschland nur dann Einfluss auf die Entscheidungsfindung hat, wenn sie sich als Fortsetzung einer in dieser Weise zumindest bereits im Wesentlichen gegebenen Haltung im Heimatland darstellt.“
Diese Frage war für das Verwaltungsgericht wiederum nicht entscheidungserheblich. Es hat vielmehr die in Deutschland gezeigten religiösen Aktivitäten des Klägers dahingehend bewertet, dass die öffentliche Religionsausübung auch nicht in Deutschland zu einem wesensprägenden Charaktermerkmal des Klägers geworden sei. Solches wäre aber als relevanter subjektiver Gesichtspunkt für die Schwere der vom Kläger befürchteten Verletzung der Religionsfreiheit erforderlich (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 – NVwZ 2013, 936/939).
1.2 Die vom Kläger geltend gemachte Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) besteht nicht.
Das Verwaltungsgericht hat entgegen dem Zulassungsvorbringen schon nicht den Rechtssatz aufgestellt, „dass eine Religionsausübung nur bei einem Stattfinden in der Öffentlichkeit oder bei einem Hineinwirken in die Öffentlichkeit eingriffsfähig im Sinn einer Verfolgung ist“. Auf das unter 1.1.1 Dargelegte wird verwiesen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 20. Januar 2016 rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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