Verwaltungsrecht

Schlechte Lebensbedingungen in Sierra Leone rechtfertigen allein keine Berufungszulassung

Aktenzeichen  9 ZB 20.31157

Datum:
16.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14738
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1
EMRK Art. 3
AufenthG § 60 Abs. 5

 

Leitsatz

Allein die Schilderung der katastrophalen humanitären Situation in Sierra Leone genügt nicht, um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 30 K 17.43062 2020-01-24 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Kläger ist nach eigenen Staatsangehöriger S. L. und begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie hilfsweise die Zuerkennung subsidiären Schutzes und die Feststellung von Abschiebungshindernissen. Mit Urteil vom 24. Januar 2020 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt erfolglos. Die vom Kläger allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache liegt nicht vor (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 22.10.2019 – 9 ZB 18.30670 – juris Rn. 3 m.w.N.). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
a) Soweit der Kläger vorträgt, dass „durch den Angriff der RUF und AFRC am 06.01.2020 in Freetown“ (gemeint wohl 6.1.2002) sein Vater erschossen, seine Schwester mit einem Säbel der Arm abgehackt und er selbst von den Rebellen mitgenommen wurde, weshalb er den Rebellen bekannt sei und „eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens des Klägers“ vorläge, ist eine Entscheidungserheblichkeit insoweit weder ersichtlich noch dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat – unabhängig von den Zweifeln an der Glaubhaftigkeit der klägerischen Angaben über sein Verfolgungsschicksal – darauf abgestellt, dass der Kläger eine zumutbare inländische Fluchtalternative habe und dass nicht wahrscheinlich sei, dass der Kläger nach über 18 Jahren überhaupt wiedererkannt würde. Hiermit setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht auseinander. Vielmehr wendet sich der Kläger im Gewand einer Grundsatzrüge gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, was keinen Zulassungsgrund i.S.d. § 78 Abs. 3 AsylG darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 22.1.2019 – 9 ZB 18.31719 – juris Rn. 5).
b) Der Kläger sieht zudem eine grundsätzliche Bedeutung in der Frage, „ob aufgrund der schlechten humanitären Bedingungen in Sierra Leone die Rahmenbedingungen eine Gefahrenlage begründen, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK führen kann“. Das Verwaltungsgericht hat unter Würdigung der eingeführten Erkenntnismittel auf die schwierigen Lebensbedingungen in Sierra Leone abgestellt und ist auf dieser Basis zu der Einschätzung gelangt, dass es dem Kläger als arbeitsfähigem, jungen Mann trotz dieser schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse möglich sein wird, sein Existenzminimum und sogar das seiner ganzen Familie zu sichern. Das Zulassungsvorbringen setzt sich insoweit nicht mit den vom Verwaltungsgericht eingeführten und zitierten Erkenntnismitteln auseinander und legt auch nicht anhand überprüfbarer Hinweise auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte Tatsachen- und Erkenntnisquellen (z.B. Gutachten, Auskünfte, Presseberichte, andere Gerichtsentscheidungen) dar, inwieweit die aufgeworfene Frage entscheidungserheblich ist und warum sie im Berufungsverfahren zu einer vom angefochtenen Urteil abweichenden Entscheidung führen könnte (vgl. BayVGH, B.v. 20.1.2020 – 9 ZB 20.30142 – juris Rn. 3). Allein die Schilderung der katastrophalen humanitären Situation, wie sie das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung auch zugrundegelegt hat, genügt hierfür nicht. Abgesehen davon ist die Frage auch nicht verallgemeinernd, sondern nur nach jeweiliger Würdigung der Verhältnisse im Einzelfall zu beurteilen (vgl. BayVGH, B.v. 8.10.2019 – 9 ZB 19.33218 – juris Rn. 4).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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