Verwaltungsrecht

Schornsteinfegerrecht;, Widerruf der Bestellung als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger;, gleichzeitige Ausübung des Amts als berufsmäßiger 1. Bürgermeister;, unauflösbare Interessenkollision bezüglich gemeindlicher Grundstücke;, fehlende Möglichkeit der Vertretung;, gleichzeitige Ausübung zweier hauptamtlicher Tätigkeiten;, Bezugnahme auf Beschluss im Sofortverfahren und des BayVGH im Beschwerdeverfahren;, Ablehnung von Beweisanträgen;

Aktenzeichen  W 8 K 20.1860

Datum:
27.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 30544
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
SchfHwG § 12 Abs. 1 Nr. 2
SchfHwG § 11

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da der Bescheid der Regierung von Unterfranken vom 27. Oktober 2020, mit dem die Bestellung des Klägers zum 1. März 2016 zum bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger auf den Kehrbezirk … widerrufen wird, rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Das Gericht nimmt Bezug auf seinen Beschluss vom 2. März 2021 – W 8 S 21.241 – juris, in welchem es das klägerische Vorbringen bereits ausführlich gewürdigt hat, sowie auf den hierzu ergangenen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Mai 2021 – 22 CS 21.858 – juris, soweit sich nicht aus den nachfolgenden Ausführungen etwas Abweichendes ergibt.
Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass mit Bescheid der Regierung von Unterfranken vom 28. Juni 2021 mit Wirkung vom 1. September 2021 im betroffenen Kehrbezirk ein neuer bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger bestellt wurde. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger im Verfahren W 8 K 21.1180 Klage erhoben. Der im Beamtenrecht geltende Grundsatz der Ämterstabilität, wonach ein Amt mit der Ernennung des ausgewählten Bewerbers unwiderruflich vergeben ist, ist nicht auf die Bestellung von Bezirksschornsteinfegermeistern übertragbar (vgl. BayVGH, U.v. 22.12.2011 – 22 B 11.1139 – juris Rn. 25). Bei einem – hier im Ergebnis zu verneinenden – Obsiegen des Klägers hätte der Beklagte vielmehr im Wege der Folgenbeseitigung die Bestellung des neu bestellten Schornsteinfegermeisters rückgängig zu machen, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO (vgl. VG Augsburg, U.v. 2.8.2012 – Au 5 K 12.55 – juris Rn. 39).
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Hinsichtlich der von der Behörde herangezogenen Rechtsgrundlage des streitgegenständlichen Bescheids bzw. der grundsätzlichen Möglichkeit von dessen Aufrechterhaltung mit § 12 Abs. 1 Nr. 2 SchfHwG als Rechtsgrundlage und den allgemeinen Ausführungen zu deren tatbestandlichen Voraussetzungen nimmt das Gericht Bezug auf seinen Beschluss vom 2. März 2021 – W 8 S 21.241 – (juris Rn. 23 ff.) sowie auf den hierzu ergangenen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Mai 2021 – 22 CS 21.858 – (juris Rn. 27 ff.).
Das Gericht hat in seinem Beschluss vom 2. März 2021 – W 8 S 21.421 – (juris Rn. 26) bereits ausgeführt:
„Nach ständiger Rechtsprechung besitzt ein bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger nur dann die erforderliche fachliche und persönliche Zuverlässigkeit für die Ausübung seines Amtes, wenn er die Gewähr dafür bietet, jederzeit seine Berufspflichten zu erfüllen. Diese ergeben sich insbesondere aus § 8 und §§ 13 bis 16 SchfHwG. Danach hat der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger eine Doppelstellung inne, wobei der hoheitliche Bereich der Tätigkeit als Beliehener von dem handwerklichen Teil zu unterscheiden ist. So gehört er gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 SchfHwG als Gewerbetreibender dem Schornsteinfegerhandwerk an und übt zugleich gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 SchfHwG hoheitliche Tätigkeiten aus, insbesondere bei der Führung der Kehrbücher nach § 13 SchfHwG, bei der Feuerstättenschau nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SchfHwG, bei Erlass des Feuerstättenbescheides nach § 14a SchfHwG und bei der Bauabnahme nach § 16 Abs. 1 SchfHwG i.V.m. Art. 28 Abs. 3 BayBO (vgl. Seidel/Fischer/Kreiser, Schornsteinfegerhandwerksrecht, 2. Aufl. 2019, § 8 SchfHwG, Rn. 14). Der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger hat somit im Vergleich zu anderen Handwerkern eine Sonderstellung inne, bei der die öffentlich-rechtlichen Elemente überwiegen. Für ihn gelten nicht nur die Anforderungen des allgemeinen Handwerks- und Gewerberechts. Zusätzlich muss er auch die Gewähr dafür bieten, diejenigen spezifischen Berufspflichten zu erfüllen, die sich gerade aus der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben begründen. Ob der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger unzuverlässig ist, beurteilt sich anhand von Tatsachen, die auf sein künftiges Verhalten in Ausübung seines Berufs schließen lassen. Von der Behörde wird demnach eine Wertung von Tatsachen verlangt, verbunden mit einer Prognose auf das künftige Verhalten des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers. Dabei entspricht es den allgemeinen Grundsätzen des Rechts der Gefahrenabwehr, umso strengere Anforderungen an die Zuverlässigkeit zu stellen, je schutzwürdiger die Rechtsgüter sind, die gefährdet werden können, und je höher der mögliche Schaden ist. Insoweit sind in Anbetracht der ihm übertragenen öffentlichen Aufgaben im Bereich des präventiven Brand- und Immissionsschutzes und des Umweltschutzes an dessen Zuverlässigkeit hohe Anforderungen zu stellen (vgl. VG München, U.v. 28.5.2019 – M 16 K 17.4056 – juris; B.v. 6.2.2018 – M 16 S 17.4055 – juris; SächsOVG, U.v. 15.6.2017 – 3 A 358/16 – GewArch. 2017, 438; SaarlOVG, B.v. 11.10.2013 – 1 B 395/13 – GewArch 2014, 89; BVerwG, U.v. 7.11.2012 – 8 C 28/11 – BVerwGE 145, 67).“
Wie bereits im Beschluss vom 2. März 2021 – W 8 S 21.241 – (juris Rn. 31) ausgeführt, resultiert die Unzuverlässigkeit des Klägers als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger aus der durch die gleichzeitige Wahrnehmung des Bürgermeisteramts resultierenden Arbeitsbelastung und nicht lösbaren Interessenkonflikten und basiert damit auf Umständen, von denen in der Folge schwerwiegende Gefahren für die Allgemeinheit ausgehen können. Bei dieser Sachlage kann dem Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der letzten Behördenentscheidung in Bezug auf sein künftiges, berufliches Verhalten keine positive Prognose dahingehend gestellt werden, dass er die Gewähr dafür bietet, seinen Beruf in Zukunft ordnungsgemäß auszuüben.
Mit Beschluss des Marktgemeinderats vom 26. Mai 2020 wurde dem Kläger eine Nebentätigkeitsgenehmigung erteilt, wonach er acht Stunden wöchentlich seiner Nebentätigkeit als Kaminkehrermeister nachgehen darf. Mit Schreiben vom 22. September 2021 an die Regierung von Unterfranken stellt … klar, dass dem Gemeinderat bekannt ist und war, dass der Kläger als amtierender Bürgermeister weiterhin bevollmächtigter Kaminkehrer ist und auch hoheitliche Tätigkeiten ausführt.
Auf die Frage des konkret erforderlichen Zeitaufwands des Klägers für die von ihm wahrzunehmenden Schornsteinfegertätigkeiten, wozu das Gericht im Beschluss vom 2. März 2021 – W 8 S 21.421 – (juris Rn. 32 ff.) und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 21. Mai 2021 – 22 CS 21.858 – (juris Rn. 46 ff.) umfangreiche Ausführungen gemacht haben, kommt es jedoch nicht entscheidungserheblich an. Es kann mangels Entscheidungserheblichkeit unterstellt werden, dass der Kläger während seiner gleichzeitigen Ausübung des Bürgermeisteramts hoheitliche und nicht-hoheitliche Tätigkeiten innerhalb eines Zeitraums von weniger als acht Stunden pro Woche ausgeübt hat.
Die Unzuverlässigkeit des Klägers im Sinn von § 12 Abs. 1 Nr. 2 SchfHwG ergibt sich vielmehr allein tragend schon aus den durch die gleichzeitige Wahrnehmung des Bürgermeisteramts resultierenden Arbeitsbelastung und nicht lösbaren Interessenkonflikten (vgl. schon BayVGH, B.v. 21.5.2021 – 22 CS 21.858 – juris Rn. 62; VG Würzburg, B.v. 2.3.2021 – W 8 S 21.241 – juris Rn. 31, 36). Insofern ist es unerheblich, ob der Kläger seine Aufgaben als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger grundsätzlich in der ihm nach der Nebentätigkeitsgenehmigung des Gemeinderats dafür zur Verfügung stehenden Zeit ausüben kann.
Die Frage der Rechtmäßigkeit der Nebentätigkeitsgenehmigung kann folglich weiterhin offenbleiben. Insoweit wird lediglich auf die Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 21. Mail 2021 – 22 CS 21.858 – (juris Rn. 44) hingewiesen, dass die Nebentätigkeitsgenehmigung lediglich das (Dienst-)Verhältnis zwischen dem Kläger und seiner Gemeinde (vgl. Art. 30 KWBG, Art. 81 BayBG) betrifft. Sehe sich jedoch der Kläger an eine solche, in seiner Bestellung und im SchfHwG nicht enthaltene Vorgabe, in welchem zeitlichen Umfang er seine Aufgaben als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger zu erledigen habe, gebunden, spreche viel dafür, dass schon dies zureichende Anhaltspunkte dafür biete, dass er seine Berufspflichten nicht – wie für die Annahme seiner Zuverlässigkeit geboten – jederzeit in vollem Umfang erfüllen werde. Die Vorgabe, die Aufgaben des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers innerhalb einer bestimmten wöchentlichen Stundenzahl zu erfüllen, dürfte nämlich nicht mit dem Erfordernis vereinbar sein, dass die jederzeitige Aufgabenerfüllung gewährleistet sein müsse.
Eine nicht lösbare und damit zur Unzuverlässigkeit im Sinn von § 12 Abs. 1 Nr. 2 SchfHwG führende Interessenkollision des Klägers besteht hinsichtlich der vom Kläger zu prüfenden Gebäude im Eigentum der Gemeinde. Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Beschluss vom 21. Mai 2021 – 22 CS 21.858 – (juris Rn. 57) von einem Interessenkonflikt aus und führt aus:
„Der Antragsteller ist als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger selbst Behörde (vgl. Art. 1 Abs. 2 BayVwVfG), weil er als beliehener Unternehmer Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahrnimmt (vgl. BVerwG, U.v. 17.12.2015 – 7 C 5.14 – BVerwGE 153, 367 – juris Rn. 24). Gleichzeitig vertritt er als erster Bürgermeister seine Gemeinde nach außen (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GO). Dass ein Interessenskonflikt besteht, wenn Prüfer und der Vertreter des Geprüften identisch sind, liegt auf der Hand und wird durch den pauschalen Hinweis des Antragstellers auf seine Bindung an Recht und Gesetz in beiden Funktionen nicht in Frage gestellt.“
Die Klägerbevollmächtigte hat in der mündlichen Verhandlung auf die Möglichkeit einer Vertretung des Klägers als Schornsteinfeger bei der Frage der Interessenkollision infolge einer rechtlichen Verhinderung nach § 11 SchfHwG verwiesen. Aus der Gesetzesbegründung ergebe sich, dass als Verhinderungsgrund meistens zeitliche und damit tatsächliche Gründe in Betracht kämen. Unter die restlichen Fälle würde also auch eine Verhinderung aus rechtlichen Gründen fallen. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/9237, S. 33) § 11 SchfHwG Regelungen für den Fall trifft, dass Bezirksbevollmächtigte vorübergehend gehindert sind, ihre Aufgaben wahrzunehmen und die Regelung des § 11 Abs. 1 SchfHwG vor allem bei geplanter Abwesenheit in Frage kommen wird. Eine lediglich vorübergehende Verhinderung ist jedoch bei einer Interessenkollision der vorliegenden Art gerade nicht gegeben.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof führt hinsichtlich § 11 SchfHwG in seinem Beschluss vom 21. Mai 2021 – 22 CS 21.858 – (juris Rn. 57) aus:
„Der Gesetzgeber wollte mit dieser Norm Regelungen für den Fall treffen, dass Bezirksbevollmächtigte vorübergehend gehindert sind, ihre Aufgaben wahrzunehmen (vgl. BT-Drs. 16/9237, S. 33); dementsprechend hat er in § 11 Abs. 2 und Abs. 3 SchfHwG differenzierte Regelungen hinsichtlich der Dauer der Verhinderung getroffen. Von einer wegen eines Interessenskonflikts einerseits dauerhaften, andererseits nur auf bestimmte Objekte (hier: solche im Eigentum der Gemeinde des Antragstellers) bezogenen „Verhinderung“ ist in § 11 SchfHwG nicht die Rede. Eine Vertretung gem. § 11 SchfHwG wegen eines möglichen Interessenskonflikts wird auch nur in § 18 Abs. 3 SchfHwG für die – hier nicht vorliegenden – Fälle des § 18 Abs. 2 SchfHwG angeordnet. Die genannten Vorschriften regeln die Vertretungsfälle abschließend (BayVGH, B.v. 18.12.2017 – 22 ZB 17.1419 – juris Rn. 17).“
Das Gericht schließt sich diesen Ausführungen an. Nach § 18 Abs. 3 Satz 1 SchfHwG hat sich der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger in den in § 18 Abs. 2 SchfHwG geregelten Fällen einer Interessenkollision vertreten zu lassen. § 11 SchfHwG ist hiernach entsprechend anzuwenden, § 18 Abs. 3 Satz 2 SchfHwG. Die entsprechende Anwendung des § 11 SchfHwG zeigt, dass entgegen der Ansicht der Klägerbevollmächtigten nach der Gesetzessystematik § 11 SchfHwG keine (unmittelbare) Regelung für eine Vertretung in Interessenskonflikten enthält.
Daneben ergeben sich im Hinblick auf die eigene Gemeinde des Klägers weitere Interessenkonflikte aus seinem Schreiben vom 9. September 2020 (Bl. 24 der Behördenakte), wonach viele seiner Kunden ihm gesagt hätten, dass sie ihn nur dann wählen würden, wenn er ihr Kaminkehrer bleibe, und dass er im Wahlkampf immer gesagt habe, dass er seinen Kehrbezirk behalten werde. Dies zeigt, dass für den Kläger eine enge – auch persönliche – Verbindung zwischen der Bestellung als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger und seiner Wahl als erster Bürgermeister besteht (vgl. BayVGH, B.v. 21.5.2021 – 22 CS 21.858 – juris Rn. 58).
Die Unzuverlässigkeit des Klägers im Sinn von § 12 Abs. 1 Nr. 2 SchfHwG ergibt sich zudem aus der durch die gleichzeitige Wahrnehmung des Bürgermeisteramts resultierenden Arbeitsbelastung.
Die Aufgaben eines bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers umfassen auch die Bewältigung der in den §§ 15 und 16 Abs. 2 SchfHwG genannten, nicht planbaren Situationen, die damit eine ständige Verfügbarkeit des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers erfordern, zumal solche, die im Hinblick auf die Belange der Betriebs- und Brandsicherheit sowie des Umweltschutzes Handeln unter Zeitdruck erfordern (BayVGH, B.v. 21.5.2021 – 22 CS 21.858 – juris Rn. 61). Aufgrund der fehlenden Planbarkeit der Aufgaben führt das Erfordernis der ständigen Verfügbarkeit des Bezirksschornsteinfegers zu einer zeitlichen Kollision mit dem berufsmäßig ausgeübten Bürgermeisteramt, die nicht allgemein durch eine Vertretung durch die zweite Bürgermeisterin geregelt werden kann. Auch im Rahmen der Tätigkeit als berufsmäßiger Bürgermeister lässt sich vieles zeitlich nicht frei disponieren, mitunter sind unaufschiebbare Entscheidungen zur treffen, wie bereits der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 21. Mai 2021 – 22 CS 21.858 – (juris Rn. 38) aufgezeigt hat. Weiter wird vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Aufgaben des berufsmäßigen ersten Bürgermeisters in dem genannten Beschluss ausgeführt:
„Die mit diesen Funktionen und sachlichen Aufgaben verbundene Verantwortung verlangt, soll sie ordnungsgemäß und wirkungsvoll wahrgenommen werden, bei berufsmäßigen ersten Bürgermeistern ein erhebliches, den Durchschnitt übersteigendes Maß an Arbeitseinsatz, Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit im Sinn physischer und psychischer Belastbarkeit. Der erforderliche, der gewissenhaften Erfüllung der Amtspflichten geschuldete (Art. 27 Abs. 1 KWBG) Einsatz für die Aufgaben der Gemeinde oder des Landkreises und deren – beispielsweise soziale, kulturelle, wirtschaftliche und finanzielle – Belange ist nicht nur umfangreich, sondern insbesondere nicht oder nur begrenzt absehbar und dementsprechend nicht steuerbar. Das weite Aufgabenspektrum bedingt, dass viele Themen von außen auf die Gemeinden zukommen, sei es – wiederum nur beispielhaft – etwa infolge von Anliegen der Gemeindebürger, durch wirtschaftliche Unternehmungen oder überörtliche Planungen. … Eine „geregelte“ Arbeitszeit ist den Anforderungen des Amts fremd; es fordert die Gewählten auch an Abenden und Wochenenden. Die gesetzlichen Vertretungsregeln sehen bei den berufsmäßigen Bürgermeistern im Regelfall eine lediglich ehrenamtliche Vertretung vor (Art. 35 Abs. 1 Satz 2 GO).“
Das Erfordernis der ständigen Verfügbarkeit des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers ist mit der gleichzeitigen Wahrnehmung des Bürgermeisteramts durch den Kläger nicht vereinbar.
Ferner erlauben die hauptamtliche Tätigkeit eines Bürgermeisters und die Tätigkeit als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger generell jeweils nur anderweitige Nebentätigkeiten, sind aber nicht jeweils hauptamtlich nebeneinander möglich. Zwar ist das früher für den Bezirksschornsteinfegermeister grundsätzlich geltende Nebenerwerbsverbot (§ 14 SchfG) mit Geltung des SchfHwG entfallen. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich aber, dass auch unter Geltung des SchfHwG nur Nebentätigkeiten erlaubt sind (vgl. BT-Drs. 16/9237, S. 35). Gegen die Vereinbarkeit einer gleichzeitigen Wahrnehmung des berufsmäßigen Bürgermeisteramts als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger spricht auch, dass jeder Bezirksbevollmächtigte grundsätzlich nur für einen Bezirk bestellt werden kann, da bei einer gleichzeitigen Bestellung für mehrere Bezirke die Gefahr bestünde, dass die Aufgaben nicht mehr ordnungsgemäß wahrgenommen werden und dadurch die Betriebs- und Brandsicherheit sowie der Umweltschutz gefährdet werden könnten (Gesetzesbegründung zu § 10 SchfHwG, BT-Drucksache 16/9237, S. 32; Seidel/Fischer/Kreiser, Schornsteinfegerhandwerksrecht, 2. Aufl. 2019, § 10 SchfHwG, Rn. 5). Dies zeigt, dass nach der Wertung des Gesetzgebers von einem nicht unerheblichen zeitlichen Umfang der hoheitlichen Tätigkeiten auszugehen ist, der mit der Ausübung einer weiteren Tätigkeit mit ähnlicher zeitlicher Arbeitsbelastung nicht vereinbar ist Ergänzend wird auch insoweit auf die Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in seinem Beschluss vom 21. Mai 2021 – 22 CS 21.858 – (juris Rn. 62) Bezug genommen:
„Auch aus dem Wegfall der früheren Regelungen zum Nebenerwerb (vgl. § 14 SchfG) ergibt sich hier nichts zu Gunsten des Antragstellers. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen (BA S. 24), dass es sich bei der Tätigkeit als berufsmäßiger erster Bürgermeister um eine hauptamtliche, nicht um eine Nebentätigkeit handelt. Nach dem Willen des Gesetzgebers sind auch nach Ablösung des SchfG durch das SchfHwG (nur) Nebentätigkeiten erlaubt; auch dann muss zudem die ordnungsgemäße Erfüllung der den Bezirksbevollmächtigten übertragenen Aufgaben gewährleistet bleiben und dürfen keine unmittelbaren Interessenskonflikte auftreten (vgl. BT-Drs. 16/9237, S. 35). Angesichts der an die Ausübung des Amts eines berufsmäßigen ersten Bürgermeisters gestellten Anforderungen (vgl. oben) – auch und gerade in zeitlicher Hinsicht – sowie der beschriebenen Interessenskonflikte sprechen gerade diese Erwägungen des Gesetzgebers vorliegend gegen eine Zuverlässigkeit des Antragstellers.“
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf einen Landtagsabgeordneten verwiesen hat, der während seiner Zeit als Abgeordneter in seinem Kehrbezirk hoheitliche Aufgaben beanstandungsfrei durchgeführt habe, ist darauf hinzuweisen, dass Landtagsabgeordnete im Gegensatz zu berufsmäßigen Bürgermeistern keine Beamte auf Zeit sind und daher keinen bestimmten Dienstpflichten unterliegen, sondern vielmehr nur ihrem Gewissen verantwortlich und an Aufträge nicht gebunden sind, Art. 13 Abs. 2 Satz 2 BV (BayVGH, B.v. 21.5.2021 – 22 CS 21.858 – juris Rn. 65).
Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen war eine weitere Beweiserhebung nicht erforderlich.
Die Ablehnung eines Beweisantrags führt nur dann zu einer Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör, wenn die unter Beweis gestellte Tatsachenbehauptung nach dem Rechtsstandpunkt des entscheidenden Gerichts erheblich ist und die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots im Prozessrecht keine Stütze findet (BVerfG, B.v. 8.11.1978 – 1 BvR 158/78 – BVerfGE 50, 32; BVerwG, B.v. 13.9.2017 – 1 B 118.17 – juris Rn. 5; B.v. 25.1.2016 – 2 B 34.14 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO Nr. 75 Rn. 32).
Die in der mündlichen Verhandlung am 27. September 2021 von der Klägerbevollmächtigten gestellten Beweisanträge wurden abgelehnt, da sie unbehelflich waren. Wie die obigen Darlegungen zeigen, kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, dass der Kläger während seiner gleichzeitigen Ausübung des Bürgermeisteramts die Schornsteinfegerarbeiten – unabhängig davon, ob hoheitlich oder nicht-hoheitlich – innerhalb eines Zeitraums von weniger als acht Stunden pro Woche ausgeübt hat. Denn jedenfalls besteht der eigenständige Grund der Interessenkollision fort. Die hauptamtliche Tätigkeit eines Bürgermeisters und die Tätigkeit als bevollmächtigter Bezirksschornsteinfeger erlauben zudem generell wechselseitig nur anderweitige Nebentätigkeiten, sind aber nicht jeweils hauptamtlich nebeneinander möglich.
Die Aufhebung der Bestellung ist auch verhältnismäßig. Insoweit nimmt das Gericht Bezug auf die Ausführungen im Beschluss vom 2. März 2021 – W 8 S 21.241 – (juris Rn. 41), in welchem es das klägerische Vorbringen bereits ausführlich gewürdigt hat, sowie auf den hierzu ergangenen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Mai 2021 – 22 CS 21.858 – (juris Rn. 63).
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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