Verwaltungsrecht

Senegal sicherer Herkunftsstaat trotz Bedrohung durch Rebellen

Aktenzeichen  M 21 K 16.30080

Datum:
14.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3e, § 29a, § 36 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Gegen die Bedrohung durch Rebellen der MFDC als nichtstaatliche Akteure (§ 3c Nr. 3 AsylG) besteht jedenfalls die zumutbare Möglichkeit internen Schutzes im Senegal (§ 3e AsylG). (redaktioneller Leitsatz)
3 Die unterbliebene Tenorierung des Offensichtlichkeitsausspruchs hinsichtlich subsidiärem Schutz ist unschädlich, wenn sich der Wille zur Ablehnung des gesamten Asylantrags als offensichtlich unbegründet bereits aus dem restlichen Tenor sowie ergänzend aus der Rechtsbehelfsbelehrung sowie aus der Begründung ergibt. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet setzt jedenfalls nach Maßgabe von § 30 Abs. 1 AsylG in der seit 6. August 2016 geltenden und mit Blick auf § 77 Abs. 1 S. 1 AsylG maßgeblichen Fassung voraus, dass auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes, einschließlich subsidiärem Schutz nach § 4 AsylG, offensichtlich nicht vorliegen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Über die Klage wird ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden, da sie keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt – soweit entscheidungserheblich – geklärt ist (§ 84 Abs. 1 VwGO).
Die Klage wird nach dem verfolgten Rechtsschutzziel gemäß § 88 VwGO dahin ausgelegt, dass sich der Klageantrag nicht auf die Aufhebung der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots (Nr. 7 des Bescheids) bezieht. Anhaltspunkte dafür, dass eine – mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässige isolierte Aufhebung der Befristungsentscheidung nach § 11 Abs. 2 AufenthG (ausführlich m.w.N. VG München, B.v. 19.1.2016 – M 21 S. 16.30019) mitumfasst sein soll, bestehen nicht. Zudem wird die Klage im Zusammenhang mit den Verpflichtungsanträgen entsprechend der Klagebegründung dahin ausgelegt, dass über die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AsylG hinaus die Verpflichtung der Beklagten auf Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter, hilfsweise auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und weiter hilfsweise auf Gewährung subsidiären Schutzes beantragt ist.
Die Klage ist mit diesem Rechtsschutzziel zulässig, aber offensichtlich unbegründet.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setzt eine Abweisung der Asylklage als offensichtlich unbegründet – mit der Folge des Ausschlusses weiterer gerichtlicher Nachprüfung (§ 78 Abs. 1 AsylVfG) – voraus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage sich dem Verwaltungsgericht geradezu aufdrängt (BVerfG, B.v. 21.7.2000 – 2 BvR 1429/98 – juris Rn. 3; B.v. 27.9.2007 – 2 BvR 1613/07 – juris Rn. 18). Da dem Asylgesetz ein einheitlicher Begriff der offensichtlichen Unbegründetheit zu Grunde liegt, ist die Bestimmung des § 30 AsylG grundsätzlich auch für das gerichtliche Verfahren maßgeblich.
Entsprechend diesem Maßstab ist offensichtlich, dass die Entscheidung des Bundesamtes rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Das Gericht folgt zunächst der Begründung des angefochtenen Bescheids, nimmt auf diesen sowie auf die Gründe des Beschlusses vom 10. Februar 2016 Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG) und weist ergänzend auf Folgendes hin: Nach § 29a Abs. 1 AsylG ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG – einem sogenannten sicheren Herkunftsstaat – als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG droht.
Art. 16a Abs. 3 GG und die entsprechende Regelung in § 29a AsylG beinhalten eine Arbeitsteilung zwischen dem Gesetzgeber und den Behörden und Gerichten. Indem der Gesetzgeber nach vorhergehender Prüfung einzelne Staaten bestimmen kann, in denen gewährleistet erscheint, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet, wird ihm ein Ausschnitt aus der von Art. 16a Abs. 1 GG geforderten umfassenden Prüfung übertragen, die ansonsten dem Bundesamt und den Gerichten obläge (BVerfG, U.v. vom 14.5.1996 – 2 BvR 1507/93 – NVwZ 1996, 691 = juris Rn. 65). Für die Bestimmung eines Staates zum sicheren Herkunftsstaat muss Sicherheit vor politischer Verfolgung (und dementsprechend auch vor unmenschlicher oder erniedrigender Bestrafung oder Behandlung) landesweit und für alle Personen- und Bevölkerungsgruppen bestehen (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 a.a.O. – juris Ls 2 und Rn. 71). Stellt der Gesetzgeber nach dieser Prüfung fest, dass ein bestimmter Herkunftsstaat sicher im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG ist, sind Bundesamt und Gerichte hieran bei der Prüfung des Einzelfalls gebunden und haben den Asylantrag grundsätzlich – mit der Folge der Ablehnung als offensichtlich unbegründet – zu behandeln. Das Bundesamt und – vorbehaltlich der durch Art. 100 GG gezogenen Grenzen – auch die Gerichte haben nur zu prüfen, ob der einzelne Asylbewerber Tatsachen vorgetragen hat, welche entgegen der Vermutung, die an seine Herkunft aus einem sicheren Staat anknüpft, die Annahme begründen, er werde dort gleichwohl politisch verfolgt (BVerfG, U.v. vom 14.5.1996 a.a.O. – juris Rn. 65).
Zur Ausräumung der Vermutung ist nur ein Vorbringen zugelassen, das die Furcht vor politischer Verfolgung auf ein individuelles Verfolgungsschicksal des Klägers gründet. Dabei kann er zwar seine Furcht vor politischer Verfolgung auch dann auf ein persönliches Verfolgungsschicksal stützen, wenn dieses seine Wurzel in allgemeinen Verhältnissen hat. Erforderlich ist aber stets, dass der Asylbewerber die Umstände seiner politischen Verfolgung schlüssig und substantiiert vorträgt (BVerfG, U.v. 14.5.1996 a.a.O. – juris Rn. 97, 98).
Der Kläger hat die gesetzliche Vermutung in § 29a AsylG nicht durch einen schlüssigen Vortrag eines individuellen Verfolgungsschicksals erschüttert. Im Hinblick auf die geltend gemachte Bedrohung durch Rebellen der MFDC als nichtstaatliche Akteure (§ 3c Nr. 3 AsylG) besteht jedenfalls die zumutbare Möglichkeit internen Schutzes im Senegal (§ 3e AsylG). Der Kläger hat diese Möglichkeit entsprechend seinen eigenen Angaben genutzt und sich dem Zugriff von Rebellen durch seinen Umzug nach Dakar entzogen. Eine Bedrohung während seines Aufenthaltes in Dakar 2004 bis 2011 hat der Kläger nicht geltend gemacht, von der Suche durch Rebellen nach ihm in der Casamance erfuhr er laut eigenen Angaben telefonisch von seiner Mutter. Der Hinweis in der Klagebegründung auf Fälle, in denen „abtrünnige“ Diola aus der Casamance in Dakar durch Rebellen getötet worden seien, ersetzt nicht das erforderliche individuelle Verfolgungsschicksal.
Auch nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Absatz. 5 und 7 Satz 1 AufenthG liegen offensichtlich nicht vor.
Die Abschiebungsandrohung sowie die auf der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet beruhende einwöchige Ausreisefrist nach §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG ist nach alledem nicht zu beanstanden. Der Ausreisefrist nach § 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG steht auch nicht entgegen, dass das Bundesamt bei der Tenorierung den Antrag auf subsidiären Schutz nicht ausdrücklich als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat, obwohl die Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet jedenfalls nach Maßgabe von § 30 Abs. 1 AsylG in der seit 6. August 2016 geltenden und mit Blick auf § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Fassung voraussetzt, dass auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes, einschließlich subsidiärem Schutz nach § 4 AsylG, offensichtlich nicht vorliegen. Die unterbliebene Tenorierung des Offensichtlichkeitsausspruchs hinsichtlich subsidiärem Schutz ist jedoch unschädlich, wenn sich der Wille zur Ablehnung des gesamten Asylantrags als offensichtlich unbegründet – wie vorliegend – bereits aus dem restlichen Tenor sowie ergänzend aus der Rechtsbehelfsbelehrung:sowie aus der Begründung ergibt (vgl. VG Köln, B.v. 24.8.2016 – 3 L 1612/16.A – juris).
Schließlich ist auch das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 7 AufenthG ermessensfehlerfrei angeordnet worden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).


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