Verwaltungsrecht

Sippenhaft in Afghanistan

Aktenzeichen  13a ZB 16.30125

Datum:
8.9.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 52288
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1

 

Leitsatz

Es hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab, ob die Gefahr einer Sippenhaft – ausgehend von den Taliban oder sonstigen kriminellen Vereinigungen – besteht und ob sich die Gefährdung auf den näheren Umkreis des Herkunftsortes beschränkt oder landesweit besteht. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 23 K 14.31261 2016-02-29 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 29. Februar 2016 ist unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG nicht vorliegen.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).
Der Kläger hält für klärungsbedürftig, ob „in Afghanistan ‚Sippenhaft‘ dergestalt verbreitet ist, dass eine Gefährdung nicht nur von den Taliban ausgeht, sondern auch von anderen Gruppierungen und sich diese Gefährdung auch auf sogenannte inländische Fluchtgebiete, insbesondere den Großraum Kabuls erstreckt, ohne dass die Fluchtalternativen nur bei einem Fall mit besonders exponiertem Bekanntheitsgrad ausgeschlossen wäre“. Bislang nicht obergerichtlich geklärt sei, ob Sippenhaft auch von anderen Gruppierungen als den Taliban durchgeführt werde und ob sich der Zugriff dieser Kriminellen dann auch auf inländische Fluchtalternativen erstrecke.
Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, eine individuelle Bedrohung seiner Person habe der Kläger nicht vorgetragen. Aus der weder belegten noch ansatzweise beschriebenen Tätigkeit seines Bruders für die Amerikaner lasse sich eine konkrete Gefahr ebenfalls nicht ableiten. Dass die Brüder des Klägers und der Vater möglicherweise von feindlichen Taliban entführt worden seien, bewege sich im Bereich reiner Vermutung. Zudem sei nach vier Jahren eine Gefährdung nicht mehr zu erkennen. Selbst bei Unterstellung von Sippenhaft, wie vom Kläger angenommen, könne dieser interne Schutzmöglichkeiten, etwa im Großraum Kabul, in Anspruch nehmen. Damit ist das Verwaltungsgericht aufgrund des Vortrags des Klägers zum Ergebnis gekommen, dass eine Gefährdung des Klägers nicht vorliege und zudem eine interne Fluchtalternative bestehe.
Die vom Kläger in diesem Zusammenhang aufgeworfene Frage, ob eine Gefährdung nicht nur von den Taliban, sondern auch von anderen Gruppierungen ausgehen könne, bedarf keiner Klärung in einem Berufungsverfahren. Es kann unterstellt werden, dass die Gefahr einer Sippenhaft im Einzelfall sowohl durch die Taliban als auch durch sonstige kriminelle Vereinigungen hervorgerufen werden kann. Schon der Kläger hat im Zulassungsantrag ausgeführt, es sei allgemein gerichtskundig, dass nicht nur die Taliban, sondern auch ihnen nahestehende lose Gruppierungen in Afghanistan Entführungen vornähmen. Im Übrigen entzieht sich einer allgemeinen Klärung, ob die Einschätzung des Verwaltungsgerichts zutreffend ist. Vielmehr hängt es wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab, ob die Gefahr einer Sippenhaft besteht und sich eine befürchtete Gefährdung auf den näheren Umkreis des Herkunftsortes beschränkt oder auch in Kabul besteht. Das Verwaltungsgericht hat sich hierzu mit dem vom Kläger geltend gemachten Vorfall auseinandergesetzt. Verallgemeinerungsfähige Schlüsse lassen sich hieraus nicht gewinnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.


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