Verwaltungsrecht

Somalia, Region G., Rekrutierungsversuch durch Al-Shabaab, Flucht nach M., Arbeit als Putzmann, Vortrag unglaubhaft

Aktenzeichen  W 9 K 20.31181

Datum:
16.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 43247
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3
AsylG § 4
AufenthG § 60 Abs. 5 und Abs. 7

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Über die Klage konnte auch in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten entschieden werden (§ 102 Abs. 2 VwGO), da in der Ladung hierauf hingewiesen wurde.
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der klagegegenständlichen Schutzansprüche. Der Bescheid des Bundesamts vom 2. Oktober 2020 ist – soweit er verfahrensgegenständlich ist – rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Flüchtlingszuerkennung nach § 3 Abs. 1, 4 AsylG. Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, soweit er keinen Ausschlusstatbestand nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt. Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention – GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Nach § 77 Abs. 1 AsylG ist vorliegend das Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl I S. 1798), das zuletzt durch Artikel 9 des Gesetzes vom 9. Juli 2021 (BGBl. I S. 2467) geändert worden ist, anzuwenden. Dieses Gesetz setzt in §§ 3 bis 3e AsylG – wie die Vorgängerregelungen in §§ 3 ff. AsylVfG – die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der RL 2011/95/EU vom 28. August 2013 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl Nr. L 337, S. 9) – Qualifikationsrichtlinie (QRL) – im deutschen Recht um. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK (BGBl 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, ein-schließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylG muss die Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen. Schutz vor Verfolgung kann gemäß § 3d AsylG nur geboten werden vom Staat oder von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz zu bieten. Der Schutz muss gemäß § 3d Abs. 2 AsylG wirksam und nicht nur vorübergehender Art sein. Nach § 3e Abs. 1 AsylG wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn der Schutzsuchende in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
Das Gericht muss dabei die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals und hinsichtlich der zu treffenden Prognose, dass dieses die Gefahr politischer Verfolgung begründet, erlangen. Angesichts des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich Asylsuchende insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Verfolgerland befinden, kommt dabei dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden und dessen Würdigung für die Überzeugungsbildung eine gesteigerte Bedeutung zu (BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109/84 – Buchholz 402.25 § 1 AsylG Nr. 32). Demgemäß setzt ein Asyl- oder Flüchtlingsanspruch voraus, dass der Asylsuchende den Sachverhalt, der seine Verfolgungsfurcht begründen soll, schlüssig darlegt. Dabei obliegt es ihm, unter genauer Angabe von Einzelheiten und gegebenenfalls unter Ausräumung von Widersprüchen und Unstimmigkeiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Asyl- bzw. Flüchtlingsbegehren lückenlos zu tragen (BVerwG, U.v. 8.5.1984 – 9 C 141/83 – Buchholz § 108 VwGO Nr. 147).
An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. BVerfG, B.v. 29.11.1990 – 2 BvR 1095/90 – InfAuslR 1991, 94/95; BVerwG, U.v. 30.10.1990 – 9 C 72/89 – Buchholz 402.25 § 1 AsylG Nr. 135; BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – Buchholz 402.25 § 1 AsylG Nr. 113).
Dies zugrunde gelegt und unter Würdigung der in das Verfahren eingeführten und der allgemein zugänglichen Erkenntnisse sowie des Vorbringens des Klägers hat er keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG. Der erkennende Einzelrichter bewertet den Vortrag des Klägers unabhängig von seiner rechtlichen Bewertung als unglaubhaft.
Hierfür sprechen folgende Punkte:
Die Angaben des Klägers bei seiner Bundesamtsanhörung und seiner Anhörung durch das Gericht weichen teilweise voneinander ab bzw. der Kläger hat bestimmte Details erst auf Nachfrage bestätigt. Hierfür konnte der Kläger jeweils keine plausible Erklärung abgegeben. Dies betrifft zunächst die Flucht aus seinem Heimatort nach M … Hier hatte der Kläger bei der Bundesamtsanhörung angegeben, dass er sich verschleiert habe, sodass man nicht habe erkennen können, ob er ein Mann oder eine Frau gewesen sei. Dieses durchaus bemerkenswerte Detail seiner Flucht hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung erst auf Nachfrage bestätigt. Der erkennende Einzelrichter geht davon aus, dass der Kläger dies von sich aus bei der Schilderung seiner Flucht unmittelbar angegeben hätte, wenn es sich tatsächlich dergestalt zugetragen hätte. Eine Abweichung betrifft darüber hinaus die Dauer seiner Inhaftierung in M … Bei der Bundesamtsanhörung hat er explizit von zwei Tagen gesprochen und bei der Anhörung durch das Gericht von einer Woche. Dieser Unterschied ist so deutlich, dass er auch nicht auf einer falschen Protokollierung durch das Bundesamt beruhen kann. Von der Wahrheit des Vortrags zur Tötung seines Freundes ist das Gericht ebenfalls nicht überzeugt. Dies beruht darauf, dass der Kläger für die angebliche Verwechslung durch Al-Shabaab unterschiedliche Gründe angegeben hat. Die beim Bundesamt gegebene nachvollziehbare Erklärung eines ähnlichen Aussehens und einer vergleichbaren Kleidung kam erst auf Nachfrage durch das Gericht.
Der Kläger hat damit Somalia nicht vorverfolgt verlassen. Auch hat der Kläger keine Umstände vorgetragen, die erstmals nach einer Rückkehr eine relevante Verfolgung im Sinne von § 3 AsylG begründen könnten.
2. Die Voraussetzungen für die hilfsweise begehrte Zuerkennung des unionsrechtlichen subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG sind im Fall des Klägers ebenfalls nicht gegeben.
Gemäß § 4 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3), sofern nicht Ausschlussgründe gemäß § 4 Abs. 2 AsylG (z.B. Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder schwere Straftaten) vorliegen. Gemäß § 4 Abs. 3 AsylG gelten §§ 3c bis 3e AsylG, somit die Regelungen über verfolgungsmächtige Akteure (§ 3c), schutzfähige Akteure (§ 3d) sowie die Regelungen über den internen Schutz (§ 3e), entsprechend.
Im Rahmen von § 4 AsylG ist bei der Prognose, ob für einen Kläger im Abschiebezielstaat die konkrete Gefahr besteht, der Todesstrafe, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden, der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu-grunde zu legen (vgl. BVerwG, U.v. 7.9.2010 – 10 C 11/09 – juris Rn. 14). Zu Gunsten des Klägers gilt zudem grundsätzlich die Regelung des Art. 4 Abs. 4 QRL (vgl. VGH BW, U.v. 3.11.2017 – A 11 S 1704/17 – juris).
Der Kläger muss nach Überzeugung des Gerichts bei einer Rückkehr nach Somalia nicht damit rechnen, landesweit einen ernsthaften Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 AsylG zu erleiden.
2.1. Dem Kläger droht nach Überzeugung des Gerichts nicht die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG. Er hat hierzu bereits keine Tatsachen vorgetragen.
2.2. Dem Kläger droht in seinem Herkunftsland auch kein ein ernsthafter Schaden durch Folter oder durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG.
Der Begriff der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG ist im Gesetz nicht näher definiert. Da die zuletzt genannte Vorschrift der Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 (ABl L 337, S. 9) – QRL – dient, ist dieser Begriff jedoch in Übereinstimmung mit dem entsprechenden Begriff in Art. 15b QRL auszulegen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) legt Art. 15b QRL wiederum in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg zu Art. 3 EMRK aus (z.B. EuGH, U.v. 17.2.2009 – Elgafaji, C – 465/07 – juris Rn. 28; ebenso BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 22 ff. m.w.N.). Danach ist eine unmenschliche Behandlung die absichtliche, d.h. vorsätzliche Zufügung schwerer körperlicher oder seelischer Leiden (EGMR, U.v. 21.1.2011 – 30696/09 – ZAR 2011, 395, Rn. 220 m.w.N.; Jarass, Charta der Grundrechte, Art. 4 Rn. 9; Hailbronner, Ausländerrecht, § 4 AsylVfG Rn. 22 ff.), die im Hinblick auf Intensität und Dauer eine hinreichende Schwere aufweisen (EGMR, U.v. 11.7.2006 – Jalloh, 54810/00 – NJW 2006, 3117/3119 Rn. 67; Jarass a.a.O.; Hailbronner a.a.O.). Es muss zumindest eine erniedrigende Behandlung in der Form einer einen bestimmten Schweregrad erreichenden Demütigung oder Herabsetzung vorliegen. Diese ist dann gegeben, wenn bei dem Opfer Gefühle von Furcht, Todesangst und Minderwertigkeit verursacht werden, die geeignet sind, diese Person zu erniedrigen oder zu entwürdigen und möglicherweise ihren psychischen oder moralischen Widerstand zu brechen (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 4 AsylVfG Rn. 22 ff.). Eine Bestrafung oder Behandlung ist nur dann als unmenschlich oder erniedrigend anzusehen, wenn die mit ihr verbundenen Leiden oder Erniedrigungen über das in der Bestrafungsmethode enthaltene, unausweichliche Leidens- oder Erniedrigungselement hinausgehen, wie z.B. bei bestimmten Strafarten wie Prügelstrafe oder besonders harten Haftbedingungen (Hailbronner, a.a.O., Rn. 24, 25).
Aufgrund des unglaubhaften Vortrags des Klägers ist davon auszugehen, dass ihm keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG).
Eine unzureichende Versorgungslage im Herkunftsland vermag bereits aus Rechtsgründen die Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG nicht zu begründen (so auch BayVGH, U.v. 17.7.2018 – 20 B 17.31659 -juris Rn. 24; anders insoweit OVG Niedersachsen, U.v. 5.12.2017 – 4 LB 50/16 – juris Rn. 55, 60-67), sondern kann allenfalls im Rahmen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 EMRK i.V.m. Art. 3 EMRK berücksichtigt werden. Denn nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten für den subsidiären Schutz die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend. Damit muss für die Zuerkennung subsidiären Schutzes die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung von einem Akteur im Sinne von § 3c AsylG ausgehen (vgl. BayVGH, B.v. 18.10.2017 – 20 ZB 17.30875 – juris Rn. 14). Die Versorgungslage in Somalia kann jedoch nicht auf einen solchen Akteur zurückgeführt werden. Sie ist vielmehr Ausdruck verschiedener Faktoren, zu denen u.a. die unsichere Lage und periodisch wiederkehrende Dürreperioden gehören (vgl. etwa BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Somalia, Gesamtaktualisierung am 17.9.2019, S. 122 ff.).
2.3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Dass ihm ein ernsthafter Schaden im Sinne dieser Vorschrift landesweit drohen würde, ist von diesem selbst weder vorgetragen noch nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln im erforderlichen Umfang wahrscheinlich.
Hinsichtlich der anzustellenden Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweit herrschenden Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Antragstellers bei einer Rückkehr abzustellen, wobei als Zielort der Abschiebung in der Regel die Herkunftsregion anzusehen ist, in die der Betreffende typischerweise zurückkehren wird (vgl. BVerwG, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9.08 – juris Rn. 17). Ob in der Herkunftsregion des Betroffenen ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt besteht, kann dahinstehen, wenn die antragstellende Person als Zivilperson aufgrund der gegenwärtigen Konfliktlage jedenfalls keiner ernsthaften, individuellen Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt ist. Liegen in der Person des jeweiligen Antragstellers keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist hierfür ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt notwendig. Erforderlich ist eine annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle oder Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung. In diesem Zusammenhang sieht das Bundesverwaltungsgericht ein Risiko von 1:800, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, als so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt an, dass auch eine wertende Gesamtbetrachtung am Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nichts zu ändern vermag (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 22 f.; BayVGH, U.v. 27.3.2018 -20 B 17.31663 – juris Rn. 27).
Nach den maßgeblichen Erkenntnisquellen stellt sich die Situation in Somalia aktuell im Wesentlichen wie folgt dar:
Im Allgemeinen kann von einer Zweiteilung des Landes ausgegangen werden. In den föderalen Gliedstaaten Süd- und Zentralsomalias herrscht in vielen Gebieten Bürgerkrieg. Die somalischen Sicherheitskräfte kämpfen mit Unterstützung von AMISOM (African Union Mission in Somalia) dort gegen die radikalislamistische Al-Shabaab. Die Gebiete sind nur teilweise unter der Kontrolle der Regierung, wobei zwischen der im Wesentlichen auf Mogadischu beschränkten Kontrolle der somalischen Bundesregierung und der Kontrolle anderer urbaner und ländlicher Gebiete durch die Regierungen der föderalen Gliedstaaten Somalias, die der Bundesregierung de facto nur formal unterstehen, unterschieden werden muss. Der Gliedstaat Puntland im Norden des Landes hat sich bereits 1998 mit internationaler Unterstützung konstituiert. Puntland strebt nicht nach Unabhängigkeit von Somalia, erkennt die somalische Bundesregierung an und ist einer der fünf offiziellen föderalen Gliedstaaten Somalias, wenngleich mit größerer Autonomie. Demgegenüber steht das Gebiet der früheren Kolonie Britisch-Somaliland im Nordwesten Somalias, welches sich 1991 für unabhängig erklärt hat. Sowohl in Puntland als auch in Somaliland kontrolliert Al-Shabaab keine Gebiete mehr (vgl. hierzu Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia (Stand: Januar 2021), S. 5). Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind insgesamt gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen. Auch das Maß an Kontrolle über bzw. Einfluss auf einzelne Gebiete variiert. Während Somaliland die meisten der von ihm beanspruchten Teile kontrolliert, ist die Situation in Puntland und – in noch stärkerem Ausmaß – in Süd-/Zentralsomalia komplexer (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Somalia, Stand: 18.5.2021, S. 24).
Für die Gefahrenprognose wird vorliegend zugrunde gelegt, dass der Kläger in seine Heimatregion G …, die zusammen mit Teilen der Region M …, den Bundesstaat G … bilden, zurückkehren wird. Die Sicherheitslage dort ist durchaus nicht einfach. Es kam im Februar 2020 zu Auseinandersetzungen der Bundesarmee mit der M … A … S … W J … (…). Im Dezember 2019 kam es zwischen zwei Clans in der Region M … zu schweren Auseinandersetzungen und dutzenden Verlusten. Die Bundesarmee wurde zum Eingreifen entsendet. Nach der Entsendung von Vermittlern der Bundesregierung und nachfolgenden Versöhnungsgesprächen wurde ein gemeinsames Friedenskomitee gegründet. Zuvor war die Bundesarmee in G … nicht präsent, nun ist sie an vielen Orten vorzufinden – bis hin zur Grenze mit Puntland. Mit mehreren lokalen Milizen wurden Abkommen geschlossen. Zudem hat Al-Shabaab die Präsenz in G … verstärkt (vgl. BFA, a.a.O., S. 50 f.). Nach der aktuellen Erkenntnislage haben sich in der Region M … und G … im Jahr 2019 51 Zwischenfälle ereignet, bei denen Zivilisten gezielt getötet wurden. Bei 39 dieser Vorfälle wurde jeweils ein Mensch getötet. Im Jahr 2020 kam es zu 36 derartigen Vorfällen, wobei es bei 25 dieser Vorfälle jeweils einen Toten gab (BFA, a.a.O. S. 52). Berücksichtigt man daneben die Bevölkerungszahl der beiden Regionen von ca. 1,29 Mio. Einwohnern im Jahr 2014 (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Somalia, vom 12.1.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 17.9.2018, S. 47 f.; BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Somalia, Gesamtaktualisierung am 17.9.2019, S. 37), so ist die Gefahrendichte nicht so hoch, dass jede Person allein aufgrund ihrer Anwesenheit dort einer erheblichen individuellen Gefährdung, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden, ausgesetzt ist.
Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nach M … zurückkehren wird, bestehen aus Sicht des Gerichts demgegenüber nicht. Der Kläger hatte dort nur kurze Zeit vor seiner Ausreise gelebt.
Außerdem geht das Gericht im Fall des Klägers nicht von gefahrerhöhenden Umständen aus, die ihn einem besonderen Sicherheitsrisiko aussetzen würden. Der Kläger ist weder von Berufs wegen gezwungen, sich in der Nähe von Gefahrenquellen aufzuhalten, noch ist er wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit einem besonderen Sicherheitsrisiko ausgesetzt. Aus seiner Eigenschaft als Rückkehrer lassen sich ebenfalls keine gefahrerhöhenden Umstände schließen.
Auch wenn man unter Berücksichtigung der EuGH-Entscheidung (U.v. 10.6.2021 – C-901/19) eine rein quantitative Betrachtung nicht als ausreichend ansieht, sondern darüber hinaus eine umfassende Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls, u.a. Aggression der Konfliktparteien gegen Zivilpersonen, als erforderlich ansieht, gelangt das Gericht zu keiner anderen Bewertung. Trotz der gegebenen Gewalt gegen Zivilisten ist nämlich jeweils eine Vielzahl der erfassten oben wiedergegebenen Vorfälle in den Jahren 2019 und 2020 nicht spezifische Gewalt gegen Zivilisten, sondern auch Kriminalität wie bspw. Morde. Zudem ist bei Al-Shabaab zu berücksichtigen, dass sie Zivilisten nicht spezifisch angreift (BFA, a.a.O., S.30).
Nach alledem kam die Gewährung eines subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG nicht in Betracht.
3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die weiter hilfsweise begehrte Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezüglich Somalia.
3.1. Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG kommt nicht in Betracht, da dem Kläger keine gegen Art. 3 EMRK oder ein anderes Grundrecht nach der EMRK verstoßende Behandlung droht. In Konstellationen wie der vorliegenden, in der gleichzeitig über die Gewährung unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet bei Verneinung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus, weshalb in der Sache divergierende Bewertungen kaum denkbar sind (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris; VG München, U.v. 8.5.2014 – M 15 K 12.30903 – juris Rn. 37).
Das Gericht hält es zudem zum jetzigen maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nicht für hinreichend beachtlich wahrscheinlich, dass sich die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse derart negativ entwickeln werden, dass von einer grundsätzlich abweichenden Beurteilung der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ausgegangen werden kann. Schlechte humanitäre Verhältnisse können nur in ganz außergewöhnlichen Fällen zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen, nämlich dann, wenn es sich hierbei um zwingende humanitäre Gründe handelt (vgl. OVG NRW, U.v. 24.3.2020 – 19 A 4470/19.A – juris m.w.N.). Aus der Rechtsprechung des EGMR (U.v. 28.6.2011 – Nr. 8319/07 und 11449/07 – BeckRS 2012, 8036 – Rn. 278) und des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 13.2.2019 – 1 B 2.19 – juris; U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – BVerwGE 146, 12) ergibt sich, dass die Annahme einer unmenschlichen Behandlung allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen ein sehr hohes Gefährdungsniveau voraussetzt. Nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechenden humanitären Gründe zwingend sind. Entscheidend ist, dass die Person keiner Situation extremer materieller Not ausgesetzt wird, die es ihr unter Inkaufnahme von Verelendung verwehrt, elementare Bedürfnisse zu befriedigen.
Diesbezüglich lässt sich zu Somalia Folgendes ausführen:
Somalia gehört zu den ärmsten Ländern der Erde. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist in weiten Landesteilen nicht gewährleistet. Nachdem in Folge der Dürre 2011 noch eine sechsstellige Opferzahl zu beklagen war, kann aufgrund großer internationaler humanitärer Kraftanstrengungen und einer zunehmenden Professionalisierung der humanitären Hilfe bei den regelmäßig wiederkehrenden Dürren sowie Überschwemmungen inzwischen weitgehend verhindert werden, dass es zu Hungertoten kommt. Vielmehr ist der Triple Threat 2020 aus Wüstenheuschrecken, Überschwemmungen und COVID-19 eine ernsthafte Herausforderung für die Grundversorgung in Somalia (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, 18.4.2021 [Stand: Januar 2021], S. 22). Generell erholt sich die somalische Wirtschaft weiterhin von der Dürre der Jahre 2016 und 2017. Zur wirtschaftlichen Erholung beigetragen haben gute Regenfälle und wachsende Remisen, die Erstarkung des Agrarsektors, die Konsolidierung von Sicherheit und die Zunahme privater Investitionen und von Geldflüssen aus Geberländern. Eine der Triebfedern der wirtschaftlichen Entwicklung ist also die Diaspora, welche begonnen hat, in Somalia (v.a. M … und die Hauptstädte der Bundesstaaten) zu investieren. Auch zahlreiche Agenturen der UN (etwa UN-Habitat, UNICEF, UNHCR) sind tatkräftig dabei, das Land wiederaufzubauen. Gleichwohl gehört Somalia auch weiterhin zu den ärmsten Ländern der Erde. Bei den gängigen Indikatoren zur Messung der wirtschaftlichen Entwicklung (BSP, Lebenserwartung, Mütter- und Kindersterblichkeit) liegt Somalia zumeist auf den letzten Plätzen. Die Mehrheit der Bevölkerung lebt von Subsistenzwirtschaft, sei es als Kleinhändler, Viehzüchter oder Bauern. Zusätzlich stellen Remisen für viele Menschen und Familien ein Grundeinkommen dar. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist direkt oder indirekt von der Viehzucht abhängig. Die große Masse der werktätigen Männer und Frauen arbeitet in Landwirtschaft, Viehzucht und Fischerei (62,8%). Der nächstgrößere Anteil an Personen arbeitet als Dienstleister oder im Handel (14,1%). 6,9% arbeiten in bildungsabhängigen Berufen (etwa im Gesundheitsbereich oder im Bildungssektor), 4,8% als Handwerker, 4,7% als Techniker, 4,1% als Hilfsarbeiter und 2,3% als Manager. Eine Arbeit zu finden, ist mitunter schwierig, verfügbare Jobs werden vor allem über Clan-Netzwerke vergeben. Auch Unternehmensgründer sind auf den Clan angewiesen. Generell ist das Clan-Netzwerk vor allem außerhalb von M … von besonderer Relevanz. Männer finden unter anderem auf Baustellen, beim Graben, Steinbrechen, Schuhputzen oder beim Khatverkauf eine Arbeit (vgl. BFA, a.a.O. [Stand: 18.5.2021], S. 169, 174 ff., 191ff.).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben und der persönlichen Umstände des Klägers ist davon auszugehen, dass er als junger, arbeitsfähiger Mann sein Existenzminimum und damit ein menschenwürdiges Dasein selbst sichern kann. Es gibt keinerlei Hinweise dazu, dass der Kläger nicht arbeitsfähig wäre. Soweit der Kläger in Somalia noch Frauen und Kinder haben will, ist davon auszugehen, dass diese bereits jetzt in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt unabhängig vom Kläger zu gewährleisten.
An dieser Wertung ändert sich im Ergebnis nichts, selbst wenn sich aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie die wirtschaftliche Situation in Somalia eintrüben sollte. Für den Eintritt einer deutlichen Verschlechterung der humanitären Verhältnisse in Somalia fehlen dem Gericht zum jetzigen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) greifbare Anhaltspunkte. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass gerade hinsichtlich der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie ein Gegensteuern der somalischen Behörden erkennbar ist. So wurde z.B. eine Steuerbefreiung für Grundnahrungsmittel eingeführt (vgl. OCHA Somalia: Update No. 5 – Overview of COVID-19 directives, 30.5.2020). Zudem hat sich die somalische Wirtschaft gegenüber der Pandemie als widerstandsfähig erwiesen. Nachdem zunächst von einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von 2,5 Prozent ausgegangen wurde, waren es letztlich 1,5 Prozent im Jahr 2020 (vgl. UN OCHA, Somalia: COVID-19 Impact Update No. 12, 21.9.2020). Für 2021 wird ein Wachstum von 2,9 Prozent prognostiziert (vgl. BFA, a.a.O., S. 168). Auch haben humanitäre Partner schon im April 2020 für einen Plan zur Eindämmung von Covid-19 insgesamt 256 Millionen US-Dollar zur Verfügung gestellt (vgl. BFA, a.a.O., S. 8 m.w.N.).
3.2. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.
Wann allgemeine Gefahren zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den betroffenen Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Das Erfordernis des unmittelbaren – zeitlichen – Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Gefahrensituation wegen der allgemeinen Versorgungslage voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit er-reichbarer Hilfe anderer befreien kann (BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris; Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 60 AufenthG Rn. 101). Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssten. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert würde (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 – BVerwGE 137, 226).
Bei dem Kläger handelt es sich um einen jungen und arbeitsfähigen Mann, der nach Überzeugung des Gerichts seine Existenzgrundlage sichern kann. Jedenfalls vor dem Hintergrund der hohen Anforderungen nach § 60 Abs. 7 AufenthG sind gegenwärtig nicht die Voraussetzungen für ein Abschiebeverbot nach dieser Regelung gegeben.
Etwas anderes ergibt sich nicht im Hinblick auf die aktuelle Entwicklung in-folge der weltweiten COVID-19-Pandemie. In Somalia sind die Infektionszahlen insgesamt nicht besonders hoch – selbst wenn man unterstellen muss, dass eine Dunkelziffer nicht erkannter Infektionsfälle gegeben ist. Bei dem jungen Kläger ist es nicht im hier notwendigen Maße wahrscheinlich, dass er (ernsthaft) an COVID-19 erkrankt.
4. Gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheids im Übrigen bestehen keine Bedenken und wurde auch nichts vorgetragen. Insbesondere sind keine Rechtsfehler des Bundesamts bei der Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sowie der Bemessung der Frist nach § 11 Abs. 3 AufenthG zu erkennen, sodass die Klage abzuweisen war. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.


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