Verwaltungsrecht

Somalia, Region Jubbada, Hoose, Clan Boon, Minderheitenclan, drohende Zwangsverheiratung, interner Schutz in Mogadischu, unglaubhafter Vortrag zur Rückkehrsituation, Gefahr einer Reinfibulation, verneint, 27-jährige Frau

Aktenzeichen  W 9 K 20.30736

Datum:
29.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 30945
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3
AsylG § 3e
AsylG § 4
AufenthG § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.   

Gründe

Über die Klage konnte auch in Abwesenheit der Beklagten verhandelt werden (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die Klage hat keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28. April 2020 ist – soweit er noch verfahrensgegenständlich ist – einschließlich der darin enthaltenen Abschiebungsandrohung und der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat zudem keinen Anspruch auf die geltend gemachten Ansprüche (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Flüchtlingszuerkennung nach § 3 Abs. 1, 4 AsylG. Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, soweit er keinen Ausschlusstatbestand nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt. Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention – GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Nach § 77 Abs. 1 AsylG ist vorliegend das Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl I S. 1798), das zuletzt durch Artikel 3 Absatz 1 des Gesetzes vom 9. Oktober 2020 (BGBl. I S. 2075) geändert worden ist (AsylG), anzuwenden. Dieses Gesetz setzt in §§ 3 bis 3e AsylG – wie die Vorgängerregelungen in §§ 3 ff. AsylVfG – die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der RL 2011/95/EU vom 28. August 2013 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl Nr. L 337, S. 9) – Qualifikationsrichtlinie (QRL) – im deutschen Recht um. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 – EMRK (BGBl 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylG muss die Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen. Schutz vor Verfolgung kann gemäß § 3d AsylG nur geboten werden vom Staat oder von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz zu bieten. Der Schutz muss gemäß § 3d Abs. 2 AsylG wirksam und nicht nur vorübergehender Art sein. Nach § 3e Abs. 1 AsylG wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn der Schutzsuchende in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
Bei der Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft ist der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu Grunde zu legen. Dies setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Hierbei ist maßgeblich, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – NVwZ 2013, 936/940).
Eine Beweiserleichterung gilt für Vorverfolgte. Nach Art. 4 Abs. 4 QRL ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde bzw. von solcher Verfolgung unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass er erneut von solcher Verfolgung bedroht wird. Art. 4 Abs. 4 QRL normiert mit anderen Worten zur Privilegierung des Vorverfolgten eine tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Dadurch wird der Vorverfolgte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung entkräften. Dies ist im Rahmen freier Beweiswürdigung zu beurteilen (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5.09 – juris).
Dies zugrunde gelegt und unter Würdigung der in das Verfahren eingeführten und der allgemein zugänglichen Erkenntnisse sowie des Vorbringens der Klägerin hat sie keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG. Dabei kann im Ergebnis dahinstehen, ob der Vortrag der Klägerin zu den Gründen, weshalb sie Somalia verlassen haben will, glaubhaft ist, da sie jedenfalls auf eine interne Fluchtalternative im Sinne von § 3e AsylG in Mogadischu zu verweisen ist.
1.1. Die Klägerin hat angegeben, Somalia wegen einer drohenden Zwangsverheiratung mit einem Anführer von Al-Shabaab im September 2019 verlassen zu haben. Dieser habe die Klägerin zuvor rund drei Tage festgehalten. Die Klägerin habe fliehen können, nachdem sie sich verschleiert habe. Ihr Vater habe sie zuvor mit einem anderen Mann verheiratet und eine Zwangsverheiratung mit einem Anführer von Al-Shabaab abgelehnt. Daher seien er ebenso wie ihr Bruder durch die Miliz getötet worden. Ihren aus einer vorherigen Beziehung stammenden Sohn, der im Jahr 2014 geboren worden sei, habe sie in Somalia bei ihrer Mutter zurückgelassen. Zu ihrer Mutter und ihrem Sohn habe sie seit September 2020 keinen Kontakt mehr. Der Mann, mit dem sie verheiratet worden sei, sei in Kismaayo durch Al-Shabaab getötet worden.
1.2. Auch bei einer Wahrunterstellung begründet dieser Vortrag, wenn man eine drohende Zwangsverheiratung als eine geschlechtsspezifische Verfolgung im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG ansieht, keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, da die Klägerin die Möglichkeit eines internen Schutzes nach § 3e Abs. 1 AsylG in Mogadischu hat. Nach dieser Vorschrift wird dem Ausländer der Flüchtlingsschutz nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
1.2.1. Die Klägerin kann legal und sicher nach Mogadischu reisen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass Abschiebeflüge regelmäßig (allein) in Mogadischu enden. Somalische Staatsangehörige werden in Mogadischu auch aufgenommen. Aus den Erkenntnismitteln ergibt sich nicht, dass die Niederlassungsfreiheit dort eingeschränkt ist.
1.2.2. Schließlich kann von der Klägerin vernünftigerweise erwartet werden, dass sie sich in Mogadischu niederlässt. Die Niederlassung in einem sicheren Landesteil ist im Sinne des § 3e Abs. 1 Nr. 2 AsylG zumutbar, wenn bei umfassender Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ein die Gewährleistungen des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRCh wahrendes Existenzminimum gesichert ist und auch keine anderweitige schwerwiegende Verletzung grundlegender Grund- oder Menschenrechte oder eine sonstige unerträgliche Härte droht (vgl. VGH BW, U.v. 29.11.2019 – A 11 S 2376/19 – juris Rn. 25).
1.2.2.1. Nach den vorhandenen Erkenntnismitteln ist davon auszugehen, dass die Klägerin in Mogadischu ihr Existenzminimum sichern kann.
Zwar ist die humanitäre Situation in Somalia weiter prekär. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist in weiten Landesteilen nicht gewährleistet. Es gibt keinen sozialen Wohnraum oder Sozialhilfe. Die erweiterte Familie inklusive des Sub-Clans oder Clans dient jedoch traditionell als soziales Sicherungsnetz und bietet oftmals zumindest einen rudimentären Schutz (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, 2. April 2020, S. 21. Während Krisenzeiten (etwa Hungersnot 2011 und Dürre 2016/17) helfen neben Familie und Clan auch andere soziale Verbindungen – seien es Freunde, geschlechtsspezifische oder Jugendgruppen, Bekannte, Berufsgruppen oder religiöse Bünde. Meist ist die Unterstützung wechselseitig. Über diese sozialen Netzwerke können auch Verbindungen zwischen Gemeinschaften und Instanzen aufgebaut werden, welche Nahrungsmittel, medizinische Versorgung oder andere Formen von Unterstützung bieten (vgl. BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Somalia, 17.9.2019, S. 129). Außerdem haben Rückkehrer nach Mogadischu dort üblicherweise einen guten Zugang zu Geld- oder sonstiger Hilfe von Hilfsagenturen (vgl. BFA, a.a.O., S. 130). Auch die medizinische Primärversorgung wird oftmals von internationalen Organisationen bereitgestellt und ist für Patienten kostenfrei (vgl. BFA, a.a.O., S. 132). Die Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge, Rückkehrer und andere vulnerable Personengruppen sind zwar limitiert. Männliche Rückkehrer finden aber oft im Transportwesen, am Hafen und als Bauarbeiter Arbeit. Frauen arbeiten als Hausangestellte. Eine weitere Einkommensquelle für Rückkehrer ist der Kleinhandel – v.a. mit landwirtschaftlichen Produkten. Zusätzlich erhalten sie Nahrungsmittelhilfe und andere Leistungen über wohltätige Organisationen. NGOs und der Privatsektor bieten den Menschen zudem grundlegende Dienste – vor allem in urbanen Zentren (vgl. BFA, a. a. O., S. 116).
Hieran gemessen dürften arbeitsfähige Rückkehrer, auch wenn sie – wie die Klägerin – einem Minderheitsclan angehören, in Mogadischu ein Auskommen finden. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin dort noch niemals gewesen sein will. Die Klägerin ist in Somalia aufgewachsen und mit den dortigen Verhältnissen vertraut. Dass die Klägerin an einer Krankheit leidet, die ihre Arbeitsfähigkeit einschränkt, ist weder vorgetragen, noch ersichtlich. Dabei stellt das Gericht nicht zusätzlich auf den Unterhaltsbedarf für ihr Kind in Somalia ab, da dieses bereits jetzt durch die Mutter der Klägerin versorgt wird.
Hieran ändert sich nichts, selbst wenn sich aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie die wirtschaftliche Situation in Somalia eintrüben sollte (vgl. zur aktuellen Situation UN OCHA, Somalia: COVID-19 Impact Update No. 10 (As of 22 July 2020), 22.7.2020; vgl. zum Preisanstieg bei einzelnen Lebensmitteln OCHA Somalia: Update 5 – Overview of COVID-19 directives, 30 May 2020; vgl. zur Betroffenheit von Tagelöhnern, Gelegenheitsarbeitern durch die staatlichen Einschränkungen OCHA Somalia: Update 4 – Overview of COVID-19-directives, 16 May 2020). Für den Eintritt einer deutlichen Verschlechterung der humanitären Verhältnisse in Somalia fehlen dem Gericht aber zum jetzigen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) greifbare Anhaltspunkte. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass gerade hinsichtlich der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie ein Gegensteuern der somalischen Behörden erkennbar ist (vgl. zur aktuellen Lage im Einzelnen UN OCHA, Somalia: COVID-19 Impact Update No. 10 [As of 22 July 2020]). Zudem hat sich die somalische Wirtschaft gegenüber der Pandemie als widerstandsfähig erwiesen. Nach Schätzungen der Weltbank für September wird ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 1,5 Prozent im Jahr 2020 prognostiziert, wobei man im Juni noch mit einem Rückgang um 2,5 Prozent rechnete (vgl. UN OCHA, Somalia: COVID-19 Impact Update No. 12 [As of 21 September 2020].
Das Gericht verkennt bei dieser Bewertung nicht, dass, sollte der Umstand zutreffen, wonach die Klägerin bei ihrer Rückkehr nach Somalia auf sich allein gestellt wäre, dies ihre Situation weiter erschweren würde. Das Gericht ist aber von der Glaubhaftigkeit der diesbezüglichen Angaben der Klägerin nicht überzeugt. Gerade die emotionslose Schilderung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, wonach sie seit September 2020 keinen Kontakt mehr zu ihrer Mutter und ihrem Sohn habe, lässt für das Gericht nur den Schluss zu, dass sie diese Angabe aus verfahrenstaktischen Motiven gemacht hat. Auch die erstmalige Erklärung in der mündlichen Verhandlung, wonach der Mann, mit dem sie durch ihren Vater verheiratet worden sei, in Kismaayo durch Al-Shabaab getötet worden sein soll, macht auf den erkennenden Einzelrichter den Eindruck, dass es der Klägerin nur um die Schilderung einer möglichst schwierigen Rückkehrsituation geht, ohne dass dies tatsächlich zutreffend wäre. Das Gericht geht daher davon aus, dass die Klägerin bei einer Rückkehr nach Somalia sehr wohl auf soziale Kontakte zurückgreifen könnte. Darüber hinaus hat die Klägerin offenbar einen nicht unvermögenden Onkel in Saudi-Arabien, der bereits ihre Ausreise mit rund 8.000 US-Dollar unterstützt haben soll. Es erscheint nicht als ausgeschlossen, dass dieser der Klägerin bei einer Rückkehr nach Somalia finanziell zur Seite stehen könnte. Dass dieser gestorben sein soll oder sie keinen Kontakt zu ihm mehr haben will, hat die Klägerin nicht geltend gemacht.
Dessen unbeschadet gilt, dass die Klägerin in ihrem Leben bereits bei ihrer Mutter in einem Lebensmittelgeschäft gearbeitet hat und sie an diese Erfahrungen bei einer Rückkehr anknüpfen könnte. Nach der Erkenntnismittellage hat gerade das Entstehen größerer Städte in Somalia dazu geführt, dass es den berufsständischen Gruppen, denen die Klägerin angehören will, ermöglicht wurde, neue Berufe zu ergreifen, wodurch ihre wirtschaftliche Bedeutung gesteigert wurde (Schweiz. Eidgenossenschaft, a.a.O., S. 15). Dies kann auch der Klägerin in Somalia zu Gute kommen. Nicht entscheidend ist aus Sicht des Gerichts, dass die Klägerin nur über einen geringen Bildungsstand verfügen will. In Somalia liegt die Alphabetisierungsquote bei Erwachsenen lediglich bei 40% (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Somalia, 17.9.2019, S. 102), sodass das Vorhandensein oder Fehlen einer derartigen Kompetenz einer Erwerbstätigkeit nicht zwingend entgegensteht.
1.2.2.2. Der Klägerin droht in Mogadischu auch keine anderweitige schwerwiegende Verletzung grundlegender Grund- oder Menschenrechte oder eine sonstige unerträgliche Härte. Weder das Gewaltniveau in Mogadischu noch der Umstand, dass die Klägerin einem Minderheitenclan (Boon) angehört, begründen eine solche Härte.
Nach der Rechtsprechung des EGMR ist eine Situation allgemeiner Gewalt nur dann für die Annahme eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK hinreichend, wenn das Gewaltniveau so intensiv ist, dass eine in die fragliche Region abgeschobene Person schon wegen ihrer dortigen Anwesenheit in Gefahr wäre (vgl. EGMR, U.v. 10.09.2015 – 4601/14 [R.H./Schweden] -, NVwZ 2016, 1785 [Rn. 60]). Der EGMR selbst hatte zwar im Jahr 2011 gemessen an den damaligen Verhältnissen noch die Ansicht vertreten, dass diese Voraussetzungen in Mogadischu erfüllt seien. Dabei hat er auf die wahllosen Bombardierungen und militärischen Offensiven aller Konfliktparteien abgestellt, auf die unerträgliche Anzahl ziviler Opfer, die erhebliche Zahl von Vertriebenen innerhalb und aus der Stadt sowie die unvorhersehbare und weit verbreitete Art des Konflikts. Später ist er allerdings zum gegenteiligen Ergebnis gekommen. Die Menschenrechts- und Sicherheitslage in der Stadt sei zwar ernst und fragil sowie in vielerlei Hinsicht unberechenbar, doch nicht (mehr) so, dass jedermann dort tatsächlich der Gefahr einer Art. 3 EMRK zuwiderlaufenden Behandlung ausgesetzt wäre. Al-Shabaab habe in der Stadt nicht mehr die Macht, es gebe dort keine Frontkämpfe und keinen Beschuss mehr und die Zahl der zivilen Opfer sei zurückgegangen (vgl. seine bisherige Rechtsprechung zu Mogadischu zusammenfassend: EGMR, U.v. 10.09.2015, a. a. O., Rn. 63 ff.). Diese Einschätzung ist auch derzeit (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) noch aktuell.
Für das Jahr 2019 verzeichnet UNSOM 696 zivile Opfer der Al-Shabaab in der Hauptstadtregion Banadir/Mogadischu. Bei einer Bevölkerung der Region von ca. 1,89 Mio. Menschen kann hiernach nicht von einer Lage ausgegangen werden, die jeden in der Stadt der echten Gefahr einer Behandlung aussetzt, die gegen Art. 3 EMRK verstößt (vgl. VG Frankfurt (Oder), G.v. 3.12.2020 – 2 K 1688/15.A – juris).
Auch die Zugehörigkeit der Klägerin zu einem Minderheitenclan – wie den Boon – führt nicht dazu, dass ihr ihn Mogadischu eine schwerwiegende Verletzung grundlegender Grund- oder Menschenrechte oder eine sonstige unerträgliche Härte droht. Zwar werden Minderheiten in Somalia von den Mehrheitsclans geringschätzt und diskriminiert, wobei einzelne Minderheiten unter besonders schwierigen sozialen Bedingungen leben und sich in vielfacher Weise von der übrigen Bevölkerung – nicht aber systematisch von staatlichen Stellen – wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt sehen. Die Boon, die zu den berufsständischen Gruppen zählen, sollen wie andere dieser Gruppen auf der untersten Stufe der sozialen Hierarchie stehen (vgl. Schweiz. Eidgenossenschaft, Focus Somalia – Clans und Minderheiten, 31.05.2017, S. 14ff.). Doch erreicht dies abgesehen von Einzelfällen nicht generell bei allen Angehörigen eines Minderheitenclans eine solche Schwere, dass dies als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung anzusehen wäre (vgl. VGH Kassel, U.v. 1.08.2019 – 4 A 2334/18.A – juris Rn. 32 m.w.N.).
1.3. Soweit die Klägerin eine Reinfibulation nach einer Rückkehr nach Somalia befürchtet, kann dies keinen Anspruch auf Flüchtlingszuerkennung begründen. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass die zwangsweise vorgenommene Genitalverstümmelung eine flüchtlingsschutzrelevante Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG darstellen kann. Nach den Erkenntnismitteln soll aber bei einer Reinfibulation die Entscheidung darüber generell bei den erwachsenen Frauen selbst liegen. Nach den von der schwedischen COI-Einheit LIFOS dazu befragten Quellen soll keine jemals davon gehört haben, dass eine deinfibulierte Rückkehrerin nach Somalia dort zwangsweise reinfibuliert worden wäre (BFA, a.a.O., S. 100). Auch die Klägerin selbst hat bei ihrer Anhörung durch das Bundesamt angegeben, dass sie sich nach der Geburt ihres Sohnes erfolgreich gegen ein erneutes Zunähen gewehrt habe (vgl. i.E. ebenso VG Karlsruhe, U.v. 22.10.2018 – A 14 K 5512/15 – juris Rn. 36).
2. Die Voraussetzungen für die hilfsweise begehrte Zuerkennung des unionsrechtlichen subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG sind im Fall der Klägerin ebenfalls nicht gegeben.
Gemäß § 4 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3), sofern nicht Ausschlussgründe gemäß § 4 Abs. 2 AsylG (z.B. Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder schwere Straftaten) vorliegen. Gemäß § 4 Abs. 3 AsylG gelten §§ 3c bis 3e AsylG, somit die Regelungen über verfolgungsmächtige Akteure (§ 3c), schutzfähige Akteure (§ 3d) sowie die Regelungen über den internen Schutz (§ 3e), entsprechend.
Im Rahmen von § 4 AsylG ist bei der Prognose, ob für einen Kläger im Abschiebezielstaat die konkrete Gefahr besteht, der Todesstrafe, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden, der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen (vgl. BVerwG, U.v. 7.9.2010 – 10 C 11/09 – juris Rn. 14). Zu Gunsten des Klägers gilt zudem grundsätzlich die Regelung des Art. 4 Abs. 4 QRL (vgl. VGH BW, U.v. 3.11.2017 – A 11 S 1704/17 – juris).
Die Klägerin muss nach Überzeugung des Gerichts bei einer Rückkehr nach Somalia nicht damit rechnen, landesweit einen ernsthaften Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 AsylG zu erleiden.
2.1. Der Klägerin droht nach Überzeugung des Gerichts nicht die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG. Sie hat hierzu bereits keine Tatsachen vorgetragen.
2.2. Der Klägerin droht in ihrem Herkunftsland auch kein ein ernsthafter Schaden durch Folter oder durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG.
Der Begriff der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG ist im Gesetz nicht näher definiert. Da die zuletzt genannte Vorschrift der Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 (ABl L 337, S. 9) – QRL – dient, ist dieser Begriff jedoch in Übereinstimmung mit dem entsprechenden Begriff in Art. 15b QRL auszulegen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) legt Art. 15b QRL wiederum in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg zu Art. 3 EMRK aus (z.B. EuGH, U.v. 17.2.2009 – Elgafaji, C – 465/07 – juris Rn. 28; ebenso BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 22 ff. m.w.N.). Danach ist eine unmenschliche Behandlung die absichtliche, d.h. vorsätzliche Zufügung schwerer körperlicher oder seelischer Leiden (EGMR, U.v. 21.1.2011 – 30696/09 – ZAR 2011, 395, Rn. 220 m.w.N.; Jarass, Charta der Grundrechte, Art. 4 Rn. 9; Hailbronner, Ausländerrecht, § 4 AsylVfG Rn. 22 ff.), die im Hinblick auf Intensität und Dauer eine hinreichende Schwere aufweisen (EGMR, U.v. 11.7.2006 – Jalloh, 54810/00 – NJW 2006, 3117/3119 Rn. 67; Jarass a.a.O.; Hailbronner a.a.O.). Es muss zumindest eine erniedrigende Behandlung in der Form einer einen bestimmten Schweregrad erreichenden Demütigung oder Herabsetzung vorliegen. Diese ist dann gegeben, wenn bei dem Opfer Gefühle von Furcht, Todesangst und Minderwertigkeit verursacht werden, die geeignet sind, diese Person zu erniedrigen oder zu entwürdigen und möglicherweise ihren psychischen oder moralischen Widerstand zu brechen (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 4 AsylVfG Rn. 22 ff.). Eine Bestrafung oder Behandlung ist nur dann als unmenschlich oder erniedrigend anzusehen, wenn die mit ihr verbundenen Leiden oder Erniedrigungen über das in der Bestrafungsmethode enthaltene, unausweichliche Leidens- oder Erniedrigungselement hinausgehen, wie z.B. bei bestimmten Strafarten wie Prügelstrafe oder besonders harten Haftbedingungen (Hailbronner, a.a.O., Rn. 24, 25). Ob der Vortrag der Klägerin zutreffend ist, kann dahinstehen, da die Klägerin wiederum auf eine interne Schutzmöglichkeit in Mogadischu zu verweisen ist (§ 4 Abs. 3 AsylG i.V.m. § 3e AsylG).
Es ist auch nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Klägerin bei einer Rückkehr nach Somalia aus anderen Gründen eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung drohen würde.
Eine unzureichende Versorgungslage im Herkunftsland vermag bereits aus Rechtsgründen die Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG nicht zu begründen (so auch BayVGH, U.v. 17.7.2018 – 20 B 17.31659 – juris Rn. 24; anders insoweit OVG Niedersachsen, U.v. 5.12.2017 – 4 LB 50/16 – juris Rn. 55, 60-67), sondern kann allenfalls im Rahmen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 EMRK i.V.m. Art. 3 EMRK berücksichtigt werden. Denn nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten für den subsidiären Schutz die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend. Damit muss für die Zuerkennung subsidiären Schutzes die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung von einem Akteur im Sinne von § 3c AsylG ausgehen (vgl. BayVGH, B.v. 18.10.2017 – 20 ZB 17.30875 – juris Rn. 14). Die Versorgungslage in Somalia insgesamt kann jedoch nicht auf einen solchen Akteur zurückgeführt werden. Sie ist vielmehr Ausdruck verschiedener Faktoren, zu denen u.a. die unsichere Lage und periodisch wiederkehrende Dürreperioden gehören (vgl. etwa BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Somalia, Stand: 17.9.2019, S. 122 ff.).
2.3. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Dass ihr ein ernsthafter Schaden im Sinne dieser Vorschrift landesweit drohen würde, ist nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln nicht im erforderlichen Umfang wahrscheinlich.
Bezugspunkt für die Gefahrenprognose ist der tatsächliche Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr, in der Regel die Herkunftsregion des Ausländers, in die er typischerweise zurückkehren wird (BVerwG, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9/08 – juris Rn. 17). Im vorliegenden Fall wäre dies die Provinz Jubbada Hoose.
Selbst wenn in der Region und in der Heimatstadt der Klägerin Buulo Haji weiterhin ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht, geht im Falle der Rückkehr der Klägerin dorthin, die keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände aufweist, hiervon keine ernsthafte individuelle Bedrohung für sie aus. Der den innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in der Region Lower Juba und Buulo Haji kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt erreicht kein so hohes Niveau, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei ihrer Rückkehr dorthin allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Die hierfür erforderliche Gefahrendichte ist in der Region Lower Juba und Buulo Haji nicht gegeben, auch wenn es dort immer wieder zu bewaffneten Zwischenfällen kommt (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 5.12.2017 – 4 LB 50/16 – juris Rn. 44 ff.; VGH Kassel, U.v. 14.10.2019 – 4 A 1575/19.A – juris Rn. 42 ff. Das Gericht schließt sich dieser Wertung, die sich mit den eigenen Erkenntnismitteln deckt, an (vgl. VG Würzburg, U.v. 18.5.2020 – W 9 K 19.31503 -juris Rn. 45).
Nichts anderes gilt im Ergebnis, wenn man auf die interne Schutzmöglichkeit in Mogadischu abstellt (vgl. VG München, U.v. 4.8.2020 – M 11 K 17.41381 – juris).
3. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die weiter hilfsweise begehrte Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezüglich Somalia.
3.1. Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG kommt nicht in Betracht, da der Klägerin keine gegen Art. 3 EMRK oder ein anderes Grundrecht nach der EMRK verstoßende Behandlung droht. In Konstellationen wie der vorliegenden, in der gleichzeitig über die Gewährung unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, scheidet bei Verneinung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus, weshalb in der Sache divergierende Bewertungen kaum denkbar sind (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris; VG München, U.v. 8.5.2014 – M 15 K 12.30903 – juris Rn. 37).
Das Gericht hält es zudem zum jetzigen maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nicht für hinreichend beachtlich wahrscheinlich, dass sich die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse derart negativ entwickeln werden, dass von einer grundsätzlich abweichenden Beurteilung der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ausgegangen werden kann. Schlechte humanitäre Verhältnisse können nur in ganz außergewöhnlichen Fällen zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen, nämlich dann, wenn es sich hierbei um zwingende humanitäre Gründe handelt (vgl. OVG NRW, U.v. 24.3.2020 – 19 A 4470/19.A – juris m.w.N.). Aus der Rechtsprechung des EGMR (U.v. 28.6.2011 – Nr. 8319/07 und 11449/07 – BeckRS 2012, 8036 – Rn. 278) und des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 13.2.2019 – 1 B 2.19 – juris; U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – BVerwGE 146, 12) ergibt sich, dass die Annahme einer unmenschlichen Behandlung allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen ein sehr hohes Gefährdungsniveau voraussetzt. Nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechenden humanitären Gründe zwingend sind. Entscheidend ist, dass die Person keiner Situation extremer materieller Not ausgesetzt wird, die es ihr unter Inkaufnahme von Verelendung verwehrt, elementare Bedürfnisse zu befriedigen.
Dies kann vorliegend nicht angenommen werden. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen, insbesondere zur internen Schutzmöglichkeit verwiesen werden.
3.2. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.
Wann allgemeine Gefahren zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den betroffenen Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Das Erfordernis des unmittelbaren – zeitlichen – Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Gefahrensituation wegen der allgemeinen Versorgungslage voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann (BayVGH, U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris; Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 60 AufenthG Rn. 101). Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssten. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert würde (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 – BVerwGE 137, 226).
Bei der Klägerin handelt es sich um eine junge und arbeitsfähige Frau, die nach Überzeugung des Gerichts ihre Existenzgrundlage sichern kann. Sie hat keine wesentlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen geltend gemacht. Etwas anderes ergibt sich nicht im Hinblick auf die aktuelle Entwicklung infolge der weltweiten COVID-19-Pandemie. In Somalia sind die Infektionszahlen insgesamt nicht besonders hoch – selbst wenn man unterstellen muss, dass eine Dunkelziffer nicht erkannter Infektionsfälle gegeben ist. Bei der jungen Klägerin ist es nicht im hier notwendigen Maße wahrscheinlich ist, dass sie (ernsthaft) an COVID-19 erkrankt.
Ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG steht der Klägerin daher ebenfalls nicht zu.
Die weiteren Anordnungen im Bescheid begegnen ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken, sodass die Klage insgesamt keinen Erfolg hatte.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.


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