Verwaltungsrecht

Staatsangehörigkeit Nigeria, Ausweisung mit Einreise- und Aufenthaltsverbot von fünf Jahren, Ein Kind im Bundesgebiet nachgewiesen, Insoweit Vaterschaftsanerkennung und Sorgerecht, Zwei weitere Kinder vorgetragen, Strafrechtliche Verurteilung zu Freiheitsstrafe von 3 Jahren 10 Monaten wg. BtM-Handel, Spezial- und generalpräventive Ausweisung

Aktenzeichen  M 24 K 20.1942

Datum:
13.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 44383
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 53
GG Art. 6

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg, weil sie unbegründet ist.
Über die Klage konnte trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung entschieden werden, weil der Kläger ordnungsgemäß geladen und darauf hingewiesen worden war, dass bei seinem Ausbleiben auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO). Zur Entscheidung ist nach dem Übertragungsbeschluss der Kammer vom 11. März 2021 der Berichterstatter als Einzelrichter zuständig (§ 6 Abs. 1 VwGO).
Die Klage ist bei sachdienlicher Auslegung (§ 88 VwGO) im Hauptantrag auf die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids gerichtet (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO). Zudem beantragt der Kläger im Wege eines Verpflichtungsantrags (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) hilfsweise die Verkürzung der Befristung der Wirkungen der Ausweisung (§ 11 AufenthG). Zudem begehrt der Kläger im Wege einer weiteren Verpflichtungsklage die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
2. Die so verstandene Klage ist zulässig, insbesondere fristgerecht (§ 74 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO) erhoben worden.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 27. März 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Herabsetzung der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots und auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (§ 113 Abs. 5, § 114 Satz 1 VwGO).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, U.v. 30.7.2013 – 1 C 9.12 – juris Rn. 8; U.v. 10.7.2012 – 1 C 19.11 – juris Rn. 12).
3.1. Der streitgegenständliche Bescheid vom 27. März 2020 ist zunächst formell rechtmäßig. Insbesondere hat die sachlich nach § 71 Abs. 1 AufenthG und örtlich nach § 1 Nr. 1, § 2, § 6 (jetzt § 7) Abs. 1 Zuständigkeitsverordnung Ausländerrecht (ZustVAuslR) vom 27. August 2018 (GVBl. S. 714, 738, BayRS 26-1-1-I), die zuletzt durch Verordnung vom 2. November 2020 (GVBl. S. 625) geändert worden ist, zuständige Ausländerbehörde des Landratsamts R. gehandelt. Die vom Kläger beantragte und bereits erfolgte Streichung der Wohnsitzauflage durch das Landratsamt hat noch nicht zu einer Neubegründung des gewöhnlichen Aufenthalts in … geführt.
Vor Erlass des Bescheids hat die Ausländerbehörde dem Kläger ordnungsgemäß Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben (Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG). Sofern in Bezug auf den im Rahmen der Anhörung zur beabsichtigten Ausweisung erstmals erfolgten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis eine erneute Anhörung nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG für erforderlich erachtet würde, so wäre ein etwaiger Anhörungsfehler im Gerichtsverfahren geheilt (Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG).
3.2. Die Ausweisung des Klägers ist rechtmäßig.
Das Gesetz sieht die Ausweisung ausnahmslos als gebundene Entscheidung vor, bei der die Behörde keine Ermessenserwägungen treffen darf und die daher der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt (Bergmann/Dienelt/Bauer, 13. Aufl. 2020, AufenthG § 53 Rn. 9).
Nach der Grundsatznorm des § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausweisung mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Im Vordergrund steht bei § 53 Abs. 1 AufenthG die Ausweisung aus Gründen der Gefahrenabwehr, insbesondere zur Verhinderung künftiger Straftaten durch den auszuweisenden Ausländer (spezialpräventive Ausweisung) oder durch sonstige Ausländer (generalpräventive Ausweisung). Die Ausweisung besitzt ordnungsrechtlichen Charakter; es handelt sich nicht um eine strafrechtliche Sanktion. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in § 53 Absatz 1 AufenthG entspricht daher dem des allgemeinen Polizeirechts (BeckOK AuslR/Fleuß, 30. Ed. 1.7.2021, AufenthG § 53 Rn. 11).
Der Aufenthalt des Klägers gefährdet die öffentliche Sicherheit und Ordnung und die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Klägers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
Das Gericht folgt zunächst der zutreffenden Begründung des streitgegenständlichen Bescheids und sieht vorbehaltlich der nachfolgenden ergänzenden Ausführungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO):
3.2.1. Von dem Aufenthalt des Klägers geht in spezialpräventiver Hinsicht eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung für die Bundesrepublik Deutschland im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG aus. Der Kläger ist rechtskräftig wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren 10 Monaten, sowie mehrfach wegen weiterer Delikte verurteilt worden. Damit liegt ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG vor, weil der Kläger wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist.
3.2.2. Die damit indizierte Gefährdung öffentlicher Interessen i.S.v. § 53 Abs. 1 AufenthG besteht auch noch fort, weil eine Wiederholungsgefahr besteht und vom Kläger nach wie vor eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeht.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, U.v. 30.10.2012 – 10 B 11.2744 – juris Rn. 33 m.w.N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (st. Rspr.; BayVGH, B.v. 03.03.2016 – 10 ZB 14.844 – juris Rn 11; B.v. 16.03.2016 – 10 ZB 15.2109 – juris Rn. 18; BayVGH, U.v. 30.10.2012 – 10 B 11.2744 – juris Rn. 34; BVerwG, U.v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 – juris Rn. 18).
Gemessen an diesem Maßstab geht zur Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) vom Kläger vorliegend weiterhin eine die Ausweisung tragende Wiederholungsgefahr für die Begehung weiterer Straftaten aus. Die Wiederholungsgefahr ist als hoch einzustufen.
Der Kläger hat die ihm vorzuwerfenden Rechtsverstöße weder als isolierte Einzeltat begangen, noch sind Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass es sich dabei jeweils um eine außergewöhnliche Sondersituation handelte, deren Wiederholung nicht zu erwarten ist. Der Kläger hat vielmehr beharrlich und mit hoher Rückfallgeschwindigkeit gegen Rechtsvorschriften verstoßen. Die strafrechtlichen Verurteilungen haben den Kläger nicht dazu bewegen können, sein strafwürdiges Verhalten zu ändern. Auch eine ausländerrechtliche Verwarnung hat der Kläger nicht zum Anlass genommen, sich in Zukunft rechtstreu zu verhalten. Schließlich hat auch die Geburt seines Kindes am … … 2019 nicht dazu geführt, dass der Kläger von Straftaten Abstand genommen hätte. Vielmehr hat sich sein strafbares Verhalten nochmals gesteigert. Betroffen von den Straftaten des Klägers sind einerseits besonders gewichtige Rechtsgüter wie u.a. die körperliche Unversehrtheit und andererseits die besondere gesellschaftliche Problematik des Dogenhandels. Aus seinem Verhalten ist insgesamt zu schließen, dass ein rechtstreues Verhalten des Klägers auch in Zukunft nicht zu erwarten ist, sondern er erneut erhebliche Straftaten begehen wird.
3.2.3. Unabhängig davon gefährdet der Aufenthalt des Klägers auch im Hinblick auf generalpräventive Erwägungen die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland.
Eine Ausweisung kann auch nach dem seit 1. Januar 2016 geltenden Ausweisungsrecht regelmäßig auf generalpräventive Gründe gestützt werden (zu Ausnahmen bei durch die hier nicht einschlägigen § 53 Abs. 3 bis 4 AufenthG besonders geschützten Personenkreisen BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16/17 – juris Rn. 19 unter Verweis auf BT-Drs. 18/4097 S. 49). Denn vom weiteren Aufenthalt eines Ausländers, der Straftaten begangen hat, kann auch dann eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen, wenn von ihm selbst keine (Wiederholungs-)Gefahr mehr ausgeht, im Fall des Unterbleibens einer ausländerrechtlichen Reaktion auf sein Fehlverhalten andere Ausländer aber nicht wirksam davon abgehalten werden, vergleichbare Delikte zu begehen (BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 1 C 21.18 – juris Rn.17; BayVGH, U.v. 12.10.2020 – 10 B 20.1795 – juris Rn. 32 ff.). Zur Annahme eines generalpräventiven Ausweisungsinteresses im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG bedarf es – anders als unter Geltung von § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG a.F. – nicht der Verurteilung wegen besonders schwerwiegender Delikte für die öffentliche Sicherheit und Ordnung wie Drogendelikte, Delikte im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität oder im Zusammenhang mit Terrorismus. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichts können im Einzelfall auch Falschangaben zur Erlangung einer Duldung (BayVGH, B.v. 10.12.2018 – 10 ZB 16.1511 – juris Rn. 19; B.v. 17.9.2020 – 10 C 20.1895 – juris Rn. 10), eine Identitätstäuschung gegenüber der Ausländerbehörde (BayVGH, B.v. 6.3.2020 – 10 ZB 19.2419 – juris Rn. 5), Falschangaben im Visumverfahren (BayVGH, B.v. 28.12.2018 – 10 C 18.1361 – juris Rn. 13), die Verletzung der Passpflicht (BayVGH, B.v. 4.5.2020 – 20.666 – juris Rn. 8) oder eine Körperverletzung (BayVGH, B.v. 27.4.2020 – 10 C 20.51 – juris Rn. 7) ein generalpräventives Ausweisungsinteresse begründen. Erforderlich ist lediglich, dass die Ausweisung an Straftaten oder Verhaltensweisen anknüpft, bei denen sie nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet erscheint, andere Ausländer von Taten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten (BVerwG, U.v. 3.5.1973 – I C 33.72 – juris Rn. 34; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 53 AufenthG Rn. 64; Dörig, Handbuch Migrations- und Integrationsrecht, 2. Auflage 2020, § 7 Rn. 27; Fleuß in Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, Stand: 1.1.2021, § 53 AufenthG Rn. 32). Auch muss das Ausweisungsinteresse noch aktuell sein (BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 1 C 21.18 – juris Rn.17). Darüber hinaus sind Art und Schwere der jeweiligen Anlasstat lediglich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen (so auch Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 53 AufenthG Rn. 63).
Gemessen daran besteht im Fall des Klägers ein generalpräventives Ausweisungsinteresse. Der weitere Aufenthalt des Klägers stellt aus generalpräventiven Gründen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Mit der Ausweisung soll auf das Verhalten anderer Ausländer eingewirkt werden und sie zur Einhaltung der Rechtsordnung bewogen werden. Delikten wie den hier abgeurteilten kann mit Ausweisungen im gewissen Maße entgegengewirkt werden. Gerade mit Blick auf die vom Kläger begangenen Straftat aus dem Kontext der Betäubungsmittelstraftaten, die mit 3 Jahren und 10 Monaten Freiheitsstrafe geahndet wurde, besteht ein erhebliches öffentliches Interesse, andere Ausländer davon abzuhalten, vergleichbare Verstöße zu begehen. Dies gilt auch für die weiteren vom Kläger begangenen Straftaten, einschließlich der von ihm begangenen Körperverletzungsdelikte. Gerade bei dem Handel mit Betäubungsmitteln, zumal bei harten Drogen wie Kokain, das inmitten der vom Kläger begangenen Straftat stand, handelt es sich um ein Deliktsfeld, von dem eine hohe Gefahr für Staat und Gesellschaft ausgeht. In den Blick zu nehmen sind insoweit zum einen die Süchtigen, die für diese bestehenden Gesundheitsgefahren und die sozialen Folgen der Sucht. Zum anderen aber geht mit dem Drogenhandel nicht nur Beschaffungskriminalität der Opfer einher, dieser ist vielmehr auch eingebettet und Treiber von organisierter Kriminalität in vielfältigen Formen. An der Bekämpfung des illegalen Handels mit Betäubungsmitteln mit allen dem Staat zur Verfügung stehenden Mitteln besteht insgesamt ein herausragendes gesamtgesellschaftliches Interesse. Daher ist es sinnvoll und gerechtfertigt, auch anderen Ausländern vor Augen zu führen, dass Kriminalität in diesem Bereich nicht nur zu strafrechtlichen Konsequenzen führt, sondern auch mit den übrigen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft wird und die Aufenthaltsbeendigung nach sich ziehen kann.
Das generalpräventive Ausweisungsinteresse ist im Falle des Klägers auch noch aktuell. Für die zeitliche Begrenzung eines generalpräventiven Ausweisungsinteresses, das an strafrechtlich relevantes Handeln anknüpft, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 12.7.2018 – 1 C 16.17 – juris Rn. 23) für die vorzunehmende gefahrenabwehrrechtliche Beurteilung eine Orientierung an den Fristen der §§ 78 ff. StGB zur Strafverfolgungsverjährung angezeigt. Dabei bildet die einfache Verjährungsfrist des § 78 Abs. 3 StGB, deren Dauer sich nach der verwirklichten Tat richtet und die mit Beendigung der Tat zu laufen beginnt, eine untere Grenze. Die obere Grenze orientiert sich hingegen regelmäßig an der absoluten Verjährungsfrist des § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB, die regelmäßig das Doppelte der einfachen Verjährungsfrist beträgt. Innerhalb dieses Zeitrahmens ist der Fortbestand des Ausweisungsinteresses anhand generalpräventiver Erwägungen zu ermitteln (vgl. BayVGH, B.v. 4.5.2020 – 10 ZB 20.666 – juris Rn. 8). Bereits die Fristen des § 78 StGB sind vorliegend insbesondere bei der zuletzt abgeurteilten Tat, aber auch bei den Verurteilungen vom … November 2017 und … September 2019 nicht abgelaufen, das generalpräventive Ausweisungsinteresse besteht fort.
3.2.4. Die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Klägers im Bundesgebiet führt dazu, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise die Bleibeinteressen des Klägers überwiegt. Bei dieser Abwägung sind nach den Umständen des Einzelfalls insbesondere die Dauer des Aufenthalts, die persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen (§ 53 Abs. 2 AufenthG). In diesem Zusammenhang sind auch die in der Rechtsprechung des EGMR entwickelten Kriterien zu beachten (vgl. EGMR, U.v. 2.8.2001 – 54273/00, Boultif/Schweiz – InfAuslR 2001,476; U.v. 18.10.2006 – 46410/99, Üner/Niederlande – NVwZ 2007,1279 und U.v. 12.01.2010 – 47486/06 – Khan/Vereinigtes Königreich, InfAuslR 2010, 369-371). Dazu gehören die Art und Schwere der vom Ausländer begangenen Straftat; die Dauer seines Aufenthalts im Land, aus dem er ausgewiesen werden soll; die seit Begehen der Straftat vergangene Zeit und das Verhalten des Ausländers seit der Tat; die Staatsangehörigkeit aller Beteiligten; die familiäre Situation des Ausländers und gegebenenfalls die Dauer seiner Ehe sowie andere Umstände, die auf ein tatsächliches Familienleben eines Paares hinweisen; ob der Partner bei Begründung der familiären Beziehung Kenntnis von der Straftat hatte; ob der Verbindung Kinder entstammen, und in diesem Fall deren Alter; den Grund für die Schwierigkeiten, die der Partner in dem Land haben kann, in das der Ausländer ausgewiesen werden soll.
3.2.4.1. Der Kläger erfüllt wie dargestellt ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Dabei sind Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz in der vom Kläger begangenen Form, bei Berücksichtigung der angekauften Menge und des Umstands, dass es sich um die harte Droge Kokain gehandelt hat, als besonders gewichtig einzustufen, wie nicht zuletzt auch der Gesetzgeber durch Einfügung des § 54 Abs. 1 Nr. 1b AufenthG zum Ausdruck gebracht hat, in dessen Rahmen bereits eine Betäubungsmittelstraftat mit einer Verurteilung von mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe zur Begründung eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses ausreicht. Dies trägt letztlich auch dem Umstand Rechnung, dass Betäubungsmitteldelikte zu den schweren, die Grundinteressen der Gesellschaft berührenden und schwer zu bekämpfenden Straftaten (Art. 83 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV) zählen, die mit erheblichen persönlichen Folgen auch für die Konsumenten verbunden sind.
3.2.4.2. Umgekehrt sind bei der Abwägung die in der Person des Klägers vorliegenden Bleibeinteressen zu berücksichtigen.
Im Fall des Klägers besteht zunächst ein schwerwiegendes Bleibeinteresse, weil er personensorgeberechtigter Vater des rechtmäßig mit Aufenthaltserlaubnis in Deutschland lebenden Kindes A. O. … ist.
Bei der Beurteilung der familiären Beziehung zwischen einem Elternteil und seinem minderjährigen Kind verbietet sich jede schematische Betrachtung und Differenzierung zwischen einer geschützten „Lebensgemeinschaft“ und einer bloßen „Begegnungsgemeinschaft“. Maßgeblich ist vielmehr alleine die tatsächliche Verbundenheit zwischen dem Kind und dem Elternteil, die nicht nur durch (zeitlich) quantifizierbare Betreuungsbeiträge, sondern auch durch die geistige und emotionale Auseinandersetzung zwischen dem Elternteil und dem Kind geprägt ist.
Insofern ist festzustellen, dass das schwerwiegende Bleibeinteresse des § 55 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG vorliegend nicht gegeben ist, denn der Kläger hat die tatsächliche Ausübung des Personensorgerechts für sein Kind weder im Zeitraum vor der Haft, noch während der Haft vorgetragen oder nachgewiesen, obgleich ihn diesbezüglich eine materiell-rechtliche Pflicht zum Vortrag günstiger Umstände und zur Beibringung von Belegen trifft (§ 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Insoweit ist auch darauf hinzuweisen, dass der Kläger mit dem Kind nie zusammengelebt hat, weil die Kindsmutter schon am 1. April 2019 und damit vor der Geburt des Kindes am … … 2019 von R. nach … gezogen ist und dass er im kurzen Zeitraum bis zu seiner Inhaftierung am 3. August 2019 mit Blick auf die für ihn geltende räumliche Beschränkung auf den Landkreis R. keine Verlassenserlaubnis zur Ermöglichung eines Besuchs bei seiner Tochter beantragt hat.
Umgekehrt hat die Kindsmutter verdeutlicht, künftig mit dem Kläger zusammenleben und sich gemeinsam um das Kind kümmern zu wollen. Das Gericht bezweifelt auch nicht, dass der Kläger nach der Haftentlassung plant, mit dem Kind und der Kindsmutter eine Lebensgemeinschaft zu führen. Die Grundlagen hierfür sind mit Streichung der Wohnsitzauflage gelegt. Die Interessen und das Wohl des Kindes A. sind bei der vorliegenden Entscheidung zu berücksichtigen. Auch dies stellt ein schwerwiegendes Bleibeinteresse dar (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG).
Hinsichtlich der beiden weiteren vom Kläger namentlich benannten Kinder hat der anwaltlich vertretene Kläger entgegen seinen materiell-rechtlichen (§ 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG) und prozessualen Mitwirkungspflichten (§ 86 Abs. 1 Satz 1 HS 2 VwGO) keinerlei weitere Informationen übermittelt. Es ist daher schon unklar, ob es sich bei den von der Ausländerbehörde ermittelten Kindern tatsächlich um solche des Klägers handelt. Nachweise dahingehend liegen ebenso wenig vor, wie überhaupt ein belastbarer und überprüfbarer Vortrag zum Verhältnis des Klägers zu diesen Kindern, die beide erst während der Haft des Klägers geboren wurden. Es liegen dem Gericht keine Informationen zu den Kindsmüttern, zur Vaterschaftsanerkennung, Sorgerechtserklärungen, Kontakten des Klägers usw. vor. Das Gericht berücksichtigt zugunsten des Klägers diese Kinder gleichwohl mit den dieser Verbindung zukommenden Gewicht bei den Bleibeinteressen im Rahmen von § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG.
3.2.4.3. Auch bei Berücksichtigung der aus der Beziehung zu seinen Kindern abgeleiteten schwerwiegenden Bleibeinteressen des Klägers stehen jedoch vorliegend die Wertungen des Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GG der Ausweisung des Klägers nicht entgegen. Bei der Abwägung des Ausweisungsinteresses mit den Bleibeinteressen überwiegen insgesamt die staatlichen Interessen an der Ausreise des Klägers und die Ausweisung ist verhältnismäßig.
Dieses Überwiegen ergibt sich nicht allein aus der typisierten gesetzlichen Wertung, wonach einem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse (§ 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) ein nur schwerwiegendes Bleibeinteresse (§ 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG) gegenübersteht. Die gesetzliche Unterscheidung in besonders schwerwiegende und (bloß) schwerwiegende Ausweisungsu. Bleibeinteressen ist für die Güterabwägung zwar regelmäßig prägend. Bei Vorliegen besonderer Umstände können die Ausweisungsinteressen aber auch weniger schwer zu gewichten sein. Im Rahmen der Abwägung ist mithin nicht nur von Belang, wie der Gesetzgeber das Ausweisungsinteresse abstrakt einstuft. Vielmehr ist das dem Ausländer vorgeworfene Verhalten, das den Ausweisungsgrund bildet, im Einzelnen zu würdigen und weiter zu gewichten (vgl. Bergmann/Dienelt/Bauer AufenthG § 53 Rn. 80).
Das Gericht verkennt weiter nicht, dass im Rahmen der nach § 53 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG vorzunehmenden Gesamtabwägung den von Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Bindungen des Klägers zu seinen Kindern und umgekehrt der Bindung der Kinder an ihren Vater ein besonderes Gewicht zukommt. Die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm gebietet es, bei Entscheidungen über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen und die sich für Familienangehörige ergebenden Folgen einer Aufenthaltsbeendigung angemessen zu berücksichtigen. Im Hinblick auf § 55 AufenthG hängt die Intensität des Schutzes der Eltern-Kind-Beziehung in erster Linie von der tatsächlichen Ausgestaltung der Beziehung ab, wobei es maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes ankommt. Zu untersuchen ist, ob im Einzelfall eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist (st. RSpr. vgl. BVerfG NVwZ 2006, Seite 682; BayVGH, Beschluss vom 10.04.2019 – 19 ZB 17.1535; BVerfG, B.v. 8.12.2005 – 2 BvR 1001/04 – juris Rn. 17, 25; U.v. 23.1.2006 – 2 BvR 1935/05 – juris Rn. 16, 18). Art. 6 GG gewährt aber für sich gesehen kein Aufenthaltsrecht und steht auch einer Ausweisung nicht von vorneherein zwingend entgegen.
Das Gewicht der Bindungen des Klägers an seine Kinder und umgekehrt und das aus Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK abgeleitete typisierte schwerwiegende Bleibeinteresse des Klägers werden aber im vorliegenden Fall von dem besonders schwerwiegenden staatlichen Ausweisungsinteresse überwogen. Hierfür sind folgende Gesichtspunkte maßgeblich:
Der Kläger hält sich nach Aktenlage erst knapp sechs Jahre – mit Unterbrechung – in der Bundesrepublik Deutschland auf. Er hat vorher den Großteil seines Lebens in seiner Heimat Nigeria verbracht. Er ist weder wirtschaftlich noch sozial in nennenswertem Maße integriert. Bereits seit Ende 2018 ist er vollziehbar ausreisepflichtig. Nur aufgrund des Umstands, dass der Kläger nur gegenüber dem Standesamt, nicht aber gegenüber der Ausländerbehörde seinen Nationalpass vorgelegt hat, konnte eine Abschiebung nicht vollzogen werden.
Die drei vom Kläger angeführten Kinder besitzen, wie auch die jeweiligen Kindsmütter, die nigerianische Staatsangehörigkeit. Auch wenn A. in Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist und einem weiteren Kind aufgrund der Feststellung eines Abschiebungsverbots zukünftig wohl eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden dürfte, wäre es den Kindern selbst damit grundsätzlich zuzumuten, den Kläger gegebenenfalls vorübergehend nach Nigeria zu begleiten, um die Vater-Kind-Beziehung weiter aufrechtzuerhalten. Was die Kindsmütter der beiden jüngeren vom Kläger angeführten Kinder angeht, liegen keine Informationen zu Gesichtspunkten vor, die eine Unzumutbarkeit der Ausreise nach Nigeria begründen könnten. Das Gericht verkennt aber nicht, dass die Mutter von A. ein weiteres Kind mit deutscher Staatsangehörigkeit hat. Daher ist in Bezug auf diese grundsätzlich ein Hindernis anzunehmen hinsichtlich einer dauerhaften Ausreise mit A. (und dem weiteren deutschen Kind) zum Kläger, um so die Beziehung des Klägers zu seinem Kind aufrechtzuerhalten. Allerdings erweist sich die tatsächliche Beziehung des Klägers zu A., auch aus Sicht des Kindes gesehen, als nicht so gewichtig, dass sich aus dieser Kette familiärer Beziehungen ein Überwiegen der Bleibeinteressen des Klägers ergeben würde.
Alle drei Kinder, von denen der Kläger seine Bleibeinteressen ableitet, wurden geboren, als der Kläger bereits vollziehbar ausreisepflichtig war. Der Kläger hat zudem mit keinem der Kinder, insbesondere auch nicht mit A. O. …, zusammengelebt, wenngleich er dies künftig beabsichtigt. Die Beziehung zu diesem Kind musste sich schon vor der Inhaftierung des Klägers auf Besuche von Mai bis Juli 2019 beschränken, wobei Zahl, Qualität und Dauer solcher Besuche nicht konkret vorgetragen oder gar nachgewiesen sind. Verlassenserlaubnisse zur Ermöglichung eines Besuchs in … hat der Kläger bei der Ausländerbehörde nicht beantragt. Allerdings hat er erfolgreich die Aufhebung seiner Wohnsitzauflage zur Ermöglichung eines Umzugs zu dem Kind und der Kindsmutter betrieben. Die weiteren vom Kläger bezeichneten Kinder haben den Kläger jedenfalls noch nie gesehen, da sie erst nach der Inhaftierung des Klägers geboren wurden. Mögen die drei Kinder wie alle Kinder auch grundsätzlich auf eine Beziehung zu ihrem Vater angewiesen sein, sind sie somit doch ihre bisherige gesamte oder im Fall von A., die der Kläger allenfalls im Babyalter tatsächlich getroffen hat, jedenfalls die gesamte bewusst erlebte Lebenszeit gewohnt, ohne ihn zurecht zu kommen. Zur Überzeugung des Gerichts werden sie zumindest für eine vorübergehende Zeit auch ohne die Anwesenheit des Klägers im Bundesgebiet auskommen können. Insoweit besteht auch die Möglichkeit der Nutzung von modernen Fernkommunikationsmitteln, etwa über soziale Medien, und gegebenenfalls Besuche beim Kläger in der Heimat, oder umgekehrt die Beantragung von Betretenserlaubnissen durch den Kläger.
Die Schutzwürdigkeit der Beziehung des Klägers zu seinen Kindern wird weiter dadurch relativiert, dass er nach der Geburt von A. und jedenfalls während der Schwangerschaft der Mütter der beiden weiteren Kinder massiv straffällig wurde. Die Beziehung zu seinem neu geborenen Kind und auch der Umstand, dass er Vater weiterer Kinder werden würde, konnten den Kläger nicht von der Begehung dieser weiteren gewichtigen Straftat abhalten. Eine Zäsur in seiner Straffälligkeit ist nicht feststellbar, obwohl dem Kläger klar sein musste, dass die Begehung von Straftaten auf die ein oder andere Weise zu einer länger andauernden Trennung von seinen Kindern führen kann. Dies zeugt nicht von umfassend fürsorglichen Empfindungen für sein Kind und die zu diesem Zeitpunkt noch ungeborenen weiteren Kinder. Der Kläger hat letztlich zum Ausdruck gebracht, dass es ihm nicht so wichtig ist, ob er für seine Kinder ein guter, insbesondere tatsächlich anwesender Vater sein kann oder nicht. Der Kläger hat auch seinen nigerianischen Reisepass nur gegenüber dem Standesamt und nicht gegenüber der Ausländerbehörde vorgelegt und sich damit letztlich einer Möglichkeit beraubt, legal erwerbstätig zu werden um für den Unterhalt seiner Kinder sorgen zu können. 59
Sonstige, d. h. nicht katalogisierte Bleibeinteressen von relevantem Gewicht sind nicht vorgetragen oder ersichtlich. Insbesondere kann sich der Kläger nicht auf den Status eines sogenannten faktischen Inländers (Art. 8 EMRK, Art. 2 GG) berufen, da aufgrund der noch nicht sehr langen Aufenthaltsdauer von knapp sechs Jahren und der geringen sozialen, insbesondere der völlig fehlenden beruflichen Integration, keine relevante Verwurzelung im Bundesgebiet stattgefunden hat. Auch ist hier zu sehen, dass dieser Aufenthalt seit dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens im Jahr 2018, und somit seit fast drei Jahren, nur noch geduldet ist, weil der Kläger an der Passbeschaffung bzw. Identitätsklärung nicht mitwirkt. Auch kann der Kläger keine grundrechtlich aus Art. 6 Abs. 1 GG begründeten Bleibeinteressen aus den Beziehungen zu den Kindsmüttern ableiten. Mit der Mutter von A. ist er nicht verheiratet, zu den übrigen Kindsmüttern liegen keine Informationen vor.
Die so skizzierten und bewerteten Bleibeinteressen vermögen sich insgesamt gegen die besonders schwerwiegenden staatlichen Ausweisungsinteressen nicht durchzusetzen. Dabei ist zunächst die vom Kläger selbst ausgehende hohe Wiederholungsgefahr zu sehen, der innerhalb kurzer Zeit trotz der Vorverurteilungen und trotz der Geburt seines Kindes und der Schwangerschaft der weiteren von ihm vorgetragenen Kindsmütter erneut straffällig wurde. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Anlassverurteilung vom … Februar 2020 wegen Verstoßes gegen das BtMG im Kontext mit der harten Droge Kokain als besonders gewichtig einzustufen ist. Diese wurde mit 3 Jahren und 10 Monaten Freiheitsstrafe geahndet. Insoweit besteht ein erhebliches generalpräventives staatliches Ausweisungsinteresse. Unabhängig von der konkret ausgeurteilten Strafe stellt sich die Bekämpfung des Drogenhandels und der Drogenkriminalität als gesellschaftlichem Problem als überragend wichtiges staatliches Anliegen dar, zumal wenn es sich wie hier um eine größere Menge einer harten Droge handelt. Drogenhandel gehört zu den gefährlichen und schwer zu bekämpfenden Delikten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 1979 – 1 BvR 650/77 – BVerfGE 51, 386 = juris, Rn 34). Auch der Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte hat im Bereich des Drogenhandels Verständnis für die Härte der Behörden gegenüber jenen gezeigt, die „aktiv an der Verbreitung dieser Geißel beteiligt sind“ (vgl. EGMR, Urteil vom 23. Juni 2008 – 1638/03, Maslov II -, BeckRS 2009, 70641, Rn. 80). Zuletzt weist auch Art. 83 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV, wonach es sich bei illegalem Drogenhandel um einen jener Bereiche besonders schwerer Kriminalität handelt, die aufgrund der Art oder der Auswirkungen der Straftaten oder aufgrund einer besonderen Notwendigkeit, sie auf einer gemeinsamen Grundlage zu bekämpfen, eine grenzüberschreitende Dimension haben, auf die besondere Bedeutung der vom Kläger begangenen Straftat hin. Dieser gewichtige Gesichtspunkt, einhergehend mit einer im Fall des Klägers als hoch einzustufenden Wiederholungsgefahr der Begehung weiterer derartiger Delikte, führt zum Überwiegen der staatlichen spezialpräventiven und generalpräventiven Ausweisungsinteressen über die privaten Bleibeinteressen des Klägers.
Die Ausweisung erweist sich schließlich auch als geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel zur Erreichung des mit ihr verfolgten Zwecks der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und Bekämpfung der vom Kläger persönlich für diese ausgehenden Gefahren.
3.3. Die Befristung des angeordneten Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG auf fünf Jahre begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Herabsetzung der Frist (§ 113 Abs. 5 VwGO). Das Gericht ist hierbei auf die Prüfung, ob Ermessensfehler vorliegen, beschränkt (§ 114 Satz 1 VwGO). Solche sind hier nicht erkennbar; der Kläger hat insoweit auch nichts vorgetragen. Der Beklagte hat die Ermessenserwägungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der beiden weiteren vom Kläger angeführten Kinder ergänzt (§ 114 Satz 2 VwGO).
3.4. Schließlich erweist sich der Bescheid des Beklagten vom 27. März 2020 auch hinsichtlich der Ablehnung der begehrten Aufenthaltserlaubnis als rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (§ 113 Abs. 5 VwGO). Einer Erteilung eines Aufenthaltstitels steht hier schon die Titelerteilungssperre des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG infolge der rechtmäßigen Ausweisungsverfügung (siehe dazu oben 3.2.) entgegen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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