Verwaltungsrecht

Stattgabe eines Antrags auf Unterlassen bzw. Widerruf der Mitteilung des Bundesamts gegenüber der Ausländerbehörde nach § 71 Abs. 5 S. 2 AsylG

Aktenzeichen  M 6 E 17.38149

Datum:
30.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 71 Abs. 5 S. 2
VwGO VwGO § 123
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

Einem Antrag, das Bundesamt im Wege der einstweiligen Anordnung dazu zu verpflichten, eine Mitteilung nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG gegenüber der Ausländerbehörde zu widerrufen oder eine solche zu unterlassen, ist stattzugeben, wenn dem Gericht keine behördlichen Äußerungen im Eilverfahren und keinerlei Akten zugehen. Das gilt erst recht, wenn der Antragsteller ärztliche Bescheinigungen vorlegt, die es jedenfalls als nicht ausgeschlossen erscheinen lassen, dass zielstaatsbezogene oder auch inlandsbezogene Abschiebungsverbote vorliegen …

Tenor

I. Die Antragsgegnerin wird im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, gegenüber der Ausländerbehörde eine Mitteilung nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG zu unterlassen oder diese, sofern sie bereits erfolgt ist, zu widerrufen.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Durch seinen Prozessbevollmächtigten ließ der Antragsteller mit Schriftsatz vom 18. April 2017, eingegangen bei Gericht am selben Tag per Fax, beantragen,
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO verpflichtet, den Aufenthalt des Antragstellers bis zu seiner Entscheidung über seinen Antrag auf Feststellung von Abschiebungshindernissen zu dulden.
Hilfsweise; Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO verpflichtet, dem Antragsteller bis zu einer Entscheidung über seinen Antrag auf Feststellung von Abschiebungshindernissen eine Grenzübertrittsbescheinigung auszustellen.
Ausweislich eines dem Antrag beigefügten Schreibens vom 16. März 2017 sei beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – Bundesamt – die Feststellung von Abschiebungshindernissen beantragt worden. Dem beigefügt war ein fachärztlicher Befundbericht einer Fachärztin für Neurologie und Nervenheilkunde vom … März 2017, der auf fünf Untersuchungen des Antragstellers im Zeitraum … Juni bis … September 2016 Bezug nimmt und als Diagnose aufführt: Schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome (F 32.2G); Posttraumatische Belastungsstörung (F 43.1V). Weiter heißt es u.a. hinsichtlich des Gesundheitszustandes, der Antragsteller sei behandlungsbedürftig. Bei Abbruch der Behandlung bestehe das Risiko einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes, einer Selbstschädigung bis hin zum Suizid. In einer weiteren ärztlichen Stellungnahme derselben Fachärztin aufgrund der Untersuchung vom … März 2017 wird dieselbe Diagnose erneut gestellt und dieselben Konsequenzen eines Abbruchs der Behandlung und Rückführung nach Afghanistan als sehr wahrscheinlich beschrieben. Eine Behandlung im Herkunftsland komme nicht in Betracht, da dies der Ort der Traumatisierung sei.
Auf das Vorbringen des Antragstellers im Übrigen wird ergänzend Bezug genommen.
Die Antragsgegnerin, der dieser Antrag mit Verfügung vom 2: Mai 2017 zugestellt wurde, hat keinerlei Äußerung gegenüber dem Gericht abgegeben und insbesondere auch keine Akten vorgelegt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Dem vorliegenden Antrag war schon deshalb stattzugeben, weil seitens der Antragsgegnerin keinerlei Äußerung gegenüber dem Gericht und insbesondere keine Aktenvorlage erfolgte.
Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Antrag zwecks Gewährung effektiven Rechtsschutzes dahin auszulegen war, dass er auf eine Anordnung wie tenoriert gerichtet sein sollte. Für eine Anordnung, wie sie beantragt worden ist, wäre die Antragsgegnerin (das Bundesamt) nicht zuständig, sondern ggf. die zuständige Ausländerbehörde. Ob etwas anders deshalb gilt, weil das Bundesamt ein Asylfolgeverfahren zwischenzeitlich infolge des Antrags vom 16. März 2017 eröffnet hat, ist dem Gericht nicht bekannt und kann mangels Mitteilung der Behörde oder Aktenvorlage auch nicht geklärt werden.
Damit hat das Gericht vorliegend zunächst vom – unwidersprochen gebliebenen – Vorbringen des Antragstellers auszugehen. Daraus ergibt sich eine zumindest gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass das beantragte Folgeverfahren eröffnet und zumindest geprüft wird, ob Abschiebungshindernisse aufgrund der neuerlichen Atteste vorliegen. In einer solchen Situation und insbesondere ohne jede Aktenkenntnis kann nur wie tenoriert entschieden werden, da dem Antragsteller andres kein effektiver Rechtsschutz gewährt werden kann und es zumindest als nicht ausgeschlossen erscheint, dass Abschiebungsverbote bestehen. Ob diese inlandsbezogen oder zielstaatsbezogen wären kann mangels Kenntnis der Verfahrens- und Aktenlage gegenwärtig ebenfalls nicht beurteilt werden. All diese von ihr zu vertretenden Unsicherheiten gehen zu Lasten der Antragsgegnerin, die als unterlegene Partei auch die Kosten des Verfahrens zu tragen hat (§ 154 Abs. 1 VwGO)
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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