Verwaltungsrecht

Statthafte Antragsart, Nebenbestimmung „für Personen mit ungeklärter Identität“, Erfüllung Mitwirkungspflichten, Klärung der Identität

Aktenzeichen  M 12 E 21.6201

Datum:
21.4.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 9751
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 123 Abs. 1
AufenthG § 60b
AufenthG § 60c

 

Leitsatz

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Nebenbestimmung „für Personen mit ungeklärter Identität“ der Duldung vom 3. März 2022 wird angeordnet.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Von den Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller 2/3 und der Antragsgegner 1/3.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,- EUR festgesetzt.
IV. Soweit der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Nebenbestimmung „für Personen mit ungeklärter Identität“ der Duldung vom 3. März 2022 beantragt, wird ihm unter Beiordnung von Rechtsanwalt … …, … …, … …, Prozesskostenhilfe gewährt.
Im Übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Nebenbestimmung „für Personen mit ungeklärter Identität“ in mehreren Duldungen, die dem Antragsteller seit dem 20. März 2020 erteilt wurden. Ferner begehrt er ebenfalls im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gestattung einer Ausbildungstätigkeit als …
Der am … … 1999 in … … geborene Antragsteller ist nigerianischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben am 24. Mai 2018 in das Bundesgebiet ein und stellte am 15. Juni 2018 einen Asylantrag. Im Zusammenhang mit einem zuvor im Königreich der Niederlande gestellten Asylantrag wurde der Reisepass des Antragstellers durch die dortigen Behörden eingezogen.
Im Rahmen einer Befragung zur Identitätsklärung durch die Regierung von Oberbayern am 24. Juli 2018 wurde ausweislich der Niederschrift die Geburtsurkunde des Antragstellers einbehalten. Der Antragsteller erhielt eine Kopie der Urkunde sowie eine Bestätigung über den Einbehalt des Originals ausgehändigt.
Mit Bescheid vom 5. Juli 2019 wurden der Asylantrag des Antragstellers als Zweitantrag nach § 71a AsylG als unzulässig abgelehnt und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG verneint. Dem Antragsteller wurde die Abschiebung zuvorderst nach Nigeria angedroht. Die hiergegen gerichtete Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München (M 12 K 19.32581) wurde mit Urteil vom 6. September 2019 abgewiesen und der daraufhin gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. November 2019 abgelehnt.
Am 28. November 2019 stellte der Antragsgegner dem Antragsteller eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG mit Gültigkeit bis zum 27. Februar 2020 aus.
Mit Schreiben vom 4. Februar 2020 und 14. Februar 2020 wurde der Antragsteller über seine Mitwirkungspflichten zur Beschaffung eines Passes oder Passersatzpapiers belehrt. Dem Schreiben vom 14. Februar 2020 war ein Hinweisblatt in englischer Sprache beigefügt, welches insbesondere auf nach § 60b AufenthG zumutbare Handlungen im Rahmen der Beschaffung eines Passes oder Passersatz hinwies.
Am 14. Februar 2020 unterzeichnete der Antragsteller einen Antrag auf Ausstellung eines Passersatzes.
Ebenfalls am 14. Februar 2020 wurde dem Antragsteller eine Grenzübertrittsbescheinigung mit Ausreisefrist bis zum 13. März 2020, welche später bis zum 20. März 2020 verlängert wurde, ausgestellt.
Mit E-Mail vom … März 2020 teilte der Bevollmächtigte des Antragstellers dem Antragsgegner mit, dass die nigerianische Botschaft derzeit nicht zu erreichen sei. Der Antragsteller werde einen Termin zur Passbeantragung vereinbaren, sobald die Botschaft wieder erreichbar sei. Er bat darum, die zur Passbeantragung notwendige Geburtsurkunde des Antragstellers auszuhändigen.
Am 20. März 2020 wurde für den Antragsteller eine Duldung erstmalig mit dem Zusatz „für Personen mit ungeklärter Identität“ ausgestellt. In der Folge wurden dem Antragsteller jeweils befristete Duldungen gleichen Inhalts am 9. Juni 2020 und 25. Juni 2020 erteilt.
Mit Schreiben vom … Juli 2020 forderte der Bevollmächtigte des Antragstellers den Antragsgegner dazu auf, eine Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG zu erteilen. Die Erteilung einer Duldung nach § 60b AufenthG „für Personen ungeklärter Identität“ sei rechtswidrig. Zur Begründung wurde insbesondere vorgetragen, dass die Identität des Antragstellers durch Vorlage der Geburtsurkunde geklärt sei. Die Nichtbeschaffung eines Reisepasses habe dieser nicht zu vertreten. Dem Antragsteller sei es ohne die Geburtsurkunde nicht möglich, einen Reisepass zu beantragen. Ferner sei es noch immer nicht möglich, bei der nigerianischen Botschaft Termine zu vereinbaren.
Mit Schreiben vom 7. August 2020 wies der Antragsgegner darauf hin, dass der Antragsteller mit Schreiben vom 4. Februar 2020 und 14. Februar 2020 hinsichtlich der Pflicht zur Passbeschaffung belehrt worden sei. Die vorgelegte Geburtsurkunde sei zur Identitätsklärung nicht ausreichend, da damit keine Berechtigung zum Grenzübertritt gewährt werde. Eine Duldung „für Personen ungeklärter Identität“ sei zu erteilen, bis ein Reisepass oder Heimreiseschein vorgelegt werde. Für die Beantragung eines Reisepasses sei eine beglaubigte Kopie der Geburtsurkunde ausreichend, welche er durch die Regierung von Oberbayern erhalten habe. Das Original sei nach Rückmeldung der Regierung von Oberbayern sowie des BAMF nicht mehr auffindbar. Die Ablehnung des Asylantrags des Antragstellers sei seit dem 11. November 2019 rechtskräftig. Seitdem habe sich dieser um die Beschaffung eines Passes oder eines Heimreisescheins bemühen müssen. Ab dem 11. August 2020 vergebe die nigerianische Botschaft wieder Termine. Zudem sei es bereits zuvor jederzeit möglich gewesen, ein „Emergency Travel Certificate“ zu erhalten.
Am 14. Dezember 2020 wurde für den Antragsteller erneut eine Duldung mit dem Zusatz „für Personen mit ungeklärter Identität“ ausgestellt.
Mit Schreiben vom … März 2021 legte der Bevollmächtigte des Antragstellers eine Terminbestätigung der nigerianischen Botschaft vom 17. Januar 2021 für einen Termin zur Passbeantragung am 6. Mai 2021 vor. Ferner wurde mit weiterem Schreiben ebenfalls vom … März 2021 die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis als … bei der Fa. R … beantragt.
Der Antragsteller legte in der Folge eine Bestätigung der nigerianischen Botschaft in Berlin vom 6. Mai 2021 vor, wonach der Antragsteller einen nigerianischen e-Passport beantragt habe, welcher in Abuja bearbeitet werde. Der Antragsteller werde gebeten, sich in der ersten Augustwoche 2021 erneut bei der Botschaft zu melden.
Am 20. Mai 2021 wurde für den Antragsteller erneut eine Duldung mit dem Zusatz „für Personen mit ungeklärter Identität“ ausgestellt.
Mit E-Mail vom 27. Mai 2021 teilte der Antragsgegner mit, dass die vorgelegte Bestätigung der Botschaft nicht ausreiche, um den gesetzlichen Mitwirkungspflichten zu genügen. Es werde lediglich bestätigt, dass der Antragsteller vorgesprochen und einen Reisepass beantragt habe. Es lägen keine Rechnungen zu der Beantragung des Reisepasses vor und es sei kein Datum der Aushändigung mitgeteilt worden. Eine Ausbildungserlaubnis könne nur erteilt werden, wenn der Reisepass oder ein Heimreiseschein vorliege und ein Flugtermin nach Nigeria gebucht worden sei. Eine Ausreise nach Nigeria sei unumgänglich.
Mit E-Mail vom … Juni 2021 übermittelte der Bevollmächtigte des Antragstellers dem Antragsgegner die Rechnung der nigerianischen Botschaft für die Ausstellung eines neuen Reisepasses. Diese enthält neben der Höhe des Bearbeitungsentgelts auch die Art des beantragten Reisepasses, die „Application ID“ sowie die „Reference Number“.
Mit Schreiben vom … Juni 2021 legte der Bevollmächtigte des Antragstellers den Entwurf eines Praktikumsvertrags zwischen dem Antragsteller und der Fa. R … als … vor. Hierbei wurde insbesondere auf den am 22. März 2021 gestellten Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis sowie Ausbildungserlaubnis hingewiesen. Es seien zudem Nachweise für die Beantragung eines Reisepasses vorgelegt worden.
Mit Schreiben vom 13. Juli 2021 teilte der Antragsgegner mit, dass dem Antragsteller eine Erwerbstätigkeit nicht gestattet werden könne, da er im Besitz einer Duldung nach § 60b AufenthG sei. Die Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60c AufenthG sei nicht möglich, da die Identität des Antragstellers nicht geklärt sei. Der Mitwirkungspflicht zur Passbeschaffung sei bisher nicht genügt worden, hierzu sei die Vorlage der Zahlungsbelege, der „Application ID“, „Reference Number“ sämtlicher Terminvereinbarungen und des Bestätigungsscheins notwendig. Der Antragsteller sei vollziehbar ausreisepflichtig und es werde eine freiwillige Ausreise empfohlen. Hierzu werde eine Frist bis zum 1. September 2021 gesetzt. Sobald ein konkreter Ausreisetermin feststehe, könne über eine Beschäftigungserlaubnis bis zur Ausreise entschieden werden. Im Folgenden wurden die Voraussetzungen für eine Wiedereinreise zum Zweck einer Ausbildung dargestellt.
Am 24. August 2021 wurde für den Antragsteller erneut eine Duldung mit dem Zusatz „für Personen mit ungeklärter Identität“ ausgestellt.
Mit Schreiben vom 1. September 2021 wurde der Antragsteller zu einer möglichen Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Ausbildungsduldung angehört, da die Identität des Antragstellers weiter nicht geklärt sei und spätestens bis zum 30. Juni 2020 hätte geklärt sein müssen. Ferner fehle es an der Vorlage eines Ausbildungsvertrags mit einem Eintrag der IHK.
Hierzu nahm der Antragsteller mit Schreiben vom … September 2021 Stellung. Der Ausbildungsvertrag befinde sich momentan bei der IHK, ferner erhalte der Antragsteller in Kürze seinen nigerianischen Reisepass. Es werde darauf hingewiesen, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis sowie einer Ausbildungsduldung habe. Die Identität sei seit der Vorlage der Geburtsurkunde bei der Regierung von Oberbayern am 24. Juli 2018 geklärt. Spätestens mit Vorlage des Reisepasses erhalte der Antragsteller eine Duldung nach § 60a AufenthG, sodass die Erteilung einer Ausbildungserlaubnis und Ausbildungsduldung nicht gehindert sei.
Mit Bescheid vom 28. Oktober 2021, dem Antragsteller zugestellt am 30. Oktober 2021, wurde der Antrag auf Erteilung einer Ausbildungsduldung zum … bei der Fa. R … abgelehnt (Ziff. 1). Zudem wurde eine Beschäftigungserlaubnis zur Ausbildung zum … bei der Fa. R … nicht erteilt (Ziff. 2).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Erteilungsvoraussetzungen des § 60c AufenthG nicht vorlägen. Das Asylverfahren des Antragstellers sei bereits vor Beginn der Ausbildung unanfechtbar abgeschlossen gewesen. Ferner sei der Antragsteller nicht im Besitz einer notwendigen Duldung nach § 60a AufenthG, sondern verfüge über eine Duldung nach § 60b AufenthG, da er seinen Mitwirkungspflichten bei der Pass- bzw. Passersatzpapierbeschaffung nicht genügend nachgekommen sei. Bereits aufgrund der Duldung nach § 60b AufenthG sei die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ausgeschlossen. Zudem lägen Versagungsgründe nach § 60c Abs. 2 AufenthG vor. Die Ausbildungsduldung könne nicht erteilt werden, da ein Fall des § 60a Abs. 6 AufenthG vorliege. Aufenthaltsbeendende Maßnahmen könnten gegenüber dem Antragsteller aus Gründen nicht vollzogen werden, die von diesem selbst zu vertreten seien. Er habe keine Reisedokumente beschafft, weswegen er auch im Besitz einer Duldung nach § 60b AufenthG sei. Ferner stehe der Erteilung entgegen, dass die Identität des Antragstellers nicht geklärt sei. Dies hätte jedoch spätestens bis zum 30. Juni 2020 erfolgen müssen. Die Frist gelte zwar als gewahrt, wenn der Betroffene alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zur Klärung ergriffen hätte, und die Klärung erst nach Ablauf der Frist erfolge, ohne dass dies durch den Ausländer zu vertreten gewesen wäre. Zur Identitätsklärung sei die Vorlage eines gültigen biometrischen Reisepasses notwendig. Dies sei bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht der Fall. Auch die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis sei bei Personen mit ungeklärter Identität ausgeschlossen. Dies ergebe sich aus § 60b Abs. 5 Satz 2 AufenthG. Hiernach ausgeschlossene Erwerbstätigkeiten umfassten auch Ausbildungen. Die ablehnende Entscheidung sei verhältnismäßig. Die Ablehnung des Antrags sei erforderlich und geeignet, da eine andere Maßnahme nicht zielführend sei. Der Antragsteller könne sich nicht darauf berufen, dass mit dem Verbot einer Beschäftigung die öffentlichen Kassen zusätzlich belastet würden, da es sich hierbei um rein öffentliche Belange handele, deren Bewertung und Gewichtung dem Staat obliege und überlassen bleibe.
Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am … November 2021 Klage erhoben und beantragt, den Bescheid aufzuheben und die Nebenbestimmung in den Duldungsbescheinigungen „für Personen mit ungeklärter Identität“ rückwirkend von der ersten Erteilung an aufzuheben sowie den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller eine Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG ohne diesen Zusatz zu erteilen. Ferner hat der Antragsteller beantragt, ihm eine Erlaubnis für die Aufnahme einer Ausbildung zum … bei der Fa. R … zu erteilen; hilfsweise den Antragsgegner zu verpflichten, über den Antrag auf Erteilung einer Ausbildungserlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Zudem hat der Antragsteller beantragt, ihm eine Ausbildungsduldung nach § 60c AufenthG für die Ausbildung als … bei der Fa. R … zu erteilen.
Mit gleichem Schriftsatz hat der Antragsteller im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zudem beantragt,
den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller eine Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG zu erteilen (Nr. 1), ihm vorläufig eine Ausbildungserlaubnis für die Ausbildung als … bei der Fa. R … GmbH zu erteilen, bis in der Hauptsache über den Antrag des Antragstellers über die Erteilung einer Ausbildungserlaubnis entschieden ist (Nr. 2) und ihm vorläufig eine Duldung nach § 60c AufenthG für die Berufsausbildung zum … entsprechend dem Antrag vom 3. Mai 2021 zu erteilen (Nr. 3) sowie dem Antragsgegner zu untersagen, bis zur Entscheidung über den Antrag auf einstweilige Anordnung Schritte zur Abschiebung oder zu deren Vorbereitung gegenüber dem Antragsteller zu treffen (Nr.4).
Zur Begründung führte der Bevollmächtigte des Antragstellers im Wesentlichen aus, dass der Antragsteller einen Rechtsanspruch auf die Erteilung einer Ausbildungsduldung habe. Er erfülle die Voraussetzungen für den Besitz einer Duldung nach § 60a AufenthG und beabsichtige, eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten Beruf aufzunehmen. Die erteilte Duldung nach § 60b AufenthG sei rechtswidrig, da eine solche nur erteilt werden könne, wenn ein Ausländer zumutbare Handlungen zur Passbeschaffung nicht vornehme. Der Antragsteller habe jedoch bereits im Asylverfahren in den Niederlanden seinen Pass abgegeben und damit auch seine Identität nachgewiesen. Die Ausländerbehörde habe lediglich ein einziges Mal versucht, den Pass zu erhalten. Das Bundesamt habe offensichtlich überhaupt nichts zur Erlangung des Passes unternommen. Diese grobe Verletzung der Amtsermittlungspflicht könne nicht dem Antragsteller zugerechnet werden. Der fehlende Pass beruhe damit auf der Untätigkeit der Ausländerbehörden und des Bundesamts und nicht auf einem Unterlassen des Antragstellers. Ferner habe der Antragsteller am 27. Juli 2018 seine Geburtsurkunde bei der Regierung von Oberbayern abgegeben. Eine Geburtsurkunde sei geeignet, die Identität und Staatsangehörigkeit nachzuweisen. Dies ergebe sich aus den allgemeinen Verwaltungsvorschriften des Bundesinnenministeriums zum Aufenthaltsgesetz vom 6. Oktober 2009. Dass die Urkunde mittlerweile im Nirwana verschwunden sei, könne nicht dem Antragsteller angelastet werden. Überdies habe der Antragsteller seit dem 9. März 2020 regelmäßig versucht, einen Pass bei der nigerianischen Botschaft zu erhalten. Hierüber habe er die Behörde auch regelmäßig informiert. Der Prozess habe sich angesichts der Belastung der nigerianischen Botschaft, die zudem pandemiebedingt zeitweise geschlossen gewesen sei, als sehr schwierig dargestellt. Der Antragsteller habe zum Zweck der Passbeschaffung auch mehrmals vergeblich versucht, seine Geburtsurkunde von dem Antragsgegner zu erhalten. Der Antragsgegner stelle sich jedoch auf den Standpunkt, dass die erteilte Duldung nach § 60b AufenthG erst aufgehoben werden könne, sobald der Reisepass endgültig vorliege. Während die Ausländerbehörde hinsichtlich ihrer Amtsermittlungspflicht insbesondere zur Beschaffung der vom Antragsteller abgegebenen Papiere großzügig sei, stelle sie an die Verpflichtungen des Antragstellers einen strengeren Maßstab als gesetzlich vorgesehen. Selbst wenn die Anordnung einer Duldung nach § 60b AufenthG zu Beginn rechtmäßig gewesen sei, hätte diese aufgrund der späteren nachweislichen Bemühungen des Antragstellers wieder eine Duldung nach § 60a AufenthG erteilen müssen. Der Antragsteller wolle eine Ausbildung als … beginnen. Der entsprechende Ausbildungsvertrag mit Eintragung in das Verzeichnis der Innung durch die Handwerkskammer für München und Oberbayern sei vorgelegt worden. Soweit der Antragsgegner überdies davon ausgehe, dass die Erteilung einer Ausbildungsduldung auch aufgrund von § 60c Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 60a Abs. 6 AufenthG ausgeschlossen sei, sei dies unrichtig, da dieser Ausschlussgrund nicht vorliege. Die Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen sei nicht aus Gründen unmöglich gewesen, die der Antragsteller zu vertreten habe. Vielmehr habe es die Behörde unterlassen, den Reisepass von den niederländischen Behörden zu besorgen. Zudem lägen die Voraussetzungen von § 60c Abs. 2 Nr. 3b AufenthG nicht vor, da die Identität des Antragstellers entgegen der Auffassung der Ausländerbehörde spätestens seit dem 27. Juli 2018 geklärt sei, nachdem dieser die Geburtsurkunde im Original an die Regierung von Oberbayern übergeben habe. Zudem bestehe ein Anspruch auf die Erteilung einer Ausbildungserlaubnis. Zwar stehe eine solche grundsätzlich im Ermessen der Behörde. Die Erteilung sei jedoch intendiert, soweit die normierten Voraussetzungen einer Ausbildungsduldung vorlägen. Das Ermessen sei insoweit auf Null reduziert. Der Antragsgegner habe zudem hinsichtlich dieser Erlaubnis kein Ermessen ausgeübt. Es werde vielmehr fälschlich davon ausgegangen, dass die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis unabhängig von der Erteilung einer Ausbildungsduldung gesetzlich ausgeschlossen sei. In die Ermessensentscheidung hätte vielmehr eingestellt werden müssen, dass der Antragsteller die deutsche Sprache mit Level B2 beherrsche und derzeit einen Kurs für das Level C1 belege. Er habe überdies zwei Brüder in Deutschland, welche 15 und 17 Jahre alt seien, wovon einer über eine unbefristete, der andere noch über eine befristete Aufenthaltserlaubnis verfüge. Der gemeinsame Vater sei am … November 2020 gestorben, seither kümmere sich der Antragsteller um seine Brüder. Der Antragsteller habe sich überdies mit einer deutschen Staatsbürgerin verlobt. Die Fa. R … habe dargetan, wie schwierig es sei, Auszubildende zu finden, und wie dringend es für erforderlich gehalten werde, dass der Antragsteller eine Ausbildungserlaubnis erhalte. Aus alledem ergebe sich ein Anordnungsanspruch. Ein Anordnungsgrund liege vor, da der Antragsgegner bereits mehrfach geäußert habe, den Antragsteller nach Nigeria abzuschieben, sobald der Pass vorliege. Der Antragsteller müsse zu jedem Zeitpunkt damit rechnen, abgeschoben zu werden. Durch eine solche Abschiebung entstünden für den Antragsteller Nachteile, welche durch ein Obsiegen in der Hauptsache nicht mehr rückgängig zu machen wären. Mangels einer Duldung als Voraussetzung für eine Ausbildungsduldung bestünde nach einer Abschiebung kein Anspruch auf eine Beschäftigungsduldung bzw. eine Beschäftigungserlaubnis mehr. Eine ablehnende Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wäre hinsichtlich des Anspruchs des Antragstellers damit sowohl rechtlich als auch tatsächlich nicht mehr heilbar. Die Ablehnung des Anspruchs auf einstweilige Anordnung bedeute damit rechtlich gleichzeitig die Ablehnung des Anspruchs in der Hauptsache, also quasi eine umgekehrte Vorwegnahme der Hauptsache. Es gehe damit nicht nur um die Gewährung effektiven Rechtsschutzes, sondern überhaupt um die Gewährung von Rechtsschutz. Nachdem mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Erfolg des Antragstellers in der Hauptsache zu erwarten sei, sei eine teilweise Vorwegnahme der Hauptsache damit gerechtfertigt.
Am 3. Dezember 2021 wurde für den Antragsteller erneut eine Duldung mit dem Zusatz „für Personen mit ungeklärter Identität“ ausgestellt.
Mit Schriftsatz vom … Dezember 2021 teilte der Bevollmächtigte des Antragstellers unter Vorlage eines entsprechenden Schreibens des Ausbildungsbetriebs mit, dass der Ausbildungsplatz für den Antragsteller noch bis Ende Dezember 2021 freigehalten werden könne.
Mit Schriftsatz vom … Dezember 2021 beantragte der Antragsteller zudem,
ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Rechtsbeistands zu gewähren.
Mit Schriftsatz vom 18. Januar 2022 hat der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sei hinsichtlich der Anträge Nr. 1 bis Nr. 3 auf eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet. Ferner bestehe kein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht. Hinsichtlich Nr. 4 des Eilantrags könne der Antragsteller kein Rechtsschutzbedürfnis nachweisen und es fehle auch insoweit an einem Anordnungsanspruch und einem Anordnungsgrund. Dem Antragsteller sei es zumutbar, auf eine Entscheidung in der Hauptsache zu warten. Es seien keine Gründe ersichtlich, welche eine Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen würden. Es sei nicht ersichtlich, welche irreparablen Nachteile im Hinblick auf die begehrte Beschäftigungserlaubnis oder die Erteilung einer Ausbildungsduldung entstünden. Zwar entstünde dem Antragsteller ein Nachteil, wenn die Aufnahme der Ausbildung zum … gefährdet würde. Allerdings führe dies nicht zur Gefährdung seiner sozialen, beruflichen oder wirtschaftlichen Existenz. Ihm stünden weiterhin Asylbewerberleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu. Der Antragsteller könne dabei nicht glaubhaft machen, dass es ihm unmöglich sei, eine andere Ausbildungsstelle zu finden und nunmehr eine einzigartige berufliche Chance verlustig ginge. Besonders schwere oder unzumutbare Nachteile seien damit nicht ersichtlich. Weiter sei kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht worden. Dem Antragsteller sei zu Recht eine Duldung nach § 60b AufenthG ausgestellt worden. Dieser sei seit dem 30. Juli 2019 vollziehbar ausreisepflichtig und könne seither nicht abgeschoben werden, da er nicht im Besitz eines Pass- oder Passersatzes sei. Dem Antragsteller sei aufgrund der Belehrungen vom 4. und 14. Februar 2020 bewusst, wie tiefgreifend seine Mitwirkungspflichten seien. Er sei überdies auch gesondert im Sinne des § 60b Abs. 3 Satz 2 AufenthG belehrt worden. Dieser Mitwirkungspflicht habe der Antragsteller nicht genügt. Auch die Tatsache, dass die nigerianische Botschaft vom 9. bis 22. März 2020 geschlossen gewesen sei, ändere nichts an der mangelnden Mitwirkung des Antragstellers. Nach Aufforderung, sich um Reisedokumente zu bemühen, sei der Antragsteller nicht tätig geworden und habe im persönlichen Gespräch am 14. Februar 2020 mitgeteilt, dass er nicht wisse, wie er sich ein Reisedokument beschaffen solle. Nach diesem Gespräch wäre es dem Antragsteller bis zum 9. März 2020 möglich gewesen, die Botschaft aufzusuchen. Eine Passbeantragung sei jedoch erst am 6. Mai 2021, mithin über ein Jahr später, erfolgt. Hierbei sei für den Antragsgegner nicht feststellbar, ob alle erforderlichen Unterlagen bei der nigerianischen Botschaft vorgelegt wurden. Es sei zum aktuellen Zeitpunkt noch immer nicht klar, wann und ob der Antragsteller überhaupt einen nigerianischen Reisepass ausgestellt bekomme. Eine Heilung der Mitwirkungspflicht im Sinne des § 60b Abs. 4 AufenthG sei damit nicht eingetreten. Erst die Vorlage einer Mitteilung, dass der Pass ausgestellt werde, führe zu einer Heilung der Mitwirkungspflicht. Überdies wäre die Beschaffung eines „Emergency Travel Documents“ ausreichend gewesen, welches einfacher und schneller zu beschaffen gewesen wäre. Diese Option sei trotz Hinweis nicht genutzt worden. Die vorgelegte nigerianische Geburtsurkunde sei nicht ausreichend, die Identität des Antragstellers zu klären, womit der Verlust dieser Urkunde durch das Bundesamt oder die Regierung von Oberbayern an der Sach- und Rechtslage nichts ändere. Die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis sei daher nach § 60b Abs. 5 Satz 2 AufenthG zwingend abzulehnen gewesen. Auch ein Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60c AufenthG bestehe nicht. Auch insoweit stehe das Verbot des § 60b Abs. 5 Satz 2 AufenthG entgegen. Weiterhin bestehe ein zwingender Versagungsgrund nach § 60c Abs. 2 Nr. 3 AufenthG, da die Identität des Antragstellers nicht geklärt sei. Dies hätte jedoch spätestens bis zum 30. Juni 2020 geschehen müssen. Die vorgelegte nigerianische Geburtsurkunde sei zur Identitätsklärung nicht ausreichend. Diese enthalte keinerlei biometrische Merkmale, womit eine personenbezogene Zuordnung möglich sei. Zudem fehle es an ausreichenden fälschungssicheren Merkmalen. Es sei für deutsche Behörden schlichtweg nicht nachprüfbar, ob es sich bei dem Dokument um eine Fälschung oder ein Original handele. Hinsichtlich des Antrags Nr. 4 fehle es am notwendigen Rechtsschutzbedürfnis. Der Antrag auf die vorübergehende Untersagung von aufenthaltsbeendende Maßnahmen könne nur als Antrag auf Aussetzung der Abschiebung und Erteilung einer Duldung verstanden werden. Der Antragsteller sei jedoch bereits seit dem 25. April 2019 durchgängig im Besitz einer Duldung. Zwar sei dieser nunmehr im Besitz einer Duldung für Personen mit ungeklärter Identität, hierbei handele es sich allerdings um eine Nebenbestimmung zur Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG. Mithin sei der Antragsteller im Besitz einer Duldung, eine Verbesserung seiner Rechtsstellung könne mit dem angestrengten gerichtlichen Rechtsschutz nicht mehr erreicht werden. Auch hinsichtlich der Anträge Nr. 2 und Nr. 3 fehle es am Rechtsschutzbedürfnis, da die angestrebte Ausbildungsstelle nur bis Ende Dezember 2021 freigehalten worden sei.
Mit Schriftsatz vom … Januar 2022 ergänzte und vertiefte der Bevollmächtigte des Antragstellers sein Vorbringen. Insbesondere wurde auf die unterlassene Beschaffung des Passes von den Behörden des Königreichs der Niederlande hingewiesen. Eine Sanktionierung eines Ausländers nach § 60b AufenthG wegen eines fehlenden Passdokuments sei unrechtmäßig, wenn eine Behörde einen solchen Pass bereits habe und die sanktionierende Behörde nichts unternehme, diesen zu beschaffen. Zudem sei die am 27. Juli 2018 an den Antragsgegner übergebene Geburtsurkunde trotz Aufforderung des Antragstellers nicht zurückgegeben worden. Erst am 7. August 2020 habe man dem Antragsteller mitgeteilt, dass zur Beantragung eines Passes auch eine Kopie der Urkunde ausreichend sei. Der Antragsgegner habe mithin den Antragsteller bis zum 7. August 2020 bewusst hingehalten, um die eigene Unzulänglichkeit in Bezug auf das verlorene Dokument zu verschleiern. Der Bevollmächtigte habe dem Antragsgegner unter Vorlage einer entsprechenden Bestätigung mitgeteilt, dass der Reisepass am 6. Mai 2021 bei der nigerianischen Botschaft zur Abholung bereit sei. Dort habe der Antragsteller erfahren, dass noch eine Überprüfung der Einwanderungsbehörde erfolge und er sich Anfang August erneut melden solle. All dies habe dem Antragsgegner jedoch entgegen dem Wortlaut des § 60b Abs. 3 Satz 3 AufenthG nicht genügt. Dieser stehe vielmehr auf dem Standpunkt, dass die Verpflichtung zur Passbeschaffung erst mit Vorlage des Passes erfüllt sei. Der Antragsteller sei seiner Mitwirkungs- und Initiativpflicht aus § 82 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nachgekommen, während die Ausländerbehörde ihrer Anstoß- und Hinweispflicht nach § 82 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nicht genügt habe. Nach alledem sei die Ablehnung der Beschäftigungserlaubnis aufgrund von § 60b Abs. 5 AufenthG rechtswidrig. Hinsichtlich seiner Identität habe der Antragsteller bereits am 27. Juli 2018 seine Geburtsurkunde übergeben. Da der Reisepass aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht zur Verfügung stand, habe er seine Identität nur durch die Geburtsurkunde nachweisen können. Der Ausbildungsbetrieb habe dem Bevollmächtigten zudem mitgeteilt, dass weiterhin kein geeigneter Bewerber für die Stelle gefunden werden konnte. Man beabsichtige, die Stelle bis zu ihrer anderweitigen Besetzung sobald möglich mit dem Antragsteller zu besetzen. Insoweit bestehe weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis. Soweit der Antragsgegner auf eine Vorwegnahme der Hauptsache abstelle, werde darauf verwiesen, dass eine solche mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG möglich sei, wenn wie vorliegend ein Zuwarten für den Antragsteller unzumutbar wäre, die Hauptsacheentscheidung zu spät käme und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg der Hauptsache spreche. Im Übrigen sei gerade die „vorläufige Erteilung bis zur Entscheidung in der Hauptsache“ beantragt worden und gerade nicht die Vorwegnahme der Hauptsache. Hinsichtlich des Rechtsschutzbedürfnisses zu dem Antrag Nr. 4 müsse wohl nicht gesondert auf die Rechtsnatur der Duldung hingewiesen werden. Angesichts des bisherigen Verhaltens des Antragsgegners sei es erforderlich, diesen an der Schaffung vollendeter Tatsachen zu hindern.
Am 3. März 2022 wurde für den Antragsteller erneut eine Duldung mit dem Zusatz „für Personen mit ungeklärter Identität“ ausgestellt.
Mit Schriftsatz vom … März 2022 hat der Bevollmächtigte des Antragstellers die Duldungen vom 3. Dezember 2021 sowie 3. März 2022 in die verwaltungsgerichtlichen Verfahren einbezogen und hinsichtlich aller angegriffenen Duldungen beantragt,
die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO herzustellen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem sowie dem zugehörigen Klageverfahren (M 12 K 21.6199) und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
1. Der Antrag Nr. 1 auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist entsprechend dem Rechtsschutzbegehren des Antragstellers, wie es auch in der Erweiterung der verwaltungsgerichtlichen Verfahren mit Schriftsatz vom … März 2022 zum Ausdruck kommt, nach §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO sachdienlich als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom … November 2021, welche durch den Schriftsatz vom … März 2022 erweitert wurde, gegen die Nebenbestimmung „für Personen mit ungeklärter Identität“ in den Duldungen vom 20. März 2020, 9. Juni 2020, 25. Juni 2020, 14. Dezember 2020, 20. Mai 2021, 24. August 2021, 3. Dezember 2021 und 3. März 2022 auszulegen.
In der vorliegenden Konstellation ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung statthaft, da es sich bei dem in der Hauptsache vom Antragsteller angegriffenen Zusatz „für Personen mit ungeklärter Identität“ nach § 60b Abs. 1 AufenthG um eine selbständig anfechtbare belastende Nebenbestimmung i.S.d. Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG handelt und der demnach im Hauptsacheverfahren statthaften Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) gemäß § 60b Abs. 6 AufenthG i.V.m. § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG keine aufschiebende Wirkung zukommt (NdsOVG, B.v. 9.6.2021 – 13 ME 587/20 – juris Rn. 10 ff.; SächsOVG, B.v. 8.6.2021 – 3 B 181/21 – juris Rn. 12).
Solange die Duldung mit dem belastenden rechtsgestaltenden Zusatz „für Personen mit ungeklärter Identität“ nach § 60b Abs. 1 AufenthG wirksam besteht und vollziehbar ist, steht diese der Gestattung einer Beschäftigung ohne weitere Voraussetzungen entgegen (§ 60b Abs. 5 Satz 2 AufenthG). Durch die begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung würde diese rechtliche Wirkung isoliert suspendiert. Zwar bleibt in einem solchen Fall die rechtliche Wirksamkeit des Zusatzes unberührt, jedoch wird die kraft Gesetz gegebene sofortige Vollziehbarkeit beseitigt. Aus den allgemeinen Regeln des vorläufigen effektiven Rechtsschutzes folgt insoweit, dass dem Duldungsinhaber die Folgen, die ansonsten aus der rechtsgestaltenden Wirkung des suspendierten Zusatzes resultieren (§ 60b Abs. 5 AufenthG), vorläufig nicht entgegengehalten werden dürfen (Nds OVG, B.v. 9.6.2021 – 13 ME 587/20 – juris Rn. 22).
Dabei steht die Regelung des § 60b Abs. 6 Halbsatz 2 AufenthG in Verbindung mit § 84 Abs. 2 Satz 1 und 3 AufenthG diesem Ergebnis nicht entgegen. Insbesondere führt die fehlende Verweisung auf § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG zu keinem anderen Ergebnis. Die Verweisung auf § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG bewirkt, dass eine Klage unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung (d.h. auch jenseits der in § 84 Abs. 1 AufenthG geregelten Fälle, welche bereits kraft Gesetz sofort vollziehbar sind) die Wirkung der nach § 60b Abs. 1 AufenthG getroffenen Regelung unberührt lässt. Die Regelung des § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, auf welche nicht verwiesen wurde, würde bei entsprechender Anwendung auf Fälle des § 60b Abs. 5 Satz 2 AufenthG dazu führen, dass das Verbot zur Erteilung einer Erlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit dem Ausländer u.a. während eines gerichtlichen Verfahrens über einen zulässigen Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegengehalten werden könnte (§ 84 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG). Hierdurch würde hinsichtlich des Verbots der Erteilung einer Erlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit die nach § 60b Abs. 6 Halbsatz 1 i.V.m. § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ausgeschlossene Aufhebung der aufschiebenden Wirkung eines hiergegen gerichteten Rechtsbehelfs konterkariert. Dass in § 60b Abs. 6 Halbsatz 2 nicht auch auf § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG verwiesen wird, bedeutet damit nur, dass es (zunächst) grundsätzlich vollumfänglich bei der Wirksamkeit des Versagungsgrunds aus § 60b Abs. 5 Satz 2 AufenthG verbleibt. Dieser Umstand ändert jedoch nichts daran, dass eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der isolierten Anfechtungsklage zur Suspendierung des Zusatzes „für Personen mit ungeklärter Identität“ und damit zum vorläufigen Verbot führt, aus diesem Zusatz und der sich daran anknüpfenden Rechtsfolge aus § 60b Abs. 5 Satz 2 AufenthG entsprechende den Duldungsinhaber belastende bzw. negative Folgerungen zu ziehen (vgl. Nds OVG, B.v. 9.6.2021 – 13 ME 587/20 – juris Rn. 36). Dieses Verständnis deckt sich auch mit der Intention des Gesetzgebers. Denn auch ausweislich der Gesetzesbegründung sollte durch die im Gesetzgebungsverfahren erfolgte Streichung des § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG in der Verweisung des § 60b Abs. 6 AufenthG lediglich zum Ausdruck kommen, dass hinsichtlich der Erwerbstätigkeit die Regelung des § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zur Anwendung kommen und damit die Aufhebung der Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit sofort vollziehbar sein soll (vgl. BT-Drs. 19/10706, S. 14). Dieser Begründung lässt sich nicht entnehmen, dass die Gestattung einer Erwerbstätigkeit zudem auch nach einem erfolgreichen Eilverfahren gegen den Erlass der Nebenbestimmung in jedem Falle ausgeschlossen bleiben sollte. Auch in den Anwendungshinweisen des Bundesministeriums des Innern zu § 60b AufenthG vom 14. April 2020 (im Folgenden AHBMI) wird unter der Ziff. 18.1 deutlich, dass die Verweisung in § 60b Abs. 6 AufenthG mit sofortiger Wirkung ein Verbot der Erwerbstätigkeit zur Folge haben soll. Laufenden Rechtsmittelfristen sowie eingelegten Rechtsmitteln käme danach keine aufschiebende Wirkung zu, sofern diese nicht nach § 80 Abs. 5 VwGO angeordnet werde. Damit kommt der vom Gesetzgeber bewusst unterlassenen Verweisung auf § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG erkennbar nur die Funktion zu, dem Betroffenen für die Dauer des Entfalls der aufschiebenden Wirkung – d.h. ggf. bis zu einer stattgebenden gerichtlichen (Eil-)Entscheidung, nicht aber darüber hinaus – die Fortsetzung bzw. Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu verbieten (Wittmann in BeckOK MigR, Stand: 15.1.2022, AufenthG § 60b Rn. 106). Hierbei kann dahinstehen, ob die Regelung des § 60b Abs. 5 Satz 2 AufenthG dazu führt, dass eine bereits zuvor erlaubte Erwerbstätigkeit mit Erteilung einer Duldung nach § 60b Abs. 1 AufenthG unmittelbar verboten ist oder vielmehr eine solche Erlaubnis zunächst zu widerrufen wäre, da es vorliegend um die erstmalige Erteilung einer solchen geht.
Neben dem Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO bedarf es damit auch keines weiteren Antrags nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auf Erteilung einer Duldung nach § 60a AufenthG ohne den Zusatz nach § 60b Abs. 1 AufenthG „für Personen mit ungeklärter Identität“ (a.A. SächsOVG, B.v. 8.6.2021 – 3 B 181/21 – juris Rn. 12f). Denn es entsteht bereits mit der Suspendierung der Regelungswirkung des § 60b Abs. 1 AufenthG und damit des Verbots der Erteilung der Erlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit nach § 60b Abs. 5 Satz 2 AufenthG Raum für weitergehende Begehren (etwa einer vorläufigen Erlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit) im Wege einer einstweiligen Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO.
2. Der so zu verstehende Antrag Nr. 1 des Antragstellers ist teilweise unzulässig. Soweit der Antrag zulässig ist, ist er begründet.
2.1 Der Antrag ist unzulässig, soweit er sich gegen die Nebenbestimmung „für Personen mit ungeklärter Identität“ in den Duldungen vom 20. März 2020, 9. Juni 2020, 25. Juni 2020, 14. Dezember 2020, 20. Mai 2021, 24. August 2021 und 3. Dezember 2021 richtet.
2.1.1 Dem Antrag fehlt es insoweit am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Ein solches kann im Bereich des vorläufigen Rechtsschutzes dann fehlen, wenn das Verfahren für die Antragspartei keine rechtlichen oder tatsächlichen Vorteile bringen kann und damit von vorneherein nutzlos ist (Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 82).
Dies ist vorliegend der Fall. Die Gültigkeit der benannten Duldungen wurde jeweils auf einen bestimmten, zum Entscheidungszeitpunkt bereits abgelaufenen Zeitraum begrenzt. So endete beispielsweise die Gültigkeit der Duldung vom 3. Dezember 2021 bereits am 2. März 2022. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der jeweils angegriffenen Nebenbestimmung führt hinsichtlich der bereits abgelaufenen Duldungen nicht mehr zu einer rechtlichen oder tatsächlichen Besserstellung des Antragstellers. Die jeweils abgelaufenen Duldungen sind insbesondere zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt nicht mehr geeignet, die Grundlage für eine durch das vorliegende Verfahren ebenfalls erstrebte erstmalige Erteilung einer (vorläufigen) Erlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit zu bilden. Hierfür kommt lediglich die aktuell bestehende Duldung vom 3. März 2022 in Betracht.
Eine Besserstellung des Antragstellers durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der bereits abgelaufenen Duldungen besteht auch nicht in Bezug auf die Berücksichtigung als Vorduldungszeiten. Nach § 60b Abs. 5 Satz 1 AufenthG werden zwar Zeiten, in denen dem Ausländer eine Duldung mit dem Zusatz „für Personen mit ungeklärter Identität“ ausgestellt worden ist, nicht als Vorduldungszeiten angerechnet. Diesbezüglich vermag allerdings – anders als bei dem Ausschluss der Ausübung einer Erwerbstätigkeit nach § 60b Abs. 5 Satz 2 AufenthG (vgl. o.) – ein positives Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nichts zu ändern. Nach § 60b Abs. 6 AufenthG findet insoweit nämlich ausdrücklich die Regelung des § 84 Abs. 2 Satz 3 AufenthG Anwendung. Nach dieser Vorschrift entfällt die Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts aufgrund von § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG mit ex-tunc Wirkung erst dann, wenn der Verwaltungsakt durch eine behördliche oder unanfechtbare gerichtliche (Hauptsache-)Entscheidung aufgehoben wird (Zimmerer in BeckOK MigR, Stand: 15.1.2022, AufenthG § 84 Rn. 30). Die ausdrückliche Verweisung in § 60b Abs. 6 AufenthG kann dabei nur so verstanden werden, dass in diesen Fällen Gleiches für die (Nicht-)Berücksichtigung von Zeiten als Vorduldungszeiten gilt (vgl. auch BT-Drs. 19/10706, S. 14). Dies bedeutet, dass erst im Falle eines positiven Abschlusses des Verfahrens in der Hauptsache ex-tunc die Berücksichtigung der Gültigkeitszeiträume der angegriffenen Duldungen als Vorduldungszeiten erfolgt. Mithin ist insoweit eine Besserstellung des Antragstellers nur im Rahmen des Hauptsacheverfahrens, nicht aber im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes möglich.
2.1.2 Hinsichtlich der angegriffenen Duldungen vom 20. März 2020, 9. Juni 2020 und 25. Juni 2020 ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zudem auch unstatthaft, da die Bescheide des Antragsgegners inklusive der angegriffenen Nebenbestimmungen insoweit bereits bestandskräftig geworden sind.
Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist grundsätzlich dann nicht mehr statthaft und damit unzulässig, wenn die angegriffene Maßnahme – wie hier wegen Ablaufs der Klagefrist – bestandskräftig geworden ist (BayVGH, B.v. 26.7.2019 – 15 Cs 19.1050 – juris Rn. 19 m.w.N.). Im vorliegenden Fall betrug die Klagefrist gegen die angegriffenen Duldungen aufgrund einer fehlenden Rechtsbehelfsbelehrungnach § 74 Abs. 1 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO jeweils ein Jahr. Die Klageerhebung erfolgte jedoch erst am … November 2021 bzw. die Klageerweiterung am … März 2022 und damit hinsichtlich der Duldungen vom 20. März 2020, 9. Juni 2020 und 25. Juni 2020 erst deutlich nach Ablauf der hier maßgeblichen Jahresfrist.
2.2 Der Antrag ist zulässig und begründet, soweit er sich gegen die Nebenbestimmung „für Personen mit ungeklärter Identität“ der Duldung vom 3. März 2022 richtet.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung einer Klage anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Das Gericht trifft dabei eine eigenständige Ermessensentscheidung, wobei es das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs gegen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides abzuwägen hat. Wesentliches Indiz für diese Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens. Ergibt die im Eilverfahren allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung der Erfolgsaussichten, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse eines Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angegriffene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens hingegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei der Interessenabwägung.
Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Antrag erfolgreich, da die Klage gegen die angegriffene Nebenbestimmung nach summarischer Prüfung voraussichtlich erfolgreich ist. Die Nebenbestimmung nach § 60b Abs. 1 AufenthG zu der Duldung vom 3. März 2022 erweist sich nach kursorischer Prüfung als rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß § 60b Abs. 1 AufenthG wird einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer die Duldung im Sinne des § 60a AufenthG als Duldung „für Personen mit ungeklärter Identität“ erteilt, wenn die Abschiebung aus von ihm selbst zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, weil er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt oder er zumutbare Handlungen zur Erfüllung der besonderen Passbeschaffungspflicht nach Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 nicht vornimmt. Nach § 60b Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer, der keinen gültigen Pass besitzt, verpflichtet, alle ihm unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zumutbaren Handlungen zur Beschaffung eines Passes oder Passersatzes selbst vorzunehmen. In § 60b Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist beispielhaft und nicht abschließend beschrieben, was dem Ausländer in diesem Sinn regelmäßig zumutbar ist. Dem Ausländer ist in diesen Fällen die Bescheinigung über die Duldung nach § 60a Abs. 4 AufenthG mit dem Zusatz „für Personen mit ungeklärter Identität“ auszustellen.
2.2.1 Die Ausstellung einer Duldung mit diesem Zusatz dürfte durch die Ausländerbehörde zunächst rechtmäßig erfolgt sein.
Der Antragsteller ist vollziehbar ausreisepflichtig, nachdem die Klage gegen seinen ablehnenden Asylbescheid vom 5. Juli 2019 seit dem 11. November 2019 rechtskräftig abgelehnt wurde und dieser damit bestandskräftig geworden ist.
Die Abschiebung des Antragstellers war auch zunächst aus Gründen, die dieser selbst zu vertreten hat, nicht vollziehbar, da er zumutbare Handlungen zur Erfüllung seiner Passbeschaffungspflicht nach § 60b Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht vorgenommen hat. Nachdem der Antragsteller mit Schreiben vom 14. Februar 2020 über seine Pflichten zur Pass- oder Passersatzbeschaffung belehrt wurde, hat dieser zwar einen Antrag auf Ausstellung eines Passersatzes unterschrieben. Ferner hat er durch seinen Bevollmächtigten am … März 2020 um Herausgabe seiner Geburtsurkunde gebeten, um einen Pass beantragen zu können. Dies genügt jedoch nicht der besonderen Mitwirkungspflicht nach § 60b Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 AufenthG. Allein die Vornahme einer für sich genommen erfolgversprechenden Handlung ist insoweit nicht ausreichend. Der Antragsteller ist ausweislich des klaren Wortlauts der Norm vielmehr verpflichtet, alle ihm zumutbaren Handlungen zur Beschaffung eines Passes oder eines Passersatzes selbst vorzunehmen. So ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Ausländer, der eigeninitiativ bezüglich einer Passbeschaffung tätig geworden ist, sich gleichwohl nicht weigern darf, durch zumutbare Handlungen daneben an der Beschaffung von Passersatzpapieren mitzuwirken. Seine Mitwirkung muss sich neben dem eigenen Bemühen um einen Pass oder Passersatz auch auf die Beschaffung sonstiger Urkunden und Dokumente unabhängig vom Aussteller richten, sofern sie zu dem Zweck geeignet sind, die Ausländerbehörden bei der Umsetzung einer Rückführungsmöglichkeit zu unterstützen. Vom Betroffenen kann verlangt werden, es nicht bei der Einreichung der erforderlichen Unterlagen und der Vorsprache bei der Auslandsvertretung seines Herkunftsstaates zu belassen, sondern er hat auch an der Ausstellung von Passersatzpapieren uneingeschränkt und gegebenenfalls parallel zu den eigenen Bemühungen mitzuwirken (zum Ganzen BayVGH, B.v. 19.8.2021 – 10 C 21.502 – juris Rn. 10 m.w.N.). Soweit nach Aktenlage ersichtlich hat der Antragsteller jedoch außer den benannten Tätigkeiten zunächst keine weiteren zumutbaren Handlungen, insbesondere nicht solche, die in § 60b Abs. 3 Satz 1 AufenthG aufgeführt sind, zur Beschaffung von Papieren unternommen. Hierzu gehört insbesondere die Vorsprache bei der Botschaft seines Heimatlandes. Erst am 22. März 2021 teilte der Antragsteller mit, dass er einen Termin zur Beantragung eines Passes bei der nigerianischen Botschaft in Berlin für den 6. Mai 2021 vereinbart und damit einen weiteren Schritt zur Erfüllung seiner Passbeschaffungspflicht unternommen hat.
Soweit sich der Bevollmächtigte des Antragstellers darauf beruft, dass bei der Botschaft von Nigeria infolge der Corona-Pandemie zeitweise keine Terminvereinbarungen zur Beantragung von Nationalpässen möglich gewesen seien, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen bestand die Pflicht zur Beschaffung entsprechender Passpapiere spätestens seit Eintritt der Bestandskraft der ablehnenden Asylentscheidung am 11. November 2019. Auch wurde der Antragsteller über seine Pflichten mit Schreiben vom 14. Februar 2020 belehrt. Mithin hätte bereits vor Ausbruch der Pandemie die Möglichkeit bestanden, sich um entsprechende Papiere zu bemühen. Zum anderen ist nicht erkennbar oder dargetan, dass bis ins Frühjahr 2021 eine Kontaktaufnahme mit der nigerianischen Botschaft zum Zwecke der Beschaffung von Reisedokumenten durchgängig nicht möglich gewesen ist.
Hinsichtlich der Pflicht zur Beschaffung von Passpapieren ist unbeachtlich, dass der Antragsteller wohl seinen Reisepass im Rahmen seines Asylverfahrens im Königreich der Niederlande den dortigen Behörden ausgehändigt hat und dieser nun nicht mehr auffindbar ist bzw. von den niederländischen Behörden nicht übermittelt wurde. Die besondere Verpflichtung nach § 60b Abs. 2 Satz 1 AufenthG knüpft nämlich allein daran an, ob ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer im Besitz eines gültigen Passes oder Passersatzes ist oder nicht. Auf die Gründe der Passlosigkeit kommt es insoweit nicht an. Auch die Tatsache, dass die von den deutschen Behörden eingezogene Geburtsurkunde des Antragstellers ebenfalls nicht mehr auffindbar ist, führt zu keiner anderen Beurteilung, da dies den Antragsteller ebenfalls nicht davon befreit, Handlungen zur Beschaffung von Passpapieren vorzunehmen.
2.2.2 Im vorliegenden Fall wurde jedoch die dargestellte Verletzung der Mitwirkungspflicht nach § 60b Abs. 4 AufenthG geheilt, da der Antragsteller die ihm zumutbaren Handlungen mittlerweile nachgeholt hat. Dies hat zur Folge, dass dem Antragsteller ab dem Zeitpunkt der Heilung eine Bescheinigung über die Duldung nach § 60a Abs. 4 AufenthG ohne den Zusatz „für Personen mit ungeklärter Identität“ auszustellen war (§ 60b Abs. 4 Satz 2 AufenthG).
Nach § 60b Abs. 4 Satz 1 AufenthG kann ein Ausländer eine zunächst unterlassene Handlung nach Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 jederzeit nachholen. In diesen Fällen ist umstritten, ob die Heilung mit der beschriebenen Rechtsfolge bereits mit Vornahme der Handlung (Dollinger in Bergmann/Dienelt, AuslR 13. Aufl. 2020, § 60b AufenthG Rn. 24) oder erst mit Erbringung eines entsprechenden Nachweises über die nachgeholte Mitwirkungshandlung (Kluth in BeckOK AuslR, Stand: 1.1.2022, AufenthG § 60b Rn. 41) eintritt. Mit Blick auf die Gesetzessystematik spricht hierbei viel dafür, dass die Heilung erst mit Erbringung des Nachweises der nachgeholten Handlung eintritt. Nach § 60b Abs. 3 Satz 3 AufenthG gelten nämlich die geforderten Handlungen generell dann als erfüllt, wenn der Ausländer glaubhaft gemacht hat, diese vorgenommen zu haben. Nichts Anderes kann mit Blick auf eine später nachgeholte Erfüllung dieser Pflichten gelten. Die Frage kann im vorliegenden Verfahren jedoch offenbleiben, da jedenfalls zum Zeitpunkt des Erlasses der Nebenbestimmung der hier streitgegenständlichen Duldung vom 3. März 2022 die vom Antragsteller geforderten Handlungen sowohl nachgeholt als auch gegenüber der Behörde glaubhaft gemacht worden waren.
Nach Aktenlage hat der Antragsteller am 17. Januar 2021 bei der Botschaft einen Termin zur Beantragung eines Reisepasses für den 6. Mai 2021 vereinbart. Ausweislich einer Mitteilung der Botschaft vom 6. Mai 2021 hat der Antragsteller diesen auch wahrgenommen und dort einen nigerianischen e-Passport beantragt. Nachdem der Antragsgegner nach Vorlage dieser Bestätigung mitgeteilt hat, dass damit kein ausreichender Nachweis der Erfüllung der Mitwirkungspflichten erbracht sei, da weitere Informationen (Zahlungsbelege, Referenznummer usw.) notwendig seien, legte der Bevollmächtigte des Antragstellers am 8. Juni 2021 einen „Passport Payment Slip“ des Nigerian Immigration Service vor, wonach der Antragsteller eine Gebühr von 106 USD für die Beantragung eines Passes bezahlt hat. Das Dokument enthält neben den persönlichen Daten des Antragstellers zudem Angaben über die Application ID und die Referenznummer des Antrags. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hat der Antragsteller die Nachholung der geforderten Mitwirkungshandlungen gegenüber dem Antragsgegner glaubhaft gemacht. Die Glaubhaftmachung ist zwar mehr als eine bloße Behauptung, eine Handlung vorgenommen zu haben, setzt einen Vollbeweis allerdings ebenfalls nicht voraus. Vielmehr genügt es, wenn die behauptete Tatsache nach Würdigung aller Umstände überwiegend wahrscheinlich ist. Hierzu bedarf es substantiierter Darlegungen (z.B. zu Zeitpunkt, Umständen und Verlauf eines Anhörungstermins vor einer ausländischen Behörde) und ggf. auch der Beibringung geeigneter Nachweise (z.B. über die Wahrnehmung eines Behördentermins), aus denen auf die Vornahme der Handlung geschlossen werden kann (Wittmann in BeckOK MigR, Stand: 15.1.2022, AufenthG § 60b Rn. 61). Diesen Anforderungen hat der Antragsteller nach Auffassung des Gerichts spätestens mit Vorlage des „Passport Payment Slip“ am 8. Juni 2021 genügt. Soweit der Antragsgegner davon ausgeht, dass erst die Vorlage einer Mitteilung, dass der Pass ausgestellt werde, zu einer Heilung der Mitwirkungspflicht führt, überspannt sie die gesetzlichen Anforderungen. Die Erteilung einer nach Maßgabe des § 60b AufenthG beschränkten Duldung stellt eine Sanktion für eine fortgesetzte Verletzung bestimmter Mitwirkungspflichten des Ausländers dar (Wittmann in BeckOK MigR, Stand: 15.1.2022, AufenthG § 60b Rn. 14). Die Regelung bezieht sich auf durch den Ausländer selbst vornehmenbare Handlungspflichten und soll deren Durchsetzbarkeit erhöhen (Kluth in BeckOK AuslR, Stand: 1.1.2022, AufenthG § 60b Rn. 20). Dieser Zweck ist erreicht, sobald der Ausländer alle ihm zumutbaren Handlungen tatsächlich vorgenommen hat. Inwieweit diese zum Erfolg, also der tatsächlichen Ausstellung eines Passes führen, liegt hingegen nicht mehr in der Hand des Ausländers, sodass eine Sanktionierung für den fehlenden Erfolg nicht angezeigt erscheint. Die vom Antragsgegner geforderte Ausstellung einer Mitteilung, dass dem Antragsteller ein Pass tatsächlich ausgestellt wird, liegt nicht mehr in dessen Einflussbereich. Nach Aktenlage hat er hingegen alle geforderten und durch ihn durchführbaren Maßnahmen mittlerweile vorgenommen. Soweit dies von der Ausländerbehörde weiter als nicht ausreichend angesehen worden ist, hätte diese im Übrigen die Möglichkeit gehabt, den Antragsteller nach § 60b Abs. 3 Satz 4 AufenthG zur weiteren Glaubhaftmachung zur Abgabe einer Erklärung an Eides statt aufzufordern, was jedoch nicht erfolgt ist.
Damit trat spätestens am 8. Juni 2021 die Heilung der bis dahin vorliegenden Verletzung der Mitwirkungspflichten zur Beschaffung von Passpapieren durch den Antragsteller ein. Hieraus folgt, dass spätestens ab diesem Zeitpunkt dem Antragsteller eine Duldung nach § 60a Abs. 4 AufenthG ohne den Zusatz „für Personen mit ungeklärter Identität“ von Amts wegen auszustellen gewesen wäre (§ 60b Abs. 4 Satz 2 AufenthG). Ab diesem Zeitpunkt lagen damit auch die Voraussetzungen für die Erteilung bzw. Verlängerung weiterer Duldungen mit dieser Nebenbestimmung nicht mehr vor. Die Aufnahme der Nebenbestimmung „für Personen mit ungeklärter Identität“ in die Duldung vom 3. März 2022 war daher rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten. Die hiergegen erhobene Klage hat insoweit Aussicht auf Erfolg.
2.3 Aufgrund der sich nach summarischer Prüfung des Bescheids ergebenden Rechtswidrigkeit der angegriffenen Nebenbestimmung in der Duldung vom 3. März 2022 überwiegt insoweit das Aussetzungsinteresse des Antragstellers, da kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung einer rechtswidrigen Entscheidung besteht. Insoweit war daher die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers anzuordnen.
3. Der Antrag Nr. 3 des Antragstellers auf Erteilung einer vorläufigen Duldung für die Berufsausbildung als … gemäß § 60c AufenthG im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist zulässig, aber unbegründet.
3.1 Der Antrag ist zulässig, insbesondere statthaft, da in der Hauptsache eine Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Ausbildungsduldung statthaft ist.
3.2 Der Antrag nach § 123 VwGO ist jedoch nicht begründet, da die begehrte einstweilige Anordnung eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache darstellen würde. Zudem hat der Antragsteller weder einen nach § 123 VwGO erforderlichen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO).
3.2.1 Im vorliegenden Fall wird eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache begehrt.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, wenn dies nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Dem Wesen und Zweck einer einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Verwaltungsgericht in einem Eilverfahren nach § 123 VwGO grundsätzlich nur vor-läufige Regelungen treffen und dem Betroffenen nicht schon in vollem Umfang – wenn auch nur auf beschränkte Zeit und unter Vorbehalt einer Entscheidung in der Hauptsache – das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache gilt zwar nicht uneingeschränkt. Aufgrund des verfassungsrechtlichen Gebotes effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG ist eine Vorwegnahme dann zulässig, wenn dem Betroffenen ein Abwarten bis zu der Entscheidung über die Hauptsache unzumutbar ist, da er sonst schwere irreparable Nachteile erleiden würde (BVerfG, B.v. 25.10.1988 – 2 BvR 745/88 – juris Rn. 27; BayVGH, B.v. 17.2.2014 – 7 CE 13.2514 – juris Rn. 8 ff.).
Die vom Antragsteller begehrte einstweilige Anordnung stellt vorliegend eine grundsätzlich unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache dar. Der Antragsteller begehrt die Erweiterung seines Rechtskreises. Er will erreichen, ab sofort eine Ausbildung zum … bei einem konkret bezeichneten Betrieb absolvieren zu können. Damit wäre es ihm möglich, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, was ihm bisher rechtlich nicht gestattet ist. Damit verfolgt der Antragsteller letztlich im Wege des Eilantrags das identische Ziel wie im Hauptverfahren. Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass die im einstweiligen Anordnungsverfahren erstrebte Rechtsstellung unter der auflösenden Bedingung des Ergebnisses des Klageverfahrens steht. Denn auch die vorläufige Vorwegnahme der Hauptsache vermittelt dem Antragsteller die mit dem Klageverfahren erstrebte Rechtsposition und stellt ihn vorweg, so, als wenn er im Klageverfahren bereits obsiegt hätte.
Es ist dabei nicht ersichtlich, dass dem Antragsteller ein Abwarten bis zu der Entscheidung über die Hauptsache unzumutbar ist, da er sonst schwere irreparable Nachteile erleiden würde. Dass die baldige Aufnahme einer Ausbildung für den Antragsteller vorteilhaft wäre und zur Entlastung der öffentlichen Hand beitragen würde, lässt ein Abwarten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nicht unzumutbar erscheinen (vgl. VG München, B.v. 26.10.2016 – M 4 E 16.4408 – juris Rn. 15; B.v. 25.1.2016 – M 10 E 15.5827 – juris Rn. 23). Auch die Befürchtung des Antragstellers, die angebotene Ausbildungsstelle als … zu verlieren, führt nicht zu einer Unzumutbarkeit oder irreparablen Nachteilen. Es ist weder substantiiert dargetan noch anderweitig ersichtlich, dass er nicht – nach einem für ihn gegebenenfalls erfolgreichen Abschluss des Hauptsacheverfahrens – einen anderen Platz für eine Ausbildung finden kann. Der Antragsteller hat zu einem etwaigen (besonderen) Interesse an dem konkreten Platz für eine Ausbildung in dem konkreten Betrieb nichts vorgetragen. Zu berücksichtigen ist auch insbesondere, dass der Ausbildungsplatz ausweislich der am 22. März 2021 übermittelten Arbeitsplatzbeschreibung offenbar bereits zum 1. September 2021 zur Verfügung stand und nach Mitteilung des Bevollmächtigten des Antragstellers jedenfalls bis zum 24. Januar 2022 noch nicht verlustig gegangen war und der Ausbildungsbetrieb noch immer eine Besetzung des Platzes mit dem Antragsteller anstrebt, sofern sich weiterhin kein anderer geeigneter Kandidat findet. Es ist daher davon auszugehen, dass er auch nach Entscheidung im Hauptsacheverfahren die Ausbildung aufnehmen könnte, wenn ein Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung festgestellt werden würde. Eine Gefährdung des sozialen, beruflichen oder wirtschaftlichen Existenzgrundlage des Antragstellers durch Versagung des Anspruchs ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Die bloße zeitliche Verzögerung der Aufnahme einer Ausbildung stellt auch unter Berücksichtigung des durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Rechts des Antragstellers auf allgemeine Handlungsfreiheit keinen unzumutbaren Nachteil dar, der die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen würde. Auch eine Verletzung der Berufsfreiheit steht vorliegend nicht im Raum, da sich auf Art. 12 Abs. 1 GG nur deutsche Staatsangehörige oder EU-Bürger berufen können. Soweit der Antragsteller befürchtet, dass nach Vorlage des Nationalpasses eine Rückführung ins Heimatland erfolge und damit die Aufnahme einer Ausbildung ausgeschlossen sei, führt dies ebenfalls zu keiner Unzumutbarkeit, welche eine Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigt. Der Antragsteller ist bereits derzeit vollziehbar ausreisepflichtig. Soweit eine Abschiebung des Antragstellers in sein Heimatland nach Wegfall der bestehenden Hinderungsgründe künftig tatsächlich möglich und umgesetzt wird, wird damit also nicht ein rechtlicher Anspruch des Antragstellers dauerhaft verhindert, sondern eine bereits heute bestehende rechtliche Verpflichtung des Antragstellers, welcher er bislang nicht nachgekommen ist, zwangsweise vollzogen.
3.2.2 Darüber hinaus besteht kein – für eine Vorwegnahme der Hauptsache ebenfalls erforderlicher – hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 66a). Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO). Nach summarischer Prüfung hat die Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60c AufenthG voraussichtlich keinen Erfolg, da der Antragsteller auf eine solche keinen Anspruch hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
(1) Zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt steht der Zuerkennung einer Ausbildungsduldung zumindest das Erteilungsverbot nach § 60c Abs. 2 Nr. 3 AufenthG entgegen, da die Identität des Antragstellers nicht geklärt ist. Anders als bei der Regelung des § 60b AufenthG stellt die Vorschrift nicht darauf ab, ob der Ausländer an der Klärung seiner Identität mitwirkt oder nicht. Voraussetzung ist, dass die Identität tatsächlich objektiv geklärt ist (Röder in BeckOK MigR, Stand: 15.1.2022, AufenthG § 60c Rn. 36). Bleibt die Identität – warum auch immer – ungeklärt, scheidet ein gebundener Anspruch auf die Ausbildungsduldung in jedem Fall aus (VG München, B.v. 13.10.2020 – M 24 E 20.4770 – juris Rn. 30). Das bisherige Verhalten des Ausländers etwa im Hinblick auf sein Mitwirkungsverhalten ist nur für die Frage entscheidend, ob von dem Versagungsgrund gem. § 60c Abs. 7 AufenthG im Ermessenswege abgesehen werden kann (BayVGH, B.v. 2.6.2020 – 10 CE 20.931 – Rn. 15).
Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Antragstellers ist vorliegend die Identität des Antragstellers bislang tatsächlich nicht geklärt. Die Identität und Staatsangehörigkeit werden in der Regel durch den Besitz eines gültigen Passes nachgewiesen. Ist kein Pass oder anderes Identitätsdokument mit Lichtbild vorhanden, kann diese auch durch andere geeignete Mittel nachgewiesen werden, unter anderem amtliche Dokumente aus dem Herkunftsstaat, die biometrische Merkmale und Angaben zur Person enthalten. Können diese nicht beschafft werden, so können auch geeignete amtliche Dokumente aus dem Herkunftsstaat ohne biometrische Merkmale zum Nachweis in Betracht kommen, wie etwa eine Geburtsurkunde, Heiratsurkunde, Meldebescheinigung, Schulzeugnisse oder Schulbescheinigungen, wenn sie geeignet sind, auf ihrer Basis Pass- oder Passersatzpapiere zu beschaffen (Dollinger in Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 60c AufenthG Rn. 32). Die Klärung der Identität setzt die Gewissheit voraus, dass ein Ausländer die Person ist, für die er sich ausgibt, mithin Verwechslungsgefahr nicht besteht. Die vom Antragsteller vorgelegte Geburtsurkunde ist nicht ausreichend, um die Identität des Antragstellers mit der notwendigen Sicherheit klären. Der Rückgriff auf Urkunden ohne biometrische Merkmale – wie im Falle der Geburtsurkunde – kann wie dargestellt zwar gemeinsam mit weiteren Umständen zur Identitätsklärung grundsätzlich in Betracht kommen. Allerdings ist hierbei in Bezug auf Nigeria zu beachten, dass aufgrund des nicht vorhandenen Meldewesens, verbreiteter Korruption in den Passbehörden sowie Falschangaben der Antragsteller es möglich ist, nigerianische Geburtsurkunden, Heiratsurkunden und Reisepässe zu erhalten, die zwar formell echt sind, inhaltlich jedoch lediglich auf Angaben der Antragsteller beruhen. Durch die Einführung biometrischer Pässe wurde für diese allerdings die Dokumentensicherheit erhöht (vgl. Auswärtiges Amt – Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Nigeria, Stand: Januar 2022, S. 23). Eine objektive Klärung der Identität kann daher im vorliegenden Fall erst mit Vorlage eines entsprechenden nigerianischen Reisepasses erfolgen. Soweit der Antragsteller einen solchen bei niederländischen Behörden vorgelegt hat, führt dies zu keinem anderen Ergebnis, da dieser deutschen Behörden gerade nicht vorliegt und auch nicht vorgelegen hat.
Damit besteht kein Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung.
(2) Auch die Regelung des § 60c Abs. 7 AufenthG führt zu keinem anderen Ergebnis.
Nach § 60c Abs. 7 AufenthG kann eine Duldung nach Abs. 1 Satz 1 zwar unbeachtlich des Erfordernisses der Identitätsklärung nach Abs. 2 Nr. 3 erteilt werden, wenn der Ausländer die erforderlichen und ihm zumutbaren Maßnahmen für die Identitätsklärung ergriffen hat. Diese Vorschrift eröffnet dem Antragsgegner jedoch einen Ermessensspielraum. Eine Reduzierung des Ermessens dahingehend, dass dem Antragsteller trotz weiterhin ungeklärter Identität eine Ausbildungsduldung zu gewähren ist, liegt nicht vor. Insbesondere wäre im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen, dass die Identität des Antragstellers gemäß § 60c Abs. 2 Nr. 3 b) AufenthG bis zum 30. Juni 2020 hätte geklärt sein müssen, der Antragsteller jedoch ausweislich der Behördenakten erst im Januar 2021 damit begonnen hat, sich um eine Passbeschaffung und damit Klärung seiner Identität zu kümmern.
4. Der Antrag Nr. 2 des Antragstellers, im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO eine vorläufige Ausbildungserlaubnis für die Ausbildung als … bei der Fa. R … GmbH bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu erteilen, ist ebenfalls zulässig, aber unbegründet.
4.1 Der Antrag nach § 123 VwGO ist zulässig, da auch insoweit in der Hauptsache eine Verpflichtungsklage statthaft ist.
4.2 Der Antrag ist jedoch unbegründet.
4.2.1 Der Antragsteller begehrt auch insoweit eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache, da er hiermit ebenfalls eine Rechtsposition erstrebt, die ihn zumindest zeitweise so stellt, als hätte er im Klageverfahren bereits obsiegt. Es ist dabei wie dargestellt nicht ersichtlich, dass dem Antragsteller ein Abwarten bis zu der Entscheidung über die Hauptsache unzumutbar ist, da er sonst schwere irreparable Nachteile erleiden würde (vgl. 3.2.1).
4.2.2 Zudem hat der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung – ZPO).
Der Antragsteller verfolgt mit diesem Antrag die vorläufige Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis nach § 4a Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 1 BeschV. Die Erteilung einer solchen Beschäftigungserlaubnis steht im Ermessen der Ausländerbehörde. Ein Anordnungsanspruch als Grundvoraussetzung für den Erlass der angestrebten einstweiligen Anordnungen kommt daher nur in Betracht, wenn hinsichtlich der Erteilung der Erlaubnis eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt. Eine solche Situation ist indes nicht gegeben. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen ist, dass der Antragsteller vollziehbar ausreisepflichtig und bislang nur aufgrund fehlender Passpapiere geduldet ist, wobei er sich erst spät um die Beschaffung von Passpapieren bemüht hat. Zwar weist der Bevollmächtigte des Antragstellers zurecht darauf hin, dass es sich hinsichtlich der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis um ein intendiertes Ermessen handelt, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausbildungsduldung vorliegen. Dies ist jedoch – wie dargestellt – hier gerade nicht der Fall. Im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kommt es auch nicht darauf an, dass die Ablehnung der beantragten Erlaubnis mit Bescheid vom 28. Oktober 2021 wohl ermessensfehlerhaft sein dürfte, da der Entscheidung unrichtigerweise zugrunde gelegt wurde, dass der Antragsteller lediglich über eine Duldung nach § 60b AufenthG verfüge, da dies jedenfalls nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null hinsichtlich einer Erteilung der angestrebten Erlaubnis führt.
5. Soweit der Antragsteller unter Nr. 4 seines Antrags eine Zwischenregelung beantragt hat, besteht hierfür kein Bedürfnis mehr, da mit vorliegendem Beschluss umfassend über den Eilantrag des Antragstellers entschieden worden ist.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m § 154 Abs. 1 VwGO.
7. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog und entspricht der Hälfte des voraussichtlich im Hauptsacheverfahren anzusetzenden Streitwerts. Die beantragte Zwischenregelung wurde nicht erhöhend berücksichtigt.
8. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat im tenorierten Umfang Erfolg.
Gemäß § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO erhält auf Antrag diejenige Partei Prozesskostenhilfe, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Prozesskostenhilfe ist bereits dann zu gewähren, wenn nur hinreichende Erfolgsaussichten für den beabsichtigten Rechtsstreit bestehen. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit in dem Sinne, dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss, ist nicht erforderlich. Es genügt eine sich bei summarischer Prüfung ergebende Offenheit des Erfolgs.
Maßgeblich für die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussichten ist der Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (stRspr; vgl. BayVGH, B.v. 10.1.2016 – 10 C 15.724 – juris Rn. 14 m.w.N.). Die Entscheidungsreife tritt regelmäßig nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen sowie nach einer Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO) ein (vgl. BVerwG, B.v. 12.9.2007 – 10 C 39.07 u.a. – juris Rn. 1; BayVGH, a.a.O.).
Nach diesem Maßstab ist dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu bewilligen, soweit er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Nebenbestimmung „für Personen mit ungeklärter Identität“ der Duldung vom 3. März 2022 beantragt hat, da die Rechtsverfolgung insoweit Aussicht auf Erfolg hat (vgl. Ziff. 2). Im Übrigen ist der Antrag abzulehnen, da das Eilverfahren insoweit keine hinreichenden Erfolgsaussichten im Sinne von § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO hat (vgl. Ziff. 3 und Ziff. 4).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben