Verwaltungsrecht

Statthaftigkeit eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei Versetzung in den Ruhestand

Aktenzeichen  RN 1 E 16.595

Datum:
18.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 1, Abs. 5, § 80a, § 123 Abs. 1, Abs. 3
BBG BBG § 47
ZPO ZPO § 920 Abs. 2

 

Leitsatz

Die Zulässigkeit des Antrags nach § 123 VwGO setzt voraus, dass für das gerichtliche Hauptsacheverfahren eine andere Klageart als die Anfechtungsklage statthaft ist. Statthafte Rechtsbehelfe gegen die Versetzung in den Ruhestand sind jedoch Widerspruch und Anfechtungsklage.  (redaktioneller Leitsatz)
Wird die Versetzung in den Ruhestand nicht für sofort vollziehbar erklärt, entfalten die eingelegten Rechtsbehelfe Widerspruch und Anfechtungsklage gemäß § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung.  (redaktioneller Leitsatz)
Solange die Versetzung in den Ruhestand nicht bestandskräftig geworden ist, ist der Antragsteller amtsangemessen zu beschäftigen. Davon unberührt bleibt die gemäß § 47 Abs. 4 S. 2 BBG zwingend vorgesehene Einbehaltung der Besoldung, soweit sie das Ruhegehalt übersteigt.  (redaktioneller Leitsatz)
Unterbindet der Dienstherr auch nach Eintritt der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage die Erbringung der Dienstleistung nicht, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht erforderlich. Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Übertragung eines bestimmten Dienstpostens, da die Zuweisung bestimmter Aufgaben zur Gewährleistung einer amtsangemessenen Beschäftigung der organisatorischen Dispositionsbefugnis des Dienstherrn unterliegt.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller war Beamter in der Zollverwaltung und in der Laufbahn des gehobenen Dienstes beschäftigt. Mit Verfügung des Hauptzollamtes 1 … vom 21.8.2015 wurde er mit Ablauf des Monats August 2015 gem. § 47 Bundesbeamtengesetz – BBG – in den Ruhestand versetzt. Die sofortige Vollziehung des Bescheids wurde nicht angeordnet.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Generalzolldirektion mit Widerspruchsbescheid vom 8.2.2016 zurück. Auch in diesem Bescheid wurde die sofortige Vollziehung nicht angeordnet.
Gegen diese Bescheide erhob der Antragsteller durch seine Prozessbevollmächtigten am 4.3.2016 Klage. Mit ihr erstrebt er die Aufhebung der beiden Bescheide.
Am 18.4.2016 hat der Antragsteller durch seine Prozessbevollmächtigten einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz stellen lassen. Er beantragt,
die Antragsgegnerin zu verurteilen, den Antragsteller weiterhin an der ursprünglich ausgeübten Wirkungsstätte beim Sachgebiet A. im Dienstgebäude … in … weiter zu beschäftigen und die Ausübung seiner Diensttätigkeit im bisherigen Umfang sowie in gleicher Art und Weise zu ermöglichen.
Zur Begründung des Antrags wird die Auffassung vertreten, dass eine Dienstunfähigkeit im gesetzlichen Sinne nicht vorliege. Deshalb fehle es an einer maßgeblichen Voraussetzung für die Versetzung in den Ruhestand nach § 47 BBG.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antrag auf Weiterbeschäftigung des Antragstellers auf dem von ihm zuletzt wahrgenommenen Dienstposten sei nicht zulässig. Der Antragsteller habe einen Antrag nach § 123 VwGO stellen lassen. Voraussetzung für dessen Statthaftigkeit sei, dass für das gerichtliche Hauptsacheverfahren eine andere Klageart als die Anfechtungsklage statthaft sei. Der Kläger habe jedoch bereits eine Anfechtungsklage erhoben. Außerdem stehe dem Antrag zwingend die Vorschrift des § 47 Abs. 4 BBG entgegen.
Davon abgesehen fehlten einem Antrag nach § 123 VwGO sowohl die Anordnungsbefugnis als ein Anordnungsgrund.
Das Gericht hat die Akten des Hauptsacheverfahrens (RN 1 K 16.346) sowie die Personalakten des Antragstellers beigezogen. Wegen der übrigen Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der beigezogenen Unterlagen verwiesen.
II.
Der Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung auf Weiterverpflichtung des Antragstellers verpflichten zu lassen, bleibt ohne Erfolg.
Der Antrag nach § 123 VwGO ist unstatthaft.
Nach § 123 Abs. 5 VwGO gelten die Vorschriften über den Erlass einstweiliger Anordnungen nicht für die Fälle der §§ 80 und 80 a VwGO. Die Zulässigkeit des Antrags nach § 123 VwGO setzt voraus, dass für das gerichtliche Hauptsacheverfahren eine andere Klageart als die Anfechtungsklage statthaft ist. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Die Versetzung in den Ruhestand stellt eine für den Antragsteller belastende Maßnahme dar. Statthafter Rechtsbehelf hiergegen sind Widerspruch und Anfechtungsklage gem. § 80 Abs. 1 VwGO. Diese Rechtsbehelfe hat der Kläger ergriffen und sie mit der fortbestehenden Dienstfähigkeit des Antragstellers begründet. Mit ihnen verfolgt er das Ziel eines Weiterbestands des früheren Dienstverhältnisses als aktiver Beamter. Eilrechtsschutz wäre in diesem Fall durch einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gem. § 80 Abs. 5 VwGO zu suchen.
Für ein solches Vorgehen fehlen allerdings die rechtlichen Voraussetzungen, da die Behörden die Versetzung des Klägers in den Ruhestand nicht für sofort vollziehbar erklärt haben. Deshalb entfalten die eingelegten Rechtsbehelfe Widerspruch und Anfechtungsklage gem. § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung. Die Frage der aufschiebenden Wirkung wurde zwischen den Beteiligten nicht thematisiert, über sie besteht kein Streit. Für eine etwaige Auslegung des Eilantrags auf Feststellung, dass die eingelegten Rechtsbehelfe aufschiebende Wirkung entfalteten, besteht kein Anlass.
Dies bedeutet jedoch auch, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller, solange die Verfügung über die Versetzung in den Ruhestand vom 21.8.2016 nicht bestandskräftig geworden ist, amtsangemessen weiterbeschäftigen muss. Sofern sie dies, auch aus Gründen der Fürsorge, nicht für vertretbar hält, kann sie die nach dem Gesetz zulässigen Maßnahmen ergreifen. Davon unberührt bleibt die im Gesetz zwingend vorgesehene Einbehaltung der Besoldung, soweit sie das Ruhegehalt übersteigt, § 47 Abs. 4 Satz 2 BBG.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bliebe jedoch, abgesehen von seiner fehlenden Statthaftigkeit, auch in der Sache ohne Erfolg. Es fehlt sowohl an einem Anordnungsgrund als auch an einem Anordnungsanspruch, §§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2 ZPO.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erforderlich, um Rechte des Antragstellers zu wahren. Der Antragsteller hat nicht vorgetragen und aus den Akten ist nicht ersichtlich, dass der Dienstherr bisher, seit Eintritt der aufschiebenden Wirkung durch Widerspruch und Klage, die Erbringung der Arbeitsleistung unterbunden hätte.
Dem Antragsteller steht auch kein Rechtsanspruch auf Übertragung eines bestimmten Dienstpostens zu. Die Zuweisung bestimmter Aufgaben zur Gewährleistung einer amtsangemessenen Beschäftigung unterliegt der organisatorischen Dispositionsbefugnis des Dienstherrn. Entsprechende Aufgabenzuweisungen können die Verwaltungsgerichte nicht treffen, sie können lediglich Entscheidungen des Dienstherrn auf Ermessensfehler hin überprüfen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 21.3.2007, Az. 6 B 2605/06 – juris).
Unter diesen Umständen war der Antrag abzulehnen.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Die Kammer geht von der Hälfte des Auffangstreitwerts aus.

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