Verwaltungsrecht

Stellenbesetzung in der 4. Qualifikationsebene, Dienstpostenkonkurrenz, Einstellungsbewerber, konstitutives Anforderungsprofil, Abschlussnote (1, 8 oder besser), Anforderungen an den konkreten Dienstposten, Nichtberücksichtigung vorhandener Berufserfahrung

Aktenzeichen  3 CE 21.3177

Datum:
4.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 1996
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
GG Art. 33 Abs. 2

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 5 E 21.3261 2021-11-29 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 14.686,59 Euro festgesetzt.

Gründe

1. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht, auf dessen Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Beschluss verwiesen wird, hat den nach § 123 VwGO gestellten Antrag,
dem Antragsgegner zu untersagen, die am 22. März 2021 ausgeschriebene Stelle eines Mitarbeiters der 4. QE im Referat 52 des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie mit der ausgewählten Bewerberin zu besetzen, bis bestandskräftig erneut über die Stellenbesetzung unter Beachtung der Bewerbung des Antragstellers entschieden worden ist,
zu Recht abgelehnt, weil der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat. Die Entscheidung des Antragsgegners, die Bewerbung des Antragstellers um den verfahrensgegenständlichen Dienstposten nicht zu berücksichtigen, ist rechtmäßig, weil dieser das der Ausschreibung vom 22. März 2021 zugrunde gelegte konstitutive Anforderungsprofil im Hinblick auf die geforderte „Abschlussnote 1,8 oder besser“ nicht erfüllt, sondern eine Abschlussnote von 2,7 erzielt hat. Die hiergegen vom Antragsteller innerhalb der Begründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgetragenen Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen zu keiner anderen Beurteilung.
1.1 Der Antragsteller trägt zur Begründung seiner Beschwerde vor, dass sich sämtliche Bewerber um ein Eingangsamt der vierten Qualifikationsebene (4. QE) an den Grundsätzen der Bestenauslese messen lassen müssten. Dabei müsse zugunsten des Antragstellers gerade seine jahrelange, im Staatsministerium gewonnene Berufserfahrung berücksichtigt werden, die neben der Abschlussnote eine Rolle hätte spielen müssen. Auch das Verwaltungsgericht gehe davon aus, dass sich auf den ausgeschriebenen Dienstposten nicht nur Berufsanfänger, sondern auch berufserfahrene Beamte bewerben sollten. Ein das Bewerberfeld einengendes konstitutives Anforderungsprofil sei nur zulässig, wenn die Behandlung der Dienstaufgaben des ausgeschriebenen Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetze. Zwar gebe eine Examensnote über die fachliche Leistung Auskunft, sei aber „allein an sich generell nicht geeignet, ein ordnungsgemäßes Verfahren der Bestenauslese“ zu garantieren.
Diese Einwände rechtfertigen nicht die Abänderung des angefochtenen Beschlusses. Die Entscheidung des Antragsgegners, die Bewerbung des Antragstellers schon „im Vorfeld“ mangels Erreichen der in der Ausschreibung vorgegebenen Abschlussnote auszuscheiden und daher auch nicht in das eigentliche Bewerbungsverfahren aufzunehmen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG sind öffentliche Ämter nach Maßgabe des Grundsatzes der Bestenauslese zu besetzen. Die von Art. 33 Abs. 2 GG erfassten Auswahlentscheidungen können grundsätzlich nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, welche unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen. Die Ermittlung des – gemessen an diesen drei Kriterien – am besten geeigneten Bewerbers hat stets in Bezug auf das konkret angestrebte Amt zu erfolgen. Maßgeblich ist insoweit der Aufgabenbereich des Amtes, auf den bezogen die einzelnen Bewerber untereinander zu vergleichen sind und anhand dessen die Auswahlentscheidung vorzunehmen ist. Allerdings können bereits im Vorfeld der Auswahlentscheidung die Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung vom Dienstherrn für den Aufgabenbereich eines Amtes durch die Festlegung eines Anforderungsprofils konkretisiert werden und so den Kreis der Bewerber einschränken (BVerfG, B.v. 9.8.2016 – 2 BvR 1287/16 – juris Rn. 76 ff.; B.v. 16.12.2015 – 2 BvR 1958/13 – juris Rn. 31 ff.; BayVGH, B.v. 3.7.2019 – 3 CE 19.1118 – juris Rn. 6: Führungseignung; vgl. zum Begriff des Anforderungsprofils: Schnellenbach, Konkurrenzen im öffentlichen Dienst, 2. Aufl. 2018, Anh. I Rn. 24-31). Im vorliegenden Fall geschieht dies in zulässiger Weise dadurch, dass in der Stellenausschreibung eine bestimmte in der Abschlussprüfung erzielte Mindestnote als Einstellungsvoraussetzung für die 4. QE gefordert wird.
Schon die Behauptung der Beschwerde, der Antragsgegner habe im Rahmen des Bewerbungsverfahrens allein auf die Abschlussnote abgestellt, trifft nicht zu. Vielmehr sollte mit dieser Einstellungsvoraussetzung (conditio sine qua non) der Bewerberkreis von vornherein beschränkt werden. Es entspricht ständiger Rechtsprechung (BAG, U.v. 14.11.2013 – 8 AZR 997/12 – juris Rn. 31), dass in der Stellenausschreibung eine bestimmte Mindestnote – aber auch andere besondere Qualifikationen – gefordert werden können, um schon im Vorfeld der eigentlichen Auswahlentscheidung diejenigen Bewerber aus dem Kreis der in das Auswahlverfahren einzubeziehenden Bewerber auszuschließen, die anhand bestimmter Kriterien als ungeeignet angesehen werden (BAG, U.v. 12.9.2006 – 9 AZR 807/05 – juris Rn. 32; BayVGH, B.v. 7.5.2019 – 3 ZB 17.557 – juris Rn. 6: juristische Prädikatsexamina).
Allerdings kann der Dienstherr das von ihm im Rahmen seines organisatorischen Ermessens festgelegte konstitutive Anforderungsprofil nicht nach eigenem Gutdünken und ohne Rücksicht auf Art. 33 Abs. 2 GG bestimmen. Es muss deshalb sachlich nachvollziehbar sein und in der Stellenausschreibung konkretisiert werden (BAG, U.v. 21.7.2009 – 9 AZR 431/08 – juris Rn. 24-31 zum Fehlen bestimmter Mindestnoten). Die in der Ausschreibung mitgeteilte Anforderung („Betriebswirt/in oder Volkswirt/in, Diplom Univ. bzw. Master, mit Abschlussnote 1,8 oder besser“) stellt eine gerade unter dem Gesichtspunkt des Art. 33 Abs. 2 GG zu bejahende sachliche Einschränkung des Bewerberkreises dar mit dem Ziel, die ausgeschriebene Stelle aus dem Kreis der besten Absolventen der Abschlussprüfung zu besetzen. In diesem Zusammenhang ist auch auf den Umstand hinzuweisen, dass nach den langjährigen Erfahrungen des Antragsgegners (vgl. Schriftsatz der Prozessvertretung v. 8.9.2021 an VG München, 3.,4.) die Abschlussnote 1,8 dem Mittelwert der Gesamtdurchschnittsnoten entspricht und etwa zwei Drittel der Absolventen eines Masterstudiengangs (Verwaltungslaufbahn „Verwaltung und Finanzen“) eine Abschlussnote zwischen 1,0 und 1,8 erreichen. Der Antragsteller befindet sich somit mit seiner Abschlussnote (2,7) im letzten Drittel aller Absolventen.
Der Antragsteller legt nicht dar, warum der Bewerberkreis nicht durch das Erfordernis einer bestimmten (Mindest-)Note hätte eingeschränkt werden dürfen. Insbesondere kann er mit seinem Vortrag, der Antragsgegner hätte als Anforderungsprofil den erfolgreichen Abschluss einer entsprechenden Hochschulausbildung ausreichen lassen müssen, nicht durchdringen. Denn insoweit besteht ein – hier weder sachwidrig noch gar willkürlich ausgeübtes – Ermessen des Dienstherrn, von dem er unter personalwirtschaftlichen und organisatorischen Gesichtspunkten in der geschehenen Weise Gebrauch machen durfte. Das Erfordernis der Mindestnote ist als konkretes, diskriminierungsfreies und der zu besetzenden Stelle angemessenes, weil für die Funktionsfähigkeit der Verwaltung gerechtfertigtes Anforderungsprofil anzusehen; es gewährleistet daher eine an Art. 33 Abs. 2 GG ausgerichtete Auswahlentscheidung (BVerwG, U.v. 3.3.2011 – 5 C 16.10 – juris Rn. 21). Vor diesem Hintergrund geht die Berufung des Antragstellers auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Juni 2013 (2 VR 1.13 – juris Rn. 33) ins Leere, denn für die im dortigen Fall strittige zwingende Anforderung (“mindestens zweijährige praktische Erfahrung in der Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten“, a.a.O. Rn. 39, 41f.) bot die maßgebliche Funktionsbeschreibung des ausgeschriebenen Dienstpostens gerade keine hinreichende Grundlage, weshalb dort die Fehlerhaftigkeit des Auswahlverfahrens festgestellt wurde.
1.2 Der Antragsteller moniert weiter, dass seine über Jahre im Staatsministerium gewonnene berufliche Erfahrung im Rahmen der Auswahlentscheidung unberücksichtigt geblieben sei; der Antragsgegner gehe zu Unrecht davon aus, dass durch eine bestimmte Abschlussnote auch ohne berufliche Vorerfahrungen belegt sei, der Bewerber werde die mit der Stelle verbundenen Anforderungen erfüllen. Im Übrigen sei auch die ausgewählte Beigeladene schon zwei Jahre in dem Referat tätig, sodass es auch bei ihr um berufliche Vorerfahrungen gehe.
Diese Argumentation verkennt, dass ein Bewerber, der die Voraussetzungen eines – wie hier – rechtlich zulässigen konstitutiven Anforderungsprofils nicht erfüllt, nicht in den für die Auswahlentscheidung maßgeblichen Bewerberkreis aufgenommen wird. Dabei spielt es keine Rolle, ob er andere hervorragende Qualitäten besitzt, die für die ausgeschriebene Stelle auch von Bedeutung sind oder sein können. Daher helfen dem Antragsteller hier die in den vorangegangenen dienstlichen Beurteilungen erzielten guten Punktwerte nicht weiter. Er reißt die von jedem Bewerber – so auch von der Beigeladenen – gleichermaßen zu überwindende „Zugangshürde“ zur 4. QE. Es braucht daher nicht entschieden zu werden, ob dem Antragsteller zusätzlich entgegengehalten werden kann, seine Berufserfahrung beruhe (lediglich) auf einer Tätigkeit in der 3. QE.
1.3 Schließlich rügt der Antragsteller einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass er sein Studium berufsbegleitend absolviert habe, also im Hinblick auf das parallel zu erbringende volle Arbeitspensum wesentlich härtere Bedingungen vorgefunden habe als im Rahmen eines normalen Studiums. Diese zusätzliche Erschwernis sei bei der Bewertung der Abschlussnote zu berücksichtigen. Eine Vergleichbarkeit der Examensnoten der beiden Gruppen von Studenten bestehe nicht.
Zu Recht macht das Verwaltungsgericht darauf aufmerksam, dass die letztendlich erzielte Abschlussnote maßgeblich in der Sphäre der Studierenden liegt; dies gilt auch für den Studienverlauf im Allgemeinen. Schon aus diesem Grund können derartige, den Ablauf des Studiums erschwerende Umstände nicht zu einem wie auch immer gearteten „Notenausgleich“ führen. Er wäre im Übrigen nicht handhabbar. Weiter verweist das Verwaltungsgericht darauf, dass die Abschlussnote grundsätzlich uneingeschränkt als Ausdruck der erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten der Studierenden das jeweilige Leistungsvermögen widerspiegelt. Auch der Antragsteller muss sich hieran messen lassen. Die Beigeladene argumentiert zutreffend, es liege in der Entscheidungshoheit jedes einzelnen Studenten zu bestimmen, ob er sich in seiner konkreten Situation der Abschlussprüfung hinreichend gewachsen sehe oder nicht, mit der Konsequenz, ein besseres oder schlechteres Ergebnis zu erzielen.
1.4 Der Senat hat auch die weiteren Argumente des Antragstellers, die dieser in der Beschwerdebegründung vom 28. Dezember 2021 vorgebracht hat, zur Kenntnis genommen und erwogen. Sie führen ebenfalls nicht zu einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung, ohne dass es insoweit im vorliegenden Beschluss einer ausdrücklichen Auseinandersetzung bedurft hätte.
2. Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2, Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO zurückzuweisen. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die sich durch eigene Antragstellung im Beschwerdeverfahren einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, dem Antragsteller aufzuerlegen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 6 Satz 1 bis 4, § 47 GKG. Danach beträgt der Streitwert ¼ der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge (mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen) des vom Antragsteller angestrebten Amtes in der 4. QE. Dies entspricht dem auch vom Erstgericht angesetzten Streitwert in Höhe von 14.686,59 Euro.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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