Verwaltungsrecht

Steuerrechtliche Verurteilung zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen

Aktenzeichen  24 ZB 19.2526

Datum:
21.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 6720
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. a
StPO § 410 Abs. 3
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 5 S. 2
GKG § 47, § 52 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die Annahme der Regelvermutung nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG entfällt nicht deshalb, weil der Betroffene nicht durch Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung, sondern durch Strafbefehl verurteilt worden ist (vgl. BVerwG BeckRS 1992, 31228123). (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch eine strafgerichtliche Verurteilung wegen eines Vermögensdelikts (Steuervergehen) lässt einen ausreichenden Rückschluss auf charakterliche Unzulänglichkeiten und damit weiter für die Unzuverlässigkeit im waffenrechtlichen Sinn zu. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 7 K 17.4721 2019-09-04 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 7.250 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
1. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO dargelegt ist und vorliegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Das Darlegungsgebot gestaltet das Zulassungsverfahren dahingehend, dass das gerichtliche Prüfungsprogramm im Zulassungsverfahren jedenfalls im Wesentlichen darauf beschränkt ist zu klären, ob der Rechtsmittelführer seine Darlegungslast erfüllt hat und die dargelegten Gründe eine Zulassung der Berufung tragen (BVerfG, B.v. 23.7.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163). Vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 GG dürfen allerdings die Anforderungen an die Darlegung nur in einer Weise gestellt werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Anwalt mit zumutbarem Aufwand noch erfüllt werden können (BVerfG, B.v. 8.1.22009 – 2 BvR 758/07 – BVerfGE 125, 104). Dem Darlegungsgebot ist genügt, wenn der dargelegte Zulassungsgrund in der Sache auf einen der gesetzlichen Tatbestände zielt (BVerwG, B.v. 2.10.2003 – 1 B 33/03 – NVwZ-RR 2004, 220). Das Oberverwaltungsgericht muss sich aber nicht aus einem Darlegungsgemenge das heraussuchen, was möglicherweise zur Begründung des Antrags geeignet sein könnte (BVerfG, B.v. 24.8.2010 – 1 BvR 2309/09 – BayVBl. 2011, 338).
Unter Anlegung dieser Maßstäbe ist ein Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 VwGO nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegt nicht vor. Die Zulassungsbegründung benennt keinen Zulassungsgrund ausdrücklich, macht aber sinngemäß ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung geltend. Solche sind anzunehmen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden können (vgl. etwa BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548). Der Kläger führt aus, das Verwaltungsgericht habe die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers aufgrund des Strafbefehls zu Unrecht bejaht. Hierin liegt in erster Linie eine Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens, ohne schlüssige Gegenargumente in Bezug auf die Ergebnisunrichtigkeit des erstinstanzlichen Urteils anzuführen. Unabhängig hiervon bestehen aber auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts.
a) Nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG fehlt es in der Regel an der erforderlichen Zuverlässigkeit im waffenrechtlichen Sinn unter anderem dann, wenn der Betroffene wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 60 Tagessätzen verurteilt worden ist. Zudem dürfen fünf Jahre seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung noch nicht verstrichen sein. Beide Voraussetzungen liegen hier unzweifelhaft vor; dies wird auch von der Zulassungsbegründung nicht infrage gestellt. Die Annahme der Regelvermutung entfällt nicht deshalb, weil der Kläger nicht durch Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung, sondern durch Strafbefehl verurteilt worden ist (BVerwG, B.v. 30.4.1992 -1 B 64.92). Der Strafbefehl steht einem rechtskräftigen Urteil gleich (§ 410 Abs. 3 StPO). Waffenrechtlich gelten insoweit keine Besonderheiten. Das Gesetz verlangt für die Regelvermutung keine bestimmte Art der Verurteilung. Es kommt daher nicht darauf an, ob eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, in der das Gericht einen persönlichen Eindruck von dem Betroffenen gewinnen konnte. Im Unterschied zur Auffassung des Klägers kommt es nicht darauf an, dass der Strafbefehl möglicherweise eine behauptete Absprache mit der Strafverfolgungsbehörde nicht berücksichtigt hat und von vorsätzlicher Begehung tatsächlich keine Rede sein könne. Das Bundesverwaltungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Anwendung des Regeltatbestandes des § 5 Abs. 2 WaffG keine Prüfung der Behörde dahingehend erfordert, ob der Betroffene die Straftat tatsächlich begangen hat. Die Behörde darf grundsätzlich von der Richtigkeit der Verurteilung ausgehen und sich auf die Prüfung beschränken, ob das die Verurteilung begründende Verhalten im Zusammenhang mit den sonstigen Umständen die Annahme der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit rechtfertigt oder die Regelvermutung aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise ausgeräumt ist (etwa BVerwG, B. v. 21.7.2008 – 3 B 12/08). Etwas anderes gilt allenfalls in Sonderfällen, etwa wenn für die Behörde ohne weiteres erkennbar ist, dass die Verurteilung auf einem Irrtum beruht, oder wenn sie ausnahmsweise in der Lage ist, den Vorfall besser als die Strafverfolgungsorgane aufzuklären (BVerwG, B. v. 21.7.2008 – 3 B 12/08). Für beide Sonderkonstellationen ist hier weder etwas ersichtlich noch substantiiert vorgetragen. Nachdem der Kläger den Strafbefehl akzeptiert hat, kann er sich in einem späteren Verfahren nicht auf die möglicherweise zu kursorische Würdigung seiner Straftat im Strafbefehlsverfahren berufen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Betroffene die offensichtliche Unrichtigkeit des Strafbefehls beweist (BayVGH, B.v. 16.3.1998 – 21 ZB 97.3337), woran es hier aber fehlt.
b) Es liegt auch kein Ausnahmefall vor, der es rechtfertigen würde, von der Regelvermutung abzuweichen. Ein solcher kommt dann in Betracht, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung des Betroffenen ausnahmsweise derart in einem milderen Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der für die waffenrechtliche Erlaubnis vorausgesetzten Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt sind. Erforderlich ist dabei eine Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem Verhalten zum Ausdruck kommt (BVerwG, B.v. 30.4.1992 -1 B 64.92). Insoweit ist es zunächst unerheblich, dass der Kläger wegen eines Steuervergehens verurteilt wurde. Ein spezifischer Zusammenhang des Unrechts der Tat zum Besitz von Waffen wird vom Gesetzgeber nicht gefordert. Im Übrigen lässt auch eine strafgerichtliche Verurteilung wegen eines Vermögensdelikts einen ausreichenden Rückschluss auf charakterliche Unzulänglichkeiten und damit weiter für die Unzuverlässigkeit im waffenrechtlichen Sinn zu (BVerwG, B.v. 30.4.1992 – 1 B 64/92).
Entgegen den Ausführungen der Zulassungsbegründung kommt es neben der Verwirklichung eines Regeltatbestandes betreffend die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit nicht darauf an, ob zusätzlich weitere nachteilige Umstände in Bezug auf den Betroffenen bekannt geworden sind. Umgekehrt können daher auch die behaupteten Tatsachen, dass der Kläger ein „unbescholtener Bürger und Gebirgsschütze“ sei, insoweit nicht zu seinen Gunsten gewertet werden.
c) Soweit schließlich darauf abgehoben wird, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht darauf abgestellt, dass auch dann, wenn die Verurteilung des Klägers auf einem Fehlverhalten einer Angestellten beruhe, von charakterlichen Mängeln und daraus folgend von einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit auszugehen sei, wird verkannt, dass diese Ausführungen (UA S. 12) nicht entscheidungstragend sind.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. mit den Empfehlungen in Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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