Verwaltungsrecht

Studiengang, Humanmedizin, Anordnungsanspruch, Studienplatz, Fachsemester, Anordnungsgrund, Zulassungszahl, Auswahlverfahren, Zulassung, Zulassungsverfahren, Medizin, Lehrangebot, Bewerber, Amtsermittlungspflicht, einstweilige Anordnung, einstweiligen Anordnung, Studiengang Humanmedizin

Aktenzeichen  M 3 E 20.18034

Datum:
7.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 41832
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
HZV
Formel II. der Anlage 8 zur HZV

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragspartei hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,– € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragspartei hat im vorliegenden Verfahren beim Verwaltungsgericht München beantragt,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie vorläufig zum 2. Fachsemester im Studiengang Medizin, 1. Studienabschnitt, im Sommersemester 2020 an der L …-M …-U … M … (LMU) zuzulassen.
Zur Begründung lässt sie vortragen, die LMU habe im Studiengang Medizin, 1. Studienabschnitt (Vorklinik) die vorhandene Kapazität nicht erschöpft.
Die LMU hat in § 1 ihrer Satzung über die Festsetzung von Zulassungszahlen für die im Studienjahr 2019/20 als Studienanfängerinnen und Studienanfänger sowie in höhere Fachsemester aufzunehmenden Bewerberinnen und Bewerber (Zulassungszahlsatzung 2019/20) vom 3. Juli 2019 in Verbindung mit der Anlage hierzu für den Studiengang Medizin, 1. Studienabschnitt, für die zulassungsbeschränkten Fachsemester 1 mit 4 für das Sommersemester 2020 insgesamt 1688 Studienplätze festgesetzt:
„ Fachsemester
1
2
3
4
Wintersemester 2019/20
878
0
844
0
Sommersemester 2020
0
861
0
827
Jährl. Aufnkapazität
878
861
844
827
Nach der Studierendenstatistik, Stand 17. Juni 2020, sind im Sommersemester 2020 im Studiengang Medizin, 1. Studienabschnitt, in den zulassungsbeschränkten Fachsemestern 1 mit 4 insgesamt 1757 Studierende immatrikuliert:
Fachsemester
1
2
3
4
immatrikuliert
15
901
17
824
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Es sei kein Zulassungsanspruch glaubhaft gemacht worden; die Kapazität im Studiengang Medizin, 1. Studienabschnitt, sei bereits ausgelastet bzw. sogar überbucht.
Die der Festsetzung der Zulassungszahl zu Grunde liegende Kapazitätsberechnung aufgrund der personellen Ausstattung geht von folgenden Werten aus (in Klammern die entsprechenden Werte des vorangegangenen Studienjahres):
Stellen: 122,52 (122,16)
Gesamtdeputat: 899,32 SWS (896,17)
Deputatsverminderung: 21 (21)
unbereinigtes Lehrangebot: 878,32 (875,17)
Lehrauftragsstunden / 2 : 0 (0,9)
Dienstleistgsexp: 0,7939 x 66 = 52,3974 (0,7939 x 66 = 52,3974)
bereinigtes Lehrangebot Sb: 825,9226 (823,6714)
CAp: 1,9381 (1,9381)
Schwundfaktor: 0,9708 (0,9764)
Das Gericht hat der Antragspartei die Stellungnahme der LMU vom 17.Juni 2020 mit Link zur Kapazitätsberechnung für den Studiengang Medizin 1. Studienabschnitt übersandt. Das Gericht gab der Antragspartei Gelegenheit Stellung zu nehmen und insbesondere darzulegen, weshalb noch ein freier Studienplatz, an dessen Verteilung die Antragspartei zu beteiligen wäre, vorhanden sein sollte. Die Antragspartei äußerte sich hierzu nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, insbesondere den vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst überprüften Datensatz für das Studienjahr 2019/20 Bezug genommen.
II.
Der gestellte Antrag nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO hat keinen Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Regelung nötig erscheint, um den Antragsteller vor bestimmten Nachteilen zu bewahren.
Der Antrag ist somit begründet, wenn insbesondere der prozessuale Anspruch auf Sicherung des Hauptsacheanspruchs besteht. Das ist der Fall, wenn der zu sichernde Anspruch des Antragstellers nach den Vorschriften des materiellen Rechts besteht (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO) gemacht wird. Trotzdem gilt auch in Verfahren nach § 123 VwGO der Amtsermittlungsgrundsatz; dieser kann die Anforderungen an die Glaubhaftmachung reduzieren, wenn sich nach den dem Gericht vorliegenden Unterlagen ein Anordnungsanspruch aufdrängt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage, Rn 24 zu § 123).
Für das Vorliegen eines Anordnungsgrunds ist grundsätzlich Voraussetzung, dass dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Personen, ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung nicht zumutbar ist (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., Rn 26 zu § 123 VwGO).
Hinsichtlich der Frage des Vorliegens eines Anordnungsanspruchs hat das Gericht die widerstreitenden privaten und öffentlichen Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen. Für diese Abwägung ist in erster Linie entscheidend, ob die Antragspartei mit einem Erfolg in einem Hauptsacheverfahren rechnen kann. Insbesondere dann, wenn mit einer – sei es auch nur befristeten – Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Hauptsache bereits vorweggenommen würde, muss der Erfolg in der Hauptsache jedoch nicht nur wahrscheinlich sein, sondern bejaht werden können.
Die Antragspartei hat zwar einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, d.h. die Dringlichkeit des Begehrens, bereits vor Abschluss eines Hauptsacheverfahrens wenigstens vorläufig zum nächstmöglichen Termin zum 2. Fachsemester des Studiengangs Medizin, 1. Studienabschnitt, an der LMU nach den Rechtsverhältnissen des Sommersemesters 2020 zugelassen zu werden.
Die Antragspartei hat jedoch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Kammer sieht es aufgrund der im gebotenen Rahmen vorgenommenen Überprüfung der Kapazitätsberechnung nicht als überwiegend wahrscheinlich an, dass an der LMU im Studiengang Humanmedizin, 1. Studienabschnitt, im Sommersemester 2020 über die Zahl der im zulassungsbeschränkten Studienabschnitt (Fachsemester 1 mit 4) immatrikulierten insgesamt 1757 Studierenden hinaus noch ein weiterer Studienplatz im 2. Fachsemester vorhanden ist, der von der Antragspartei in Anspruch genommen werden könnte.
Die Vergabe dieser Studienplätze ist als kapazitätsdeckend anzuerkennen. Dabei ist bei der Berechnung der Kapazität für einen zulassungsbeschränkten Studienabschnitt unerheblich, ob in der angegebenen Zahl der in diesem Studienabschnitt immatrikulierten Studierenden auch beurlaubte, sei es auch bereits für mehrere Semester beurlaubte, Studierende enthalten sind. Denn diese Studierenden entlasten das Lehrangebot der Universität nicht dauerhaft, weil sie nach dem Ende ihrer Beurlaubung dieses wieder in Anspruch nehmen werden (ständige Rechtsprechung, z.B. BayVGH, B.v. 21.4.2016 – 7 CE 15.10417 – juris Rn. 9).
Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 HZV erfolgt eine Zulassung für ein höheres Fachsemester, wenn die Zahl der in diesem Semester und gleichzeitig die Gesamtzahl der in dem betreffenden Studiengang eingeschriebenen Studierenden unter die hierfür festgesetzten Zulassungszahlen sinkt. Demzufolge findet gemäß § 3 Abs. 2 der Zulassungszahlsatzung der LMU in den zulassungsbeschränkten Studiengängen eine Zulassung für ein höheres Fachsemester auch bei Unterschreiten der für das jeweilige Fachsemester festgesetzten Zulassungszahl nicht statt, wenn die Gesamtzahl der den Fachsemestern mit Zulassungsbeschränkung zuzuordnenden Studierenden des betreffenden Studiengangs die Summe der für diesen Studiengang festgesetzten Zulassungszahlen erreicht oder überschreitet. Dies ist hier der Fall.
Im Studiengang Humanmedizin, 1. Studienabschnitt, besteht eine Zulassungsbeschränkung für das 1. bis einschließlich 4. Fachsemester. Die in diesem Studienabschnitt immatrikulierten 1757 Studierenden erschöpfen die festgesetzte, vom Gericht bei seiner von Amts wegen vorgenommenen Überprüfung bestätigte Kapazität von nicht mehr als insgesamt 1688 bzw. höchstens 1694 Studienplätzen in diesem Studienabschnitt vollständig; ein freier Studienplatz im 2. Fachsemester ist im Sommersemester 2020 daher nicht mehr vorhanden. Da der Antrag bereits aus diesem Grund keinen Erfolg hat, kann offen bleiben, ob die Antragspartei den Nachweis der Anrechnung für ein Fachsemester erbracht hat.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der sich das Gericht anschließt, ist für die Überprüfung der Zahl der immatrikulierten Studierenden die Vorlage von Belegungslisten nicht zu fordern; der Nachweiswert einer detaillierten (anonymisierten) „Belegungsliste“ wäre nicht höher einzuschätzen als die nicht weiter belegte Zahlenangabe (BayVGH, B. v. 7.12.2015 – 7 CE 15.10254 – juris – Rn 18 f). In der Zahl von 1757 immatrikulierten Studierenden sind nach Auskunft der LMU, an deren Richtigkeit das Gericht keine Zweifel hat, keine mehrfach im 1. Fachsemester beurlaubten Studierenden mehr enthalten. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sind nur diejenigen Beurlaubten außer Acht zu lassen, die bereits wiederholt dem 1. Fachsemester zugeordnet waren, da sie andernfalls über mehrere Semester hinweg die Aufnahmekapazität dieses 1. Fachsemesters schmälern würden. Da jedoch beurlaubte Studierende die Kapazität nicht dauerhaft entlasten, da ihnen ein Anspruch auf Wiederaufnahme des Studiums zusteht, ist es sachgerecht, sie sowohl beim Studierendenbestand des zulassungsbeschränkten Studienabschnitts insgesamt, wenn es um die Aufnahme in ein höheres Fachsemester geht, einzubeziehen, als auch ihre erstmalige Beurlaubung unberücksichtigt zu lassen.
Anhaltspunkte für eine unzulässige, rechtsmissbräuchliche Überbuchung bestehen nicht. Es ist zwar zu einer „Überbuchung im eigentlichen Sinn“ gekommen, also zur Immatrikulation von mehr Studierenden als der festgesetzten Zulassungszahl entsprachen, da mehr Studierende als erwartet von der ausgesprochenen Zulassung auch Gebrauch gemacht haben. Diese – in § 7 Abs. 2 HZV normativ geregelte – Möglichkeit der Überbuchung der festgesetzten Kapazität trägt dem Umstand Rechnung, dass nicht alle zugelassenen Bewerber ihren Studienplatz annehmen werden. Eine solche Überbuchung im eigentlichen Sinn ist daher als kapazitätsdeckend anzuerkennen, solange sie ausschließlich dem gesetzlichen Zweck dient, die Ausbildungskapazität der Hochschulen zeitnah auszuschöpfen (BayVGH, B. v. 17.4.2014 – 7 CE 14.10046 – juris Rn. 9 m.w.N.). Da im vorliegenden Fall keinerlei Anhaltspunkte für eine andere, rechtsmissbräuchliche Intention bei der vorgenommenen Überbuchung bestehen, ist diese anzuerkennen, ohne dass der jeweils zu Grunde gelegte Überbuchungsfaktor aufzuklären wäre. Selbst eine unrichtige Prognostizierung des voraussichtlichen Annahmeverhaltens würde nicht zur Rechtsmissbräuchlichkeit der vorgenommenen Überbuchung führen. Die Erfahrung der Universität aus früheren Zulassungsverfahren, dass das Annahmeverhalten im Auswahlverfahren der Hochschulen in der Regel schlechter ist als im Hauptverfahren der Stiftung für Hochschulzulassung, rechtfertigt daher auch die Anwendung eines geringfügig höheren Überbuchungsfaktors als den von Hochschulstart angewendeten.
Das Gericht hat im Rahmen seiner – auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bestehenden – Amtsermittlungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO) die der Festsetzung der Zulassungszahl zugrundeliegende Kapazitätsberechnung angefordert und der Antragspartei – nebst der von der LMU hierzu abgegebenen Stellungnahme – zugänglich gemacht. Einen konkreten Einwand gegen einzelne in die Kapazitätsberechnung eingestellte Werte hat die Antragspartei nicht erhoben; erst recht wurde nicht in rechnerisch nachvollziehbarer Weise vorgetragen, weshalb noch ein weiterer Studienplatz vorhanden sein sollte, an dessen Verteilung – nach den vom Gericht hierfür anzuwendenden Kriterien – die Antragspartei zu beteiligen wäre.
Das Gericht würde nur dann seine Aufklärungspflicht verletzen, wenn die Antrags- oder Klagepartei auf die Vornahme einer bestimmten Sachverhaltsaufklärung hingewirkt hätte, das Gericht sie aber gleichwohl unterlassen hätte, oder aber, wenn das Gericht eine weitere Sachaufklärung unterlassen hätte, obwohl sie sich ihm auch ohne Hinwirken der Partei hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, B.v. 6.3.2015 – 6 B 41/14 – juris Rn. 26). Hingegen gibt es keine fallübergreifende, allgemeingültige Antwort auf die Frage, welchen Vortrag das Verwaltungsgericht vom Studienplatzkläger erwarten darf, bis es in eine Amtsprüfung eintritt oder die Darlegungslast der Hochschule auferlegt; dies hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (BVerwG, B.v. 6.3.2015 – 6 B 41/14 – juris Rn. 30). Das bedeutet, dass das Gericht zu einer umfassenden, unabhängig von der konkreten Fallgestaltung und dem konkreten Vorbringen vorzunehmenden Überprüfung der der Festsetzung der Zulassungszahl zu Grunde liegenden Kapazitätsberechnung und ihrer Parameter auch unter dem Gesichtspunkt der Gewährung eines dem Art. 19 Abs. 4 GG genügenden Rechtsschutzes nicht verpflichtet ist. Hinsichtlich der inhaltlichen Nachprüfung von Kapazitätsberechnungen ist es vielmehr verfassungsrechtlich (nur) geboten, dass das Gericht auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes von seinem Erkenntnis- und Erfahrungsstand ausgehend die gegebenen Begründungen nachvollzieht, Streitpunkten entsprechend dem Stand der Rechtsprechung und öffentlichen Diskussion nachgeht sowie die Einwände der Prozessbeteiligten würdigt (BVerfG, B.v. 22.10.1991 – 1 BvR 393/85, 1 BvR 610/85 – BVerfGE 85, 36, Rn. 77). Das Gericht muss daher die Kapazitätsunterlagen anfordern, der Antragspartei zugänglich machen und konkreten Hinweisen der Antragspartei auf eine zu gering berechnete Kapazität nachgehen (vgl. BVerfG, B.v. 31.3.2004 – 1 BvR 356 – BayVBl 2005, 240 Rn. 6). Derartige Einwände hat die Antragspartei jedoch nicht erhoben.
Im vorliegenden Berechnungszeitraum hat sich die Ausbildungskapazität des streitgegenständlichen Studiengangs gegenüber dem vorangegangenen Berechnungszeitraum um sieben Studienplätze von 871 auf aktuell 878 Studienplätze erhöht. Diese Erhöhung beruht bei einer leicht erhöhten Anzahl von Stellen, die im Ergebnis bei gleich gebliebenen Deputatsverminderungen und gleichem Dienstleistungsexport wie im Vorjahr zu einem (unbereinigten) Lehrangebot (ohne Lehrauftragsstunden) von aktuell 878,32 SWS, das somit um über 3 SWS über dem entsprechenden Lehrangebot des Vorjahres (875,17) liegt, geführt hat, hauptsächlich auf einem höheren Schwundausgleichsfaktor (bei dem Schwundausgleichsfaktor des Vorjahres ergäben sich 873 Studienplätze) bei einem völligen Wegfall von Lehrauftragsstunden. Das Gericht hat keinen Anlass zu weiterer Sachaufklärung der Deputatsverminderungen, da jedenfalls zu Verminderungen in Höhe von 21 LVS bereits bei der Überprüfung der Kapazitätsberechnung der vorangegangenen Studienjahre festgestellt worden war, dass diese Verminderungen durch anderweitige Maßnahmen der Stellenplanung kompensiert waren und sich daher nicht kapazitätsmindernd auswirkten (zu den kompensierten Deputatsverminderungen in Höhe von 17 LVS vgl. VG München, B.v. 14.3.2016 – M 3 EL 15.10054 – juris).
Auch die Frage der weiteren Reduzierung der Lehrauftragsstunden gegenüber dem Vorjahr auf null kann dahingestellt bleiben, da sich selbst die Berücksichtigung der vorvorjährigen Lehrauftragsstundenzahl / 2 von 3,05 nicht entscheidungserheblich auswirken würde (s. unten).
Auch eine etwa bestehende Unklarheit hinsichtlich der Höhe des in die Kapazitätsberechnung einzustellenden Curriculareigenanteils der Lehreinheit Vorklinik führt nicht zum Erfolg des Antrags.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der sich das erkennende Gericht anschließt, entscheiden die Hochschulen im Rahmen des ihnen zustehenden Organisationsermessens eigenverantwortlich, welche Lehreinheiten in welchem Umfang an der Ausbildung der Studierenden im jeweiligen Studiengang zu beteiligen sind; die Aufteilung des Curricularnormwertes (CNW) auf die an der Ausbildung der Studierenden beteiligten Lehreinheiten ist vom Studienbewerber hinzunehmen und vom Gericht nicht zu beanstanden, solange der Curricularnormwert für einen Studiengang in der Summe nicht überschritten wird (BayVGH, B.v.14.6.2012 – 7 CE 12.10004 – juris Rn. 11).
Die Höhe des Curriculareigenanteils der Lehreinheit Vorklinik war in den Berechnungen zu vorangegangenen Studienjahren umstritten. Der Antragsgegner hat in der streitgegenständlichen Kapazitätsberechnung einen CAp von 1,9381 zugrunde gelegt. Im Beschluss vom 4. April 2019 – 7 CE 18.10072 u.a. – juris – hat sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit dem dortigen Vorbringen der Antragspartei auseinandergesetzt und festgestellt, dass der vom Antragsgegner errechnete Curriculareigenanteil der Lehreinheit „Vorklinische Medizin“ in Höhe von 1,9381 nicht als überhöht zu beanstanden ist, weil er – in der Summe mit den Curricularanteilen der übrigen am Lehrangebot beteiligten Lehreinheiten – den für den Studiengang Humanmedizin (Vorklinik) maßgebenden Curricularnormwert (2,42) nicht übersteigt (vgl. BayVGH, B.v. 28.9.2017 – 7 CE 17.10112 – juris Rn. 18 ff.; B.v. 28.8.2017 – 7 CE 17.10112 u.a. – juris Rn. 17; B.v. 26.8.2014 – 7 CE 14.0084 u.a. – juris Rn. 12 ff.). Insoweit hat der VGH im Beschluss vom 4. April 2019, a.a.O., Rn. 22 ausgeführt: „Vorliegend hat sich die LMU an die genannten Vorgaben“ (aus § 48 HZV bzw. § 50 HZV a.F.) „gehalten. Wie sich aus dem im Rahmen des Beschwerdeverfahrens mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2018 übersandten quantifizierten Studienplan ergibt, der anlässlich der Dritten Satzung zur Änderung der Prüfungs- und Studienordnung für den Studiengang Medizin vom 20. September 2017 erstellt wurde, ist der nach der Anlage 7 zu § 50 Abs. 1 Satz 2 HZV“ (jetzt: Anlage 10 zu § 48 Abs. 1 Satz 2 HZV n.F.) „auf 2,42 festgelegte Curricularnormwert für den Studiengang Humanmedizin (Vorklinik) auf die an der Ausbildung beteiligten Lehreinheiten aufgeteilt und in der Summe nicht überschritten worden. Die beteiligten Lehreinheiten sind Folgende: Naturwissenschaften mit einem Curricularanteil von 0,19052, Medizin Vorklinik incl. Anteil Wahlfach mit einem Curricularanteil von 1,9381, TU München mit einem Curricularanteil von 0,04138, klinisch-praktische Medizin mit einem Curricularanteil von 0,19477 und klinisch-theoretische Medizin mit einem Curricularanteil von 0,05126.“ RN. 29: „Anlass für die von den Antragstellern vorgetragene „Stauchung“, d.h. eine wegen Überschreitung des Curricularnormwerts vorzunehmende proportionale Kürzung (auch) des Curriculareigenanteils, besteht nicht. Im Rahmen des geltenden Curricularnormwerts ist der Antragsgegner in der Gestaltung von Lehre und Studium frei. Er entscheidet eigenverantwortlich und im Rahmen des ihm zustehenden Organisationsermessens, welche Lehreinheiten in welchem Umfang an der Ausbildung der Studenten im jeweiligen Studiengang beteiligt sind (stRspr d. Senats, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 28.9.2017 – 7 CE 17.10112 – juris Rn. 20). Der vom Antragsgegner unter Berücksichtigung der Eigen- und Fremdanteile errechnete Wert von 2,41605 entspricht (nahezu) dem geltenden Curricularnormwert von 2,42, so dass eine Rückführung nicht erforderlich ist.“
Die Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazität des Studiengangs Humanmedizin, 1. Studienabschnitt aufgrund der personellen Ausstattung mit 878 Studienplätzen ist nach der Formel II. der Anlage 8 zur HZV zutreffend erfolgt:
Ap = (2 x Sb)/CA x zp;
Ap = 825,9226 x 2  1651,8452
: CAp (= 1,9381)  852,3013
: SF (= 0,9708)  877,9371
gerundet 878 Studienplätze.
Vergleichsberechnung mit der Anzahl der Lehrauftragsstunden aus dem Berechnungszeitraum 2017/18 Sb = (825,9226 + 3,05) 828,9726 x 2 = 1657,9452
: CAp (= 1, 9381)  855,4487
: SF (= 0,9708)  881,1792
gerundet 881 Studienplätze.
Bei einer konstanten Übergangsquote von 0,9803, gegen die keine Einwände erhoben wurden, ergeben sich für den zulassungsbeschränkten Studienabschnitt folgende Zulassungszahlen, wobei das Gericht von der nicht abgerundeten Aufnahmekapazität von 877,9371 Studienplätzen bzw. vergleichsweise 881,1792 Studienplätzen für das 1. Fachsemester, von jeweils auf 4 Dezimalstellen gerundeten Werten bei der Berechnung der Kapazität der höheren Fachsemester ausgeht:
Fachsemester
1
2
3
4
Summe
Jährl. Aufnahmekap. Wintersemester 2019/2020
877,9371
0
843,6871
0
gerundet
878
844
Sommersemester 2020
0
860,6417
0
827,0665
gerundet
861
827
1688
Fachsemester
1
2
3
4
Summe
Jährl. Aufnahmekap.
Wintersemester 2019/2020
881,1792
0
846,8027
0
gerundet
881
847
Sommersemester 2020
0
863,8200
0
830,1207
gerundet
864
830
1694
Mit den im zulassungsbeschränkten Studienabschnitt bereits zugelassenen 1757 Studierenden ist dieser Abschnitt auch im Fall der vergleichsweise errechneten, höheren Ausgangskapazität bereits überbucht. Aus diesem Grund hat auch ein etwa hilfsweise gestellter Antrag auf Zulassung zu einem niedrigeren Fachsemester keinen Erfolg; abgesehen davon kann ab einem bereits erreichten Studienfortschritt nur eine Zulassung zu dem nächsthöheren Fachsemester beantragt werden (vgl. § 33 Abs. 2 Nr. 1 HZV), damit dieselbe Ausbildungskapazität nicht mehrmals von demselben Studierenden in Anspruch genommen wird.
Da im gesamten zulassungsbeschränkten Studienabschnitt im Studiengang Humanmedizin, 1. Studienabschnitt im Sommersemester 2020 kein freier Studienplatz außerhalb der festgesetzten Kapazität mehr zur Verfügung steht, war der Antrag auf Zulassung zum 2. Fachsemester abzulehnen.
Ob die Antragspartei des vorliegenden Verfahrens – sei es im Hauptantrag, sei es im Hilfsantrag – neben der vorläufigen Zulassung außerhalb der festgesetzten Kapazität auch die vorläufige Zulassung innerhalb der festgesetzten Kapazität beantragt hat, wirkt sich nicht entscheidungserheblich aus, da die für den zulassungsbeschränkten Studienabschnitt festgesetzte Kapazität (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 1 HZV) bereits im regulären Vergabeverfahren erschöpft wurde. Es kann daher offen bleiben, ob sie überhaupt die innerkapazitäre Zulassung beantragt hatte und ob einer Entscheidung im Rahmen des vorliegenden Verfahrens die Bestandskraft dieses Bescheids entgegenstünde.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO;
Streitwert: §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG, wobei eine etwa ergänzend beantragte auch innerkapazitäre Zulassung nach der ständigen Spruchpraxis des erkennenden Gerichts den Streitwert unverändert lässt, da es sich wirtschaftlich gesehen um ein- und denselben Streitgegenstand, nämlich die vorläufige Zulassung zum Studium der Medizin im Sommersemester 2020, handelt.


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