Verwaltungsrecht

subsidiärer Schutz (verneint)

Aktenzeichen  Au 9 K 20.30471

Datum:
23.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 19406
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 108 Abs.1,  § 113 Abs. 5 S. 1
AsylG § 3,  § 4, § 3c Nr. 3
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
Über den Rechtsstreit konnte trotz Ausbleibens der Beklagten aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. Juli 2020 entschieden werden. In der frist- und formgerechten Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens eines Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann, § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtordnung (VwGO). Die Beklagte ist zur mündlichen Verhandlung vom 3. Februar 2020 form- und fristgerecht geladen worden.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klägerin hat im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. auf die Gewährung subsidiären Schutzes. Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf die geltend gemachte Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots auf der Grundlage des § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu. Auch insoweit bleibt die Klage ohne Erfolg (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 29. Juni 2018 ist daher rechtmäßig. Es wird zunächst in vollem Umfang auf die Gründe des angefochtenen Bescheides (§ 77 Abs. 2 AsylG) Bezug genommen. Darüber hinaus wird das Folgende ausgeführt:
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach §§ 3 ff. AsylG.
a) Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
Die Tatsache, dass der Ausländer bereits verfolgt oder von Verfolgung unmittelbar bedroht war, ist dabei ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, wenn nicht stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass er neuerlich von derartiger Verfolgung bedroht ist. Hat der Asylbewerber seine Heimat jedoch unverfolgt verlassen, kann sein Asylantrag nur Erfolg haben, wenn ihm auf Grund von Nachfluchttatbeständen eine Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Dabei ist es Sache des Ausländers, die Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Dabei genügt für diesen Tatsachenvortrag auf Grund der typischerweise schwierigen Beweislage in der Regel eine Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist allerdings ein detaillierter und in sich schlüssiger Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.
Wer bereits Verfolgung erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei der Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (kausal-) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus (vgl. BVerfG, B.v. 12.2.2008 – 2 BvR 2141/06 – juris Rn. 20; VG Köln, U.v. 26.2.2014 – 23 K 5187/11.A – juris Rn. 26).
b) Gemessen an diesen Maßstäben konnte die Klägerin keine eigene individuelle Verfolgung glaubhaft machen. Es ist bereits nicht erkennbar, dass die von ihr geschilderten Vorfälle – deren Wahrheit unterstellt – an ein flüchtlingsrechtlich relevantes Verfolgungsmerkmal anknüpfen. Die Klägerin trug vor, sie sei aufgefordert worden, einem geheimen Kult beizutreten. Weil sie sich geweigert habe, sie ihr gedroht worden, dass sie umgebracht werde. Soweit in diesem Vorbringen überhaupt eine Verfolgungshandlung gesehen werden kann, knüpft diese nicht an einen in § 3 Abs. 1, § 3b AsylG genannten Verfolgungsgrund (Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe) an.
c) Darüber hinaus ist die von der Klägerin vorgetragene Fluchtgeschichte nicht glaubhaft. Nach Auswertung ihrer Angaben gegenüber dem Bundesamt und ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung schließt sich das Gericht der Einschätzung des Bundesamts an, dass es sich bei den von der Klägerin vorgetragenen Gründen um einen asyltaktisch konstruierten Sachvortrag handelt. Das Gericht ist daher unter Würdigung aller Angaben und Aussagen der Klägerin im Rahmen der Beweiswürdigung (§ 108 VwGO) davon überzeugt, dass sie ihr Heimatland nicht aufgrund einer ausweglosen, flüchtlingsrelevanten Situation verlassen hat. Ihr Vortrag blieb völlig vage und enthält keine Einzelheiten. Auch lassen sich ihren Angaben keine reale Verfolgungshandlung entnehmen. Hinweise auf Menschenhandel bestehen ebenfalls nicht. Die Klägerin hat nach eigenen Angaben ihre Ausreise selbst organisiert und finanziert und ist gemeinsam mit einer Freundin gereist. Auch bezüglich der Vorfälle in L. wurden keine Ereignisse geschildert, die in diese Richtung deuten würden. Der Stellungnahme einer Beratungsstelle für Opfer von Menschenhandel und drohender Zwangsheirat vom 20. September 2017 können solche ebenfalls nicht entnommen werden. Hierin wird der Schluss auf das Erleben schrecklicher Handlungen lediglich daraus gezogen, dass die Klägerin auf Nachfrage keine näheren Angaben machte.
Zweifel an den Angaben der Klägerin ergeben sich schließlich auch daraus, dass sie im Rahmen des Asylverfahrens ihrer Tochter aus asyltaktischen Gründen wahrheitswidrig angegeben hat, selbst beschnitten sein. Dies wurde durch ein frauenärztliches Attest jedoch widerlegt. Das Gericht ist davon überzeugt, dass letztlich die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse die Klägerin zu ihrer Flucht aus dem Heimatland veranlasst haben.
3. Die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG kommt ebenfalls nicht in Betracht, da die Klägerin keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihr in ihrem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden im Sinn von § 4 Abs. 1 AsylG droht. Die Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) scheidet von vornherein aus. Auch eine Gefahr der Folter oder unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) scheidet aus, da der Fluchtvortrag und die angebliche Gefährdungslage der Klägerin, wie bereits ausgeführt, nicht glaubhaft ist.
Ein landesweiter innerstaatlicher Konflikt (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG) ist für N. nicht feststellbar. Eventuell im Norden des Landes stattfindende Anschläge und Überfälle der Terrormiliz „B. H.“ sind nicht als bewaffneter innerstaatlicher Konflikt zu werten (vgl. VG Augsburg, U.v. 13.5.2016 – Au 7 K 16.30094 – juris Rn. 68; U.v. 8.5.2015 – Au 7 K 14.30546 – juris Rn. 60). Überdies ist an dieser Stelle darauf zu verweisen, dass die Klägerinnen selbst aus dem Süden des Landes stammen und dort vor ihrer Ausreise gelebt haben.
4. Auch (zielstaatsbezogene) Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Wegen der Begründung im Einzelnen folgt das Gericht auch insoweit den Ausführungen im angefochtenen Bescheid und sieht deshalb von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend wird ausgeführt:
a) Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, wenn sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Der Verweis auf Abschiebungsverbote, die sich aus der Anwendung der EMRK ergeben, umfasst auch das Verbot der Abschiebung in einen Zielstaat, in dem Ausländer unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne von Art. 3 EMRK droht. Bei § 60 Abs. 5 AufenthG sind alle Verbürgungen der EMRK in den Blick zu nehmen, aus denen sich ein Abschiebungsverbot ergeben kann, der Verweis auf die EMRK umfasst dabei (lediglich) Abschiebungshindernisse, die im Zielstaat der Abschiebung drohen (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 35, 36).
Das Gericht ist sich der schlechten wirtschaftlichen Situation in N. – hier leben immer noch ca. 70% der Bevölkerung am Existenzminimum und sind von informellem Handel und Subsistenzwirtschaft abhängig (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik N. – Lagebericht – vom 10. Dezember 2018, Stand Oktober 2018 Nr. I.2.) – ebenso wie die Situation hinsichtlich der verschiedenen gewalttätigen Auseinandersetzungen und Übergriffe, z.T. auch durch die Sicherheitskräfte, (Auswärtiges Amt – Lagebericht – a.a.O., Nr. I.3) und den damit zusammenhängenden Gefahren bewusst. Jedoch führen diese Umstände grundsätzlich nicht zu einer individuellen, gerade den Klägerinnen drohenden Gefahr, sondern sind unter die allgemeinen Gefahren zu subsumieren, denen die Bevölkerung oder relevante Bevölkerungsgruppe allgemein ausgesetzt ist und die gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG durch Anordnungen gemäß § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen sind.
Der Umstand, dass im Falle einer Aufenthaltsbeendigung die Lage eines Betroffenen erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen; anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen, wie zum Beispiel im Falle einer tödlichen Erkrankung in fortgeschrittenen Stadium, wenn im Zielstaat keine Unterstützung besteht (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – BVerwGE 146, 12-31, juris Rn. 23 ff. m.w.N.). Im Hinblick auf die Bewertung eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK gelten dabei bei der Beurteilung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG die gleichen Voraussetzungen wie bei der Frage der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG wegen unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – a.a.O. – Rn. 22, 36). Unterschiede ergeben sich insoweit nur dadurch, dass im Rahmen der Gewährung subsidiären Schutzes die Gefahr von einem Verfolgungsakteur im Sinn von § § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3c AsylG ausgehen muss.
Von der schlechten wirtschaftlichen Situation ist zwar im besonderen Maße die Gruppe der alleinstehenden Frauen und Mütter betroffen, da nach der derzeitigen Erkenntnislage die Situation für diese Gruppe besonders schwierig ist. Das Gericht ist jedoch davon überzeugt, dass die Klägerin aufgrund ihres sozialen Netzwerks in der Lage sein wird, den Lebensunterhalt zu sichern. Das Verwaltungsgericht Augsburg ist bereits in seinem Urteil vom 11. März 2019 bezüglich der Tochter der Klägerin (Az. Au 7 K 18.31212) zu dem Ergebnis gekommen, dass keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass es der Klägerin in ihrem Heimatland nicht gelingen sollte, ein Existenzminimum für sich und ihre Tochter zu erwirtschaften. Die Klägerin hat bereits in ihrem Herkunftsland ihren Lebensunterhalt selbst finanziert. Auch hat sie weiterhin Kontakt zu ihrer Familie. Weiterhin hat sie nach eigenen Angaben einen Lebensgefährten, der ebenfalls die nigerianische Staatsangehörigkeit besitzt und von dem sie ein weiteres Kind erwartet. Es ist daher davon auszugehen, dass dieser sie unterstützen kann und wird. Die Klägerin kann darüber hinaus spezifische Hilfsorganisationen für Frauen in Anspruch nehmen. Diese sind in N. insbesondere in den größeren Städten zahlreich vertreten. Auf die ins Verfahren eingeführte Aufstellung im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich – BFA – N. – Gesamtaktualisierung vom 12.4.2019, Nr. 18.2, S. 41) wird verwiesen. Der Klägerin ist zuzumuten und von ihr ist zu verlangen, dass sie durch Eigeninitiative für eine Betreuung der Kinder sorgt, zumal in N. das Prinzip der wechselseitigen Solidarität gilt und Unterstützung nicht auf die familiären Beziehungen beschränkt ist. Unter Berücksichtigung des in Af. herrschenden Prinzips der wechselseitigen Solidarität, nach dem der Einzelne auf die Unterstützung der Gemeinschaft zurückgreifen kann, wird der Klägerin eine Erwerbstätigkeit möglich sein. Die Betreuungsbedürftigkeit ihrer Tochter steht dem nicht entgegen. Es entspricht der Lebenswirklichkeit in Af. bzw. N., dass die Frauen trotz Kinderreichtum und der Betreuung von Kindern zur Sicherung des Lebensunterhalts der Familie beitragen. Die Lebenswirklichkeit afrikanischer Frauen ist mit der Arbeits- und Betreuungssituation von Frauen und Familien in D. nicht vergleichbar. Allgemein kann festgestellt werden, dass auch eine nach N. zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird (vgl. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA – N., Gesamtaktualisierung vom 12.4.2019, Nr. 20, S. 50). Dies gilt auch im Fall der Klägerin.
b) Auch ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kommt nicht in Betracht. Der Gesetzgeber hat in der seit dem 17. März 2016 geltenden Fassung des § 60 Abs. 7 Satz 2 bis 4 AufenthG klargestellt, dass eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vorliegt (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Es wird im Falle einer Erkrankung nicht vorausgesetzt, dass die medizinische Versorgung im Herkunftsland mit der Versorgung in Deutschland gleichwertig ist; eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel zudem vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats erlangt werden kann (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 3 und 4 AufenthG). Anhaltspunkte für ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind nicht erkennbar.
Dies gilt auch unter Berücksichtigung der sich in Af. ausbreitenden Corona-Pandemie. Auch dieser Umstand ist nicht geeignet, zur Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu führen. Insoweit ist die Vorschrift des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG zu beachten. Danach sind Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, nur bei einer Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Eine derartige allgemeine Entscheidung hinsichtlich des Zielstaats N. i.S.d. § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG liegt derzeit nicht vor. Eine persönliche Betroffenheit von der Krankheit selbst hat die Klägerin nicht aufgezeigt. Im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sind überdies in N. lediglich 7801 Corona-Fälle bestätigt, wovon 5677 Personen genesen sind und es lediglich zu 805 Todesfällen gekommen ist (Quelle: COVID-19 pandemic data, Wikipedia, Stand: 22.7.2020). Demnach handelt es sich um eine lediglich abstrakte Gefährdung, der im Rahmen des § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu begegnen ist. Die Pandemie ist daher nicht geeignet, ein Abschiebungsverbot auf der Grundlage des § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu begründen.
5. Die auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG gestützte Abschiebungsandrohung ist damit ebenfalls rechtmäßig, da die Voraussetzungen dieser Bestimmungen vorliegen. Die Ausreisefrist ergibt sich aus § 38 Abs. 1 Satz 1 AsylG. Hinweise auf eine Fehlerhaftigkeit der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG bestehen nicht.
6. Die Klage war mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83 b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.


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