Aktenzeichen 6 C 21.2701
ZPO § 114
GG Art. 3
Leitsatz
Verfahrensgang
M 31 K 21.3600 2021-10-13 Bes VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 13. Oktober 2021 – M 31 K 21.3600 – wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig (§ 146 Abs. 1, § 147, § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO), aber unbegründet.
Die Klägerin begehrt Prozesskostenhilfe für ihre Klage vom 8. Juli 2021 gegen den Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 11. Juni 2021, mit dem ihr Antrag vom 30. März 2021 – eingegangen beim Beklagten am 12. April 2021 – auf Gewährung eines fiktiven Unternehmerlohns nach dem Soloselbständigenprogramm für Künstlerinnen und Künstler für die Monate Mai und Juni 2021 abgelehnt worden war.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 13. Oktober 2021 zu Recht abgelehnt, da die Rechtsverfolgung der Klägerin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO). Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen im Beschluss des Verwaltungsgerichts verwiesen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
1. Die Beschwerdebegründung rechtfertigt keine Abänderung dieser Entscheidung. Darauf, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Antrags auf Bewilligung von Leistungen nach dem Soloselbständigenprogramm für die streitgegenständlichen Monate Mai und Juni 2021 (noch) keine Grundsicherung zur Sicherung des Lebensunterhalts beantragt hatte, kommt es, wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, nicht an.
Die in Streit stehenden Zuwendungen gewährt der Beklagte als Billigkeitsleistung ohne Rechtsanspruch im Rahmen verfügbarer Haushaltsmittel nach Maßgabe des Art. 53 BayHO auf der Grundlage der Richtlinien für die Gewährung eines fiktiven Unternehmerlohns zur Sicherung des Lebensunterhalts der von der Corona-Virus-Pandemie (SARS-CoV-2) betroffenen soloselbstständigen Künstlerinnen und Künstler sowie Angehörigen kulturnaher Berufe (Soloselbstständigenprogramm für Künstlerinnen und Künstler) des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst vom 11. März 2021 (in der Folge: Förderrichtlinien). Es handelt sich insoweit um eine freiwillige staatliche Maßnahme. Eine Rechtsnorm, die einen konkreten Anspruch begründet, existiert nicht. Ein Rechtsanspruch kann sich nur ausnahmsweise aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis auf Basis der einschlägigen Richtlinien ergeben.
Die Richtlinien begründen als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften nicht wie Gesetze und Rechtsverordnungen unmittelbar Rechte und Pflichten, sondern entfalten erst durch ihre Anwendung Außenwirkung. Sind die Fördervoraussetzungen – wie hier – zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, so müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), im Einklang mit Art. 23 und 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den selbst gegebenen Richtlinien zum Ausdruck kommt. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder ggf. ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. Entscheidend ist daher allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht – wie Gesetze oder Rechtsverordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (BVerwG, U.v. 16.6.2015 – 10 C 15.14 – juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 17.11.2010 – 4 ZB 10.1689 – juris Rn. 19; BayVGH. B.v. 27.7.2009 – 4 ZB 07.1132 – juris Rn. 13). Ein Anspruch auf die Förderung besteht im Einzelfall über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und den Gleichheitssatz dann, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis des Beklagten auch positiv verbeschieden werden (BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 26).
Da Richtlinien keine Rechtsnormen sind, unterliegen sie auch grundsätzlich keiner richterlichen Interpretation. Eine Überprüfung hat sich darauf zu beschränken, ob aufgrund der einschlägigen Förderrichtlinien überhaupt eine Verteilung öffentlicher Mittel vorgenommen werden kann (Vorbehalt des Gesetzes) und bejahendenfalls, ob bei Anwendung der Richtlinien in Einzelfällen, in denen die begehrte Leistung versagt worden ist, der Gleichheitssatz (Art. 3 GG) verletzt oder der Rahmen, der durch die gesetzliche Zweckbestimmung gezogen ist, nicht beachtet worden ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.1979 – 3 C 111/79 – juris).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben sind keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass der Beklagte die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Förderung nach dem Soloselbständigenprogramm unter Verstoß gegen den Gleichheitssatz verneint und die Klägerin einen Anspruch auf die begehrten Zuwendungen für die Monate Mai und Juni 2021 haben könnte. Mit E-Mail vom 25. Mai 2021 hat die Klägerin ergänzend zu ihrem Online-Antrag (in Befolgung ihrer entsprechenden Verpflichtung) mitgeteilt, sie habe aufgrund der Tatsache, dass ihr Antrag auf Bewilligung von Mitteln aus dem Solokünstlerprogramm vom 12. April 2021 noch nicht bearbeitet worden sei, nun auch für die Monate Mai und Juni 2021 Grundsicherung beantragt. Wie der Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, entspricht es seiner ständigen Verwaltungspraxis, Anträge in vergleichbaren Fällen, in denen im maßgeblichen Bewilligungszeitraum Grundsicherung beantragt oder bezogen wurde, entsprechend dem Wortlaut der Förderrichtlinie (Nr. 2 Satz 9) abzulehnen, wobei maßgeblich auf die Umstände im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung und nicht – wie die Klägerin es für richtig hält – auf den Zeitpunkt der Antragstellung abgestellt wird.
Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte durch seine Handhabung der Förderrichtlinien das Willkürverbot verletzen würde, zeigt die Beschwerde nicht auf.
Art. 3 Abs. 1 GG gebietet eine gleichmäßige Verwaltungspraxis. Dazu gehört das Verbot einer nicht durch sachliche Unterschiede gerechtfertigten Differenzierung zwischen verschiedenen Sachverhalten bei der Förderung (BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 32). Dabei steht es dem Richtliniengeber frei, sich für eine bestimmte Verwaltungspraxis zu entscheiden und diese zu handhaben. Die Willkürgrenze wird selbst dann nicht überschritten, wenn es auch für eine alternative Förderpraxis gute oder gegebenenfalls sogar bessere Gründe gäbe. Eine Verletzung des Willkürverbots liegt mithin nur dann vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich daher der Schluss aufdrängen würde, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhten (vgl. z.B. VG München, U.v. 17.2.2021 – M 31 K 20.5587 – juris Rn. 33 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, es liege keine Verletzung des Willkürverbots vor, wenn der Beklagte auf die Erkenntnisse im Zeitpunkt der Behördenentscheidung und nicht der Antragstellung abstellt, hat die Klägerin mit ihrer Beschwerde nicht substantiiert angegriffen. Ihre wiederholte Rüge, die lange Bearbeitungsdauer bei der Bewilligungsbehörde könne nicht zu ihren Lasten gehen, nachdem sie „die richtige Reihenfolge der Beantragungen (erst Solo, dann erst Hartz 4) eingehalten“ habe, mag aus ihrer Sicht nachvollziehbar sein; die Klägerin verkennt aber dabei, dass maßgeblich für die Bewertung der Fördervoraussetzungen gerade nicht der Zeitpunkt der Antragstellung bzw. die Reihenfolge der Beantragung (und auch nicht der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts) ist. Dem materiellen Recht folgend, das hier vor allem durch die Förderrichtlinien und deren Anwendung durch den Beklagten in ständiger Praxis vorgegeben wird, ist vielmehr auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Förderbehörde abzustellen (zum materiellen Recht als Ausgangspunkt der Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts: Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 55 m.w.N.). Die von der Klägerin insoweit gerügte (zu) lange Bearbeitungsdauer des am 12. April 2021 eingereichten Förderantrags kann danach nicht dazu führen, dass ausnahmsweise statt des Zeitpunkts der Behördenentscheidung ein früherer Zeitpunkt maßgebend wäre. Selbst eine verzögerte Bearbeitung von Anträgen hat keinen Einfluss auf den materiell-rechtlich vorgegebenen Beurteilungszeitpunkt (vgl. BayVGH, B.v. 18.5.2020 – 6 ZB 20.438 – juris Rn. 16 m.w.N.).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als das Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz ist das Beschwerdeverfahren in Prozesskostenhilfesachen kostenpflichtig. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).