Verwaltungsrecht

Teilweise erfolgreiche Klage gegen Abschussplan für Rotwild

Aktenzeichen  M 7 K 15.3412

Datum:
10.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BJagdG BJagdG § 21
BayJG BayJG Art. 32
VoGEV VoGEV § 1

 

Leitsatz

Tenor

I.
Der Bescheid des Landratsamts Garmisch-Partenkirchen vom 21.7.2015, Az. …, betreffend die Festsetzung des Abschussplanes für Rotwild für das Eigenjagdrevier … für das Jagdjahr 2015/2016 wird aufgehoben, soweit er von dem vom Kläger eingereichten Abschussplan für Rotwild vom ….2.2015 abweicht. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Der Bescheid des Beklagten vom 21. Juli 2015 war in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben, da er insoweit rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 VwGO). Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
Der Kläger hatte im Hauptantrag die Aufhebung des Bescheids und im Hilfsantrag dessen Teilaufhebung insoweit beantragt, als damit eine von dem Abschussplanvorschlag abweichende Festsetzung erfolgt. Er kann kein berechtigtes Interesse an der Vollaufhebung des Bescheids geltend machen, da er damit auch die im Bescheid enthaltene Anordnung in Höhe von 32 Stück Rotwild angreift, die seinem Abschussplanvorschlag entspricht.
Mit Schreiben vom …. Februar 2015 hatte der Kläger seinen Abschussplanvorschlag für Rotwild eingereicht und darin eine Stückzahl von 32 Tieren angegeben. Die Behörde ist dem Vorschlag nicht gefolgt, sondern hat den Abschussplan auf 45 Stück festgesetzt. Die Festsetzung basiert auf § 21 Absatz 2 BJagdG i. V. m. Art. 32 Absatz 1 Satz 1 BayJG und § 15 Absatz 1 Sätze 1 und 2 AVBayJG. Nach § 15 Absatz 1 Satz 1 AVBayJG ist der vom Kläger vorgelegte Abschussplan vom Beklagten zu bestätigen, wenn er den Vorgaben des § 21 Absatz 1 BJagdG und des Art. 32 Absatz 1 Satz 2 BayJG entspricht und im Einvernehmen mit dem Jagdvorstand oder dem Inhaber des Eigenjagdreviers aufgestellt worden ist. In allen anderen Fällen ist der eingereichte Abschussplan, wie vorliegend geschehen, festzusetzen (§ 15 Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 1 AVBayJG).
Das Gericht geht davon aus, dass die Klage eines jagdausübungsberechtigten Revierinhabers gegen einen bestätigten Abschussplan unzulässig ist (vgl. auch Frank/Käsewieter, Das Jagdrecht in Bayern, BayJG, Kommentar, S. 249, wonach gegen die Festsetzung eines Abschussplans der jagdausübungsberechtigte Revierinhaber vorgehen kann, im Unterschied zu einem einzelnen Jagdgenossen, der gegen die Festsetzung bzw. Bestätigung vorgehen kann). Denn mit einer solchen Klage wird eine antragsgemäße Entscheidung angegriffen. Eine Verletzung in eigenen Rechten ist damit zum einen offensichtlich nicht möglich, zum anderen liegt darin ein widersprüchliches Verhalten (vgl. BVerwG, U.v. 10.7.2001 – 1 C 35/00 – juris Rn. 15 m. w. N.; BayVGH, B.v. 25.1.1993 – 20 CS 92.3111 – juris Rn. 20, 23; Ehlers in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 29. EL Oktober 2015, vor 40 Rn. 99; Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, vor 40-53 Rn. 22). Der jagdausübungsberechtigte Revier-inhaber, der sich mit einer Anfechtungsklage gegen eine aus seiner Sicht zu hohe Festsetzung wendet, kann nur insoweit dagegen vorgehen, als die Festsetzung seinen Abschussplanvorschlag übersteigt. In den von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen wird – soweit ersichtlich – mit der Anfechtungsklage bzw. der Fortsetzungsfeststellungsklage lediglich die vom eigenen Vorschlag abweichende höhere Festsetzung angegriffen (vgl. etwa BayVGH, U.v. 30.4.1992 – 19 B 91.1220 – juris Rn. 7; BayVGH, U.v. 19.5.1998 – 19 B 95.3738 – juris Rn. 82; VG Augsburg, U.v. 8.10.2014 – Au 4 K 14.811 – juris Rn. 31; VG Ansbach, U.v.14.11.2007 – AN 15 K 07.01396 – juris Rn. 21).
Das gerichtliche Vorgehen des Klägers gegen den gesamten Abschussplan und damit auch den seinem Abschussplanvorschlag entsprechenden Teil i. H. v. 32 Stück Rotwild ist demnach unzulässig. Der Kläger ist ausweislich seines Vorbringens der Auffassung, dass sein Abschussplanvorschlag den gesetzlichen Vorgaben gerecht wird. In seinem Schreiben im Rahmen der Anhörung vom 11. Juni 2015 legt er seine Auffassung zum Zustand des Waldes dar und spricht sich aufgrund des Waldbildes und der den Zielen des SPA-Gebietes zuwider laufenden Verlaubholzung gegen eine Erhöhung des Abschusses aus. Abschließend beantragt er, entweder das aktuelle Verbissgutachten abzuwarten oder die von ihm eingereichten Abschusspläne zu bestätigen. Auch in der mündlichen Verhandlung haben der Kläger und seine Bevollmächtigten deutlich gemacht, dass es nicht darum gehe, überhaupt keinen Abschuss zu tätigen.
Über den Hilfsantrag war zu entscheiden, da dem Hauptantrag nicht stattzugeben war. Die Klage ist im Hilfsantrag zulässig und begründet und der Bescheid daher teilweise aufzuheben. Soweit er einen höheren Abschuss als vom Kläger vorgeschlagen festsetzt, ist er rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO; vgl. VG Augsburg, U.v. 8.10.2014 – Au 4 K 14.811 – juris Rn. 31).
Die Rechtswidrigkeit des Bescheids ergibt sich daraus, dass der Beklagte bei der im Rahmen der Festsetzung des Abschussplans vorzunehmenden Abwägung die Belange des Naturschutzes nicht ausreichend berücksichtigt hat. Nicht tragend ist hingegen der Einwand des Klägers, der Bescheid sei wegen Mängeln in der Beschlussfassung des Jagdbeirats unheilbar rechtswidrig.
Der Kläger macht geltend, der Jagdbeirat sei nicht mit den gesetzlich vorgesehenen Mitgliedern besetzt gewesen und die insoweit gesetzeswidrig gefassten Beschlüsse hätten vom Beklagten nicht berücksichtigt werden dürfen. Es kann dahingestellt bleiben, inwiefern sich Fehler bei der Beschlussfassung des Jagdbeirats auf die Rechtmäßigkeit des Bescheids auswirken, denn eine fehlerhafte Beschlussfassung liegt nicht vor. Nach Art. 50 Abs. 1 BayJG wird zur Beratung aller Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung sowie wichtiger Einzelfragen bei jeder Jagdbehörde ein Jagdbeirat (§ 37 BJagdG) gebildet, wobei Art. 50 Abs. 2, Abs. 3 BayJG dessen Besetzung bei der unteren bzw. höheren Jagdbehörde regelt. Weiter bestimmt Art. 50 Abs. 5 BayJG, dass der Vorsitzende zu den Beratungen des Jagdbeirats weitere Sachkundige hinzuziehen kann. Ausweislich der Sitzungsprotokolle für die Jagdbeiratssitzungen am 30. April und 17. Juli 2015 und der Angaben des Vertreters des Beklagten in der mündlichen Verhandlung haben lediglich die gesetzlich vorgesehenen Mitglieder des Jagdbeirats abgestimmt. Neben den vom Gesetz vorgeschriebenen Personen waren noch der Kreisjagdberater, der Vertreter des AELF und der Hegegemeinschaftsleiter der Hegegemeinschafts …-West (nur am 30.4.2015, soweit es seine Hegegemeinschaft betraf) bei den Beratungen anwesend. Die Hinzuziehung dieser Personen erfolgte rechtmäßig im Rahmen des Art. 50 Abs. 5 BayJG, da es sich nach Überzeugung der Kammer dabei um sachkundige Personen handelt.
Der Bescheid ist jedoch wegen Abwägungsfehlern rechtswidrig. Nach § 21 Abs. 2 BJagdG, Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayJG und § 14 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 1 AVBayJG sind für Rotwild für jeweils ein Jagdjahr Abschusspläne aufzustellen, die von der Jagdbehörde im Einvernehmen mit dem Jagdbeirat zu bestätigen oder festzusetzen sind. Der Abschuss des Wildes ist nach § 21 Abs. 1 BJagdG so zu regeln, dass die berechtigten Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt bleiben sowie die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege berücksichtigt werden. Nach Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 BayJG ist Gesetzeszweck des Bayerischen Jagdgesetzes, die jagdlichen Interessen mit den sonstigen öffentlichen Belangen, insbesondere mit den Belangen der Landeskultur, des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen. Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG legt fest, dass bei der Abschussplanung neben der körperlichen Verfassung des Wildes vorrangig der Zustand der Vegetation, insbesondere der Waldverjüngung zu berücksichtigen ist. Um den genannten rechtlichen Vorgaben gerecht zu werden, hat die untere Jagdbehörde zunächst den maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln und die in den gesetzlichen Vorschriften enthaltenen Belange in die Entscheidung einzustellen, sowie einen Interessenausgleich der zum Teil gegenläufigen Interessen vorzunehmen (BVerwG, U.v. 19.3.1992 – 3 C 62/89 – juris Rn. 25; BayVGH, U.v. 30.4. 1992 – 19 B 91.1220 – juris Rn. 38; OVG RP, U.v. 13.8.1997 – 8 A 10391/96 – juris Rn. 25; OVG NRW, U.v. 1.8.2014 – 16 A 805/13 – juris Rn. 29 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 7.1.2016 – OVG 11 S 76.15 – juris Rn. 9).
Der Jagdbehörde steht bei der Entscheidung über den vorgelegten Abschussplan und der Festsetzung kein planerischer Gestaltungsspielraum zu. Die Abschusszahl ist allerdings nicht rein mathematisch-logisch zu bestimmen, vielmehr ist der Behörde eine gewisse Bandbreite von Entscheidungsmöglichkeiten eingeräumt. Das Gericht untersucht die in den jagdrechtlichen Vorschriften gebrauchten unbestimmten Rechtsbegriffe daraufhin, ob die Behörde den maßgeblichen Sachverhalt richtig gewertet, die verschiedenen Belange entsprechend der Zielvorgabe des Gesetzgebers zutreffend abgewogen hat und sich die Höhe des Abschusses in einem vertretbaren Zahlenrahmen befindet (BVerwG, U.v. 19.3.1992 – 3 C 62/89 – juris Rn. 25; BayVGH, U.v. 19.5.1998 – 19 B 95.3738 – juris Rn. 91; BayVGH, U.v. 30.4.1992 – 19 B 91.1220 – juris Rn. 37 ff; OVG RP, U.v. 13.8.1997 – 8 A 10391/96 – juris Rn. 27). Der Abschussplan entspricht mithin nur dann den gesetzlichen Vorgaben, wenn keine Fehler bei der Erfassung des Sachverhalts vorliegen und die verschiedenen Belange gemäß der gesetzlichen Vorgaben abgewogen wurden (vgl. BayVGH, U.v. 19.5.1998 – 19 B 95.3738 – juris Rn. 91; VG Augsburg, U.v. 22.1.2014 – Au 4 K 13.958 – juris Rn. 47; VG Freiburg, U.v. 24.9.2008 – 1 K 430/08 – juris Rn. 25). Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Abwägung der gesetzlich formulierten Belange macht den Abschussplan bereits rechtswidrig (BVerwG, U.v. 19.3.1992 – 3 C 62/89 – juris Rn. 26; OVG NRW, U.v. 1.8.2014 – 16 A 805/13 – juris Rn. 36).
So liegt der Fall hier. Die Behörde hat die Belange des Naturschutzes nicht in ausreichendem Maße in ihre Abwägungsentscheidung eingestellt.
Das Eigenjagdrevier, für das der Abschussplan gilt, liegt im Vogelschutzgebiet … (SPA-Gebiet) und teilweise im FFH-Gebiet …. Dieses ist Teil des europaweiten Schutzgebietsnetzes „Natura 2000“. Rechtsgrundlage für Natura 2000 sind die Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie 79/409/EWG, erlassen am 2. April 1979 vom Rat der Europäischen, seit 15. Februar 2010 nunmehr in kodifizierter Fassung als Richtlinie 2009/147/EG vom 30. November 2009 in Kraft) und die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen).
Aus Art. 4 Abs. 1 der Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie 2009/147/EG) ergibt sich, dass für die in Anhang I aufgeführten Arten besondere Schutzmaßnahmen hinsichtlich ihrer Lebensräume anzuwenden sind, um ihr Überleben und ihre Vermehrung in ihrem Verbreitungsgebiet sicherzustellen. In diesem Anhang ist unter anderem das Auerhuhn (Tetrao urogallus) aufgeführt.
Die Umsetzung der „Natura 2000“ Vorgaben und damit auch der Vogelschutzrichtlinie erfolgt in Deutschland vornehmlich durch das Bundesnaturschutzgesetz (§§ 31 ff. BNatSchG) und die Landesnaturschutzgesetze (in Bayern Art. 20 ff. BayNatSchG). Für die in der Vogelschutzrichtlinie aufgeführten Arten erklären die Mitgliedstaaten geeignete Gebiete zu Schutzgebieten (sog. SPA – special protection areas).
Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz hat aufgrund der Ermächtigung im BayNatSchG eine Verordnung über die Festlegung von Europäischen Vogelschutzgebieten sowie deren Gebietsbegrenzungen und Erhaltungszielen (Vogelschutzverordnung – VoGEV vom 12. Juli 2006, in Kraft seit 1. September 2006) erlassen, in der die Europäischen Vogelschutzgebiete in Bayern einschließlich ihrer Gebietsbegrenzungen und Erhaltungsziele rechtsverbindlich festgelegt sind. Gemäß § 1 VoGEV werden die in Anlage 1 aufgeführten und näher beschriebenen Gebiete gemäß Art 4 Abs. 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie als Europäische Vogelschutzgebiete festgesetzt. § 3 VoGEV beschreibt die Erhaltungsziele, nämlich Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der in Anlage 1 für das jeweilige Gebiet aufgeführten Vogelarten und ihrer Lebensräume. In der Anlage 1 der VoGEV ist unter der Gebietsnummer DE… das … aufgeführt. Dessen Erhaltungsziele lauten u. a.: „Erhaltung oder Wiederherstellung der Bestände von Birkhuhn, Auerhuhn (…) und deren Lebensräume, insbesondere des charakteristischen subalpinen und alpinen Gebirgsstockes mit hohem Strukturreichtum wie Hangschuttwälder und Schluchten, Borstgras- und Magerrasen, Latschengebüsche, alpine Zwergstrauchheiden, Quellmoore und Felsen als Brut-, Nahrungs- und Durchzugsgebiet“. In der gebietsbezogenen Konkretisierung der Erhaltungsziele der Regierung von Oberbayern (Stand 24.4.2008) werden für das … als Gebiets-Typ F (Europäisches Vogelschutzgebiet, das ein FFH-Gebiet enthält) die zu erhaltenden bzw. wiederherzustellenden Bestände an Pflanzen und Tieren genauer dargelegt.
Der Kläger hat bereits im Anhörungsverfahren auf die Erhaltungsziele des SPA-Gebiets … und die Belange des dort beheimateten besonders geschützten Auerhuhns hingewiesen. Nach einer in den Behördenakten befindlichen Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde vom 20. November 2014 könne eine Verminderung der Wildbestandsdichte zu erhöhtem Laubgehölz-Aufwuchs führen, der sich nachteilig auf die Schneeheide-Kiefernwälder und das Auerhuhn auswirke. Es bestünde ein Zielkonflikt innerhalb des Naturschutzes, da neben der Erhaltung von Raufußhühnern und lichten Waldbeständen auch gemischte Bergmischwälder als naturschutzrechtlich hohes Gut anzusehen seien. Diese Bergmischwälder seien Lebensraum für Vögel, die ebenfalls im SPA-Gebiet … in einem guten Populationszustand zu erhalten seien. Der Erhaltung der Restvorkommen des besonders gefährdeten Auerhuhns komme ein gewisser Vorrang zu.
Im angefochtenen Bescheid wird zu den vom Kläger im Anhörungsverfahren vorgebrachten Einwänden ausgeführt, dass derzeit ein Managementplan durch die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft erarbeitet werde. Darin würden Maßnahmen formuliert, um den Erhaltungszustand der Arten zu sichern bzw. zu verbessern. Es bleibe abzuwarten, ob und in welcher Weise sich bei der Umsetzung der Maßnahmen Auswirkungen auf die Abschussplanungen zeigten. Weiter hat sich die Behörde im Klageverfahren unter Bezugnahme auf ein Vorbringen im Vorjahresverfahren dahingehend geäußert, dass eine Verlaubholzung nicht festzustellen sei. Zwar würden nach der Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde die Befürchtungen des Klägers weitgehend bestätigt, wegen der besonderen Bedeutung der Wildschäden sei aber das Forstliche Gutachten für die Abschussplanung maßgeblich. Ein Managementplan sei noch nicht erstellt und enthalte voraussichtlich keine Aussage zu Jagdmanagement, Wildbeständen oder Abschusszahlen.
In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Behörde ergänzend dargelegt, dass die Zielsetzung für SPA-Gebiete die Erhaltung und Wiederherstellung der Lebensraumkomplexe aus großflächigen, reich strukturierten Laub-, Misch-, und Nadelwäldern mit naturnaher Struktur und Baumzusammensetzung und Erhalt von naturnahen störungsarmen Bergmischwäldern und Erhaltung und Wiederherstellung der Buchenwälder und montanen und subalpinen Fichtenwälder sei. Diese Ziele würden mit der Abschussplanung 2015/2016 verfolgt. Im Hinblick auf die große Bedeutung der Schutzwälder und des hohen Schutzwaldanteils im Revier würden keine Widersprüche zu den Natura-2000-Zielen gesehen.
Der im Bescheid enthaltene Hinweis auf noch ausstehende Managementpläne (sog. Bewirtschaftungspläne, in denen u. a. Erhaltungs- und Entwicklungsziele festgelegt und dazugehörige Maßnahmen geplant werden) ist für eine ordnungsgemäße Abwägungsentscheidung nicht ausreichend. Der Behörde ist es auch nicht gelungen, das Abwägungsdefizit nachträglich zu heilen. Daraus ergibt sich die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids. Im Einzelnen:
Die Belange des Naturschutzes mit den besonders zu schützenden Vogelarten wurden inhaltlich nicht in ausreichendem Maße in die Entscheidung eingestellt und auch nicht mit den übrigen im Gesetz genannten Belangen abgewogen. Die Behörde hat sie vielmehr unter Verweis auf die ausstehenden Managementpläne als (noch) nicht abwägungsrelevant eingestuft. Dies ist jedoch fehlerhaft. Die Vorgaben der in nationales Recht umgesetzten europäischen Vogelschutzrichtlinie und FFH-Richtlinie sind bei der Aufstellung der Abschusspläne zu beachten und unabhängig von etwaigen Bewirtschaftungsplänen in die dabei vorzunehmende Abwägung miteinzubeziehen. Darüber hinaus enthält der zu erwartende Plan nach Angabe der unteren Naturschutzbehörde voraussichtlich ohnehin keine Aussagen zu Jagdmanagement, Wildbeständen oder Abschusszahlen. Dass naturschutzrechtliche Belange aufgrund der Lage des Jagdreviers im geschützten SPA-Gebiet relevant sind, hat die Jagdbehörde erkannt, indem sie im Laufe des Klageverfahrens betreffend den Vorjahresabschussplan eine naturschutzrechtliche Stellungnahme eingeholt hat. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem darin beschriebenen Zielkonflikt und eine Überprüfung der Abschussfestsetzung auf ihre SPA-Verträglichkeit haben bei der hier streitgegenständlichen Abschussfestsetzung dennoch nicht stattgefunden.
Es kann dahingestellt bleiben, ob Abwägungsfehler im Rahmen der Abschussplanfestsetzung grundsätzlich durch Ergänzung der Abwägungsbelange geheilt werden können und ob im Bescheid ein hinreichend konkreter Anknüpfungspunkt für eine Ergänzung der Erwägungen vorhanden ist. Voraussetzung dafür ist eine materiell-rechtliche Heilungsmöglichkeit, die in prozessualer Hinsicht – etwa unter Heranziehung des allgemeinen Rechtsgedankens aus § 114 S. 2 VwGO (vgl. BeckOK VwGO/Decker VwGO § 114 Rn. 40 m.w.N; Sodan/Ziekow, VwGO 4. Auflage 2014, § 114 Rn. 203; BayVGH, B.v. 20.7.2009 – 7 CE 09.10091 u. a. – juris Rn. 14, 17) – noch nachträglich vorgenommen werden kann. Hier kommt es darauf nicht entscheidungserheblich an, da die vom Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ergänzend vorgetragenen Gesichtspunkte jedenfalls nicht genügen, um die Abwägungsfehler zu heilen. Er hat darin allgemein auf die Zielsetzung für SPA-Gebiete abgestellt, die mit der Abschussplanung verfolgt werde und angefügt, dass im Hinblick auf die große Bedeutung der Schutzwälder keine Widersprüche zu den Natura-2000 Zielen bestünden. Ein Eingehen auf die sich im Zielkonflikt befindlichen Belange (Erhaltung von lichten Waldflächen als Lebensraum für geschützte Vogelarten einerseits; Laubmischwälder als naturschutzrechtlich hohes Gut und Lebensraum für andere geschützte Vogelarten andererseits) sowie eine Bewertung und Gewichtung der Umstände ist damit nicht erfolgt. Es fehlt mithin an einer auf Ausgleich der zum Teil gegenläufigen Interessen abzielenden Abwägungsentscheidung.
Die vom Kläger beantragte Vorlage an den EuGH ist abzulehnen. Nach Art. 267 AEUV kann ein Gericht dem EuGH eine Frage betreffend die Auslegung der Verträge oder die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union vorlegen, wenn es eine Entscheidung darüber zum Erlass seines Urteils für erforderlich hält. Die aufgeworfene Frage lässt sich, wie aufgezeigt, bereits durch das nationale Recht lösen. Mangels Vorlage an den EuGH war auch der diesbezüglich gestellte Aussetzungsantrag abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 5.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1, Abs. 2 Gerichtskostengesetz -GKG-)
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.


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