Verwaltungsrecht

Tierhalteverbot infolge Zuwiderhandlung beim Halten von Tieren

Aktenzeichen  9 C 17.1132

Datum:
16.8.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 166 Abs. 1 S. 1
ZPO ZPO § 114
TierSchG TierSchG § 2, § 16a Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Es gibt keine gesetzliche Regelung, wonach von der Ermächtigungsgrundlage des § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 TierSchG kein Gebrauch gemacht werden darf, wenn die Fortnahme ohne vorherige wirksame Anordnung erfolgt und das Tier noch nicht von der Behörde veräußert worden ist. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 4 S 17.215 2017-05-09 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen Nr. IV des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 9. Mai 2017, zugestellt am 11. Mai 2017, mit dem das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt hat.
Mit Bescheid vom 19. Mai 2016 hatte das Landratsamt L … gegenüber der Antragstellerin ein Verbot zum Halten und Betreuen von Tieren jeder Art ausgesprochen und eine Veräußerungsanordnung hinsichtlich der mit Bescheid vom 17. Dezember 2015 fortgenommenen und anderweitig pfleglich untergebrachten Pferde sowie die Duldung der Veräußerung dieser Pferde angeordnet. Die Anträge der Antragstellerin auf vorläufigen Rechtsschutz hiergegen sowie auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe blieben erfolglos (VG Regensburg, B.v. 7.9.2016 – RN 4 S. 16.1020; BayVGH, B.v. 31.7.2017 – 9 CS 16.2021 und 9 C 16.2022); über die Klage (Az. RN 4 16.1021) ist noch nicht entschieden.
Im erstinstanzlichen Verfahren beantragte die Antragstellerin, unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 7. September 2016 (Az. RN 4 S 16.1020) die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid des Landratsamts L … vom 19. Mai 2016 wiederherzustellen.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Änderung des Beschlusses vom 7. September 2016 in Nr. I des Beschlusses vom 9. Mai 2017 abgelehnt, weil keine veränderten oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachten Umstände i.S.d. § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO vorliegen würden. Deshalb sei auch der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abzulehnen (Nr. IV des Beschlusses vom 9. Mai 2017).
Mit ihrer am 26. Mai 2017 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, dass die Feststellungen betreffend die Pferde unzutreffend seien und der Bescheid vom 19. Mai 2016 „ins Leere“ gehe, weil die Fortnahme der Pferde bereits am 11. Dezember 2015 vollzogen gewesen sei, bevor sie mit Bescheid vom 17. Dezember 2015 angeordnet worden sei.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen.
II.
Der Senat legt das als „sofortige Beschwerde“ bezeichnete Schreiben der anwaltlich nicht vertretenen Antragstellerin vom 17. Mai 2017 „gegen den Beschluss vom 9. Mai 2017“, „Es wird PKH beantragt“, dahin aus, dass sie sich gegen die Ablehnung ihres Prozesskostenhilfegesuchs in Nr. IV des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 9. Mai 2017 richtet. Im Übrigen wird das Schreiben auch als Antrag auf Prozesskostenhilfe für eine noch einzulegende Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts ausgelegt, über den in einem weiteren Verfahren (Az. 9 CS 17.1137) entschieden wird.
Die so verstandene Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO) sind nicht erfüllt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung (hier: der Antrag den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 7. September 2016 abzuändern und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamts L … vom 19. Mai 2016 wieder herzustellen) zu dem für die Entscheidung über den Antrag auf Prozesskostenhilfe maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife nach summarischer Überprüfung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO kann ein Beteiligter die Änderung oder Aufhebung eines Beschlusses nach § 80 Abs. 5 VwGO wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Das Änderungsverfahren erlaubt eine Reaktion des Verwaltungsgerichts auf Änderungen der Sach- und Rechtslage, die nach seiner Entscheidung eingetreten sind und die ein Abweichen von der ursprünglichen Entscheidung rechtfertigen (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 80 Rn. 100, 103).
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 7. September 2016 (Az. RN 4 S. 16.1020) ist rechtskräftig geworden. Eine Abänderung des Beschlusses vom 7. September 2016 kommt nicht in Betracht, weil die Antragstellerin keine in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht veränderten Umstände benannt hat, die zu einer abweichenden Entscheidung führen könnten.
Mit Beschluss vom 7. September 2016 hat das Verwaltungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 19. Mai 2016 betreffend ein Tierhaltungsverbot sowie die Anordnung der Veräußerung der mit Bescheid vom 17. Dezember 2015 fortgenommenen und anderweitig pfleglich untergebrachten Pferde abgelehnt, da erhebliche Mängel der Tierhaltung der Antragstellerin vorlägen und auch die Veräußerungsanordnung nicht zu beanstanden sei. Der Senat hat im Beschluss über die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Ablehnung ihres Prozesskostenhilfegesuchs vom 31. Januar 2017 (Az. 9 C 16.2022) ausgeführt, dass das Tierhaltungsverbot voraussichtlich rechtmäßig sei, weil seitens der Antragstellerin wiederholte Zuwiderhandlungen gegen § 2 TierSchG und erhebliche Mängel in der Tierhaltung vorlägen, die sich sowohl aus dem Bescheid vom 19. Mai 2016 als auch aus den vorgelegten Behördenakten und den Feststellungen der beamteten Tierärztin ergeben würden. Auch die Klage gegen die Veräußerungsanordnung bleibe voraussichtlich erfolglos, weil eine anderweitige Unterbringung der Pferde nicht möglich sei oder nach Fristsetzung eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung durch die Antragstellerin nicht sicherzustellen sei. Hiervon ausgehend zeige das neuerliche Vorbringen der Antragstellerin nicht auf, welche veränderten oder bislang unverschuldet nicht geltend gemachten Umstände die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, dass das Tierhaltungsverbot und die Veräußerungsanordnung rechtmäßig ist, in Frage stellen könnten.
Mit dem Vorbringen der Antragstellerin, einzelnen Tieren gehe es nach dem Wertschätzungsgutachten des Herrn K … G … von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft vom 19. Januar 2016 besser und verschiedene Diagnosen seien unzutreffend, werden die Feststellungen und fachlichen Beurteilungen der beamteten Tierärzte, die sich auf einen längeren Zeitraum beziehen, nicht ernstlich in Zweifel gezogen, zumal sich die Tiere bereits nach Fortnahme im Dezember 2015 nicht mehr unter der Obhut der Antragstellerin befanden. Soweit die Antragstellerin einwendet, der Bescheid vom 19. Mai 2016 gehe ins Leere, weil die Fortnahmeanordnung vom 17. Dezember 2015 unwirksam sei, da die Fortnahme bereits am 11. Dezember 2015 „vollzogen war“, kann dem nicht gefolgt werden. Denn die Wegnahme der Pferde gegenüber der Antragstellerin wäre selbst ohne wirksamen vorherigen Verwaltungsakt nicht dauerhaft rechtswidrig, sondern mit Erlass des schriftlichen Bescheids vom 17. Dezember 2015 mit Wirkung für die Zukunft wirksam geworden, weil es keine gesetzliche Regelung gibt, dass von der Ermächtigungsgrundlage in § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG kein Gebrauch mehr gemacht werden darf, wenn die Fortnahme ohne vorherige wirksame Anordnung erfolgt und das Tier noch nicht von der Behörde veräußert worden ist (vgl. BayVGH, B.v. 5.4.2017 – 9 ZB 15.358 – juris Rn. 4). Im Übrigen handelt es sich bei dem von der Antragstellerin angeführten zeitlichen Ablauf auch nicht um neue veränderte Umstände, weil sich bereits aus dem Bescheid vom 17. Dezember 2015 ergibt, dass am 2. Dezember 2015 festgestellt wurde, dass die Versorgung der Pferde weder durch die Antragstellerin, die sich in Haft befindet, noch durch die von ihr angestellten ungarischen Pferdepfleger gewährleistet ist. Aus den weiteren Feststellungen des Landratsamts in den Behördenakten ergibt sich, dass die sachgerechte Betreuung der 29 Pferde der Antragstellerin nur bis 7. Dezember 2015 sichergestellt war, was zudem bereits Gegenstand der bisherigen Entscheidungen war (vgl. BayVGH, B.v. 21.10.2016 – 9 CS 16.525 – juris Rn. 19).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als das Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz ist das Beschwerdeverfahren in Prozesskostenhilfesachen im Fall der Zurückweisung der Beschwerde kostenpflichtig (vgl. BayVGH, B.v. 17.2.2017 – 9 CE 17.24 – juris Rn. 7 m.w.N.). Kosten werden nicht erstattet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Eine Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren ist nicht erforderlich, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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