Aktenzeichen 9 CE 17.2369
BGB § 929, § 931, § 1006 Abs. 1
Leitsatz
Wird ein Tier nach seiner Wegnahme in tierschutzgerechter Weise gehalten, kann der vormalige Halter keinen Anordnungsgrund hinsichtlich eines Herausgabeanspruchs geltend machen. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 23 E 17.4007 2017-11-02 Bes VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller zu 1 und 2 begehren vom Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung die Rückabwicklung einer bereits erfolgten Weitervermittlung der Schäferhündin Rica und deren Herausgabe.
Die inzwischen 10 Jahre alte Schäferhündin Rica lebte von September 2008 bis August 2012 bei der Antragstellerin zu 1 – im Folgenden: Antragstellerin -, ihrem damaligen Ehemann A* … C* … und ihren beiden Kindern in W* … Nach dem Auszug der Antragstellerin und ihrer Kinder blieb der Hund im Anwesen zurück und wurde von A* … C* … betreut. Im November 2013 zog der Sohn der Antragstellerin, X* … C* …, zu seinem Vater zurück. Nach Angaben der Antragstellerin veranlasste X* … im Juni 2017 einen Polizeieinsatz, der zu Tierhaltungs- und -betreuungsverboten für A* … und X* … C* … sowie zur Fortnahme der Schäferhündin und schließlich auch zur Weitervermittlung durch den Tierschutzverein D* … an eine Privatperson führte.
Mit ihrem am 25. August 2017 bei dem Verwaltungsgericht München gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erstreben die Antragsteller die Verpflichtung des Antragsgegners, ihnen die Schäferhündin Rica zu übergeben. Die Antragstellerin sei nach wie vor Eigentümerin der Hündin; sie habe aber ihre Schäferhündin an den Antragsteller zu 2 – im Folgenden: Antragsteller – verkauft und ihr Eigentum nach §§ 929,931 BGB an ihn abgetreten. Mit Beschluss vom 2. November 2017 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag ab. Es sei weder ein Anordnungsgrund, noch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Mit ihrer Beschwerde verfolgen die Antragsteller ihr Begehren weiter.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Es fehle an einer Auseinandersetzung mit der Begründung des Verwaltungsgerichts. Im Übrigen scheide die begehrte Rückgängigmachung zivilrechtlich aus, weil Rica wirksam an einen Dritten übereignet worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die von der Antragstellerin innerhalb der gesetzlichen Begründungsfrist dargelegten Gründe‚ auf die sich die Prüfung zu beschränken hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO)‚ rechtfertigen keine Änderung der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts.
Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass die Antragsteller für den Erlass einer einstweiligen Anordnung keinen ausreichenden Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hätten, weil die besondere Dringlichkeit fehle. Die Schäferhündin Rica werde vom derzeitigen Halter in tierschutzgerechter Weise gehalten. Die Antragsteller hätten zwar geltend gemacht, dass eine persönliche Bindung zur Schäferhündin bzw. emotionale Interessen bestehen würden. Sie hätten jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass nur die Herausgabe der Hündin an die Antragsteller dem Wohl des Tieres entspreche, zumal die behauptete Bindung der Schäferhündin an die Antragstellerin bereits 2012 beendet worden sein dürfte.
Mit diesen Ausführungen setzt sich das Beschwerdevorbringen nicht substantiiert auseinander. Eingewandt wird lediglich, dass bei einem Hund eine Bindung lebenslänglich bestehe und die Herausgabe der Schäferhündin an die Antragsteller dem Wohl des Tieres entspreche. Ein Anordnungsgrund nach § 123 Abs. 1 VwGO für die begehrte sofortige Herausgabe der Hündin an die Antragsteller ergibt sich daraus jedoch weder für eine Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO, noch für eine Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Soweit die Antragsteller auf eine „feste Bindung“ zur Schäferhündin Rica verweisen, kann ihrem Vorbringen schon deshalb nicht gefolgt werden, weil eine derartige Bindung nach den objektiven Gegebenheiten nicht nachvollziehbar erscheint. Rica wurde bereits seit Anfang August 2012 nicht mehr von der Antragstellerin gehalten; die Antragsteller hatten nach ihren eigenen Angaben seitdem auch nur an wenigen Tage mit der Schäferhündin Kontakt. Hinzu kommt, dass bis Mitte 2017 – also 5 Jahre lang – keinerlei Versuche seitens der Antragsteller unternommen wurden, Rica bei sich aufzunehmen, obwohl dies zumindest seit dem Tod der Hündin des Antragstellers im Jahr 2014 bzw. 2015 jederzeit möglich gewesen wäre. Unabhängig davon ist auch die behauptete Gefährdung des Tierwohls ohne einstweilige Anordnung angesichts der im erstinstanzlichen Urteil erwähnten veterinärfachlichen Darlegungen über die derzeitige tierschutzgerechte Haltung der Hündin nicht nachvollziehbar. Sonstige Umstände, die für die Antragsteller unter Berücksichtigung ihres Anspruchs auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes das Abwarten der Hauptsacheentscheidung unzumutbar erscheinen lassen, sind nicht erkennbar.
Im Übrigen haben die Antragsteller auch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Hierzu führte das Verwaltungsgericht aus, es lasse sich zwar im vorliegenden Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht abschließend klären, ob die Übereignung an den derzeitigen Halter wirksam erfolgt sei. Dies könne aber zu keinem Anordnungsanspruch führen, weil ein derartiger Anspruch von den Antragstellern zu keinem Zeitpunkt glaubhaft gemacht worden sei. Unklar seien bereits die Eigentumsverhältnisse zu Beginn der behördlichen Maßnahmen. Die Besitzerstellung von A* … C* … habe damals für dessen Eigentümerstellung gesprochen (§ 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB). Erst recht seien die aktuellen Eigentumsverhältnisse nicht glaubhaft gemacht worden. Die alleinige Bestätigung des Vereins für Deutsche Schäferhunde e.V. vom 19. Juni 2017 sei nicht schon für sich geeignet, die aktuellen Eigentumsverhältnisse zu belegen. Hiergegen ist nichts zu erinnern.
Die per E-Mail erfolgte Bestätigung des Vereins für Schäferhunde e.V. vom 19. Juni 2017 belegt nach ihrem Wortlaut lediglich, dass dem Verein am 29. September 2008 der Erwerb der Schäferhündin Rica von der Antragstellerin mitgeteilt worden ist und seitdem keine weiteren Mitteilungen bezüglich Rica erfolgt sind. Die Erklärung ist damit nicht geeignet, einen Eigentumserwerb und fortbestehendes Eigentum der Antragstellerin nachzuweisen, zumal – wie vom Verwaltungsgericht ausgeführt – aufgrund der späteren Umstände der Trennung der Eheleute und des Besitzes des Ex-Ehemanns an dem Tier auch der weitere Verlauf der Eigentumsverhältnisse unklar ist. Ebenso wenig ist die vorgelegte Erklärung des Sohns X* … vom 13. September 2017 geeignet, die Eigentümerstellung der Antragstellerin glaubhaft zu machen. Soweit X* … darin ausführt, seine Mutter sei seit September 2008 „durchgehend bis jetzt“ immer Eigentümerin der Hündin geblieben, bekundet er keine eigenen Wahrnehmungen, sondern allenfalls seine Meinung zu den Eigentumsverhältnissen, die für das vorliegende Verfahren jedoch nicht von Belang ist. Ob seit dem Kauf der Schäferhündin für die Beurteilung der aktuellen Eigentumsverhältnisse relevante Umstände wie Scheidungsvereinbarungen, Verkäufe und Eigentumsübertragungen erfolgt sind, bleibt damit im Eilverfahren ungeklärt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 GKG. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).