Verwaltungsrecht

Übernahme der Schülerbeförderungskosten

Aktenzeichen  Au 3 K 20.1351

Datum:
24.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 35523
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BaySchKfrG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 S. 3
BaySchBefV § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 3

 

Leitsatz

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen.
II.    Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III.    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Übernahme der Schülerbeförderungskosten durch den Beklagten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
I.
Die Klage ist zulässig. Der Kläger ist klagebefugt, da Anspruchsinhaber der Schulwegkostenfreiheit der betroffene Schüler selbst ist. Dass auch die Eltern eines Schülers einen möglichen Anspruch auf Übernahme der Beförderungskosten nach Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Kostenfreiheit des Schulwegs (Schulwegkostenfreiheitsgesetz – SchKfrG) i.V.m. § 2 der Verordnung über die Schülerbeförderung (Schülerbeförderungsverordnung – SchBefV) in eigenem Namen geltend machen können (vgl. BayVGH, U.v. 10.1.1996 – 7 B 94.1847 – BayVBl. 1996, 434), ändert hieran nichts.
II.
Die Klage ist aber unbegründet. Aus den Regelungen des Schulwegkostenfreiheitsgesetzes i.V.m. der Schülerbeförderungsverordnung ergibt sich der geltend gemachte Anspruch nicht.
1) Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SchBefV besteht die Beförderungspflicht zum Pflicht- und Wahlunterricht nur der nächstgelegenen Schule. Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 SchBefV ist die nächstgelegene Schule diejenige der gleichen Schulart und Ausbildungsrichtung, die mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbar ist. Dies sind im Hinblick auf die vom Kläger gewählte Ausbildungsrichtung des Wirtschaftswissenschaftlichen Gymnasiums (WWG) das *-Gymnasium in * und das *-Gymnasium in, da der Beförderungsaufwand hierfür – zwischen den Parteien insoweit unstreitig – nach den maßgeblichen Berechnungsgrundlagen am geringsten ist und unter dem Aufwand für die Beförderung zum * Gymnasium liegt.
2) Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Schülerbeförderung ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV. Danach soll die Beförderung übernommen werden, wenn die Schülerinnen und Schüler diese Schule wegen ihrer pädagogischen oder weltanschaulichen Eigenheiten besuchen. Hierzu zählen nach der nicht enumerativen Aufzählung der Vorschrift insbesondere eine Tagesheimschule, eine Schule mit gebundenem oder offenem Ganztagsangebot, eine nicht-koedukative Schule oder eine Bekenntnisschule.
Die Vorschrift will nur Schulen mit einem besonderen pädagogischen oder weltanschaulichen Konzept erfassen, das dem Unterricht in allen Klassen einen eigenständigen, an anderen Schulen auch nicht ansatzweise vorhandenen Charakter gibt und das die Schule damit deutlich von anderen vergleichbaren Schulen unterscheidet (BayVGH, U.v. 10.1.1996 – 7 B 94.1847 – BayVBl. 1996, 434; BayVGH, U.v. 14.5.2014 – 7 B 14.24 – BeckRS Rn. 25; BayVGH, B.v. 13.2.2017 – 7 ZB 16.592 – BeckRS Rn. 9;). § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV ist eng auszulegen, denn die „Soll“-Vorschrift macht die Kostenübernahme für die Schülerbeförderung in diesen Fällen zur Regel. Dazu kann nicht jeder pädagogische oder weltanschaulich begründete Unterschied zu vergleichbaren Schulen ausreichen, weil andernfalls die Vorschriften des § 2 Abs. 4 Nr. 1 bis 4 SchBefV, die dem Aufgabenträger einen weiten Ermessensspielraum lassen, ihres Anwendungsbereichs beraubt würden (BayVGH, U.v. 10.1.1996 – 7 B 94.1847 – BayVBl. 1996, 434; BayVGH, B.v. 5.3.2012 – 7 ZB 11.2092 – BeckRS Rn. 2).
Gemessen an diesen Grundsätzen kann § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV dem Kläger keinen Anspruch vermitteln.
a) Soweit sich der Kläger darauf beruft, eine pädagogische Eigenheit im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV ergebe sich daraus, dass das * Gymnasium eine Ganztagsschule mit strukturiertem und rhythmisiertem Tagesablauf sei, der auch eine Hausaufgabenbetreuung unter Aufsicht von Pädagogen umfasse, verhilft dies der Klage nicht zum Erfolg. Denn nach der im Parallelverfahren Au 3 K 20.781 eingeholten und allen Beteiligten vorliegenden Stellungnahme der Ministerialbeauftragten für * vom 4. November 2020 gibt es auch an staatlichen Gymnasien das Modell des gebundenen Ganztagesunterrichts, das ebenfalls durch Strukturierung und Rhythmisierung des Tagesablaufs geprägt ist. Damit entspricht das Ganztagesangebot am * Gymnasium im Wesentlichen dem Konzept der gebundenen Ganztagsschule an staatlichen Gymnasien, das an den oben genannten, mit geringerem Beförderungsaufwand erreichbaren Gymnasien in * und * verwirklicht ist.
b) Nichts anderes folgt im Ergebnis auch daraus, dass am * Gymnasium in den Klassen 5 bis 9 nach dem Zwei-Pädagogen-Prinzip unterrichtet wird und deshalb grundsätzlich immer ein pädagogischer Assistent in den Klassen dieser Jahrgangsstufen präsent ist. Zwar mag es nicht völlig fernliegend erscheinen, dass es sich bei dem Zwei-Pädagogen-Prinzip um eine pädagogische Eigenart handelt, die dem Unterricht in den betroffenen Jahrgangsstufen einen eigenständigen, an anderen Schulen nicht ansatzweise vorhandenen Charakter verleiht. Dafür könnte sprechen, dass durch den zweiten Pädagogen eine höhere Betreuungsintensität erzielt wird, das Unterrichtsgeschehen eine andere Dynamik entwickelt und das am Gymnasium übliche Fachlehrerprinzip um eine feste Bezugsperson für die Schüler ergänzt wird. Letztlich kann dies aber offenbleiben, da das Zwei-Pädagogen-Prinzip am * Gymnasium nur in den Jahrgangsstufen 5 bis 9 zum Tragen kommt und damit die in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs geforderte Voraussetzung, dass eine pädagogische Eigenheit im Sinne des Schülerbeförderungsrechts in allen Klassen vorhanden sein muss, nicht erfüllt ist. Freilich führt diese Anforderung, dass eine pädagogische Eigenheit in allen Klassen einer Schule vorliegen muss dazu, dass pädagogische Konzepte, die nach den unterschiedlichen pädagogischen Bedürfnissen von Ober- und Unterstufenschülern differenzieren, per se aus dem Anwendungsbereich des § 2 Abs. 3 Satz 1 SchBefV ausgeschlossen werden. Dies ist jedoch angesichts des weiten Spielraums des Verordnungsgebers bei der Ausgestaltung der freiwilligen Leistung, die die Übernahme der Schülerbeförderungskosten darstellt, und im Hinblick auf das Regelungsziel der Steuerung der Schülerströme, das Ausnahmen vom Ausschluss der Übernahme der Schülerbeförderungskosten zu nicht nächstgelegenen Schulen nur in engen Grenzen zulässt, hinzunehmen.
c) Auch daraus, dass am * Gymnasium eine Schulpsychologin in Vollzeit beschäftigt ist, ergibt sich keine pädagogische Eigenheit im Sinne der Vorschrift. Schulpsychologen, die sich um Schüler, die an ADHS leiden, kümmern, sind auch an staatlichen Schulen verfügbar. Allein daraus, dass die Schulpsychologin am * Gymnasium möglicherweise in größerem zeitlichem Umfang tätig werden kann, folgt nicht, dass der Unterricht in allen Klassen dadurch einen eigenständigen, an anderen Schulen auch nicht ansatzweise vorhandenen Charakter erhält, zumal die Psychologin nicht selbst unterrichtet. Schon daraus ergibt sich, dass der Unterricht dadurch nicht einen anderen Charakter erhält.
d) Schließlich führt auch die geringere Klassengröße am * Gymnasium nicht dazu, dass der Unterricht dadurch einen eigenständigen, in anderen Schulen nicht ansatzweise vorhandenen Charakter erhält. Zwar mag eine geringe Klassengröße dazu führen, dass der Lehrer dem einzelnen Schüler mehr Aufmerksamkeit widmen kann. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass der Unterschied zwischen dem * Gymnasium und staatlichen Schulen in dieser Hinsicht derart bedeutend wäre, dass sich daraus ein nicht ansatzweise an staatlichen Schulen vorhandener Charakter ergäbe. Nach der Stellungnahme der Ministerialbeauftragten für * vom 4. November 2020 liegt die durchschnittliche Klassengröße am * Gymnasium mit 22 Schülern ohnehin nur leicht unter der Klassengröße eines vergleichbaren staatlichen Gymnasiums.
3) Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Schülerbeförderung ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 4 Nr. 2 SchBefV. Ein Schulwechsel ist für den Sohn der Kläger nicht unzumutbar. Denn ein Schulwechsel ist dann zumutbar, wenn er lediglich Folge dessen ist, dass der Schüler zunächst ohne Zustimmung des Aufwandsträgers an einer Schule, für die der Aufwandsträger die Schülerbeförderungskosten nicht zu übernehmen braucht, angemeldet wurde.
4) Die Voraussetzungen für eine Übernahme der Kosten für die Schülerbeförderung gemäß § 2 Abs. 4 Nr. 3 SchBefV liegen schon deshalb nicht vor, weil – wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist – der Beförderungsaufwand die ersparten Beförderungskosten zur nächstgelegenen Schule um weit mehr als 20 Prozent übersteigt.
5) Die Kläger haben auch keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte ihnen wenigstens die Kosten erstattet, die entstanden wären, wenn ihr Sohn eines der Gymnasien in * oder * besucht hätte. Das Schulwegkostenfreiheitsgesetz und die hierzu ergangene Schülerbeförderungsverordnung sehen beim Besuch einer anderen als der nächstgelegenen Schule den Ersatz fiktiver Kosten zur nächstgelegenen Schule nicht vor. Vom Aufgabenträger sicherzustellen ist vielmehr nur die Beförderung auf dem tatsächlich vom Schüler zurückgelegten Schulweg (BayVGH, B.v. 17.12.2003 – 7 C 03.2893 – BeckRS).
6) Schließlich ist es auch nicht ermessensfehlerhaft, dass der beklagte Aufgabenträger im Hinblick auf das allgemeine öffentliche Interesse an einer Begrenzung der finanziellen Aufwendungen auch unter Berücksichtigung der Belange des Klägers einer Übernahme der Beförderungskosten zum * Gymnasium gemäß § 2 Abs. 4 Nr. 4 SchBefV nicht zugestimmt hat. Die Zustimmung nach dieser Vorschrift ist nur in außergewöhnlichen Fällen zu erteilen. Bei der Entscheidung hierüber durfte der beklagte Aufgabenträger das öffentliche Interesse an einer sparsamen Mittelverwendung (Art. 2 Abs. 1 Satz 3 SchKfrG) als prägenden Grundsatz des Schülerbeförderungsrechts berücksichtigen (vgl. BayVGH, U.v. 19.2.2013 – 7 B 12.2441 – juris Rn. 42 m.w.N.). Dass der Beklagte seiner Entscheidung einen unrichtigen Sachverhalt zu Grunde gelegt hätte oder sonst ein Ermessensfehler vorläge, ist nicht ersichtlich. Insbesondere unterscheidet sich die Beeinträchtigung des Klägers durch ADHS und die hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens nach Überzeugung der Kammer nicht in einer Weise von der Beeinträchtigung anderer Schüler mit dieser Diagnose, dass eine Ermessensreduzierung auf Null anzunehmen wäre.
III.
Der Ausspruch über die Kosten ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V. m. §§ 708 ff. ZPO.


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