Verwaltungsrecht

Übernahme fiktiver Schulwegkosten

Aktenzeichen  M 3 K 14.814

Datum:
18.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SchBefV SchBefV § 2 Abs. 1 S. 3 Nr. 3

 

Leitsatz

1 Die Nichterstattung fiktiver Beförderungskosten zur nächstgelegenen Schule im Falle des tatsächlichen Besuchs einer weiter entfernten Schule verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 118 Abs. 1 BV). Da es nicht im Interese einer auf den näheren Einzugsbereich abstellenden Schulplanung ist, durch Übernahme von Beförderungskosten zu entfernter liegenden Schulen die Schülerzahl der nächstgelegenen Schulen zu gefährden, liegt ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung vor (ebenso BayVerfGH BeckRS 1990, 02800).  (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2 Aus dem verfassungsrechtlich garantierten Recht der Eltern auf freie Wahl der Schule (Art. 6 Abs. 2 GG) folgt kein allgemeiner Anspruch auf Subventionierung von Ausbildungskosten in Gestalt der Übernahme von Beförderungskosten. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3 Es besteht kein verfassungsrechtlich garantierter Anspruch auf kostenfreien Transport zu Schule. Bei der Übernahme von Beförderungskosten für den Schulweg handelt es sich um eine freiwillige Leistung des Landesgesetzgebers (ebenso BayVerfGH BeckRS 2009, 36301). (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Der streitgegenständliche ablehnende Bescheid des Beklagten vom 20. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern vom 28. Januar 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO); der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der fiktiven Schulwegbeförderungskosten im Schuljahr 2013/2014 (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die ablehnende Entscheidung des Beklagten ist auch unter Ermessensgesichtspunkten nicht zu beanstanden, § 114 VwGO.
Einzelheiten des Anspruchs auf Übernahme der notwendigen Beförderung der Schüler auf dem Schulweg ergeben sich aus der Schülerbeförderungsverordnung (SchBefV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. September 1994 (GVBl. S. 953, BayRS 2230-5-1-1-K), die zuletzt durch § 1 der Verordnung vom 1. Juli 2016 (GVBl. S. 193) geändert worden ist.
1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SchBefV besteht die Beförderungspflicht zur nächstgelegenen Schule; diese ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV diejenige Schule der gewählten Schulart (z.B. Gymnasium, Realschule), Ausbildungs- und Fachrichtung (bei Realschulen: mathematisch-naturwissenschaftlicher, wirtschaftlicher oder fremdsprachlicher Bereich), die mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbar ist. Nächstgelegene Schulen in diesem Sinne sind unter den Parteien unstreitig für den Wohnort der Tochter des Klägers die …Realschule München und noch weitere Realschulen in München.
Die von dem Beklagten genannten Schulen sind mit dem geringsten Beförderungsaufwand im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV zu erreichen. Es ist in ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof geklärt, dass für die Bestimmung der nächstgelegenen Schule grundsätzlich nicht auf die Entfernung oder auf den Zeitaufwand abzustellen ist, sondern auf den finanziellen Aufwand der Beförderung durch Vergleich der anfallenden Fahrtkosten (BayVGH, B.v. 20.4.2009 – 7 ZB 08.3048 –, juris; BayVGH U.v. 8.1.2008 – 7 B 07.1008 -, juris). Der finanzielle Aufwand der Beförderung ist durch Vergleich der anfallenden Beförderungskosten zu ermitteln. Während der Ausbildungstarif I für die von der Tochter des Klägers besuchte Realschule 71,- Euro monatlich beträgt, liegt er bei den anderen Realschulen jeweils bei 34,- Euro, sodass sie mit dem geringerem Beförderungsaufwand zu erreichen sind.
2. Auch war die Ablehnung der kostenfreien Beförderung der Kläger zur staatlichen Realschule Wolfratshausen auch nicht im Hinblick auf § 2 Abs. 4 SchBefV zu beanstanden. Nach § 2 Abs. 4 Nr. 3 SchBefV kann der Aufgabenträger die Beförderung zu einer anderen als der nächstgelegenen Schule ganz oder teilweise übernehmen, wenn der Beförderungsaufwand die ersparten Beförderungskosten zur nächstgelegenen Schule um nicht mehr als 20 v. H. übersteigt. Diese Toleranzgrenze ist bei Vergleich der Ausbildungstarife (34,- € für Tarif I – 71,- € für Tarif II) im vorliegenden Fall weit überschritten.
3. Der Kläger kann auch nicht verlangen, dass der Beklagte die Beförderungskosten wenigstens insoweit zu übernehmen hat, als sie bei einem Besuch zu den alternativ vom Beklagten vorgeschlagenen nächstgelegeneren Realschulen, d.h. in Höhe von 34,- € pro Monat angefallen wären. Es handelt sich insoweit nicht um eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der Tochter des Klägers gegenüber denjenigen Kindern, die dort zur Schule gehen und Fahrtkosten dafür ersetzt bekommen. Die so genannten fiktiven Fahrtkosten werden nach eindeutiger obergerichtlicher Rechtsprechung im Bayerischen Schulwegkostenrecht nicht erstattet (BayVGH, B.v. 30.01.2007 – 7 ZB 06.781 -, juris, Rn. 13; BayVGH, U.v. 12.02.2001 – 7 B 99.3719 -, juris, Rn. 34, m.w. Nachw.), diese Auslegung von § 2 SchBefV verstößt nicht gegen die Bayerische Verfassung (BayVerfGH, E.v. 20.4.1990 – Vf. 28-VI-89 in NVwZ-RR 1991, S. 74). Danach kann ein Schüler nicht die (fiktiven) Beförderungskosten zur nächstgelegenen Schule verlangen, wenn er tatsächlich eine weiter entfernte Schule besucht. Darin liegt kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 118 Abs. 1 BV, da der BayVerfGH hinreichende sachliche Gründe darin sieht, dass es nicht im Interesse einer auf den näheren Einzugsbereich abstellenden Schulplanung liege, durch Übernahme von Beförderungskosten zu entfernter liegenden Schulen die Schülerzahl der nächstgelegenen Schulen zu gefährden. Auch das Recht der Eltern auf Wahl der Schule für ihr Kind aus Art. 6 Abs. 2 GG bleibt unberührt. Ein allgemeiner Anspruch auf Subventionierung von Ausbildungskosten in Gestalt der Übernahme der Beförderungskosten in jedem Fall lässt sich der Verfassung nicht entnehmen.
Des Weiteren ist das Schulwegkostenrecht stets vor dem Hintergrund zu beurteilen, dass es auf freiwilliger Basis der Landesgesetzgeber besteht und eine verfassungsrechtlich nicht gebotene Leistung der öffentlichen Hand darstellt. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat bereits mehrfach entschieden, dass kein verfassungsrechtlich garantierter Anspruch auf kostenfreien Transport zur Schule besteht (BayVerfGH B.v. 27.7.1984 – Vf.17-VII-83 -; BayVerfGH E.v. 28.10.2004 – Vf.8– VII-03-; BayVerfGH, E.v. 7.7.2009 – Vf.15 –VII/08). Weder dem Grundgesetz (vgl. BVerwG, B.v. 22.10.1990 – 7 B 128/90) noch der Bayerischen Verfassung ist zu entnehmen, dass sämtliche mit dem Schulbesuch verbundenen Aufwendungen vom Staat oder von den Kommunen zu tragen wären. Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar in einer Entscheidung (BVerwG, B.v. 15.1.2009 – 6 B 78/08 -) offen gelassen, ob sich aus dem durch Art. Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten Recht der Erziehungsberechtigten, den Bildungs Weg ihrer Kinder zu bestimmen, und aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Schüler (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. Abs. GG) Auswirkungen auf die Erstattungsfähigkeit privater Schülerbeförderungskosten ergeben. Selbst wenn dies zu bejahen wäre, stünde dem Landesgesetzgeber – so das Bundesverwaltungsgericht – ein sehr weiter Ausgestaltungsspielraum hinsichtlich der Zumutbarkeit des Beförderungsangebots im öffentlichen Personennahverkehr zu. Die gegen diese Entscheidung erhobene Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, B.v.16.6.2009,BvR 419/09 -). Eine Beförderungspflicht des Beklagten ergibt sich daher auch nicht aus § 2 Abs. 3 SchBefV.
Soweit der Kläger auf Beispiele anderer Landkreise verweist, wo fiktive Kosten bei der Schülerbeförderung erstattet werden, handelt es sich dabei ausnahmslos um Fälle außerhalb Bayerns. Nachdem jedoch schulrechtliche Regelungen in der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder liegen, liegt es in der Natur der Sache, dass in den einzelnen Bundesländern unterschiedliche Regelungen möglich sind. Eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ist darin nicht zu erkennen.
Nach alledem bestand für die von der Tochter des Klägers besuchte staatliche Realschule W… im Schuljahr 2013/2014 keine Beförderungspflicht des Beklagten, da es sich nicht um die nächstgelegene Schule im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SchBefV handelte, noch hat der Kläger aus den dargestellten Gründen einen Anspruch auf Erstattung der fiktiven Kosten, die beim Besuch der nächstgelegenen Schule anfallen würden, so dass die Klage keinen Erfolg hatte.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Ab. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).


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