Verwaltungsrecht

Überzeugungsbildung des Gerichts

Aktenzeichen  10 ZB 17.1743

Datum:
5.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 2246
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
LStVG Art. 18 Abs. 1, Abs. 2
VwGO § 108 Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

1 Wie das Verwaltungsgericht im Rahmen des § 108 Abs. 1 S. 1 VwGO die ihm vorgetragenen Tatsachen und Beweise würdigt, unterliegt grundsätzlich seiner Freiheit. Diese Freiheit ist nur dann überschritten, wenn das Gericht entweder nach seiner Rechtsauffasung entscheidungserhelichen Akteninhalt übergeht bzw. aktenwidrige Tatsachen annimmt oder wenn die von ihm gezogenen Schlussfolgerungen gegen Denkgesetze verstoßen. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2 Mit Einwänden gegen die freie, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnene richterliche Überzeugungsbildung wird die Richtigkeit einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts erst dann in Frage gestellt, wenn gute Gründe dafür aufgezeigt werden, dass die Überzeugungsbildung mangelhaft ist. Die bloße Möglichkeit einer anderen Bewertung des Ergebnisses einer Beweisaufnahme genügt dagegen zur Begründung ernstlicher Zweifel nicht. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 15 K 17.00169 2017-06-27 Ent VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage gegen sicherheitsrechtliche Anordnungen zur Hundehaltung auf der Grundlage von Art. 18 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 LStVG weiter.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich nicht die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Der Kläger hat keinen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt (BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16; BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11).
Der Kläger wendet sich zur Begründung seines Antrags auf Zulassung der Berufung allein dagegen, dass das Verwaltungsgericht bezüglich seiner Einschätzung, dass einer der drei Hunde des Klägers die Katze der Geschädigten totgebissen habe, „lediglich die Schilderung der Geschädigten zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht“ und den klägerischen Vortrag nur unzureichend berücksichtigt habe. Sein Vorbringen, die Katze könne auch von einem anderen Tier, etwa einem Fuchs, getötet worden sein, sei „vom Tisch gewischt“ worden.
Damit werden die Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht substantiiert in Frage gestellt.
Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es gehört danach zur Aufgabe des Tatsachengerichts, sich auf der Grundlage des Gesamtergebnisses des Verfahrens im Wege einer freien Beweiswürdigung seine Überzeugung von dem entscheidungserheblichen Sachverhalt zu bilden. Wie es seine Überzeugung bildet, wie es also die ihm vorliegenden Tatsachen und Beweise würdigt, unterliegt seiner Freiheit. Die Einhaltung der daraus entstehenden verfahrensrechtlichen Verpflichtungen ist nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein Beteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigen oder aus ihm andere Schlüsse ziehen will als das Gericht. Die Freiheit des Gerichts ist nur dann überschritten, wenn es entweder seiner Sachverhalts- und Beweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zu Grunde legt, sondern nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen. Mit Einwänden gegen die freie, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnene richterliche Überzeugung wird die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts dementsprechend erst dann in Frage gestellt, wenn gute Gründe dafür aufgezeigt werden, dass die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Überzeugungsbildung mangelhaft ist, etwa weil das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung mit Blick auf eine entscheidungserhebliche Tatsache von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist oder die Beweiswürdigung gedankliche Lücken oder Ungereimtheiten aufweist. Letzteres ist insbesondere bei einer Verletzung von gesetzlichen Beweisregeln, Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen, bei aktenwidrig angenommenem Sachverhalt oder offensichtlich sachwidriger und damit willkürlicher Beweiswürdigung anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer anderen Bewertung des Ergebnisses einer Beweisaufnahme genügt dagegen zur Begründung ernstlicher Zweifel nicht (vgl. VGH BW, B.v. 12.7.2012 – 2 S 1265/12 – juris Rn. 3, m.w.N.)
Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger nichts dargelegt, was die Tatsachenfeststellungen und die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts als ernstlich zweifelhaft erscheinen lassen würde. Es genügt nicht, die Richtigkeit einer Tatsachenfeststellung nur in Abrede zu stellen oder das Gegenteil zu behaupten; vielmehr muss sie mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (ThürOVG, B.v. 22.2.2011 – 4 L 207/10 – juris Rn. 8). Der Kläger wiederholt letztlich nur seinen erstinstanzlichen Vortrag, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass auch ein anderes Tier, etwa ein Fuchs, die Katze getötet haben könnte. Diesen Vortag hat das Verwaltungsgericht in seinem Urteil bereits eingehend gewürdigt (UA S. 7-8). Es hat dabei unter anderem darauf abgestellt, dass die Geschädigte angegeben hatte, sie habe die drei Hunde des Klägers noch weglaufen sehen, als sie ihre totgebissene Katze aufgefunden habe. Der Kläger hatte dagegen immer vorgetragen – entgegen seiner Behauptung, die Hunde immer unter Kontrolle gehabt zu haben -, dass er nicht gesehen habe, was diese zu dieser Zeit an diesem Ort getrieben haben. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass zu diesem Zeitpunkt am Ort des Geschehens – einem Innenhof eines U-förmig angeordneten Gebäudekomplexes – ein Fuchs oder, wie vom Kläger im Verwaltungsverfahren ebenfalls genannt, ein Wolf oder ein anderes vergleichbar großes Tier anwesend gewesen sein und die Katze getötet haben könnte. Es hat somit den Vortrag des Klägers keineswegs lediglich „vom Tisch gewischt“. Der Kläger hat damit irgendwelche gedanklichen Lücken oder Verstöße gegen die Denkgesetze ebenso wenig aufgezeigt wie etwa eine sachwidrige oder willkürliche Sachverhaltswürdigung.
Die Kostenentscheidung folgt nach alledem aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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