Verwaltungsrecht

Umstellung der erledigten Leistungsklage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage wegen unterbliebener Beförderung

Aktenzeichen  M 5 K 15.345

Datum:
10.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG BayBG Art. 64 Nr. 2
VwGO VwGO § 113 Abs. 1 S. 4 (analog)
BGB BGB § 839 Abs. 3

 

Leitsatz

1 Vor der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen unterbliebener oder angeblich verspäteter Beförderung muss der Beamte Primärrechtschutz in Anspruch nehmen, dh alle förmlichen und formlosen Rechtsbehelfe ausschöpfen, die sich gegen die schädigende Amtshandlung oder Unterlassung richten und ihrer Beseitigung oder Berichtigung dienen. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Feststellung der Rechtwidrigkeit einer dienstlichen Beurteilung führt nicht zu einem konkret zu beziffernden Schadensersatzanspruch, da es dafür an der gerichtlich erforderlichen aber aufgrund des dem Dienstherrn bei der Beurteilung eingeräumten Beurteilungsspielraums nicht zulässigen Feststellung fehlt, dass die Beurteilung mit einem bestimmten Punktwert enden müsse. (redaktioneller Leitsatz)
3 Aus dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie wird ein Feststellungsinteresse verneint, wenn sich die dienstliche Beurteilung nicht mehr auf das Fortkommen des Beamten auswirken kann. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist abzuweisen. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist unzulässig.
1. Spätestens mit der Ruhestandsversetzung des Klägers auf Antrag (Art. 64 Nr. 2 des Bayerischen Beamtengesetzes/BayBG) mit Wirkung zum 1. Januar 2017 hat die ursprünglich erhobene Leistungsklage auf Aufhebung der streitgegenständlichen Beurteilung vom 18. Dezember 2014 für den Zeitraum 1. Juni 2008 bis 31. Mai 2012 ihre Erledigung gefunden (BVerwG, U.v. 11.2.1982 – 2 C 33/79 – ZBR 1983, 205, juris Rn. 19).
Die als Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführte Klage ist jedoch unzulässig, denn es fehlt ein besonderes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der dienstlichen Beurteilung (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 113 Rn. 83 ff.). Dabei geht das Gericht davon aus, dass auch eine erledigte Leistungsklage in Form einer Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführt werden kann (Schmidt in Ey-ermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 113 Rn. 106). Eine Wiederholungsgefahr oder eine fortdauernde grundrechtsrelevante Beeinträchtigung durch die streitgegenständliche dienstliche Beurteilung ist nicht ersichtlich und wird auch von der Klagepartei nicht geltend gemacht. Auch die von Klägerseite geltend gemachte Absicht, eine Schadensersatzklage wegen zu Unrecht verspäteter Beförderung zu erheben, kann kein anzuerkennendes besonderes Fortsetzungsfestellungsinteresse begründen. Dazu macht die Klagepartei geltend, dass der Kläger durch die rechtswidrige streitgegenständliche Beurteilung mit 10 Punkten von einer aufgrund der maßgeblichen Ranglisten für den 1. Januar 2014 (bei einem Gesamtergebnis von mindestens 11 Punkten) zu erfolgenden Beförderung ausgeschlossen gewesen sei. Tatsächlich sei er wegen des erreichten Beurteilungswertes von 10 Punkten erst zum 1. Mai 2014 befördert worden.
Unter dem Gesichtspunkt der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs besteht dann kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse, wenn die beabsichtigte Schadensersatzklage offenbar aussichtslos ist (BVerwG, B.v. 16.1.2017 – 7 B 1/16 – juris Rn. 31; U.v. 11.2.1982 – 2 C 33/79 – ZBR 1983, 205, juris Rn. 20 ff.). Das ist hier der Fall. Denn der Kläger hat es unterlassen, gegen die nicht erfolgte Beförderung zum 1. Januar 2014 Primärrechtsschutz zu erlangen. Vor der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen unterbliebener oder angeblich verspäteter Beförderung hat der Beamte alle förmlichen und formlosen Rechtsbehelfe auszuschöpfen, die sich gegen die schädigende Amtshandlung oder Unterlassung richten und ihrer Beseitigung oder Berichtigung dienen. Das folgt aus dem Rechtsgedanken des § 839 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches/BGB (vgl. OVG NW, B.v. 17.2.2017, 1 A 3020/15, juris Rn. 9 ff.; BayVGH, U.v. 29.4.1996 – 11 B 94.2638 – BayVBl 1996, 599).
Dem Kläger waren die Kriterien (Ranglisten) bekannt, die für eine Beförderung zu bestimmten Stichtagen ausschlaggebend waren. Der Beklagte hat auch dargelegt, dass dem Beamten die beabsichtigten Beförderungen durch Bekanntgabe im AIS in anonymisierter Form verfügbar waren. Darin liegt eine Konkurrentenmitteilung, da der nicht beförderte Beamte in die Lage versetzt wird, diese Negativmitteilung zum Anlass zu nehmen, die genauen Daten der zu befördernden Kollegen und die hierfür ausschlaggebenden Gründe beim Dienstherrn zu erfragen. Bei dieser Sachlage muss der Beförderungsbewerber gegen die seines Erachtens zu Unrecht unterbliebene Beförderungsentscheidung Primärrechtsschutz in Anspruch nehmen, bevor ein Schadensersatzanspruch geltend gemacht wird. Der bloße Antrag auf Beförderung reicht nicht aus, da damit keine Korrektur einer für rechtswidrig erachteten Entscheidung bzw. Unterlassung geltend gemacht wird. Das gilt auch für den gerichtlichen Eilrechtsschutz, den der Kläger bereits im Januar 2013 in Anspruch genommen hat (M 5 E 13.300). Dieser Antrag lag erheblich vor dem Beförderungsdatum 1. Januar 2014, das der Beamte für die vorliegende Fortsetzungsfeststellungsklage als maßgeblich angibt. Auf eine unterbliebene Beförderungsentscheidung zum diesem Zeitpunkt kann sich ein mehrere Monate zuvor eingeleitetes und abgeschlossenes Rechtsschutzverfahren nicht beziehen.
Schließlich folgt aus der erstrebten Feststellung der Rechtswidrigkeit der dienstlichen Beurteilung nicht ein für eine unterlassene Beförderung kausaler Pflichtenverstoß des Dienstherrn gegenüber dem Beamten. Dienstliche Beurteilung und Beförderungsentscheidung sind voneinander zu trennen. Die Beförderungsentscheidung ist dem Prinzip der Bestenauslese entsprechend außerhalb des Beurteilungsverfahrens zu treffen; rechtsfehlerfreie erstellte dienstliche Beurteilungen und das darin festgehaltene Leistungs- und Befähigungsbild des einzelnen Beamten dienen ihr als Grundlage (OVG NW, U.v. 20.11.2013 – 6 A 1673/11 – ZBR 2014, 139, juris Rn. 52). Da die Beförderung im vorliegenden Fall gestaffelt nach der Endpunktzahl der dienstlichen Beurteilungen erfolgt, fehlt selbst im Fall einer Feststellung der Rechtwidrigkeit einer dienstlichen Beurteilung die für einen konkret zu beziffernden Schadensersatzanspruch erforderliche Feststellung, dass die Beurteilung mit einem bestimmten Punktwert enden müsse. Eine solche Festlegung ist dem Gericht angesichts des dem Dienstherrn bei der Beurteilung eingeräumten Beurteilungsspielraums ausdrücklich untersagt (BVerwG, U.v. 13.5.1965 – 2 C 146.62 – BVerwGE 21, 127/129; U.v. 26.6.1980 – 2 C 8/78 – BVerwGE 60, 245 ständige Rechtsprechung).
Es sei auch darauf hingewiesen, dass für die vorliegende Konstellation vertreten wird, dass aus dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie kein Feststellungsinteresse folgt. Diese Ansicht nimmt eine Erledigung der Klage auf Abänderung der dienstlichen Beurteilung durch Beförderung an, wenn sich die dienstliche Beurteilung im konkreten Fall nicht mehr auf das Fortkommen des Beamten auswirken kann (so: OVG Saarland, B.v. 9.12.1991 – 1 R 10/91 – NVwZ 1993, 45, juris Rn. 19). Dafür spricht, dass der Kläger durch zwischenzeitlichen Eintritt in den Ruhestand nicht mehr befördert werden kann, sich die periodische Beurteilung vom 18. Dezember 2014 nach der Beförderung mit Wirkung zum 1. Mai 2014 auf keinen Fall mehr auf das berufliche Fortkommen des Klägers auswirken kann. Damit hat sich die Klage gegen die dienstliche Beurteilung vor Klageerhebung (26.1.2015) durch Beförderung (1.5.2014) erledigt. In einem solchen Fall mache es aber keinen Sinn, als Vorfrage einer Pflichtverletzung gegenüber dem Beamten eine mögliche Rechtswidrigkeit einer dienstlichen Beurteilung in einem ersten Prozess zu klären und dann erst in einem weiteren Prozess über das Schadensersatzbegehren zu befinden (so: OVG Saarland, B.v. 9.12.1991 – 1 R 10/91 – NVwZ 1993, 45, juris Rn. 26).
2. Die Klage ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichts-ordnung/VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung/ZPO.


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