Verwaltungsrecht

Unbegründete Beschwerde – Kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis

Aktenzeichen  10 CE 15.2802, 10 C 15.2804

Datum:
25.2.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 43622
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 146 Abs. 4 S. 6
FreizügG/EU § 2, § 3, § 4

 

Leitsatz

Die zur Begründung der Beschwerde dargelegten Gründe, auf die der VGH nach § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO seine Prüfung zu beschränken hat, rechtfertigen nicht die Abänderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Sie begründen kein Recht auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet (§ 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5 FreizügG/EU iVm § 4 FreizügG/EU) bzw. kein Aufenthaltsrecht als Familienangehöriger eines Unionsbürgers (§ 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 6 FreizügG/EU iVm §§ 3, 4 FreizügG/EU). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 4 E 15.5565 2015-12-22 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Die Verfahren 10 CE 15.2802 und 10 C 15.2804 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II.
Dem Antragsteller wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Frist für die Begründung der Beschwerde im Verfahren 10 CE 15.2802 gewährt.
III.
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
IV.
Der Antragsteller trägt die Kosten der Beschwerdeverfahren.
V.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren 10 CE 15.2802 wird auf 1.250,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wurde am 26. September 2015 in der Bundesrepublik geboren. Seine Mutter (geb. 27.7.1999) ist peruanische Staatsangehörige, deren Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. Februar 2014 abgelehnt worden ist.
Mit notarieller Urkunde vom 21. Oktober 2015 erkannte ein unverheirateter spanischer Staatsangehöriger, geboren am 4. Dezember 1999, die Vaterschaft für den Antragsteller an und übernahm zusammen mit der Mutter des Antragstellers, der Antragstellerin zu 2 im Verfahren 10 CE 15.2762, gemeinsam die elterliche Sorge.
Mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2015 beantragte der Antragsteller, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, seinen Aufenthalt nicht zu beenden, ihm eine Duldung zu erteilen und ihm für dieses Verfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Er berief sich darauf, dass er die spanische Staatsangehörigkeit besitze.
Nach Auskunft der Antragsgegnerin besitzt der Antragsteller derzeit ausschließlich die peruanische Staatsangehörigkeit. Ein gültiges Reisedokument besitze er noch nicht.
Der Vater des Antragstellers lebt mit seiner Mutter in einem Frauenhaus. Nach Auskunft der Antragsgegnerin gehen der Vater des Antragstellers und dessen Mutter keiner Erwerbstätigkeit nach. Der Aufenthalt in der Mutter-Kind-Einrichtung werde durch die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bezahlt.
Mit Beschluss vom 22. Dezember 2015 lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht München den Eilantrag auf (vorläufige) Erteilung einer Duldung ab. Der Antragsteller habe kein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 1, 2 und § 4 FreizügG/EU. Es sei schon nicht glaubhaft gemacht worden, dass er spanischer Staatsangehöriger und damit Unionsbürger sei. Zudem verfüge der Antragsteller nicht über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel. Der Antragsteller habe auch kein abgeleitetes Aufenthaltsrecht als Familienangehöriger nach § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 6, § 3 und 4 FreizügG/EU, weil nicht glaubhaft gemacht sei, dass sein Vater selbst freizügigkeitsberechtigt sei. Er sei weder Arbeitnehmer noch halte er sich zur Berufsausbildung im Bundesgebiet auf noch verfüge er über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel. Ebenfalls mit Beschluss vom 22. Dezember 2015 lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht München auch den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren nach § 123 VwGO unter Verweis auf den Beschluss im Eilverfahren vom selben Tage ab.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seinen Beschwerden.
Bis zum Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist im Verfahren 10 CE 15.2808 ist eine Begründung der Beschwerde beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof nicht eingegangen. Nachdem der Senat den Bevollmächtigten des Antragstellers auf die Fristversäumnis hingewiesen hatte, beantragte dieser Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter Hinweis darauf, dass er den Schriftsatz zur Begründung der Beschwerde am 18. Januar 2016 zur Post gegeben habe.
Der Antragsteller bringt im Schriftsatz vom 18. Januar 2016, der zusammen mit dem Wiedereinsetzungsantrag vom 4. Februar 2016 vorgelegt worden ist, vor, dass sein Vater und dessen Mutter freizügigkeitsberechtigt seien. Dies habe die Mutter dem Bevollmächtigten versichert. Sie sei arbeitssuchend und nehme über die Agentur für Arbeit an einer Umschulungsmaßnahme teil. Der Antragsteller sei nicht im Besitz der peruanischen Staatsangehörigkeit. Beim Spanischen Konsulat in München sei am 19. Januar 2016 bestätigt worden, dass der Antragsteller spanischer Staatsangehöriger sei. Er sei bisher über seine Großmutter mütterlicherseits (die Antragstellerin zu 1 im Verfahren 10 CE 15.2762) krankenversichert gewesen. Nur weil die Antragsgegnerin deren Erwerbstätigkeit nicht mehr erlaube, sei der Krankenversicherungsschutz weggefallen. Sobald die Erwerbstätigkeit wieder erlaubt sein werde, werde die Großmutter für den Antragsteller und dessen Mutter sorgen können. Der Antragsteller könne auch nicht nach Spanien ausreisen, da sich sein Vater in der Bundesrepublik aufhalte.
Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten auch im Verfahren 10 CE 15.2762 verwiesen.
II.
Die Beschwerde im Verfahren 10 CE 15.2802 ist zulässig (1.), bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Die zur Begründung der Beschwerde dargelegten Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO seine Prüfung zu beschränken hat, rechtfertigen nicht die Abänderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung (2.). Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet somit im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats keine hinreichenden Erfolgsaussichten, so dass auch die Beschwerde bezüglich des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (10 C 15.2804) abzulehnen war (3.).
1. Die Beschwerde gegen den ablehnenden Beschluss im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist zulässig, weil dem Antragsteller Wiedereinsetzung nach § 60 Abs. 1 VwGO in die Beschwerdebegründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO zu gewähren ist. Nach dieser Vorschrift ist die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts vom 22. Dezember 2015 ist dem Bevollmächtigten des Antragstellers laut Empfangsbekenntnis am 28. Dezember 2015 zugestellt worden. Bis zum Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist am 28. Januar 2016 ist eine Begründung der Beschwerde beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof nicht eingegangen. Mit Schreiben vom 4. Februar 2016 hat der Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und vorgetragen, dass er den Beschwerdebegründungsschriftsatz vom 18. Januar 2016 zusammen mit dem Schriftsatz vom gleichen Tag im Parallelverfahren 10 CE 15.2762 in getrennten DIN A4-Umschlägen in den Postkasten eingeworfen habe.
Mit diesem Vorbringen hat der Bevollmächtigte des Antragstellers glaubhaft gemacht, dass der Antragsteller unverschuldet an der Einhaltung der Beschwerdebegründungsfrist verhindert war. Grundsätzlich sind den Beteiligten Mängel der postalischen Beförderung nicht zuzurechnen, wenn die Sendung den postalischen Bestimmungen entsprechend, also richtig frankiert und adressiert, rechtzeitig so zur Post gegeben wird, dass sie bei störungsfreiem Betriebsablauf den Empfänger fristgerecht erreichen müsste. Verzögerungen und Verluste bei der Postzustellung können den Betroffenen grundsätzlich nicht als Verschulden zugerechnet werden (Czybulka in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl. 2014, § 60 Rn. 63). Die vom Bevollmächtigten des Antragstellers glaubhaft gemachte Aufgabe zur Post am 18. Januar 2016 bei einem Ablauf der Beschwerdefrist am 28. Januar 2016 ist somit rechtzeitig. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Bevollmächtigte des Antragstellers das Schreiben vom 18. Januar 2016 nicht am 18. Januar 2016 in den Briefkasten eingeworfen hat, bestehen nicht. Zwar ist der Schriftsatz vom 18. Januar 2016 im Verfahren 10 CE 15.2762 am 19. Januar 2016 nicht in einem DIN A4-, sondern in einem DIN A5-Umschlag beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingegangen. Der Nachweis, dass der Bevollmächtigte des Antragstellers den Schriftsatz vom 18. Januar 2016 entgegen seiner anwaltlichen Versicherung nicht tatsächlich am 18. Januar 2016 in den Briefkasten eingeworfen hat, ist dadurch aber nicht zu führen.
2. Die Beschwerde des Antragstellers im Verfahren 10 CE 15.2802 ist jedoch auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens im Schriftsatz vom 18. Januar 2016 unbegründet.
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller einen Anordnungsanspruch im Sinne des § 123 Abs. 1 VwGO nicht hinreichend glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Der Antragsteller hat zunächst nicht glaubhaft gemacht, dass er ein Recht auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 2 Abs. 1 und § 2 Abs. 2 Nr. 5 i. V. m. § 4 FreizügG/EU hat. Dies hätte zur Voraussetzung, dass er Unionsbürger ist und über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügt. Nach Auskunft der Antragsgegnerin ist der Antragsteller derzeit ausschließlich mit der peruanischen Staatsangehörigkeit, die er von der Mutter ableitet, in München gemeldet. Wenn der Bevollmächtigte des Antragstellers im Schriftsatz vom 18. Januar 2016 anwaltlich versichert, dass am 19. Januar 2016 beim Spanischen Konsulat in München bestätigt worden sei, der Antragsteller sei spanischer Staatsangehöriger, reicht dies ersichtlich für eine Glaubhaftmachung der spanischen Staatsangehörigkeit des Antragstellers nicht aus. Weiterhin ist nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragsteller gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 5 FreizügG i. V. m. § 4 FreizügG/EU über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügt. Einen Nachweis dafür, dass er Unterhaltsleistungen von Familienangehörigen oder Dritten erhält, liegt ebenfalls nicht vor.
Ebenso hat das Erstgericht zu Recht angenommen, dass der Antragsteller auch kein Aufenthaltsrecht als Familienangehöriger eines Unionsbürgers nach § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 6, §§ 3, 4 FreizügG/EU hat. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass bereits nicht hinreichend glaubhaft gemacht ist, dass der Vater des Antragstellers selbst freizügigkeitsberechtigt ist. Hierfür wäre erforderlich, dass er sich selbst als Arbeitnehmer oder zur Berufsausbildung im Bundesgebiet aufhält oder über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügt (§ 2 Abs. 2 Nr. 1, § 2 Abs. 2 Nr. 5 i. V. m. § 4 FreizügG/EU). Die anwaltschaftliche Versicherung des Bevollmächtigten des Antragstellers, wonach dessen Vater und die Mutter des Vaters freizügigkeitsberechtigt seien, reicht nicht aus, um die Voraussetzung für ein Recht auf Einreise und Aufenthalt des Antragstellers als Familienangehöriger eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers glaubhaft zu machen. Für die Behauptung, dass die Mutter des Vaters des Antragstellers arbeitssuchend sei und über die Agentur für Arbeit an einer Umschulungsmaßnahme teilnehme, wurden vom Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren keine den Anforderungen des § 920 Abs. 2 ZPO genügenden Nachweise vorgelegt.
Die sonstigen Ausführungen in der Beschwerdebegründung vom 18. Januar 2016 betreffen ausschließlich ein etwaiges vom Antragsteller abgeleitetes Aufenthaltsrecht der Antragstellerinnen im Verfahren 10 CE 15.2762, legen aber keine Gründe dar, aus denen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zum unionsrechtlichen Aufenthaltsrecht des Antragstellers abzuändern oder aufzuheben wäre, und setzen sich zudem nicht mit der angefochtenen Entscheidung auseinander.
3. Die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf Erteilung einer Duldung bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 und § 121 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Rechtsverfolgung des Antragstellers bietet im maßgeblichen Zeitpunkt aus den oben genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Abzustellen ist insoweit ausnahmsweise auf die Entscheidung des Senats im Beschwerdeverfahren, weil der Antragsteller im Prozesskostenhilfeverfahren entgegen § 117 Abs. 2 i. V. m. § 117 Abs. 4 ZPO eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege nicht vorgelegt hat.
Die Kostenentscheidung für die Beschwerdeentscheidungen folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung für das Verfahren 10 CE 15.2802 ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 2 GKG.
Eine Streitwertfestsetzung für das Prozesskostenhilfeverfahren ist entbehrlich, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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