Verwaltungsrecht

Unbegründeter Änderungsantrag mangels veränderten oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachten Umständen

Aktenzeichen  M 17 S7 16.30987

Datum:
6.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
VwGO VwGO § 80 Abs. 7

 

Leitsatz

Das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO darf nicht als Rechtsmittelverfahren zu einer vorhergehenden Entscheidung verstanden werden. Es dient allein der Möglichkeit, einer nachträglichen Änderung der Sach- und Rechtslage Rechnung zu tragen.    (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller, dessen Mutter kosovarische Staatsangehörige ist, wurde am …. Juli 2015 in der Bundesrepublik Deutschland geboren. Eine Stellungnahme der gesetzlichen Vertreter des Antragstellers zu eigenen Asylgründen des Antragstellers erging trotz Aufforderung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) nicht. Der Asyl(folge)Antrag seiner Mutter war mit Bescheid vom 11. April 2014 abgelehnt worden, die hiergegen erhobene Klage hatte das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 13. August 2015 abgewiesen (M 17 K 14.31187). Auch der Asylantrag des Vaters war als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden.
Mit Bescheid vom 23. März 2016, per Einschreiben am 24. März 2016 zur Post gegeben, lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und auf Asylanerkennung (Nr. 2) als offensichtlich unbegründet ab, lehnte den Antrag auf subsidiären Schutz ab (Nr. 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde ihm die Abschiebung in den Kosovo oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Zudem wurde das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 des Aufenthaltsgesetzes angeordnet und auf zehn Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 6) sowie das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 7).
Zur Begründung führte das Bundesamt insbesondere aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigter offensichtlich nicht vorlägen. Eine konkret drohende individuelle und begründete Furcht vor Verfolgung sei nicht geltend gemacht worden. Auch aus dem Sachvortrag der Eltern in deren Verfahren seien weder flüchtlingsrelevante Verfolgungshandlungen noch flüchtlingsrelevante Anknüpfungsmerkmals ersichtlich. Die Zuerkennung subsidiären Schutzes sei abzulehnen, da dem Antragsteller kein konkreter und individueller ernsthafter Schaden drohe. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Wohnraum, wenn auch mitunter auf niedrigem Standard, stehe ausreichend zur Verfügung. Rückkehrer könnten zudem die Unterstützungen der in jeder Gemeinde eingerichteten Büros für Gemeinschaften und Rückkehrer (MOCR) in Anspruch nehmen und bedürftige Personen erhielten Unterstützung in Form von Sozialhilfe. Eine allgemein schwierige soziale und wirtschaftliche Lage begründe kein Abschiebungsverbot, sie müsse und könne vom Antragsteller ebenso wie von vielen seiner Landsleute gegebenenfalls unter Aufbietung entsprechender Aktivitäten bewältigt werden. Eine Rückkehr sei für den Antragsteller insofern zumutbar. Diesem drohe auch keine individuelle Gefahr für Leib und Leben.
Gegen die Nrn. 3 bis 7 des Bescheids erhoben die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers mit Schriftsatz vom 6. April 2016, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangen am selben Tag, Klage (M 17 K 16.30703) und beantragten gleichzeitig, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Nr. 5 des Bescheids vom 23. März 2016 nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen (M 17 S 16.30704).
Letzterer Antrag wurde mit Beschluss vom 12. April 2016 abgelehnt.
Zudem erließ das Gericht nach Anhörung der Klägerseite am 25. April 2016 einen Gerichtsbescheid, in dem die Klage als offensichtlich unbegründet abgewiesen wurde. Mit Schriftsatz vom 2. Mai 2016, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangen am selben Tag, beantragten die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Durchführung der mündlichen Verhandlung. Zudem beantragten sie, den im Verfahren M 17 S 16.30704 ergangenen Beschluss des Gerichts vom 12. April 2016 abzuändern und auf den Antrag des Antragstellers die aufschiebende Wirkung seiner Klage – M 17 K 16.30703 – gegen die Abschiebungsandrohung in Nr. 5 des Bescheids vom 23. März 2016 anzuordnen.
Sie führten insbesondere aus, dass der Antragsteller wie sein Vater albanischer Staatsangehöriger sei. Dies ergebe sich aus den einschlägigen Staatsangehörigkeitsgesetzen der Länder Kosovo und Albanien. Die Mutter sei zwar Staatsangehörige des Kosovo, das Kind erwerbe in derartigen Fällen aber nur dann die kosovarische Staatsangehörigkeit, wenn dies beide Elternteile schriftlich erklärten, was hier nicht erfolgt sei. Damit erweise sich die Zielstaatsbezeichnung „Kosovo“ in Nr. 5 des angegriffenen Bescheids als ermessensfehlerhaft und daher rechtswidrig. Ferner sei der Mutter des Antragstellers telefonisch mitgeteilt worden, dass deren Vater den Antragsteller als uneheliches Kind von einem albanischen Vater in seiner Familie unter keinen Umständen dulde. Die Mutter des Antragstellers habe es nicht in ihrer Entscheidungsbefugnis, mit wem sie eine Familie gründe, da es der Familientradition entspräche, die Planung der Familie den Familienoberhäuptern zu überlassen. Der Antragsteller befürchte, durch seinen Großvater getötet zu werden, da er einen Schandfleck der Familie darstelle.
Die Antragsgegnerin stellte keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und in den Verfahren M 17 K 16.30703 und M 17 S 16.30704 sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
1. Nach § 80 Abs. 7 Sätze 1 und 2 VwGO kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO jederzeit ändern oder aufheben; jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
Das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO darf nicht als Rechtsmittelverfahren zu einer vorhergehenden Entscheidung verstanden werden. Es dient allein der Möglichkeit, einer nachträglichen Änderung der Sach- und Rechtslage Rechnung zu tragen. Prüfungsmaßstab für die Entscheidung ist daher allein, ob nach der jetzigen Sach- und Rechtslage die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.8.2008 – 2 VR 1/08 – juris; VGH BW, B.v. 16.12.2001 – 13 S 1824/01 – juris; OVG NRW, B.v. 7.2.2012 – 18 B 14/12 – juris). Dasselbe gilt bei einer Veränderung der Prozesslage, etwa aufgrund neuer Erkenntnisse. Darüber hinaus müssen die geänderten Umstände geeignet sein, eine andere Entscheidung herbeizuführen (vgl. VG Augsburg, B.v. 30.9.2013 – Au 5 S 13.30305 – juris, Rn. 10; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 80 Rn. 202 ff. m. w. N.).
2. Hier liegen bereits keine veränderten oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachten Umstände im Sinne von § 80 Abs. 7 VwGO vor. Dass der Antragsteller aufgrund der Staatsangehörigkeit seines Vaters albanischer Staatsangehöriger sei, hätte bereits im ersten Eilverfahren geltend gemacht werden können. Gleiches gilt für die behauptete Bedrohung durch seinen Großvater mütterlicherseits.
Im Übrigen ist das Vorbringen der Antragstellerseite aber auch nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 23. März 2016 in Zweifel zu ziehen und eine Änderung des Gerichtsbeschlusses vom 12. April 2016 zu rechtfertigen:
2.1 Soweit geltend gemacht wird, dass der Antragsteller albanischer Staatsangehöriger sei, kann dies nicht zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Nr. 5 des streitgegenständlichen Bescheids führen.
a) Zum einen ändert eine etwaige albanische Staatsangehörigkeit nichts daran, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und für Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG hier nicht vorliegen.
b) Zum anderen ist zwar im Rahmen der Abschiebungsandrohung vorrangig der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Antragsteller besitzt, als Zielstaat anzugeben, nach der Rechtsprechung ist es aber für die rechtliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung grundsätzlich unerheblich, ob der Antragsteller die Staatsangehörigkeit des Zielstaates tatsächlich besitzt (vgl. Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, zum vergleichbaren § 34 AsylVfG Rn. 25f. m. w. N.). Ob eine Abschiebung in den Kosovo später tatsächlich durchgeführt werden kann oder nicht, ist dagegen eine Frage der Vollstreckung des Bescheids vom 23. März 2016. Im Übrigen wurde dem Antragsteller die Abschiebung nicht nur in den Kosovo, sondern auch „in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist“, angedroht.
c) Nicht zuletzt ist auch zu berücksichtigen, dass hier nicht auszuschließen ist, dass der Antragsteller Staatsangehöriger des Kosovo ist bzw. wird, da die Antragstellerseite selbst angegeben hat, dass die kosovarische Staatsangehörigkeit erworben wird, wenn sich beide Elternteile damit schriftlich einverstanden erklären.
2.2 Eine die Abänderung des Gerichtsbeschlusses vom 12. April 2016 rechtfertigende Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Antragstellerseite, der Großvater würde den unehelichen Antragsteller bei einer Rückkehr töten. Abgesehen davon, dass dieses Vorbringen sehr pauschal und unsubstantiiert ist, hätte der Kläger bzw. seine Mutter bei einer Rückkehr die Möglichkeit, die Hilfe staatlicher Stellen in Anspruch zu nehmen bzw. sich in einem anderen Landesteil niederzulassen (vgl. z. B. VG Aachen, B.v. 18.7.2014 – 9 L 424/14.A – juris Rn. 10; VG Gelsenkirchen, U.v. 30.5.2012 – 7a K 646/12.A – juris Rn. 20; VG Würzburg, B.v. 29.11.2010 – W 1 S 10.30287 – juris Rn. 20).
Der (gerichtskostenfreie, § 83b AsylG) Antrag gemäß § 80 Abs. 7 VwGO war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.


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