Verwaltungsrecht

Unbegründeter Berufungszulassungsantrag eines Asylbewerbers aus Sierra Leone

Aktenzeichen  9 ZB 19.32770

Datum:
8.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 19840
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3

 

Leitsatz

1 Mit dem Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe die Darlegungen des Asylbewerbers zur Homosexualität ohne Prüfung des persönlichen Schicksals und der persönlichen Umstände des Betroffenen nicht geglaubt, wird keine Frage aufgeworfen, die auf ihre grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit und Entscheidungserheblichkeit untersucht werden könnte. (Rn. 4) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Nach der aktuellen Auskunftslage ist Homosexualität in Sierra Leone “nicht unter Strafe gestellt” bzw. wird ein formal noch bestehendes Gesetz aus der britischen Kolonialzeit (“Offences against the Person Act”, Abschnitt 61) nicht angewandt. (Rn. 5) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Es ist ausschließlich Sache des Tatrichters, sich selbst die nach § 108 Abs. 1 S. 1 VwGO notwendige Überzeugungsgewissheit von der Wahrheit des Parteivortrags zu verschaffen (vgl. VGH München BeckRS 2019, 6050). (Rn. 6) (red. LS Clemens Kurzidem)

Verfahrensgang

RN 14 K 17.35248 2019-06-12 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 26.2.2019 – 9 ZB 19.30057 – juris Rn. 2 m.w.N.). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
Der Kläger hat mit seinem Vorbringen, dass es grundsätzliche Bedeutung habe, dass das Verwaltungsgericht seine Darlegungen zu seiner Homosexualität ohne Prüfung des persönlichen Schicksals und der persönlichen Umstände einfach nicht glaube, schon keine Frage formuliert, die auf ihre grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit und Entscheidungserheblichkeit untersucht werden könnte. Vielmehr kritisiert er unter Darstellung des aus seiner Sicht zugrunde zulegenden Sachverhalts und seiner Rechtsauffassungen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts als zu Unrecht ergangen. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind nach § 78 Abs. 3 AsylG aber kein Grund für die Zulassung der Berufung (vgl. BayVGH, B.v. 3.6.2019 – 9 ZB 19.31601 – juris Rn. 4).
Selbst wenn man aus dem klägerischen Vorbringen zu den Anforderungen des Verwaltungsgerichts an die Glaubhaftmachung von Homosexualität beim Kläger grundsätzliche Fragestellungen ableiten könnte, würde es an deren Entscheidungserheblichkeit fehlen. Dem erstinstanzlichen Urteil (s. UA S. 6 f.) ist zu entnehmen, dass das Verwaltungsgericht schon deshalb nicht die Überzeugung von der drohenden Verfolgung des Klägers in Sierra Leone wegen Homosexualität gewinnen konnte, weil Homosexualität nach der Auskunftslage in Sierra Leone „nicht unter Strafe gestellt“ bzw. hinsichtlich eines formal noch bestehenden Gesetzes aus der britischen Kolonialzeit („Offences against the Person Act“, Abschnitt 61) davon auszugehen sei, dass dieses nicht angewendet werde. Das Verwaltungsgericht habe auch keine Erkenntnisse dazu, dass der Staat nicht schutzfähig und schutzwillig in Bezug auf nichtstaatliche Akteure sei. Zudem lägen die Voraussetzungen des § 3e AsylG vor. Auf die Frage, ob der Kläger als homosexuell anzusehen ist, wovon das Verwaltungsgericht nach seinen weiteren Ausführungen allerdings auch nicht überzeugt war, kam es folglich nicht an.
Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs geklärt, dass es ausschließlich Sache des Tatrichters ist, sich selbst die nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO notwendige Überzeugungsgewissheit von der Wahrheit des Parteivortrags zu verschaffen (vgl. BVerwG, B.v. 22.2.2005 – 1 B 10.05 – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 12.3.2019 – 9 ZB 17.30411 – juris Rn. 6 m.w.N.). Auch in schwierigen Fällen ist der Tatrichter berechtigt und verpflichtet, den Beweiswert einer Aussage selbst zu würdigen. Die Tatsacheninstanzen haben in eigener Verantwortung festzustellen, ob der Asylbewerber und etwa gehörte Zeugen glaubwürdig und ihre Darlegungen glaubhaft sind (vgl. BVerwG, B.v. 18.7.2001 – 1 B 118.01 – juris Rn. 3). In welchem Umfang dabei eine Auseinandersetzung mit dem Tatsachenvortrag zu erfolgen hat und dieser zu prüfen ist, lässt sich nicht verallgemeinernd beantworten. Dies ist eine Frage des Einzelfalls (BayVGH, B.v. 2.7.2019 – 9 ZB 19.32080 – juris Rn. 5).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der nach § 80 AsylG unanfechtbaren Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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