Verwaltungsrecht

Unbegründeter Berufungszulassungsantrag eines malischen Asylbewerbers

Aktenzeichen  15 ZB 19.30608

Datum:
1.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 3437
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3, Abs. 4, § 83b
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
VwGO § 77 Abs. 2, § 84 Abs. 4, § 138 Nr. 3, § 154 Abs. 2
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Die Frage, ob “ein Abschiebungsverbot für den Kläger” vorliegt, ist in dieser Allgemeinheit von vornherein keiner grundsätzlichen Klärung iSv § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zugänglich, weil die Antwort hierauf von einer Vielzahl von Einzelumständen und Faktoren abhängig ist, ihr deshalb eine hinreichend konkrete Eingrenzung fehlt und sich in dieser Allgemeinheit in einem Berufungsverfahren in entscheidungserheblicher Weise nicht stellen würde (vgl. BayVGH BeckRS 2017, 133270). (Rn. 8) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Einem jungen, gesunden, arbeitsfähigen Mann, der vor seiner Ausreise in der Lage gewesen ist, seinen Lebenunterhalt in Mali zu erwirtschaften, kann zugemutet werden, sich im Fall seiner Rückkehr in sicheren Landesteilen Malis aufzuhalten und sich in seinem bisherigen Erwerbsfeld (als Bauhelfer) in der sich dynamisch entwickelnden Wirtschaft Malis sein Existenzminimum zu erwirtschaften. (Rn. 13) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Ein Verfahrensfehler in Form der Versagung rechtlichen Gehörs liegt nur vor, wenn das Gericht entscheidungserheblichen Vortrag der Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen bzw. bei seiner Entscheidung nicht erwogen hat (vgl. BVerwG BeckRS 9998, 50061) oder einen entsprechenden Vortrag dadurch vereitelt hat, dass es unter Verstoß gegen das Prozessrecht den Beteiligten die Möglichkeit zu weiterem Vortrag abgeschnitten hat und dieser übergangene bzw. vereitelte Vortrag nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des Gerichts entscheidungserheblich war (vgl. BayVGH BeckRS 2018, 26923). (Rn. 15) (red. LS Clemens Kurzidem)

Verfahrensgang

RN 13 K 17.34017 2019-01-08 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

I.
Der Kläger – ein nach eigenen Angaben malischer Staatsangehöriger – wendet sich gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 4. Juli 2017, mit dem sein Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt, ihm die Flüchtlingseigenschaft und der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt wurden, ferner festgestellt wurde, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, und die Abschiebung nach Mali oder einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht wurde.
Mit Urteil vom 8. Januar 2019 wies das Verwaltungsgericht Regensburg die vom Kläger erhobene Klage mit den Anträgen, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 4. Juli 2017 zu den Feststellungen zu verpflichten, dass er asylberechtigt sei und dass bei ihm die Flüchtlingseigenschaft, der subsidiäre Schutzstatus sowie Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorlägen, ab. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, dass das Gericht nicht habe erkennen können, warum der angefochtene Bescheid rechtswidrig sein könne; es werde daher gem. § 84 Abs. 4 VwGO der Begründung des vorher ergangenen, nicht rechtskräftig gewordenen Gerichtsbescheids vom 15. März 2018 gefolgt. In den Entscheidungsgründen dieses Gerichtsbescheids wird die Klageabweisung damit begründet, dass Gründe dafür, dass der angefochtene Bescheid des Bundesamts rechtswidrig sein könnte, weder vorgetragen worden noch für das Gericht ersichtlich gewesen seien; es werde gem. § 77 Abs. 2 VwGO der Begründung des Bescheides vom 4. Juli 2017 gefolgt.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 78 Abs. 3 AsylG) sind nicht in einer Weise dargelegt worden, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.
a) Der vom Kläger behauptete Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) setzt voraus, dass für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 7.11.2017 – 15 ZB 17.31475 – juris Rn. 7 m.w.N.; B.v. 24.4.2018 – 8 ZB 18.30874 – juris Rn. 4; B.v. 6. Juni 2018 – 15 ZB 18.31230).
Diesen Anforderungen genügt die Begründung des Zulassungsantrags nicht. In der Sache wendet sich der Kläger mit seinem Zulassungsvorbringen gegen die der angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegende tatrichterliche Sachverhalts- und Beweiswürdigung, ohne damit jedoch eine über den Einzelfall hinausgehende Klärungsbedürftigkeit einer entscheidungserheblichen Rechts- oder Tatsachenfrage hinreichend darzulegen.
Die in der Antragsbegründung als grundsätzlich angesehene Frage, ob „ein Abschiebungsverbot für den Kläger“ vorliege, ist in dieser allgemeinen Formulierung schon von vornherein keiner grundsätzlichen Klärung i.S. von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zugänglich, weil die Antwort auf diese von einer Vielzahl von Einzelumständen und Faktoren abhängig ist, sie deshalb nicht hinreichend konkret gefasst ist und sich in dieser Allgemeinheit somit in einem Berufungsverfahren in entscheidungserheblicher Weise nicht stellen würden (vgl. BayVGH, B.v. 7.11.2017 – 15 ZB 17.31475 – juris Rn. 26 m.w.N.; B.v. 9.8.2018 – 8 ZB 18.31801 – juris Rn. 8 m.w.N.). Im Übrigen muss zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit und der Entscheidungserheblichkeit bei Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Tatsachen- oder Rechtsfrage hinreichend substantiiert dargetan werden, warum die aufgeworfene Frage im Berufungsverfahren anders als im Bescheid vom 4. Juli 2017 und damit – über § 84 Abs. 4 VwGO i.V. mit § 77 Abs. 2 AsylG – auch anders als nach den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteil zu entscheiden sein könnte (BayVGH, B.v. 20.9.2018 – 15 ZB 18.32223 – juris Rn. 12; OVG LSA, B.v. 23.8.2018 – 3 L 293/18 – juris Rn. 3 m.w.N.; vgl. auch OVG NRW, B.v. 31.7.2018 – 19 A 1675.17.A – juris Rn. 12 m.w.N.). Dem wird die Antragsbegründung mit dem pauschalen Vorbringen, es seien diverse nach Bescheiderlass eingetretene Umstände nicht berücksichtigt worden, nämlich
– dass nach Quellen aus dem Jahr 2018 im Norden Malis trotz eines unterzeichneten Waffenstillstandsabkommens nach wie vor Bürgerkrieg herrsche und dass sich die Instabilität seit 2013 vom Norden bis ins Zentrum Malis ausgebreitet habe, dass die Zahl an bewaffneten Gruppen, die Angriffe ausführten, wachse und dass der Ausnahmezustand daher erst im Jahr 2017 zuletzt erweitert worden sei,
– dass rückgeführte Malier laut dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amts zwar keine Repressalien von staatlicher Seite zu befürchten hätten, allerdings gegebenenfalls in den Herkunftsgemeinden und Familien gesellschaftlich als Versager gebrandmarkt würden,
– dass die Ausführungen des Auswärtigen Amtes im Lagebericht generell nicht darauf schließen ließen, dass Rückkehrer in Südmali willkommen seien, sowie
– dass Mali zu den ärmsten Ländern der Erde zähle, dass über 50% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebe und dass das Armutsrisiko auch für die junge Bevölkerung besonders hoch sei,
nicht gerecht. Unabhängig davon, dass die Antragsbegründung sich nicht damit auseinandersetzt, dass bzw. ob die als nachträglich betitelten Umstände bereits zu dem gem. § 77 Abs. 1 AsylG relevanten Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (8. Januar 2019) vorlagen, erfolgt mit den aufgezeigten Erwägungen jedenfalls keine substantiierte Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Erwägungen des Bescheids und damit über § 84 Abs. 4 VwGO, § 77 Abs. 2 AsylG auch des angegriffenen Urteils vom 8. Januar 2019, wonach es dem jungem, gesunden und arbeitsfähigen Kläger, der vor seiner Ausreise in der Lage gewesen sei, seinen Lebensunterhalt zu erwirtschaften, zugemutet werden könne, sich in sicheren Landesteilen Malis aufzuhalten, und wonach sein guter gesundheitlicher Zustand es ihm ermögliche, sich in seinem bisherigen Erwerbsfeld als Bauhelfer auf Baustellen an verschiedenen Orten seines Herkunftslandes in der sich dynamisch entwickelnden Wirtschaft sein Existenzminimum zu erwirtschaften. Soweit der Kläger vortragen lässt, dass eine Rückführung des Klägers von Seiten der malischen Regierung blockiert werde, hat dies zudem mit der Frage des Bestehens von Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nichts zu tun (BVerwG, B.v. 10.10.2012 – 10 B 39.12 – InfAuslR 2013, 42 = juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 7.1.2019 – 15 ZB 18.32780 – juris Rn. 10).
b) Inwieweit – wie der Kläger behauptet – die angefochtene Entscheidung von obergerichtlicher Rechtsprechung abweichen soll (vgl. § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG), gibt der Zulassungsantrag nicht an.
c) Nicht näher substantiiert ist auch die Behauptung, ihm sei das rechtliche Gehör versagt worden (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V. mit § 138 Nr. 3 VwGO). Der durch Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistete Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gibt einem Prozessbeteiligten das Recht, alles aus seiner Sicht Wesentliche vortragen zu können. Ein Verfahrensfehler in Form der Versagung rechtlichen Gehörs liegt nur vor, wenn das Gericht einen entscheidungserheblichen Vortrag der Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen bzw. bei seiner Entscheidung nicht erwogen hat (vgl. BVerwG, U.v. 20.11.1995 – 4 C 10.95 – NVwZ 1996, 378 = juris Rn. 13 m.w.N.) oder einen entsprechenden Vortrag dadurch vereitelt hat, dass es unter Verstoß gegen das Prozessrecht den Beteiligten die Möglichkeit zu weiterem Vortrag abgeschnitten hat und dieser übergangene bzw. vereitelte Vortrag nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des Gerichts entscheidungserheblich war (vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2017 – 15 ZB 17.30494 – juris Rn. 24 m.w.N.; B.v. 5.9.2018 – 15 ZB 18.32208 – juris Rn. 4; B.v. 8.10.2018 – 15 ZB 17.30545 – juris Rn. 17). Nähere Darlegungen finden sich auch hierzu in der Zulassungsbegründung nicht. Insbesondere wird aus der Antragsbegründung nicht klar, warum der Kläger in seinem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt sein soll, weil das Verwaltungsgericht eine Überprüfung eines Abschiebungsverbots aufgrund neuer Tatsachen unterlassen habe.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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