Verwaltungsrecht

Unbegründeter Folgeantrag

Aktenzeichen  W 8 S 19.31175

Datum:
26.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 16491
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 123
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 71
VwVfG § 51
AufenthG § 60

 

Leitsatz

Die Ahndung eines Verstoßes gegen eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht, die den Betroffenen nicht wegen seiner Religion, seiner politischen Überzeugung oder eines sonst asylerheblichen Merkmals treffen soll, stellt keine flüchtlingsrelevante Verfolgung dar, wenn die Sanktion an eine alle Staatsbürger gleichermaßen treffende Pflicht anknüpft.  (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag im Sofortverfahren wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird sowohl im vorliegenden Sofortverfahren als auch für das Verfahren W 8 K 19.31174 abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist algerischer Staatsangehöriger. Ein erster Asylantrag wurde unanfechtbar abgelehnt (vgl. VG Würzburg, B.v. 23.5.2018 – W 8 K 18.30250 – juris sowie BayVGH, B.v. 8.11.2018 – 15 ZB 18.31694).
Am 22. Mai 2019 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag). Zur Begründung brachte der Antragsteller im Wesentlichen vor: Bei einer Rückkehr nach Algerien befürchte er, wegen der Militärdienstverweigerung inhaftiert zu werden, da das Militär nach dem Rücktritt des alten Präsidenten weiterhin die Macht im Land habe. Außerdem befürchte er, dass sich die Lage im Land verschlimmere.
Mit Bescheid vom 11. Juni 2019 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1). Weiter lehnte es den Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 2. Januar 2017 (Az.: …*) bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ab (Nr. 2). Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzung für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens lägen nicht vor. Weder die Sach- oder Rechtslage habe sich zugunsten des Antragstellers geändert, noch lägen neue Beweismittel vor. Bereits im Erstverfahren sei vom Antragsteller eine Verfolgung in Algerien wegen Wehrdienstentziehung behauptet, rechtlich gewürdigt und abgelehnt worden. Neue Beweismittel oder Dokumente seien nicht vorgelegt worden. Die vom Antragsteller befürchtete Verschlimmerung der Situation in Algerien nach Rücktritt des Präsidenten bedeute für ihn nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit das Eintreten eines individuellen ernsthaften Schadens. Der Antragsteller habe insoweit keine persönlichen Umstände vorgetragen, die die Gefahr für ihn so erhöhten, dass von individuellen konfliktbedingten Gefahren gesprochen werden könne. Auch eine Unterschreitung des Existenzminimums sei nicht zu befürchten.
Am 24. Juni 2019 erhob der Antragsteller im Verfahren W 8 K 19.31174 Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid und beantragte – neben Prozesskostenhilfe – im vorliegenden Sofortverfahren:
Die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet.
Zur Begründung verwies der Antragsteller auf seinen Vortrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte des Hauptsacheverfahrens W 8 K 19.31174) und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist – bei sach- und interessengerechter Auslegung des Begehrens des Antragstellers (§ 88 VwGO i.V.m. § 122 VwGO) – zulässig, aber unbegründet.
Der anwaltlich nicht vertretene Antragsteller begehrt im Ergebnis, infolge des Erlasses eines negativen Bescheides im Folgeverfahren ohne erneute Abschiebungsandrohung aufgrund der rechtskräftigen Abschiebungsandrohung im Erstverfahren im Bescheid vom 2. Januar 2017 bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nicht abgeschoben zu werden. In der letzten Zeit mehren sich Gerichtsentscheidungen, die bei der vorliegenden Fallgestaltung im Hinblick auf die Systematik und Effizienz sowie das Rechtsschutzziel des Antragstellers allein einen Antrag nach § 123 VwGO für richtig erachten (vgl. etwa OVG RhPf., B.v. 14.1.2019 – 7 B 11544/18 – AuAS 2019, 65; VGH BW, B.v. 29.11.2018 – 12 S 2504/18 – DÖV 2019, 247; Hess VGH, B.v. 13.9.2018 – 3 B 1712/18.A – NVwZ-RR 2019, 342 sowie VG Würzburg, B.v. 18.4.2019 – W 8 S 19.30705 – juris m.w.N.).
Das Gericht lässt es dahingestellt, ob statthafter Rechtsbehelf gegen die Nummer 1 des streitgegenständlichen Bescheides ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO oder § 123 VwGO ist, weil der Eilantrag insoweit in der Sache nach überschlägiger Prüfung in jedem Fall nicht erfolgreich ist.
Der Eilantrag bezogen auf die Nummer 1 des streitgegenständlichen Bescheides ist jedenfalls unbegründet. Das Bundesamt ist nach summarischer Prüfung im Ergebnis zurecht davon ausgegangen, dass die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen der § 71 Abs. 1 AsylG, § 51 VwVfG, nicht vorliegen und der Folgeantrag gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG unzulässig ist. Insoweit wird auf die betreffenden Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Das Bundesamt hat im streitgegenständlichen Bescheid darauf hingewiesen, dass das Vorbringen des Antragstellers im Wesentlichen schon Gegenstand des Erstverfahrens gewesen ist bzw. dort hätte vorgetragen werden können und müssen. Schon im Erstverfahren ist ausgeführt, dass die Ahndung eines Verstoßes gegen eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht, die den Betroffenen nicht wegen seiner Religion, seiner politischen Überzeugung oder eines sonst asylerheblichen Merkmals treffen soll, keine flüchtlingsrelevante Verfolgung darstellt, wenn die Sanktion an eine alle Staatsbürger gleichermaßen treffende Pflicht anknüpft (vgl. etwa – konkret bezogen auf Wehrpflicht und Wehrdienstentziehung – BVerwG, B.v. 24.4.2017 – 1 B 22/17 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 67 m.w.N.). Für die Annahme eines Umschlagens eventueller Strafverfolgungsmaßnahmen – etwa wegen Wehrdienstentziehung – in eine politische Verfolgung ist im Fall des Antragstellers nichts ersichtlich. Daraus kann daher auch kein Abschiebungshindernis resultieren (vgl. im Erstverfahren VG Würzburg, U.v. 23.5.2018 – W 8 K 18.30250 – juris), zumal die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung drohen könnte, und die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung einer Abschiebung nicht entgegenstehen (§ 60 Abs. 6 AufenthG).
Auch soweit der Antragsteller die Verschlimmerung der Situation in seinem Heimatland nach Rücktritt des alten Präsidenten befürchtet, sind keine Wiederaufgreifensgründe substanziiert dargelegt. Insbesondere fehlt ein schlüssiges Vorbringen, das nunmehr eine günstigere Entscheidung für den Antragsteller möglich erscheinen lässt.
Vor diesem Hintergrund liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor, die gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG zu prüfen sind, sodass auch der Antrag nach § 123 VwGO betreffend die Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheides unbegründet ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Nach alledem war mangels Erfolgsaussichten in der Hauptsache auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowohl im vorliegenden Sofortverfahren als auch für das Klageverfahren W 8 K 19.31174 abzulehnen (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).


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