Verwaltungsrecht

Unstatthafter Eilantrag

Aktenzeichen  M 17 S 17.35471

Datum:
31.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 38 Abs. 1, § 75 Abs. 1
VwGO VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen einen ablehnenden Bescheid des Bundesamtes ist nicht statthaft, wenn das Bundesamt die Anträge des Antragstellers nicht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat, weil der Klage insoweit schon von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zukommt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger, Zugehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und sunnitischen Glaubens. Er reiste nach eigenen Angaben am … November 2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 18. Juli 2016 Asylantrag.
Bei der Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am … November 2016 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, dass er eine Beziehung mit einer Frau gehabt habe, die … und schiitischen Glaubens gewesen sei. Er habe ihr einen Heiratsantrag gemacht. Ihr Bruder sei zu ihm ins Büro in … gekommen, habe ihn mit einem Messer angegriffen und im Gesicht verletzt. Der Kläger und seine Freundin hätten intime Videoaufnahmen von ihrer Beziehung angefertigt und diese Videos seien in Afghanistan publik gemacht worden. Im September 2016 habe der Verlobte der Frau diese sowie deren Mutter umgebracht. Er sei verhaftet worden und sitze im Gefängnis. Der Antragsteller habe sich zu Hause versteckt und sei drei Tage später geflohen. Wegen der Videos, deren Inhalt in Afghanistan eine Straftat darstelle, könne ihn jeder steinigen oder erschießen oder es drohten ihm ungefähr 20 Jahre Gefängnis. Die Familie des Mädchens, die Taliban und weitere Leute verfolgten ihn. Für die Taliban sei das, was er gemacht habe, eine Vergewaltigung. Die Taliban sei zu ihm nach Hause gekommen und hätte seine Familie bedroht.
Mit E-Mail vom 24. November 2016 erklärte der Antragsteller im Wesentlichen, dass im Protokoll nicht erwähnt worden sei, dass er sein Handy verloren habe oder es ihm gestohlen worden sei, obwohl er dies mehrfach in der Anhörung erwähnt habe. Auch habe er gesagt, dass er während seines weiteren Aufenthalts in Afghanistan drei bewaffnete Leibwächter gehabt habe, was sein damaliger Arbeitgeber arrangiert hätte.
Mit Bescheid vom 8. März 2017, zugestellt am 10. März 2017, lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) und auf subsidiären Schutz (Nr. 3) ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4). Der Antragsteller wurde aufgefordert, innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung bzw. unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen, anderenfalls wurde ihm die Abschiebung nach Afghanistan bzw. in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Zudem wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
Zur Begründung führte das Bundesamt insbesondere aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter nicht vorlägen. Der Antragsteller habe seine begründete Furcht vor Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden nicht glaubhaft gemacht. Aus seinem Vorbringen sei nicht erkennbar, dass er sich tatsächlich in Lebensgefahr befunden habe oder bei Rückkehr dorthin Furcht um Leib und Leben haben müsse. Die vorgetragene Verletzung mit dem Messer durch den Bruder seiner Freundin erscheine nicht glaubhaft. Es sei widersprüchlich, dass der Antragsteller dem Bruder die Adresse seines Büros überlassen haben solle, wenn mit einer Gefahr von dessen Seite zu rechnen gewesen sein müsse. Im Übrigen sollte dem Bruder die Beziehung bekannt gewesen sein, wenn dieser die Adresse vom Freund seiner Schwester erhalten habe. Ebenso wenig widerspruchsfrei sei der Vortrag, wie bzw. durch wen die angeblichen Videoaufnahmen drei Jahre nach dem Zustandekommen der Beziehung in das öffentliche Netz eingestellt worden sein sollten. Videoaufnahmen seien bislang nicht nachgereicht worden, sodass davon auszugehen sei, dass diese nie existiert hätten. Es erscheine auch nicht plausibel, dass der Antragsteller und seine Freundin drei Jahre lang eine Beziehung hätten pflegen können, obwohl die Familie der Freundin davon habe wissen müssen, da deren Bruder den Antragsteller bereits zu Beginn gedroht haben solle. Unabhängig vom Wahrheitsgehalt des Sachvortrags lägen keine der Anknüpfungsmerkmale der Flüchtlingseigenschaft vor und der Antragsteller sei auf den internen Schutz in den Großstädten … zu verweisen. Der Antragsteller gehöre zur Gruppe der gesunden und arbeitsfähigen jungen Männer, bei denen grundsätzlich davon auszugehen sei, dass interne Schutzmöglichkeiten zumindest in afghanischen Städten sowie den Provinzen … und … bestünden, und dass sie dort das erforderliche Existenzminimum erlangen könnten. Das gelte auch, wenn sie bei der Rückkehr nicht auf ein familiäres Netzwerk, über das der Antragsteller jedoch verfüge, zurückgreifen könnten. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. Anhaltspunkte dafür, dass dem Antragsteller die Todesstrafe, Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung drohten, habe der Antragsteller nicht glaubwürdig vortragen können. Dem Antragsteller könne es auch zugemutet werden, sich in einem sicheren Landesteil aufzuhalten. Für keine der afghanischen Provinzen könne generell ein Gefährdungsgrad für Zivilpersonen angenommen werden, der die Feststellung einer erheblichen individuellen Gefahr allein auf Grund einer Rückkehr in das Herkunftsgebiet und Anwesenheit dort rechtfertige. Der Antragsteller stamme aus dem Distrikt … der zentralafghanischen Provinz … und somit aus einem Gebiet, in dem nach den Erkenntnissen der Bundesregierung von einer teilweise intensiven Bedrohungslage auszugehen sei. Er habe jedoch nicht glaubhaft dargelegt, bereits einen ernsthaften Schaden infolge des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts erlitten zu haben bzw. unmittelbar Gefahr gelaufen zu sein, einen solchen zu erleiden. Folglich hätten sich die allgemeinen konfliktbedingten Gefahren in seiner Person nicht schutzauslösend zugespitzt. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Antragsteller bei Rückkehr nach Afghanistan einer individuellen Gefahrerhöhung ausgesetzt wäre. Darüber hinaus könne er, wie bereits ausgeführt, auf einen internen Schutz in einem anderen Teil des Herkunftslandes verwiesen werden, zumal seine Eltern, Geschwister und seine Großfamilie in seinem Heimatland lebten. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Dem Antragsteller drohe keine durch einen staatlichen oder nichtstaatlichen Akteur verursachte Folter oder relevante unmenschliche oder erniedrigende Behandlung. Die derzeitigen humanitären Bedingungen führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Dieser sei ein volljähriger, gesunder und junger Mann. Er verfüge über eine qualifizierte zwölfjährige Schulausbildung sowie ein Bachelor-Hochschulabschluss. Mangels eigener familiärer Bindungen habe er keine eigenen Unterhaltslasten zu tragen. Auf Basis einer Ausbildung sollte der Antragsteller nach wie vor in der Lage sein, sich wieder eine eigene Existenz in seiner Heimat aufbauen zu können. Selbst ohne nennenswertes Vermögen wäre er im Falle einer Rückkehr in der Lage, zumindest durch Gelegenheitsarbeiten, wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen, sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren und allmählich wieder in die afghanische Gesellschaft zu integrieren. Dem Antragsteller drohe auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 15. März 2017, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangen am 22. März 2017, Klage (M 17 K 17.35470) und beantragte gleichzeitig,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Eine Begründung erfolgte bisher nicht.
Die Antragsgegnerin stellte keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren M 17 K 17.35470 sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist bereits unzulässig.
Gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage in denjenigen Fällen anordnen bzw. wiederherstellen, in denen sie gemäß § 80 Abs. 2 VwGO entfällt. Da die Anträge des Antragstellers im Bescheid vom 8. März 2017 nicht als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurden, hat die Klage hier jedoch aufschiebende Wirkung (vgl. § 75 Abs. 1, § 38 Abs. 1 AsylG), so dass der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht statthaft ist.
Der (gerichtskostenfreien, § 83b AsylG) Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.


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