Verwaltungsrecht

Untätigkeit und Rechtsschutzbedürfnis

Aktenzeichen  M 30 K 18.34421

Datum:
2.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 43092
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 75, § 161 Abs. 3
AsylG § 25, § 29 Abs. 1 Nr. 5

 

Leitsatz

Beschränkt der Kläger den Klageantrag seiner Untätigkeitsklage gegen das Bundesamt auf eine (reine) Bescheidung über sein Asylbegehren, bedarf es für die Beschränkung auf eine Bescheidungsuntätigkeitsklage eines entsprechenden besonderen Rechtsschutzbedürfnisses, da im Regelfall nur ein Rechtsschutzbedürfnis für die auf Vornahme gerichtete Untätigkeitsklage besteht. Ein solches Rechtsschutzbedürfnis liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn der Kläger bereits gem. § 25 AsylG durch das Bundesamt zu seinen Asylgründen angehört worden ist. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Gegenstandswert wird auf EUR 2.500,- festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 3. Dezember 2018 durch seinen Bevollmächtigten Klage wegen Untätigkeit der Beklagten in Bezug auf einen von ihm am 30. September 2014 gestellten Asylantrag erhoben, zur Begründung darauf verwiesen, dass nach 51 Monaten seit Asylantragstellung noch keine Entscheidung ergangen sei, und beantragt,
Die Beklagte wird verpflichtet, das Asylverfahren des Klägers fortzuführen und über die Anträge des Klägers zu entscheiden.
Ein Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 22. Dezember 2014 – Gesch.Z.: …, mit dem der Asylantrag des Klägers wegen Zuständigkeit Portugals nach der Dublin III-VO als unzulässig abgelehnt wurde, wurde mit Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts München vom 27. Oktober 2015 – M 9 K 15.50009 – wegen Ablaufs der Überstellungsfrist aufgehoben. Eine Anhörung des Klägers gemäß § 25 AsylG erfolgte am 2. November 2016. Nach einem Info-Request an Portugal vom 21. September 2018 mit Antwort per Email vom gleichen Tage erhielten der Kläger sowie sein Bevollmächtigter mit Schreiben vom 14. November 2018 schriftlich eine weitere Anhörung wegen Einstufung des Asylantrags als Asylzweitantrag bis zum 10. Dezember 2012. Der Kläger äußerte sich hierauf schriftlich am 30. November 2018, eingegangen beim Bundesamt am 3. Dezember 2018. Daraufhin erließ das Bundesamt am 11. Dezember 2018 einen Bescheid, mit dem der Asylantrag des Klägers als unzulässig i.S.v. § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 71a AsylG abgelehnt wurde.
Mit Schreiben vom 27. Dezember 2018 erklärte der Bevollmächtigte des Klägers bezugnehmend auf das Schreiben des Bundesamtes vom 11. Dezember 2018 die Verwaltungsstreitsache für erledigt.
II.
Nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 11. Dezember 2018 nunmehr über den Asylantrag entschieden hat, wurde die Hauptsache vom Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 27. Dezember 2018 für erledigt erklärt. Die Beklagte hat am 27. Juni 2017 mit allgemeiner Prozesserklärung vorab einer Erledigung zugestimmt. Das Verfahren ist daher in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich vorliegend nach billigem Ermessen i.S.v. § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu Lasten des Klägers und nicht aus der Kostenfolge nach § 161 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 75 VwGO zu Lasten der Beklagten. Die Klage war mangels besonderem und allgemeinem Rechtsschutzbedürfnis nicht zulässig und § 161 Abs. 3 VwGO zudem nicht einschlägig, da der Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung bis zum Bescheidserlass am 11. Dezember 2018 nicht mit seiner Bescheidung rechnen durfte.
Zwar wird die Klage ausdrücklich mit einer Untätigkeit des Bundesamts begründet und mag die Erhebung einer Untätigkeitsklage gerichtet auf eine (reine) Bescheidung über das Asylbegehren eines Asylantragstellers grundsätzlich nicht gänzlich ausgeschlossen sein. Für eine Beschränkung auf eine Bescheidungsuntätigkeitsklage bedarf es jedoch eines entsprechenden besonderen Rechtsschutzbedürfnisses, da im Regelfall nur ein Rechtsschutzbedürfnis für die auf Vornahme gerichtete Untätigkeitsklage besteht (vgl. BVerwG, U.v. 11.7.2018 – 1 C 18/17 – juris Rn. 21 ff.). Ein solches Rechtsschutzbedürfnis bestand für die erhobene Klage angesichts der konkreten Umstände des Einzelfalls nicht. Dabei kann dahinstehen, ob das Bundesamt über den Asylantrag des Klägers gemäß § 75 Satz 1 VwGO ohne zureichenden Grund nach unangemessen langer Zeit noch nicht entschieden hatte. Dies alleine kann das besondere Rechtsschutzbedürfnis nicht begründen. Der Untätigkeitsklage lag vielmehr keine Konstellation zugrunde, für die nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das besondere Rechtsschutzbedürfnis für eine Bescheidungsklage bejaht werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 11.7.2018 – 1 C 18/17 – juris Rn 32). Die Anhörung des Klägers gemäß § 25 AsylG war bereits im Jahr 2016 und eine weitere Anhörung zum Vorliegen eines Zweitantrags mit schriftlicher Stellungnahme des Klägers vom 30. November 2018 erfolgt. Ein Grund bzw. ein Bedürfnis für eine rein auf Fortführung und Bescheidung gerichtete Klage ist somit nicht erkennbar und nicht vorgetragen.
Vielmehr war zum Zeitpunkt der Klageerhebung für den Kläger und seinen Bevollmächtigten erkennbar, dass das Asylverfahren durch das Bundesamt gerade betrieben wurde und wegen der noch offenen Anhörungsfrist bis zum 10. Dezember 2018 nicht mit einer Bescheidung vor Ablauf dieser Frist nicht gerechnet werden konnte. Unmittelbar nach Ablauf der Anhörungsfrist wurde dem Klagebegehren sodann auch Rechnung getragen. Dadurch fehlte der Klage bis zur übereinstimmenden Erledigung neben dem besonderen Rechtsschutzbedürfnis auch das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis.
Fehlt es an den (allgemeinen oder besonderen) Sachentscheidungsvoraussetzungen für eine auf Bescheidung gerichtete Untätigkeitsklage richtet sich die Kostentragungspflicht nicht nach § 161 Abs. 3 VwGO (vgl. Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 34. EL Mai 2018, § 161 Rn. 39 m.w.N.; a.A. Kopp/Schenke, VwGO, 24. Auflage 2018, § 161 Rn. 35a).
Im Übrigen wäre die Kostentragungspflicht für die Beklagte nach § 161 Abs. 3 VwGO insoweit nicht einschlägig, als der Kläger wegen der bestehenden offenen Anhörungsfrist zum Zeitpunkt der Klageerhebung gerade nicht mit einer Bescheidung rechnen durfte.
Richtet sich die Kostenentscheidung aber nach billigem Ermessen i.S.v. § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO, ist es vorliegend aufgrund der voranstehenden Ausführungen ermessensgerecht, die Kosten dem Kläger aufzuerlegen.
Mit der allgemeinen Prozesserklärung des Bundesamtes vom 27. Juni 2017 hat die Beklagte eine Herabsetzung des Gegenstandswerts in Fällen, die (nur) auf Fortsetzung des Asylverfahrens gerichtet sind, beantragt. Eine Reduzierung des Gegenstandswerts auf 2.500,- Euro in Nr. 3 des Beschlusses entspricht den Gründen der Billigkeit i.S.v. § 30 Abs. 2 RVG, da das Bestehen materieller Ansprüche des Klägers nicht Gegenstand im vorliegenden Verfahren war.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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