Verwaltungsrecht

Unterrichtsausschluss wegen Fehlverhaltens

Aktenzeichen  RO 3 S 16.1033

Datum:
21.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayEUG BayEUG Art. 86

 

Leitsatz

Die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen die Ordnungsmaßnahme des Unterrichtsausschlusses für zwei Wochen (Art. 86 Abs. 2 Nr. 6 BayEUG ) ist anzuordnen, wenn der Sachverhalt im Eilverfahren nicht hinreichend aufgeklärt erscheint und ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit deshalb nicht ausgeschlossen werden kann (hier: die Entwendung von Stiften eines Mitschülers konnte sowohl ein schweres Fehlverhalten im Sinne eines Eigentumsdeliktes als auch ein harmloser Schülerstreich sein). (redaktioneller Leitsatz)
Zwischen den Ordnungsmaßnahmen nach Art. 86 Abs. 2 BayEUG besteht kein Stufenverhältnis. Vielmehr muss die Ordnungsmaßnahme nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz an die Schwere des jeweiligen Fehlverhaltens anknüpfen. Ein weniger schweres Fehlverhalten mit der nächst schwereren Ordnungsmaßnahme zu belegen, nur weil die vorausgegangene Maßnahme erfolglos blieb, ist deshalb unverhältnismäßig. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 6. Juli 2016 gegen den Bescheid der Staatlichen Realschule 1… vom 28. Juni 2016 wird angeordnet.
II.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Dem Antragsteller geht es um vorläufigen Rechtsschutz gegen den Ausschluss vom Unterricht für zwei Wochen im Zeitraum vom 11. bis 22. Juli 2016 an der Staatlichen Realschule 1…
Der am … 2001 geborene Antragsteller besucht im Schuljahr 2015/2016 die Klasse 7B der Staatlichen Realschule 1… Er hatte im Schuljahr 2011/2012 die Mittelschule 2… besucht, im Schuljahr 2012/2013 und im Schuljahr 2013/2014 das 3… Gymnasium …, und im Schuljahr 2014/2015 das 4… Gymnasium …
Im Schuljahr 2015/2016 wurden gegenüber dem Antragsteller die folgenden Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen ausgesprochen:
– 29. September 2015 Verweis wegen nicht abgegebener Zusatzarbeit
– 15. Oktober 2015 Mitteilung wegen zum vierten Mal fehlender bzw. unvollständiger Hausaufgaben
– 20. Oktober 2015 Nacharbeit wegen fehlender Hausaufgaben
– 21. Oktober 2015 Mitteilung wegen nachlässiger Arbeitshaltung
– 23. Oktober 2015 Verweis wegen Gefährdung der Mitschüler durch Steinewerfen
– 29. Oktober 2015 Nacharbeit wegen wiederholt fehlendem Religionsheft
– 12. November 2015 Nacharbeit wegen fehlender Hausaufgaben und Unterrichtsmaterialien
– 19. November 2015 verschärfter Verweis wegen Gefährdung von Mitschülern durch Rennen mit einem Zeigestab
– 23. November 2015 Nacharbeit wegen fehlender Übungsarbeit
– 24. November 2015 Nacharbeit wegen wiederholt fehlender Hausaufgaben
– 26. November 2015 Verweis wegen unentschuldigten Fehlbleibens von einer Nacharbeit
– 2. Dezember 2015 verschärfter Verweis wegen Unterschriftenfälschung bei zwei erteilten Ordnungsmaßnahmen
– 16. Dezember 2015 Mitteilung wegen angekündigten Unterrichtsausschlusses
– 22. Dezember 2015 Unterrichtsausschluss für sechs Tage wegen Werfens mit einer gefüllten Getränkeflasche nach einer Mitschülerin
– 14. Januar 2016 Mitteilung wegen wiederholt fehlender Arbeitsmaterialien
– 5. Februar 2016 Verweis wegen fehlender Hausaufgaben und fehlender Aufgaben aus der Zeit des Unterrichtsausschlusses.
– 7. April 2016 Verweis wegen fehlender Hausaufgaben
– 7. April 2016 Nacharbeit wegen fehlender Hausaufgaben
– 15. April 2016 Nacharbeit wegen wiederholt fehlender Übungsarbeit
– 21. April 2016 Nacharbeit wegen weiterhin fehlender Hausaufgaben
– 2. Mai 2016 Verweis wegen Unterrichtsstörung durch mehrfaches Dazwischenreden trotz Ermahnungen
– 3. Juni 2016 verschärfter Verweis wegen Handynutzung auf dem Schulgelände
– 10. Juni 2016 Nacharbeit wegen fehlender Übungsaufgabe
Gegen den Unterrichtsausschluss vom 22. Dezember 2015 erhoben die Eltern des Antragstellers Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2016 zurückgewiesen wurde.
Am 6. Juni 2016 ereignete sich ein Vorfall, bei dem der Antragsteller von einer Mitschülerin mehrere Stifte nahm, die er an einen Mitschüler weitergab.
Nach der Aktennotiz der Schule vom 7. Juni 2016 bestritt der Antragsteller, von einer Mitschülerin mehrere Stifte entwendet zu haben. Der Schüler … habe angegeben, der Antragsteller habe ihm die Materialien der Schülerin unaufgefordert gegeben, er solle sie nehmen. Die Mitschülerin … habe angegeben, der Antragsteller habe drei bunte Textmarker, ein Geo-Dreieck, einen Tintenkiller und einen Kugelschreiber aus ihrem Mäppchen genommen, ohne sie zu fragen und ohne dass sie dem zugestimmt hätte. Eine Information sei an die Lehrkraft Frau … gegangen. Als Ergebnis des Aktenvermerks wurde festgehalten: unerlaubtes Entwenden fremden Eigentums und Belügen der Schulleitung trotz eindringlicher Mahnung.
Nach dem Protokoll zur Lehrerkonferenz am 9. Juni 2016 wurde die Einleitung eines Verfahrens zur Androhung der Entlassung nach Art. 86 Abs. 2 Nr. 8 BayEUG beschlossen. Mit Schreiben vom 9. Juni 2016 erging die Einladung zur Sitzung des Disziplinarausschusses am Mittwoch, 22. Juni 2016. Tagesordnungspunkt war die Ordnungsmaßnahme der Androhung der Entlassung gegen den Antragsteller.
Mit Schreiben vom 10. Juni 2016 wurden die Erziehungsberechtigten des Antragstellers über die Sitzung des Disziplinarausschusses am 22. Juni 2016 informiert. Der Antragsteller falle während des gesamten Schuljahres durch Störung des Unterrichts, nicht angefertigte Hausaufgaben, Missachtung von Regeln und Vorschriften sowie Gefährdung der Rechte anderer auf. Es wurde darauf hingewiesen, dass der Disziplinarausschuss befugt sei, Ordnungsmaßnahmen nach Art. 86 BayEUG einzuleiten, u. a. den Ausschluss vom Unterricht für einen bestimmten Zeitraum, die Androhung der Entlassung von der Schule und die Entlassung von der Schule. Dem Schüler und seinen Erziehungsberechtigten sei Gelegenheit zur Äußerung zu geben, auf Antrag auch persönlich vor dem Disziplinarausschuss. Auf Antrag der Erziehungsberechtigten könne der Elternbeirat im Disziplinarverfahren mitwirken. Zudem könne ein Lehrer besonderen Vertrauens eingeschaltet werden.
Mit Schreiben vom 18. Juni 2016 wies der jetzige Prozessbevollmächtigte des Antragstellers u. a. darauf hin, die bisherigen Vorwürfe seien ausschließlich dem Bereich des Arbeitsverhaltens zuzuordnen. Die einzigen disziplinarischen Vorwürfe beträfen das Verhalten hinsichtlich Störung des Unterrichts sowie versehentliche Handynutzung. Es werde angeregt, das Verfahren einzustellen und mit der Familie gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
Mit Schreiben vom 21. Juni 2016 teilte die Staatliche Realschule 1… mit, der Termin am Mittwoch, 22. Juni 2016 finde planmäßig statt.
Auf das Protokoll der Disziplinarausschusssitzung vom 22. Juni 2016 wird verwiesen. In der Sitzung wurde einstimmig beschlossen, den Antragsteller für zwei Wochen vom Unterricht auszuschließen.
Mit Bescheid der Staatlichen Realschule 1… vom 28. Juni 2016 wurde gegenüber dem Antragsteller der Ausschluss vom Unterricht für die Dauer von zwei Wochen im Zeitraum 11. bis 22. Juli 2016 verfügt. Der Antragsteller habe am 6. Juni 2016 die Stifte einer Mitschülerin ohne deren Einverständnis entwendet und sie anderen Schülern zugesteckt. Durch das Entwenden der Stifte der Mitschülerin habe der Antragsteller wiederholt die grundlegenden, nicht nur auf sein Arbeitsverhalten bezogenen Regeln missachtet, die für ein funktionierendes Schul- und Klassenleben erforderlich seien. Im konkreten Fall respektiere er die Eigentumsrechte seiner Mitschülerin nicht. Außerdem zeige er sich wenig einsichtig. Eine mildere Ordnungsmaßnahme als Reaktion auf das aktuelle Fehlverhalten des Antragstellers erscheine u. a. deshalb nicht erfolgversprechend, weil mildere Ordnungsmaßnahmen hinsichtlich früherer Vorkommnisse keine Verhaltensänderung hätten bewirken können. Die Ordnungsmaßnahme sei verhältnismäßig. Im Übrigen wird auf den Inhalt des Bescheids verwiesen.
Am 6. Juli 2016 hat der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid vom 28. Juni erhoben. Auf die Widerspruchsbegründung wird verwiesen.
Am 6. Juli 2016 hat der Antragstellers zudem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht Regensburg stellen lassen.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, der Antragsteller habe gemäß seiner eidesstattlichen Versicherung einen Füller und einen Tintenkiller von seiner Mitschülerin … an sich genommen. Als diese sich die Stifte habe zurücknehmen wollen, habe der Antragsteller diese an seinen Mitschüler …, der sich in unmittelbarer Nähe befunden habe, weitergegeben. Daraufhin habe … aufgegeben, die Stifte zurückzubekommen und nach Unterrichtsbeginn gegenüber der Lehrkraft geäußert, dass sie nicht mitschreiben könne. Nach Aufforderung der Lehrkraft habe der Mitschüler … die Stifte zurückgegeben. Nach Aussage von … habe diese den Vorfall nicht als besonders schlimm empfunden und die Reaktion seitens der Schulleitung verwunderlich gefunden. Die bisherigen Vorwürfe seien fast ausschließlich dem Bereich des Arbeitsverhaltens zuzuordnen. Die einzigen disziplinarischen Vorwürfe das Verhalten betreffend seien das einmalige Stören des Unterrichts sowie die versehentliche Handybenutzung. Die Ordnungsmaßnahme beziehe sich explizit nur auf das Fehlverhalten vom 6. Juni 2016. So heiße es im Bescheid vom 28. Juni 2016 „Nach Überzeugung des Disziplinarausschusses handelt es sich bei der Berücksichtigung des bisherigen Verhaltens nicht um eine nochmalige Ordnungsmaßnahme für das frühere Verhalten.“ Das Fehlverhalten des offenen Wegnehmens der beiden Stifte ohne jedwede Drohung oder Zueignungsabsicht trage offensichtlich keinen zweiwöchigen Unterrichtsausschluss. Dies verstoße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, auch unter Berücksichtigung der aufgeführten pädagogischen Maßnahmen im Laufe des Schuljahres, die beinahe alle das Arbeitsverhalten beträfen und vergleichsweise nicht schwerwiegend erschienen. Das Fehlverhalten sei nicht schematisch zu erfassen gewesen, sondern hätte individuell ermittelt werden müssen. Bereits verbrauchte Sachverhalte könnten nicht mehr herangezogen werden. Art. 86 BayEUG spreche von „schwerem oder wiederholtem Fehlverhalten“. Man könne nicht so weit gehen, dass man auf Altfälle abstelle, die bereits durch Ordnungsmaßnahmen bzw. pädagogische Maßnahmen umfassend sanktioniert seien. Allenfalls könne man heranziehen, was nach dem 22. Dezember 2015 geschehen sei. Auf dieser Basis könne man definitiv keine Größenordnung zusammenfassen, die in der Summe einem schweren Fehlverhalten gleichzusetzen wäre. Es sei evident, dass versucht werde, den Antragsteller verhaltensauffälliger darzustellen als er sei. Man dürfe auch nicht die Stufen von Ordnungsmaßnahmen abarbeiten (Verweis, verschärfter Verweis, Suspendierung von 6 Tagen und nunmehr Suspendierung von 14 Tagen). Im Übrigen habe der Antragsteller nicht Steine auf Mitschüler, sondern mit Mitschülern ein paar Kieselsteine in die Luft geworfen. Die Flasche habe er als Reaktion darauf geworfen, dass er selbst einen Stift an einen Kopf geworfen bekommen habe. Vorliegend habe er am 6. Juni 2016 auch nichts gestohlen, sondern seinem Mitschüler … die Stifte gegeben, der sie von sich aus nicht der Mitschülerin zurückgegeben habe. Alle hätten die ganze Zeit gewusst, wo die Stifte seien und die Lehrkraft habe die Sache sofort beendet. Die Schule schieße hier deutlich über das Ziel hinaus. Es gehe offensichtlich darum, den Antragsteller sukzessive loszuwerden.
Im Übrigen wird auf die eidesstattlichen Versicherungen des Antragstellers vom 5. Juli 2016 verwiesen.
Der Antragsteller beantragt:
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 6. Juli 2016 gegen den Bescheid der Staatlichen Realschule 1… vom 28. Juni 2016 wird angeordnet.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Nach Auffassung des Disziplinarausschusses habe der Antragsteller am Montag, 6. Juni 2016 die Stifte einer Mitschülerin ohne deren Einverständnis entwendet und sie anderen Schülern zugesteckt. Bei einer Befragung zum Sachverhalt habe er die Schulleitung trotz eindringlicher Ermahnung belogen. Die betroffene Mitschülerin und ein weiterer Zeuge hätten den Ausführungen des Antragstellers widersprochen. Das Verhalten des Antragstellers weise in seiner gesamten bisherigen Schullaufbahn Auffälligkeiten auf. Im Schuljahr 2015/2016 mussten sowohl seine Arbeitshaltung als auch sein Verhalten gegenüber Mitschülern wiederholt beanstandet werden. Zu den Aufgaben des Disziplinarausschusses gehöre es auch die Rechte der Mitschüler zu sichern. Gegenüber Mitschülern habe sich der Antragsteller im laufenden Schuljahr wiederholt verhaltensauffällig bzw. gefährdend verhalten. Die Gefährdung von Mitschülern durch Steinewerfen sei am 23. Oktober 2015 mit einem Verweis geahndet worden. Eine weitere Gefährdung von Mitschülern sei am 19. November 2015 mit einem verschärften Verweis geahndet worden. Auch diese Maßnahme habe nur über einen begrenzten Zeitraum Wirkung gezeigt. Als der Antragsteller am 15. Dezember 2015 mit einer Getränkeflasche im Klassenzimmer nach einer Mitschülerin geworfen habe, sei er für den Zeitraum von sechs Tagen vom Unterricht ausgeschlossen worden. Der Unterrichtsausschluss habe bis Juni 2016 bewirkt, dass vom Antragsteller keine wesentliche Beeinträchtigung der Rechte der Mitschüler mehr ausgegangen sei, wenngleich er hinsichtlich seines Arbeitsverhaltens weiterhin permanent ermahnt habe werden müssen. Die neuerliche Missachtung der Rechte der Mitschüler durch das Entwenden fremden Eigentums habe dazu geführt, dass nur ein neuerlicher Ausschluss vom Unterricht zu einer dauerhaften Verhaltensänderung des Antragstellers führen werde. Von einer Doppelbestrafung könne nicht die Rede sein. Die Schulleitung und der Disziplinarausschuss hätten sich an die Hierarchie der in Art. 86 BayEUG festgelegten Ordnungsmaßnahmen als Erziehungsmaßnahmen gehalten. Wenn Maßnahmen einer niedrigeren Stufe nicht gegriffen hätten, sei bei einem folgenden Fehlverhalten eine Maßnahme einer entsprechend höheren Stufe ergriffen worden, konkret: schriftlicher Verweis, verschärfter Verweis, Ausschluss vom Unterricht für sechs Tage, Ausschluss vom Unterricht für zwei Wochen. Der Disziplinarausschuss sehe das Entwenden fremden Eigentums durchaus als ein schwerwiegendes Vergehen an, das sich an eine Kette weiterer schwerwiegender Vergehen des Antragstellers während des Schuljahres 2015/2016 anschließe. Im Beschluss des Disziplinarausschusses seien die Rechte und Pflichten des Schülers gewürdigt worden. Ebenso seien die von der Mutter dargelegten positiven Seiten umfassend berücksichtigt worden. Ziel der Ordnungsmaßnahme sei es, eine Verhaltensänderung zu bewirken. Eine mildere Ordnungsmaßnahme für das Fehlverhalten des Schülers sei deshalb nicht viel versprechend, weil diese hinsichtlich früherer Vorkommnisse eben keine dauerhafte Verhaltensänderung habe bewirken können. Eine Übertragung der Ordnungsmaßnahme für das neue Schuljahr sei nicht zweckdienlich. Eine Anbindung des Schulausschlusses an Schulferien würde eine Verlängerung der Ferien bedeuten und erscheine deshalb nach pädagogischen Grundsätzen wenig sinnvoll.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag ist zulässig und begründet.
Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen belastenden Verwaltungsakt grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung, soweit dies gesetzlich besonders angeordnet ist. Gemäß Art. 86 Abs. 14 BayEUG entfällt die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Ordnungsmaßnahmen nach Abs. 2 Satz 1 Nrn. 3 bis 10 sowie gegen Maßnahmen nach Abs. 13 Satz 1. Die Ordnungsmaßnahme, gegen die sich der Antragsteller wendet, hat seine Rechtsgrundlage in Art. 86 Abs. 2 Nr. 6 BayEUG. Danach kann der Ausschluss vom Unterricht von zwei bis vier Wochen ab dem 7. Schulbesuchsjahr durch die Lehrerkonferenz als Ordnungsmaßnahme getroffen werden. Der gegen diese Ordnungsmaßnahme erhobene Widerspruch hat vorliegend keine aufschiebende Wirkung.
Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs ganz oder teilweise anordnen. Der Antrag ist begründet, wenn eine vom Gericht vorzunehmende eigenständige Interessenabwägung ergibt, dass das Suspensivinteresse des Antragstellers das grundsätzlich bestehende öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der in Art. 86 Abs. 14 BayEUG aufgeführten Ordnungsmaßnahme – hier Ausschluss vom Unterricht für zwei Wochen – im Einzelfall überwiegt. Für diese Interessenabwägung sind in erster Linie die Erfolgsaussichten der Hauptsache maßgeblich. Führt eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache dazu, dass der Rechtsbehelf Erfolg haben wird, kann kein öffentliches Interesse daran bestehen, dass der mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrige Verwaltungsakt sofort vollzogen wird. Wird der Hauptsacherechtsbehelf umgekehrt aller Voraussicht nach erfolglos bleiben, muss der Antragsteller grundsätzlich nicht einstweilen aus privaten Interessen vor dem Vollzug des rechtmäßigen Verwaltungsakts verschont bleiben. Erscheinen die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen und auch nur möglichen summarischen Prüfung als offen, sind die widerstreitenden Interessen, unabhängig von einem voraussichtlichen Ergebnis des Hauptsacheverfahrens gegeneinander abzuwägen. Dabei kommt es insbesondere darauf an, wie schwer und belastend und mit welchen Folgen die angegriffene Anordnung in die Rechtsphäre des Antragstellers eingreift und unter welchen Erschwernissen sie wieder rückgängig gemacht werden kann und wie dringlich demgegenüber das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzung der angegriffenen Verfügung zu bewerten ist (vgl. BayVGH, B. v. 2.9.1993 – 7 CS 93.1736 – juris).
Im vorliegenden Fall kann derzeit nicht eindeutig festgestellt werden, dass der Antragsgegner den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei Verhängung der Ordnungsmaßnahme hinreichend beachtet hat. Ferner spricht einiges dafür, dass er fälschlicherweise von einem Stufenverhältnis der Ordnungsmaßnahmen in Art. 86 Abs. 2 BayEUG ausging. Sonach wäre der Rechtsbehelf in der Hauptsache, vorliegend der Widerspruch, erfolgreich, dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wäre daher stattzugeben.
Geht man im vorliegenden Fall davon aus, dass die Erfolgsaussichten des Widerspruchs derzeit noch offen sind, kommt eine deshalb unabhängig von den Erfolgsaussichten in der Hauptsache vorzunehmende Interessensabwägung zu einem Überwiegen des Suspensivinteresses des Antragstellers gegenüber dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners, so dass der vorliegende Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ebenfalls erfolgreich ist.
Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache erscheinen nach summarischer Prüfung derzeit insofern als offen, da Tatsachen und Feststellungen, auf denen die Entscheidung des Disziplinarausschusses, den Antragsteller für zwei Wochen vom Unterricht auszuschließen, beruht, derzeit einer sachlichen Prüfung nicht standhalten. Insbesondere ergibt sich aus dem Vortrag der Antragstellerseite ein vom Akteninhalt abweichender Sachverhalt. Eine diesbezügliche weitere Sachaufklärung könnte allenfalls im Widerspruchsverfahren bzw. einem Hauptsacheverfahren erfolgen.
Die Ordnungsmaßnahme des Ausschlusses vom Unterricht für zwei Wochen findet seine Rechtsgrundlage in Art. 86 Abs. 2 Nr. 6 BayEUG. Sie dient der Sicherung des Bildungs- und Erziehungsauftrags oder dem Schutz von Personen und Sachen und unterliegt, wie jede andere Ordnungsmaßnahme, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 86 Abs. 1 BayEUG). Für die Wahl der Ordnungsmaßnahme unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit kommt es vor allem darauf an, ob und in welchem Maß die Erfüllung des Anstaltszwecks gestört wird und die Erziehungsverantwortung der Schule beeinträchtigt wird. Die Ordnungsmaßnahme hat darauf abzustellen, inwieweit der auch in Art. 131 BV, Art. 1 und 2 BayEUG umschriebene Erziehungszweck der Schule behindert wird. Die Wahl der Ordnungsmaßnahme ist eine pädagogische Ermessensentscheidung, bei der der Disziplinarausschuss (Art. 86 Abs. 2 Nr. 6 i. V. m. Art. 58 Abs. 1 Satz 3 BayEUG, § 9 Abs. 2 Satz 2 und 3 RSO) darauf zu achten hat, dass die Ordnungsmaßnahme in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des zu ahndenden oder zu unterbindenden Verhaltens steht. Eine Bindung an die Reihenfolge der Ordnungsmaßnahmen nach Art. 86 Abs. 2 BayEUG besteht nicht (vgl. BayVGH, B. v. 14.6.2002 – 7 CS 02.776 – juris). Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung über die Ordnungsmaßnahme wird vorwiegend durch pädagogische Maßnahmen bestimmt, die sich daran ausrichten müssen, ob das Verhalten des Schülers der betreffenden Schule im Hinblick auf die unbeeinträchtigte Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags oder wegen des Schutzes Dritter nicht mehr hingenommen werden kann. Das Fehlverhalten des Schülers ist objektiv festzustellen und im Hinblick auf seine Schwere zu gewichten. Dabei entzieht sich die rein nach pädagogischen Gesichtspunkten vorzunehmende Beurteilung der Person und des Verhaltens des Schülers einer vollständigen Erfassung nach rein rechtlichen Kriterien und bedingt sachnotwendig, ähnlich wie bei sonstigen pädagogischen Werturteilen einen Wertungsspielraum des zuständigen Schulorgans. In den Bereich spezifisch pädagogischer Wertungen und Überlegungen können die Verwaltungsgerichte nicht korrigierend eingreifen. Sie können nicht anstelle des Disziplinarausschusses eigene pädagogische Erwägungen anstellen, zu denen sie sachgerecht auch nicht in der Lage wären. Trotz der Grenzen gerichtlicher Kontrolle haben die Gerichte aber den gegen die Ordnungsmaßnahme erhobenen Einwendungen nachzugehen. Insbesondere haben die Gerichte zu kontrollieren, ob gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit durch den Disziplinarausschuss mit der Wahl der Ordnungsmaßnahme verstoßen wurde. Der gerichtlichen Überprüfung unterliegt es ferner, ob die Schule frei von sachfremden Erwägungen entschieden hat und sie ihre Entscheidung auf Tatsachen und Feststellungen gestützt hat, die einer sachlichen Überprüfung stand halten.
Zwar sind vorliegend keine Verfahrensfehler erkennbar. Der Disziplinarausschuss der Realschule war für die Verhängung der Ordnungsmaßnahme gemäß Art. 86 Abs. 2 Nr. 6 BayEUG, Art. 58 Abs. 1 Satz 3 BayEOG und § 9 RSO zuständig. Er hat in der Sitzung vom 22. Juni 2016 mit der Zahl der Mitglieder über die Ordnungsmaßnahme entschieden und diese einstimmig beschlossen. Der Antragsteller und seine erziehungsberechtigten Eltern hatten die Gelegenheit sich zu äußern (Art. 86 Abs. 9 Satz 2 BayEUG). Die Mutter des Antragstellers wurde persönlich in der Disziplinarausschusssitzung angehört. Mit Schreiben vom 10. Juni 2016 wurden der Antragsteller bzw. seine Erziehungsberechtigten durch die Schule zudem darauf hingewiesen, dass eine Lehrkraft des Vertrauens und der Elternbeirat eingeschaltet werden könnten, Art. 86 Abs. 9 Satz 4 und 10 BayEUG. Von dieser Möglichkeit haben die Erziehungsberechtigten nach Aktenlage keinen Gebrauch gemacht. Die Ordnungsmaßnahme wurde im angefochtenen Bescheid basierend auf der Entscheidung des Disziplinarausschusses hinreichend begründet (Art. 39 BayVwVfG).
Jedoch kann derzeit nicht festgestellt werden, dass die Ordnungsmaßnahme auf einem zutreffenden, hinreichend ermittelten Sachverhalt beruht bzw. auf Tatsachen und Feststellungen gestützt ist, die einer sachlichen Überprüfung stand halten. Vielmehr ist fraglich, ob nicht ein unzutreffender oder lückenhafter Sachverhalt zugrunde gelegt wurde.
Im vorliegenden Fall erschiene zwar denkbar, dass, wenn es sich tatsächlich um ein Fehlverhalten im Sinne eines Entwendens fremden Eigentums, d. h. in Richtung eines Eigentumsdelikts handeln würde, dieses Fehlverhalten die Ordnungsmaßnahme in Bescheid vom 28. Juni 2016 tragen könnte. Denn dann würde es sich um ein schweres nicht entschuldbares Fehlverhalten zulasten eines Mitschülers bzw. einer Mitschülerin handeln. Der Antragsteller hätte dann auch nachvollziehbar gezeigt, dass er sich durch vorangegangene Ordnungsmaßnahmen nicht nachhaltig beeinflussen hat lassen. Ob bei dem Ereignis am 6. Juni 2016 tatsächlich ein derartiges Fehlverhalten vorlag und nicht lediglich ein harmloser Schülerstreich, ist aber nicht hinreichend klar dokumentiert. Laut der Aktennotiz (Bl. 73 der Akten der Schule) hat der Antragsteller bestritten, von einer Mitschülerin mehrere Stifte entwendet zu haben. Nachdem die Schulleitung ihn zur Wahrheit ermahnt hat, sei er bei seiner Darstellung geblieben. Nach der Darstellung des Mitschülers … im Aktenvermerk habe der Antragsteller ihm die Materialien der Mitschülerin unaufgefordert gegeben. Nach der Darstellung der Mitschülerin … im Aktenvermerk habe der Antragsteller drei bunte Textmarker, ein Geo-Dreieck, einen Tintenkiller und einen Kugelschreiber aus deren Mäppchen genommen, ohne sie zu fragen und ohne dass sie dem zugestimmt habe. Es sei dann eine Information an die Lehrkraft, Frau …, gegangen.
Weitere Details des Vorfalls ergeben sich aus den Schülerakten nicht. Das Fehlverhalten des Antragstellers wurde nach dem Protokoll der Disziplinarausschusssitzung vom 22. Juni 2016 hinsichtlich des Sachverhalts nicht näher diskutiert. Der Antragsteller selbst war in der Disziplinarausschusssitzung nicht anwesend und hat sich nicht weiter zum Vorfall am 6. Juni 2016 geäußert. Die Mutter des Antragstellers hat sich ebenfalls nicht weiter zum Sachverhalt eingelassen. Nach einer Aktennotiz über einen Telefonanruf am 29. Juni 2016 (Bl. 143 der Schülerakten) wollte die Mutter des Antragstellers wissen, was ihr Sohn gegenüber der Schulleitung ausgesagt habe. Es bestehe der Verdacht der Einflussnahme. Das Schreiben vom 10. Juni 2016, in dem u. a. die Ordnungsmaßnahme nach Art. 86 BayEUG gegenüber den Erziehungsberechtigten des Antragstellers angekündigt wurde, enthält nur den allgemeinen Hinweis „Die jüngsten Vorfälle binnen kürzester Zeit betreffen neben der Nutzung eines Handys im Schulgebäude das Belügen des Schulleiters und einer Lehrkraft im Zusammenhang mit dem Entwenden fremden Eigentums.“ Der konkrete Sachverhalt wird nach Aktenlage auch im Bescheid vom 28. Juni 2016 nicht näher dargelegt, wo es heißt: „Durch das Entwendens der Stifte der Mitschülerin hat … wiederholt die grundlegenden – nicht nur auf sein Arbeitsverhalten bezogenen – Regeln missachtet, die für ein funktionierendes Schul- und Klassenleben erforderlich sind. Im konkreten Fall respektierte er die Eigentumsrechte seiner Mitschülerin nicht. Außerdem zeigte er sich wenig einsichtig.“
Mit Widerspruchsschreiben vom 6. Juli 2016 wie auch mit der Antragsschrift vom 6. Juli 2016 wird seitens des Antragstellers ein anderer Sachverhalt aufgeworfen. Sonach gibt er zwar zu, einen Füller und einen Tintenkiller von seiner Mitschülerin an sich genommen zu haben. Hinsichtlich des „Entwendens“ fremden Eigentums wird jedoch eingewandt, das der Antragsteller die Stifte nicht heimlich an sich genommen hat und weitergegeben hat, als die Schülerin … sich die Stifte zurücknehmen wollte. So heißt es u. a. in der Antragsschrift vom 6. Juli 2016 „als diese sich die Stifte zurücknehmen wollte, gab der Antragsteller diese an seinen Mitschüler … weiter, der sich in unmittelbarer Nähe befand.“ Nach Darstellung des Antragstellers erfolgte das Wegnehmen von Schreibutensilien seiner Mitschülerin in aller Öffentlichkeit. Die Mitschülerin wusste auch, wer sie genommen hatte, nämlich der Antragsteller, und wandte sich, nachdem sie den Versuch aufgegeben hatte, die Stifte zurückzubekommen, an die Lehrkraft. Laut weiterer Darstellung der Antragstellerseite habe der Mitschüler … die Stifte zurückgegeben, als die Lehrkraft ihn dazu aufgefordert hat (vgl. eidesstattliche Versicherung des Antragstellers vom 5.7.2016), die Mitschülerin habe den Vorfall auch nicht als schlimm empfunden.
Der Aktenvermerk zum Vorfall am 6. Juni 2016 auf Bl. 73 der Schulakten ist detailarm. Ein Wortprotokoll der Befragung der beteiligten Schüler und der Lehrkraft StRin &… ist in den Akten nicht enthalten. Einer „Entwendung“ im eigentlichen Sinn, d. h. eine Tat, die über einen Schülerstreich oder sozialtypisches pubertäres Schülerverhalten hinausgeht und Rechte von Mitschülern verletzt, steht entgegen, dass die Tat nicht heimlich begangen wurde und der Antragsteller die Gegenstände nicht behalten hat, sondern sie einem Mitschüler gab, als die Mitschülerin die Stifte zurücknehmen wollte. Dies spricht aber eher dafür, dass er die Mitschülerin ärgern wollte und nicht dafür, dass er ihr Eigentum an sich nehmen und sie schädigen wollte. Aus welchen Gründen der Mitschüler … die Schreibmaterialien nicht sofort wieder an die Mitschülerin … zurückgegeben hat, ist in den Akten nicht dokumentiert. Insofern bleibt die weitere Reaktion der Mitschüler … und … unklar. Auch unter welchen konkreten Umständen die Schreibmaterialien an die Mitschülerin zurückgegeben wurden, was die Schüler mit der Lehrkraft Frau &… besprochen haben, welchen Eindruck sie hatte und wie sich der Antragsteller ihr gegenüber eingelassen hat, ist nicht dokumentiert. Unklar bleibt auch, ob und welche äußeren Umstände das Geschehen beeinflusst haben mögen, aus welcher Motivation der Antragsteller gehandelt haben mag und ob es eine Vorgeschichte zu dem Vorfall gab. Widersprüchlich ist auch, wenn es im Bescheid heißt, die Stifte seien anderen Schülern zugesteckt worden, wohingegen es sich nach dem Akteninhalt und dem Vortrag der Beteiligten nur um den einen Mitschüler … gehandelt hat.
Letztlich fällt es der Kammer nach dem Akteninhalt schwer, den Vorfall nachvollziehbar von einem typischen aber vergleichsweise harmlosen Schülerstreich bzw. pubertärem Schülergeplänkel abzugrenzen. Dementsprechend kann auch nicht abschließend beurteilt werden, ob die Maßnahme verhältnismäßig, insbesondere angemessen ist.
Im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird zudem darauf hingewiesen, dass zwar vorherige Ordnungsmaßnahmen, wie auch vorheriges Fehlverhalten des Antragstellers bei der Wahl der Ordnungsmaßnahme und unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit einbezogen werden können, insbesondere auch, inwiefern frühere Ordnungsmaßnahmen zu einer Verhaltensänderung, zu Wohlverhalten oder Einsicht geführt haben oder nicht. Es darf auch grundsätzlich berücksichtigt werden, wenn der Antragsteller in der näheren Vergangenheit immer wieder auffällig war, indem er den Unterricht störte, Probleme mit Lehrerautorität hatte oder auffälliges bzw. aggressives Verhalten gegenüber Mitschülern zeigte. Auch dem Präventivcharakter einer Ordnungsmaßnahme, nämlich einem Nachahmungseffekt vorzubeugen oder diesen zu verhindern, darf bei der Wahl der Ordnungsmaßnahme Rechnung getragen werden. Allerdings besteht, wie ausgeführt, keine Bindung an die Reihenfolge der Ordnungsmaßnahmen nach Art. 86 Abs. 2 BayEUG. Vielmehr muss die Ordnungsmaßnahme im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes an das jeweilige Fehlverhalten anknüpfen. Daher kann ein weniger schweres Fehlverhalten nicht an die nächst schwerwiegende Ordnungsmaßnahme im Katalog des Art. 86 Abs. 2 BayEUG geknüpft werden, nur weil sich eine frühere, weniger schwerwiegende Ordnungsmaßnahme als nicht erfolgversprechend in dem Sinne erwiesen hat, dass der Schüler dadurch zu keiner Verhaltensveränderung veranlasst wurde.
Soweit die Staatliche Realschule 1… in der Stellungnahme vom 12. Juli 2016 darauf hinweist, dass sich die Schulleitung und der Disziplinarausschuss an die „Hierarchie“ der in Art. 86 BayEUG festgelegten Ordnungsmaßnahmen als Erziehungsmaßnahmen gehalten hat, und weiter ausführt, „Wenn Maßnahmen einer niederen Stufe nicht gegriffen haben, wurde bei einem folgenden Fehlverhalten eine Maßnahme einer entsprechend höheren Stufe ergriffen, konkret: schriftlicher Verweis, verschärfter Verweis, Ausschluss vom Unterricht für sechs Unterrichtstage, Ausschluss vom Unterricht für zwei Wochen.“, spricht dies dafür, dass die jeweilige Ordnungsmaßnahme nicht allein am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgerichtet wurde, sondern an einem vermeintlichen Stufenverhältnis der Ordnungsmaßnahmen in Art. 86 Abs. 2 BayEUG i. V. m. dem „Erfolg“ der letzten Ordnungsmaßnahme. Dadurch wird jedoch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gänzlich verkannt und es werden zudem sachfremde Erwägungen angestellt.
Sonach spricht derzeit Einiges dafür, dass der Widerspruch erfolgreich sein wird.
Auch eine unabhängig von den Erfolgsaussichten in der Hauptsache vorzunehmende Abwägung der widerstreitenden Interessen ergibt, dass das Interesse des Antragstellers, bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache vom Vollzug der Entlassungsverfügung verschont zu bleiben (Suspensivinteresse), das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt. Denn für das Gewicht des Suspensivinteresses des Antragstellers kommt es insbesondere darauf an, wie schwer und belastend und mit welchen Folgen die angegriffene Anordnung in die Rechtsphäre des Antragstellers eingreift und unter welchen Erschwernissen sie wieder rückgängig gemacht werden kann. Der Unterrichtsausschluss von zwei Wochen greift nicht unempfindlich in die Rechtsstellung des betroffenen Schülers ein. Dies gilt auch für die Zeit kurz vor den Ferien, auch wenn sie nicht mehr maßgeblich durch Leistungserhebung bestimmt ist. Denn dem Schüler wird mit dem Unterrichtsausschluss versagt, an der Vermittlung des Lehrstoffs teilzuhaben bzw. an gerade in den letzten Tagen vor den Ferien stattfindenden schulischen Veranstaltungen (z. B. Wander- oder Projekttage, Schulfest, Sportfest und dergleichen) teilzunehmen. Durch den Sofortvollzug würden weitgehend vollendete Tatsachen geschaffen, da die Zeit des Unterrichtsausschlusses nicht mehr zurück gedreht werden kann.
Nach alldem war dem Antrag daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG.


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